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Resolution des Kommunismus Kongresses 2023/Communism Congress 2023

Alle Informationen zum Kommunimus Kongress 2023 finden sich hier.

The English version of the resolution can be found below.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Teilnehmer des Kommunismus-Kongresses,
wir haben diesen Kongress organisiert, um einen Beitrag zum Kampf gegen den Imperialismus, gegen die NATO, gegen diese Räuberbande und Schlächter der Menschheit zu leisten.

Wir wollen eine gemeinsame Resolution dieses Kongresses vorschlagen und würden uns freuen, wenn Ihr sie mit Applaus annehmt und unterstützt.

Palästina hat sich erhoben! Palästina schlägt zurück! Der Befreiungskampf des palästinensischen Volks bricht durch! Buchstäblich: Gaza hat seine Gefängnismauern gesprengt! Eine lang ersehnte und notwendige Antwort auf über 100 Jahre Kolonialismus und 75 Jahre Besatzung, Vertreibung und Auslöschung der palästinensischen Nation!

Alle Unterdrückten der Welt und alle Befreiungsbewegungen stehen an der Seite des Widerstands gegen das zionistische Besatzungsregime.

Der Kommunismus-Kongress spricht seine volle Solidarität und Verbundenheit mit dem mutigen und entschlossenen Kampf Palästinas aus! Er ist ein leuchtendes Signal für den weltweiten Kampf gegen die Barbarei und für die Befreiung der Menschheit! Es ist eine historische Notwendigkeit, der aktiv zum Durchbruch verholfen wird: Ganz Palästina wird frei sein! Der zionistische Siedlerkolonialismus wird besiegt werden!

Der Kommunismus-Kongress spricht seine Solidarität mit unserem Referenten und Genossen Zaid Abdulnasser aus, dessen Aufenthalt entzogen werden soll. Unsere Botschaft ist unmissverständlich:  Zaid wird bleiben! Bis Palästina frei ist! Es lebe die palästinensische Befreiungsbewegung — in Palästina und in Deutschland!

Wer den Kampf gegen diese gut organisierten Verbrecher aufnimmt, wer sich den Kriegstreibern der NATO entgegenstellt, muss mit Isolation und Repression rechnen. Der wird lächerlich oder verächtlich gemacht. Wer für die Freiheit der Unterdrückten kämpft, wird von ihren Schergen verfolgt.

Der Kommunismus-Kongress spricht seine Solidarität mit den Kononovich-Brüdern aus, die vom Kiewer Regime als Geiseln genommen wurden und öffentlich mit dem Tode bedroht werden. Wir solidarisieren uns auch mit unserem Genossen und Referenten Alexej Albu, der von den ukrainischen Faschisten aus seiner Heimat vertrieben wurde und dem die europäischen Behörden die Einreise in die EU verweigern. Sie wollen ihn damit zum Schweigen bringen.

Der antifaschistische Kampf gegen die Bandera-Bande, die von den NATO-Staaten finanziert und bewaffnet wird, wird weiter gehen!

In Deutschland sitzen die Gesinnungsrichter preußischer Tradition in den Startlöchern, um alle zu drangsalieren, die nicht in den Kriegschor gegen Russland einstimmen. Die Bundesrepublik zeigt offen, was sie immer war: Das anti-kommunistische Bollwerk in Europa, dem Faschismus entwachsen.

Es sind die Ewiggestrigen kleingeistigen Pickelhaubenträger. Geben wir sie der Lächerlichkeit preis, denn sie sind nichts anderes als lächerliche Gestalten. Sie wollen mit Gewalt verhindern, dass die einfachsten Wahrheiten über die Kriegspläne und Kriegstreiberei der NATO ausgesprochen werden.

Setzen wir ihnen Mut und Entschlossenheit entgegen, das zu sagen, was ist! Es ist die NATO, die Faschismus und Krieg in die Ukraine und viele andere Länder der Welt gebracht hat. Sie ist der Aggressor!

Der Kommunismus-Kongress spricht seine Solidarität mit allen aus, die von der bundesdeutschen Gesinnungsjustiz verfolgt werden, weil sie gegen ihre Kriegstreiberei aufstehen. Stärken wir alle, die der NATO-Propaganda entgegen treten.

Wir rufen dazu auf, die Kampagne der Deutschen Kommunistischen Partei, DKP, gegen den Maulkorb für Kriegsgegner zu unterstützen und gegen den Paragraphen 130 anzukämpfen, der uns den Mund verbieten und einschüchtern soll.

Gestern war der 7. Oktober: Der Gründungstag der Deutschen Demokratischen Republik! Der Staat der deutschen Arbeiterklasse, der gegen den Imperialismus gekämpft hat, der brüderlich mit den Befreiungsbewegungen verbunden war, der den Internationalismus gelebt hat!

Lernen wir von der DDR, nehmen wir diesen Schatz unserer Geschichte für unsere heutigen Kämpfe!

Der Kampf gegen die imperialistischen Unterdrücker ist ein internationaler Kampf, es muss ein gemeinsamer Kampf der unterdrückten Völker und der Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren sein.

Wir wissen, dass die Herrschenden in den Zentren alle Mittel des Terrors und der Vernichtung gegen unsere Genossen in den unterdrückten Ländern anwenden. Viele Freiheitskämpfer fielen ihren Meucheltaten zum Opfer. Und auch heute werden viele verfolgt und mit dem Tode bedroht.

Der Kommunismus-Kongress sendet internationalistische Grüße an alle Kämpfer gegen Kolonialismus, Unterdrückung und Imperialismus.

Es lebe die internationale Solidarität — die Zärtlichkeit der Völker! 

Communism Congress Resolution 2023

Dear comrades, dear participants of the Communism Congress,

we have organized this congress to contribute to the fight against imperialism, against NATO, against this gang of robbers and butchers of humanity. We would like to propose a joint resolution for this congress and would be pleased if you approved and supported it with applause.

Palestine has risen! Palestine strikes back! The liberation struggle of the Palestinian people is breaking through! Literally: Gaza has blown up its prison walls! A long-awaited and necessary response to over 100 years of colonialism and 75 years of occupation, expulsion and extinction of the Palestinian nation! All the oppressed in the world and all liberation movements stand on the side of the resistance against the Zionist occupation regime.

The Communism Congress expresses its full solidarity and attachment to the courageous and determined struggle of Palestine! It is a shining signal for the global fight against barbarism and for the liberation of humanity! It is a historical necessity that is being actively helped to achieve a breakthrough: All of Palestine will be free! Zionist settler colonialism will be defeated!

The Communism Congress expresses its solidarity with our speaker and comrade Zaid Abdulnasser , whose stay is to be revoked. Our message is unmistakable: Zaid will stay! Until Palestine is free! Long live the Palestinian liberation movement – in Palestine and in Germany!

Anyone who takes up the fight against these well-organized criminals and opposes NATO’s warmongers must expect isolation and repression. He is ridiculed or despised. Anyone who fights for the freedom of the oppressed will be persecuted by their minions.

The Communism Congress expresses its solidarity with the Kononovich brothers, who were taken hostage by the Kiev regime and are publicly threatened with death. We also express our solidarity with our comrade and speaker Alexei Albu , who was expelled from his homeland by the Ukrainian fascists and to whom the European authorities are refusing entry into the EU. They want to silence him.

The anti-fascist fight against the Bandera gang, which is financed and armed by the NATO states, will continue!

In Germany, the judges of the Prussian tradition are waiting in the starting blocks to harass everyone who does not join in the war chorus against Russia. The Federal Republic is openly showing what it has always been: the anti-communist bulwark in Europe, which has outgrown fascism.

They are the old-fashioned, small-minded, spiked helmet wearers . Let’s expose them to ridicule,
because they are nothing but ridiculous figures. They want to use force to prevent the simplest truths about NATO’s war plans and warmongering from being spoken. Let us show them courage and determination, to say what is! It is NATO that brought fascism and war to Ukraine and many other countries around the world. She is the aggressor!

The Communism Congress expresses its solidarity with all those who are being persecuted by the Federal German justice system because they stand up against their warmongering. Let us strengthen everyone who opposes NATO propaganda. We call on you to support the campaign of the German Communist Party (DKP) against the muzzle of war opponents and to fight against paragraph 130, which is intended to forbid us from speaking up and intimidate us.

Yesterday was October 7th: the founding day of the German Democratic Republic! The state of the German working class, who fought against imperialism, who was fraternally connected to the liberation movements, who lived internationalism!

Let’s learn from the GDR, let’s use this treasure of our history for our struggles today!

The fight against the imperialist oppressors is an international struggle, it must be a common struggle of the oppressed peoples and the working class in the imperialist centers. We know that those in power in the centers use all means of terror and destruction against our comrades in the oppressed countries. Many freedom fighters fell victim to their assassinations. And even today many are persecuted and threatened with death.

The Communism Congress sends internationalist greetings to all fighters against colonialism, oppression and imperialism.
Long live international solidarity – the tenderness of peoples!

Umsturz in Syrien – Ursachen und Folgen. Mit Karin Leukefeld

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Aufzeichnung der Veranstaltung des Marx-Engels-Zentrum und der KO in Berlin, vom 9. April 2025. 

Nach Jahren eines zermürbenden Kriegs der Türkei, Israel, der USA und anderer NATO-Mächte gegen Syrien erlag die Regierung von Assad dem Ansturm einer Islamistenmiliz, die von der UNO als terroristische Organisation geführt wird. Sturmreif geschossen wurde die Regierung in Damaskus zuvor durch die Verhängung beispielloser Wirtschaftssanktionen, die zur Verarmung der großen Mehrheit des Volkes führte. 

Die vom „Westen“ gegen die Interessen Russlands, des Irans und Chinas durchgesetzte neue Ordnung ist aber alles andere als stabil. Große ethnische und religiöse Bevölkerungsgruppen wie die Kurden, die Alawiten und die Christen fühlen sich von den neuen, islamistischen Machthabern bedroht. Wohin wird das geschundene Land gehen?

https://youtu.be/A-dXOnV53LY

Hinaus zum Ostermarsch: Nein zur Zeitenwende heißt Nein zum Krieg gegen Russland!  

Die bundesweiten Ostermärsche stehen vor der Tür und selten war es notwendiger, Protest gegen Krieg und Aufrüstung auf die Straße zu tragen. Die BRD unterstützt weiterhin den Völkermord in Gaza und liefert Waffen in die Ukraine – bald vielleicht sogar Taurus. Auch die Kriegsvorbereitungen laufen auf Hochtouren: Die Schuldenbremse wurde im Schnelldurchlauf reformiert, die EU will Kriegskredite in Höhe von 800 Milliarden aufnehmen und die Einführung der Wehrpflicht rückt näher. Die Parteien befinden sich im Überbietungswettbewerb und die vor drei Jahren angekündigten 2% des BIP für Militärausgaben scheinen längst veraltet. Jetzt heißt es, 3,5% bis 5% (AfD) seien nötig. Gleichzeitig wurden erneut Sonderschulden von 500 Milliarden für „Infrastruktur“ verabschiedet. Diese fließen in Brücken, die Panzer tragen, Autobahnen und Schienenverbindungen von West nach Ost für den Kriegstransport und Forschung in neue Militärtechnologie. Die deutschen Unternehmen fokussieren auf Rüstungsproduktion oder wollten ihre Produktion auf diese umstellen und werden dabei massiv vom Staat subventioniert: Volkswagen, Thyssen, Rheinmetall. Die Namen sind fast dieselben, die Deutschland schon für den ersten und zweiten Weltkrieg aufrüsteten. 

Das Ganze läuft unter dem Mantel der Zeitenwende. Zeitenwende bedeutet nicht nur die allgemeine Aufrüstung und Kriegsvorbereitung der BRD, sondern die konkrete Kriegsvorbereitung gegen Russland. Dagegen müssen wir als Anti-Kriegsbewegung mit den diesjährigen Ostermärschen protestieren: Nein zur Zeitenwende heißt Nein zum Krieg gegen Russland!  

Wir teilen anlässlich der bevorstehenden Ostermärsche unsere Info-Broschüre zur Zeitenwende und Kriegsvorbereitung in Deutschland. Die Broschüre erklärt, warum die Zeitenwende keine Reaktion, sondern eine Aktion des deutschen Imperialismus ist und zeichnet die wichtigsten Entwicklungen in den letzten drei Jahren nach. Neben der militärischen, wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Aufrüstung richtet sie zuletzt den Blick auf das, was unser aller Aufgabe ist: Den Krieg gegen Russland zu stoppen! 

Alle Ostermarsch-Termine findet ihr hier. Wir sind bei folgenden Aktionen dabei:

Jena: 19.04. um 14 Uhr, Holzmarkt  

Leipzig: 19.04. um 15 Uhr, Kleiner Wilhelm-Leuschner-Platz 

Berlin: 19.04. um 13 Uhr, Mariannenplatz in Kreuzberg 

Dresden: 21.04. um 15 Uhr, Alaunpark

Frankfurt am Main: 21.04. um 13 Uhr, Römerberg 

Mannheim: 19.04 um 13:00, Kapuzinerplanken & 21.04 um 15 Uhr, Coleman Barracs 

Whoever engages in historical revisionism trivializes fascism

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A commentary by the Kommunistische Organisation on the occasion of the 80th anniversary of the self-liberation of Buchenwald

Addition and update on the latest developments in Buchenwald

We went to Buchenwald again this year to commemorate the prisoners in the camp and remember their resistance. And, of course, in connection with all of today’s fighters against fascism and imperialism.

Shortly before the entrance to the camp grounds, we were intercepted by the police and staff of the memorial. The comrade who continued to carry the kefiya on principle was banned from the premises by the staff. After we asked them to issue this ban in writing, they unlawfully refused to do so. However, we insisted and ultimately it was the police themselves who arranged for the memorial management to issue this document.

The written justification for the ban was handed to us after we had to wait for about an hour and a half under police surveillance. During this time, we were again checked by the police and, according to their own announcement, the policemen were explicitly instructed to remove people wearing kefiyas.

Later, at the official commemoration ceremony, Russia and Palestine were repeatedly defamed. One speech was more horrible than the other. Nobody wanted to know anything more about fighters in the camp, they only talked about victims. No solidarity, no resistance, no international cooperation and no self-liberation of the camp by the prisoners.

An international student delegation broke the silence. “Stop the Genocide in Palestine” was how they ended their speech, unexpectedly for everyone. A “scandal” for the memorial management. They intervened immediately and took a stand against this statement: “It is not appropriate to speak of genocide in a place like this”.

You can’t get to the heart of historical oblivion more forcefully than this. A genocide that is currently taking place is being denied at the location of horrific historical crimes.

The following commentary looks back at the developments of the last few years and focuses on the roots of historical revisionism.

After 80 years of self-liberation, the ghosts of the past are haunting the Ettersberg

Since 2022, representatives of the Russian Federation have not been invited to the commemoration ceremony and their wreaths for the victims of the camp have been disposed of. With millions of deaths, Russia paid a high toll in human lives for its liberation from fascism; hardly a family was spared. The George Cross, a symbol of the fight against fascism, is also banned on the site. On the occasion of the 80th anniversary of the liberation of Auschwitz, the memorial site management accused Russia of instrumentalizing the fascist past when its politicians speak of a denazification of Ukraine.[1] Not a word about the fascist death squads in the Ukrainian military and secret service or about the Bandera cult and hatred of Russians that permeates Ukrainian society. In keeping with this line, the official memorial service in 2022 did not fly the Belarusian flag, but that of the opposition.[2] This was despite the fact that the flags are usually supposed to represent the nationalities of the concentration camps prisoners. At the time of the Buchenwald concentration camp, the flag of the Belarusian opposition was the symbol of the Jewish-hating, Belarusian Nazi collaborators.

The failed attempts last year to prevent anti-fascists wearing keffiyeh from entering the memorial site are also part of this appalling policy. Fascists and activists expressing solidarity with Palestine are often lumped together: “When young people in Berlin chant ‘Free Palestine from German guilt’, it is hardly different from the ‘guilt cult’ narrative of the far right,”[3] said the memorial’s management in a speech on January 27 this year. While one side insists on transferring German guilt for the Holocaust instead of transferring it to Arabs and Palestinians, the other side denies Germany’s fascist crimes.

This policy of the memorial has its roots in the deeply reactionary historical revisionism upon which the Federal Republic of Germany is built. In the following, we want to provide some background information and review the history of the Buchenwald Memorial on the occasion of the 80th anniversary of the self-liberation. The dismissals and political purges since 1990 are only the tip of the iceberg. The history of protest and resistance against this historical revisionism is little known.

The fight against historical revisionism is on the order of the day

For the German war machine, which is currently to be oiled with 1.7 trillion euros, historical revisionism is a crucial lever. With historical revisionism, war and rearmament are legitimized. Germany claims to have learned from its past and that is precisely why it is allowed to have atomic bombs, send tanks to Ukraine or deliver bombs to Israel. With this historical revisionism, neo-fascist tendencies are also encouraged. So, we have to look very closely when people talk about German responsibility and lessons from history today. And we have to study the history of fascism and the anti-fascist resistance all the more carefully. It is our history, and we have to know it! Anyone who treats the experiences and class struggles of the past in a stereotyped and identitarian way is doomed to fail – this also applies to the danger of ritualizing commemoration by us communists.

The aim is to whitewash and defame fascist crimes to such an extent that one is able to commit new crimes in the name of these crimes. Or as the bourgeoisie calls it: responsibility. In concrete terms, this policy is expressed in the reversal of the perpetrator-victim relationship in World War II, which becomes necessary in order to prepare the war against Russia.  This is done, firstly, by ignoring German crimes in Eastern Europe and, secondly, by demonizing the Soviet Union, which one no longer wants to accept as a liberator. Thirdly, the role of German monopolies is suppressed, in order to declare continuities of fascism, which are still in the DNA of the FRG today, to be called an insane idea.

“The trail of blood leads from Buchenwald to Bonn.”

This was the succinct summary provided by the Buchenwald camp museum until 1990. In that same year, large parts of the exhibition were dismantled. In 1995, the exhibition was completely done away with.[4] During that time, the FRG conducted a inquisition: throughout East Germany, exhibitions were purged of any political content, and smaller concentration camp memorials were even completely demolished.

Why did the exhibition have to be moved from Buchenwald? Because the new memorial management did not want to see either the continuities in the FRG or the role of the monopolies and the financiers behind Hitler. Nor did the camp’s self-liberation and the international resistance fit into this picture. The new memorial management was fully in line with the FRG’s historical revisionism. The state, which never properly dealt with fascism itself, had no sympathy for the anti-fascism that emanated from the concentration camp memorial. While there was no memorial work or research in the FRG up to that point, it now had custody of the extensive archives and research of GDR historical scholarship. In the FRG, former prisoners had to fight for years for the establishment and maintenance of memorials – often unsuccessfully. The volunteers who worked to maintain the Dachau Memorial were repeatedly threatened with closure.[5] In the FRG, research on fascism was completely underfunded and had an outsider status. The broad reappraisal and research in the GDR, on the other hand, proves to this day that things can be done differently. In 1990, the majority of historians were thrown out on the street and banned from the universities of East Germany. Their protest and objection to these measures were drowned out by the nationalist euphoria of the GDR’s integration. A new historical narrative was imposed from above. Since then, the fate of the Buchenwald Memorial has been a prime example of historical revisionism.

The conversion of the Buchenwald Memorial

In 1990, the management of the memorial was also promptly liquidated, and a West German historical commission was set up. Dozens of dismissals and denunciations of the old staff followed. The new director of the memorial only stayed in the office for five days. When the historian’s DKP (German Communist Party) past became known, he had to leave immediately.[6]

The National Place of Remembrance at Buchenwald, planned and erected by former inmates, has since been vilified as a testament to the hypocritical and dictatorial GDR state propaganda.[7] For 35 years, Europe’s largest concentration camp memorial has been left to the whims of the weather conditions on the Ettersberg.

Instead, today the focus has been placed on the use of Buchenwald as an internment camp for Nazi officials, members of the SS and Wehrmacht soldiers between 1945 and 1950. This has provided fodder for the reactionary elements: the myth of the Soviet concentration camp Buchenwald was already widespread among many former Nazis in the young Federal Republic of Germany. The fact is that such internment camps were used in all four occupation zones and were based on lists provided by the British and American high command. The decision to do so was taken at the 1943 Allied Conference in Tehran.[8]

The prisoners of the Buchenwald internment camp received compensation early on as “Stalinist persecutees”. What already met with anti-fascist resistance in the FRG of the 1950s was taken to an extreme in the 1990s with a memorial that presents Nazis as victims. While one month of imprisonment in the Soviet internment camp meant 550 marks in compensation, inmates of the concentration camps were fobbed off with 150 marks, by the FGR. Communist prisoners of the concentration Camp got nothing and were exposed to state repression.[9] The memorial to the internment camp, built in 1990s, stands behind the effects chamber and extends over 250 square meters of forest. Since then it has been a place of pilgrimage for right-wingers and neo-fascists.[10]

Controversy over the anti-Fascist heritage

The renewed protest by anti-Fascists and former inmates of the concentration camp against this historical misrepresentation was vilified by the Springer press as the machinations of Communist ideologues and dismissed by the memorial. Nothing should stand in the way of the new historical narrative.[11]

The former inmates of the camp protested against such a reinterpretation of history to the very end. Buchenwald inmate Emil Carlebach criticized how the revolt of the Jewish inmates and the support of the international resistance in the camp were treated: „I myself was hidden under the floor of a barrack for eight days – until the liberation. I was to be hanged because I was suspected, not entirely without reason, of having been involved in preventing the deportation of the Jews to the death march. I myself wore the yellow star, and we saved over 900 children here who, in the words of the SS and the likes of Krupp and IG Farben, were useless eaters and were to be put in gas chambers. Today, all this is denounced by politicians and historians as a communist myth. (…) Well, not only Göbbels could lie, he also had successors.“[12]

Since the political eradication of memory in the nineties, the direction of the march is clear: “In Buchenwald, too, it is about how one deals with history in public and how one also deals with the anti-fascist myth of the GDR and such things. And there they need someone with experience in dealing with history in public, which not only requires, so to speak, scientific brilliance alone.” So the new memorial director Hofmann quoted in the taz-newspaper from 15.6.1992. There seems to be no room for historical facts when it comes to demonizing the anti-fascism of the GDR.

The never-ending attempts to accuse the GDR – and thus the political left – of anti-Semitism do not pass without a trace at Buchenwald. And this despite the fact that the memorial established at the site of the Jewish special camp in 1958, as well as numerous speeches and articles from the period, prove the opposite. It is all the more perfidious that the call of the illegal KPD “Against the disgrace of the Jewish pogroms” and the references to the joint resistance of Jews and Communists were deleted from the exhibition. Even the memorial plaque for Jerzy Zweig, the Polish-Jewish child from Naked Among Wolves who was saved, was removed. Zweig himself took legal action against the memorial management for repeatedly defaming him as a “swap child” and a “legend”.

In 2012, the Auschwitz Committee intervened. In an open letter to the german government, Esther Bejarano demanded: “An end to the surveillance of Holocaust survivors and the discrediting of their work as contemporary witnesses!” « She criticizes the secret services‘ snooping on the views of survivors and the general suspicion towards survivors‘ organizations and anti-fascist initiatives, while „those in government share responsibility for the German conditions today: the economization of thought, the erosion of solidarity in society, and, as a result, the social division that fuels fears. Racism, anti-Semitism and xenophobia are on the rise again in Germany today. [13]

A 1000-year-old stench

The Annexation of GDR not only brought with it a new view of history,  but also allowed hundreds of neo-Nazis to spread out again. To this day, they continue to attack the memorial and visiting groups: with Nazi salutes, swastika graffiti, mocking the victims, verbal abuse and sabotage. All too often, the neo-fascists get off with much too light sentences or completely unpunished. The new memorial for the Soviet internment camp, on the other hand, is a popular place of pilgrimage for neo-fascists. In 1996, a neo-Nazi group, including the NSU trio, visited the memorial in Nazi storm trooper-like uniforms to provoke.[14] In the GDR, this would have meant their arrest and saved 10 lives. In the FRG, the secret service-financed group was able to continue its mischief.

Over time, the plan to present victims and perpetrators in a more “differentiated” way also received increasing support from academics and politicians. The portrayal of the SS as diabolical perpetrators of violence is undifferentiated – the partial guilt of “red Kapos” must be included. The purely positive portrayal of the camp resistance is also problematic and proves the one-sidedness of GDR anti-fascism. Here, too, the tabloid Bild-Zeitung was quick to jump on the bandwagon: with its series of articles entitled “How Communists Helped the Nazis Kill,” it incited hatred against Buchenwald prisoners in the most repulsive way.

The Oath of Buchenwald states: “We shall stop our struggle only when the last culprit stands before the judges of the peoples!” In West Germany, these culprits built a new state. The warmongers and revanchists who are beating the drums for war against Russia today are coming into their own. Three goals testify to this day to the mentality of this Federal Republic: revenge against the Soviet Union, the subjugation of Eastern Europe and the shaking off of historical crimes.


[1] Gedenkstätte Buchenwald (2025): Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. 

[2] Website der Gedenkstätte Buchenwald (2022): 77. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora.

[3] Ebd.

[4] Zorn, Monika (1993): Hitlers Zweimal getötete Opfer.

[5] Daniela Dahn (2021): Der Schnee von Gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit, eine Abrechnung.

[6] Zorn, Monika (1993): Hitlers Zweimal getötete Opfer.

[7] Dutzende Artikel von BPB bis zur Website der Gedenkstätte zeugen davon.

[8] Dahn (2021), S.102.

[9] Daniela Dahn (2021): Der Schnee von Gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit, eine Abrechnung.

[10] Ebd.

[11] Daniela (2021)

[12] Thomas Knecht (2010): Carlebach 1. (YouTube Video ab Min. 6:46) 

[13] Esther Bejarano (2012): Offener Brief des Auschwitz Komitees an die Regierenden (Glocke vom Ettersberg Nr. 205)

[14] Stiftung Gedenkstätten (2021): Besucher*innen, die nicht willkommen sind. (Eine Auswahl neofaschistischer Angriffe und Provokationen). 

Ein Koalitionsvertrag für den Krieg

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Die zukünftige Regierung hat letzten Mittwoch mit dem neuen Koalitionsvertrag einen 146-seitigen Maßnahmenkatalog für die nächsten Jahre vorgelegt.1 Die politische Richtung ist klar: Aufrüstung nach innen, Kriegsvorbereitung nach außen. Wir haben die wichtigsten Vorhaben gesammelt und eingeordnet.

Geschenke fürs Kapital: „Deutschland ist zurück“2

Was ist geplant?

Die Koalition will Unternehmen subventionieren, deren Profite erhöhen und die Investitionsbedingungen im Sinne des Kapitals ausbauen. Dabei ist konkret die Einrichtung eines Deutschland-Fonds, der vom Bund mit zehn Milliarden, also aus Steuergeldern, bezuschusst wird, geplant. Außerdem werden ein Industriestrompreis sowie verschiedene Steuererleichterungen (Körperschafts- und Einkommenssteuer) für Unternehmen durchgesetzt.3 Diese erhalten außerdem durch die degressive Abschreibung von Investitionen große Steuergeschenke.4 Das Lieferkettengesetz, das Unternehmen formal zur arbeits- und menschenrechtlichen Nachverfolgung der beteiligten Lieferketten verpflichtete, wird abgeschafft.5 Das 500 Milliarden schwere Sondervermögen für eine kriegstüchtige Infrastruktur wurde noch durch den abgewählten Bundestag gepeitscht. Der Koalitionsvertrag sieht eine Reform der Schuldenbremse sowie eine Prüfung der Überführung von Sondervermögen in den regulären Haushalt vor.6

Was heißt das?

Im Vorfeld der Bundestagswahl waren alle der oben genannten Vorhaben von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden propagiert worden. Der deutsche Imperialismus steckt in der Krise und setzt neben der militärischen Aufrüstung verstärkt auf Klassenkampf von oben. Der Staat will die deutschen Unternehmen und Monopole subventionieren und so wettbewerbsfähig halten, um seine Stellung als drittgrößte Volkswirtschaft nicht zu verlieren. Regularien, Preise und Steuern werden durch staatliche Maßnahmen gesenkt, um die Bedingungen für das Kapital noch profitabler zu gestalten. Alle Maßnahmen bedeuten eine Umverteilung des Nationaleinkommens, also eine Verteilung von unten nach oben.

Klassenkampf von oben: „Sanktionen müssen schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden“7

Was ist geplant?

Die Umverteilung soll über verschiedene Angriffe auf die Arbeiterklasse durchgeführt werden: Die neue Regierung will das Bürgergeld abschaffen und durch eine neue Grundsicherung mit Arbeitszwang ersetzen.8 Im Unterschied zum Bürgergeld sollen alle, die keine Arbeit aufnehmen, mit bis zu 100% sanktioniert werden. Außerdem soll eine Kommission zur Sozialstaatsreform eingesetzt werden, um den weiteren Abbau des Sozialstaates zu planen.9 Die tägliche Höchstarbeitszeit soll abgeschafft und in eine wöchentliche Maximalarbeitszeit umgewandelt werden, konkret heißt das Arbeitszeitverlängerung.10 Unternehmen, die Mehrarbeit ausbauen, bekommen staatliche Prämien.

Was heißt das?

Der Umbau des Bürgergeldes bedeutet Arbeitszwang. Zukünftig können Arbeitslose – noch leichter als bisher sowieso schon – durch das Druckmittel Komplettsanktionierung zu jeglicher Arbeit gezwungen werden. Der Staat kann seine Reservearmee damit so einsetzen, wie er und die Unternehmen es brauchen. Das ist gerade in Zeiten der Kriegsvorbereitung wichtig. Die Arbeitszeitverlängerung ist ein Frontalangriff auf eine der wichtigsten Errungenschaft im Kampf der Arbeiterbewegung, den Acht-Stunden-Tag. Für das Kapital bedeutet dies eine maximale Profitsteigerung. Die im Koalitionsvertrag genannten „Anreize für Mehrarbeit“ werden dabei von der Arbeiterklasse selbst, nämlich in Form von Steuerabgaben, gezahlt: Die Arbeiter zahlen also dafür, zukünftig länger arbeiten zu müssen. Die Arbeitszeitverlängerung läuft unter dem Label Freiwilligkeit. Dabei ist klar, dass diejenigen, die mehr arbeiten werden, entweder aufgrund der sinkenden Löhne oder durch Vorgaben der Unternehmen zur Mehrarbeit gezwungen sind. Darüber hinaus ist natürlich auch der Schritt zum formalen Zwang nicht weit.

Migration, Justiz und Repression: „Zeitenwende der Inneren Sicherheit“11

Was ist geplant?

Kurz vor den Koalitionsverhandlungen forderte der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) das individuelle Recht auf Asyl im Grundgesetz zu streichen.12 Soweit geht der Koalitionsvertrag zwar noch nicht, dennoch steuern die geplanten Vorhaben darauf zu. Die neue Regierung will Menschen nach Syrien und Afghanistan abschieben, sowie generell die Liste der „sicheren“ Herkunftsländer erweitern.13 Die Aufnahmen von Menschen aus dem West-Balkan soll ebenfalls reduziert werden, außerdem soll der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt werden. Asylbewerber sollen zukünftig an den europäischen Grenzen noch gewaltsamer zurückgewiesen werden. Außerdem sollen die Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten geprüft werden, was wichtige Forderung der CDU war. Bei Straftaten, insbesondere bei Volksverhetzung oder antisemitisch motivierten“ Taten, soll der Aufenthaltsstatus entzogen werden. Außerdem wird geprüft, ob dies auch bei Verstößen gegen die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ umgesetzt werden kann. Bei Abschiebung wird der bisher verpflichtende Rechtsbeistand abgeschafft, den Betroffenen wird also das Recht auf ein juristisches Vorgehen entzogen.14 Von Abschiebung Bedrohte sollen von der Polizei in Haft genommen werden.

Nicht nur in der Migration ist die Rede vom starken Staat: Die neue Regierung wird das „Spannungsverhältnis zwischen Innerer Sicherheit und Datenschutz neu austarieren“, wie es im Koalitionsvertrag heißt.15 Dabei sollen eine Speicherpflicht für IP-Adressen eingeführt, die Zusammenarbeit von Behörden und Verfassungsschutz verbessert sowie ein „modernes Bundespolizeigesetz“ auf den Weg gebracht werden.16 Es werden „Experimentiergesetze“ geschaffen, die jedoch nicht weiter ausgeführt sind.17 Der Tatbestand Volksverhetzung wird verschärft und bei mehrfacher Verurteilung deswegen soll das passive Wahlrecht entzogen werden. Sogenannte „Desinformation“sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und wird dementsprechend juristisch verfolgt.18 Im Sinne der deutschen Staatsräson wird gegen „Israelfeindlichkeit“ an Schulen und Hochschulen verstärkt vorgegangen19.

Was heißt das?

Es ist klar: Betroffen von der Verschärfung der Repressionen sind all diejenigen, die sich gegen den Kriegs- und Aufrüstungskurs stellen. Demonstranten gegen den israelischen Völkermord in Gaza sind Antisemiten und werden als solche juristisch verfolgt. Gegner des NATO-Krieges gegen Russland sind Volksverhetzer oder Verbreiter von Desinformation und sollen daher auf juristischem Weg mundtot gemacht werden – wenn nötig auch durch den Angriff auf ihre Grundrechte. Migranten dienen dabei als Versuchskaninchen, schließlich kann hier das existenzielle Recht auf Aufenthalt, entzogen werden. Als Legitimation der Grundrechtseinschränkung ziehen Medien und Politik Gewalttaten heran. Dabei geht es jedoch nicht um die alltägliche Gewalt – jeden Tag gibt es einen Mordversuche an Frauen. Auch dass in Duisburg Schulen geschlossen werden müssen, da Rechte mit „Säuberungen“ drohen, spielt keine Rolle. Es geht um die von Migranten begangenen Gewalttaten, aus denen Politik und Medien in den letzten Monaten eine Bedrohung der nationalen Sicherheit konstruierten. Der Koalitionsvertrag weitet das konstruierte Bedrohungsszenario nun auf alle, die sich dem Kriegs- und Ausbeutungskurs der BRD entgegenstellen, aus: „Was die Feinde der Demokratie angeht, gilt der Grundsatz „Null Toleranz“. Es ist die gesamtstaatliche und gesellschaftliche Verantwortung, jedweder Destabilisierung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung entgegenzuwirken und dabei auch unsere Sicherheitsbehörden nicht allein zu lassen.“20 So macht man eine Gesellschaft kriegsfähig.

Aufrüstung und Kriegsvorbereitung: „Die größte und direkteste Bedrohung geht von Russland aus“21

Was ist geplant?

Die neue Koalition hat den Staffelstab der Kriegsvorbereitung gegen Russland übernommen – Zielmarke ist das Jahr 2030. Der Koalitionsvertrag umfasst viele konkrete Schritte, das Bekenntnis zur NATO, EU und Rolle als europäischer NATO-Pfeiler ist dabei allgemeiner Grundsatz. Priorität hat die Aufstellung der Brigade Litauen als „zentraler Beitrag an der NATO-Ostflanke“.22 Außerdem soll das Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst (MAD) überarbeitet werden, was Boris Pistorius mit Hinblick auf eine Stationierung an den NATO-Außengrenzen folgendermaßen begründete23: Es geht um erweiterte und neue Befugnisse auch in Regionen, in denen wir bislang nicht waren.“24

Die neue Regierung will die langjährige Forderung führender Militärs umsetzen: die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates, der die politische Macht zukünftig noch stärker beim Kanzler konzentrieren soll.25 Die Rechtslage im „zivilen Verteidigungsfall“ soll geändert werden, um die Befugnisse für die Bundeswehr auszubauen.26 Dabei soll auch der Operationsplan Deutschland weiter umgesetzt werden. Die Regierung will noch im nächsten halben Jahr ein Bundeswehrplanungsgesetz verabschieden, das eine schnellere und höhere Aufrüstung der Bundeswehr gesetzlich regelt.27 Munition und andere Aufrüstungsgüter soll zukünftig verpflichtend vorbehalten werden, um die militärische Versorgung zu sichern. Die Nutzung von stillgelegten Werken der Autoindustrie für die Rüstungsproduktion soll staatlich geprüft werden.28 Lieferketten, Rohstoffbeziehungen und kritische Infrastruktur sollen „resilienter“ gestaltet sein, d. h. der Kontrolle des deutschen Staates unterliegen und diese so für den Kriegsfall sichern zu können.29 Das Aussetzen der Schuldenbremse in militärischen Fragen wurde noch durch den alten Bundestag im Eilverfahren beschlossen. Die Steigerung des Wehretats soll kontinuierlich und über mehrere Jahre hinweg erfolgen – Zahlen werden nicht genannt. Konkret benannt wird jedoch der Ausbau der Raumfahrt und Satelliteninfrastruktur für militärische Zwecke.30 Die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Unternehmen und Bundeswehr soll ausgebaut und die Zivilklausel abgeschafft werden. Insgesamt wird die Bundeswehr noch prominenter im öffentlichen Raum vertreten sein, gerade an Schulen ist eine gesteigerte Präsenz geplant. Junge Erwachsene können zukünftig auch einen Freiwilligendienst Bevölkerungsschutz machen.31 Der Wehrdienst bleibt „zunächst (!) freiwillig“ und noch in diesem Jahr soll mit der Wehrerfassung und -überwachung begonnen werden.32

Neben der Aufrüstung wird auch die deutsche Expansionspolitik genauer bestimmt: Die EU-Osterweiterung wird fortgesetzt. Die sechs West-Balkan-Staaten sowie Moldau und die Ukraine sollen aufgenommen werden. Im Fall Georgiens unterstütze man die pro-europäische Opposition und strebe mit dieser an der Macht einen EU-Beitritt an.33 Störenfriede in der EU will man zukünftig das Stimmrecht entziehen, nämlich dann, wenn diese gegen die „Grundwerte der EU“ verstoßen. Generell will die nächste Bundesregierung das bisherige EU-Konsensverfahren abschaffen und durch ein Mehrheitsverfahren ersetzen.34 Die militärische Unterstützung der Ukraine soll nicht nur abgesichert, sondern sogar „gestärkt“ werden. Der NATO-Beitritt der Ukraine ist weiterhin Ziel. Neben Russland soll auch der Angriff auf andere Länder intensiviert werden: Der Einfluss des Irans in der Region soll zurückgedrängt werden, u. a. durch eine Verstärkung der Sanktionen und auch im „Indo-Pazifik“ wolle man weiterhin Präsenz gegenüber China zeigen.35

Was heißt das?

Die Maßnahmen sprechen weitestgehend für sich. Die neue Regierung will die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung in den nächsten Jahren noch steigern. Umstritten in den Sondierungsgesprächen war dabei u. a. die Einführung der Wehrpflicht. Die SPD wollte verhindern, diese schon im Koalitionsvertrag festzuschreiben. Vermutlich hätte sie damit Probleme in der eigenen Partei und Wählerschaft bekommen; die Jusos sprachen sich beispielsweise vor Kurzem dagegen aus. Im Koalitionsvertrag hat man nun den leichteren Weg gewählt – nämlich eine schrittweise Einführung.

Die Aufrüstungs- und Expansionsmaßnahmen sprechen eine klare Sprache: Es geht darum, den direkten Krieg gegen Russland vorzubereiten. Dies zieht sich durch den gesamten Koalitionsvertrag und wird der rote Faden für die Politik der neuen Regierung sein. Umso wichtiger ist es, dass wir die geplanten Vorhaben kennen und dagegen mobilisieren.

1Der Koalitionsvertrag (KV) ist hier online abzurufen: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag_2025.pdf Im Text werden für alle geplanten Maßnahmen die jeweiligen Seitenzahlen im Text verlinkt, damit diese noch einmal ausführlich nachgelesen werden können.

2KV, S. 56

3KV, S. 4 u. 28

4KV, S. 45

5KV, S. 60

6KV, S. 50 u. 54

7KV, S. 17

8KV, S. 16

9KV, S. 15

10KV, S. 18

11 KV, S. 82

12https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/migration-union-und-spd-debattieren-muss-das-asylrecht-geaendert-werden/100118850.html

13KV, S. 93 u. 95

14KV, S. 94

15KV, S. 82

16KV, S. 83

17KV, S. 59

18KV, S. 123

19KV, S. 72

20KV, S. 84

21KV, S. 125

22 KV, S. 130

23 KV, S. 132

24 https://www.jungewelt.de/artikel/497967.neuer-wehrdienst-pistorius-prescht-vor.html

25KV, S. 126

26KV, S. 84

27KV, S. 130

28 KV S. 8

29KV, S. 131

30KV, S. 71

31KV, 104

32KV, S. 130

33KV, S. 140

34KV, S. 126 u. 135

35 KV, S. 128 f.

Podcast #51 – Sudan: Two Years of war, decades of struggle

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We were talking with Shadia Abdel Moneim, representative of the Sudanese Communist Party. We shed light on the revolutionary movement in Sudan, that has been struggling for a political change since decades, with the Sudanese Communist Party at the forefront.

We also covered the reasons for the war between the Rapid Support Forces (RSF) and the Sudanese Army (SAF), that has been devastating the country since 15th of April 2023. Why are they fighting and what is the role of the Sudanese people in this war? How is all the international meddling in Sudan connected to bigger geopolitical conflicts?

Autos zu Rüstung – Deutschlands Übergang zur Rüstungswirtschaft

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Aktuelle Entwicklungen, die Rolle der Gewerkschaften
und Widerstand


Beitrag von Franzi Stein

VW will in die Rüstungsproduktion einsteigen, in Görlitz wurde ein Waggonbau-Werk auf Panzerproduktion umgestellt, und die abgewählte Bundesregierung hat 500 Milliarden Euro für den Ausbau einer kriegstüchtigen Infrastruktur bereitgestellt. Die Rheinmetall-Aktie geht durch die Decke, die Lobby der Rüstungsindustrie propagiert die Parole „Autos zur Rüstung“1 und in der Öffentlichkeit wird mittlerweile offen von Rüstungs- oder Kriegswirtschaft gesprochen – um nur ein paar der jüngsten Entwicklungen zu nennen.

Doch was spricht eigentlich für den Übergang zur Rüstungswirtschaft in Deutschland? Welche Folgen hat dies für die Arbeiterklasse? Wie positionieren sich die Gewerkschaften zu dieser Entwicklung und welchen Protest gibt? Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach. Im Hintergrundteil am Ende wird außerdem auf den Begriff der Kriegswirtschaft eingegangen und ein Blick in die Geschichte geworfen, genauer gesagt auf den Aufbau der deutschen Kriegswirtschaft während des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Der Beitrag gibt keine abschließende Einschätzung über die auftretenden Probleme und Widersprüche, sondern möchte einen Einstieg ins Thema bieten. Für diese Fragen ist der Beitrag von Conny Renkl und Stephan Müller in der Wochenzeitung Unsere Zeit zu empfehlen, in dem viele interessante Punkte angesprochen werden.2

Hintergrund der oben genannten Entwicklung ist die Situation des Imperialismus im Allgemeinen und die des deutschen Imperialismus im Speziellen: Dem westlichen Block drohen Einfluss- und Hegemonieverlust, insbesondere aufgrund der Entwicklung Chinas und einer damit einhergehenden Neuorientierung von Staaten, die sich der neokolonialen Unterdrückung durch den Imperialismus entziehen wollen. Der Imperialismus versucht, seine Hegemonie auf verschiedene Weise zu sichern Krieg ist einer davon, wie die gesteigerte Aggression gegen Russland und China deutlich macht. Auch innerhalb des imperialistischen Lagers werden die Widersprüche auf ökonomischer Ebene verstärkt ausgetragen, wie die Sprengung der Nord Stream II-Pipeline, der Inflation Reduction Act und die aktuelle Zollpolitik unter Trump zeigen.

Der deutsche Imperialismus steht unter Druck und muss verschiedene Herausforderungen bewältigen, um seine Stellung in der Welt zu sichern: Erstens muss er seine Position als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt behaupten. Dafür ist es notwendig, in einem möglicherweise verstärkten Wirtschaftskrieg gegen die USA zu bestehen, dafür die Stabilität in der EU zu sichern und gleichzeitig die deutsche Industrie und Wirtschaft so umzubauen, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Zweitens muss er das gigantische Aufrüstungs- und Kriegsvorhaben stemmen und dafür enorme Finanzierungsleistungen erbringen. Drittens muss er die für dieses Programm erforderliche Stabilität in der Bevölkerung absichern. Hier lotet der deutsche Imperialismus aus, wie viel Angriff auf die Arbeiterklasse möglich ist und wie viel Zugeständnis notwendig ist.

Aktuelle Entwicklungen im Übergang zur Rüstungswirtschaft

In den folgenden Abschnitten werden verschiedene Entwicklungen dargestellt, die für den Aufbau einer Rüstungswirtschaft in Deutschland sprechen: der Ausbau des militärisch-industriellen Komplexes, die Kriegskredite, der Umbau der Wirtschaft, die Rohstoff- und Energiebeschaffung sowie Staatseinstiege in die Rüstungsbranche.

Ausbau des militärischen-industriellen Komplexes

Der Ausbau und die Förderung der Rüstungsindustrie haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Von Januar 2020 bis Juli 2024 wurden Aufträge im Gesamtwert von knapp 140 Milliarden Euro verzeichnet. Vor allem seit Ende 2023 ist ein massiver Anstieg der Aufträge für die Rüstungsindustrie zu beobachten, unter anderem aus Zahlungen aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen. Der Staat will die Abnahmegarantie von Rüstungsgütern sichern, um die Produktion zu steigern. Nur ein Viertel dieser Ausgaben ging an ausschließlich ausländische Hersteller, während die restlichen 75 % mindestens anteilig an deutsche Rüstungsunternehmen flossen.3

Neben der Produktion soll auch die Reparatur und Wartung hauptsächlich bei deutschen Unternehmen liegen, um die Unabhängigkeit zu erhöhen. Zudem soll der Technologieabfluss in Drittstaaten verhindert werden, was auch ein zentraler Punkt der im November 2024 veröffentlichten Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie (SVI)4ist. In der SVI wird der Ausbau des militärisch-industriellen Komplexes (MIK) in Deutschland skizziert und der Fokus auf nationale Unabhängigkeit in Fragen der Schlüsseltechnologien, Beschaffung, Reparatur und Wartung gesetzt. Darüber hinaus wird festgehalten, dass Regularien im Sinne des MIK abgebaut, die Beschaffung auf europäischer Ebene vorangetrieben und Arbeitskräfte für die Rüstungsunternehmen gewonnen werden sollen. Die Aussagen verschiedener Vertreter des MIK auf einer Konferenz des Handelsblatts zu „Verteidigung und Sicherheit“ unterstreichen dies: „Wir produzieren schon jetzt mehr Munition als die Vereinigten Staaten“, sagt Rheinmetall-Chef Armin Papperger. „Wir sind bereit zu liefern, und wir sind in der Lage, die Bundeswehr bis 2029 kriegstüchtig zu machen“, sagt MBDA5-Deutschlandchef Thomas Gottschild. „Dafür brauchen wir eine substanzielle finanzielle Ausstattung, klare Abnahmemengen für mehr Planungssicherheit und verlässliche Exportbedingungen, fordert Gottschild. Nur dann könnten die Unternehmen investieren und Skaleneffekte erzielen.“6

Ein Beispiel für den Abbau von Regularien ist die angestrebte Abschaffung der Zivilklausel, um jegliche Forschung in den Dienst der Rüstungsindustrie stellen zu können.7 Vermutlich sollen in Zukunft auch die parlamentarische Aufsicht und Kontrollen weiter eingeschränkt werden. Dies liegt zumindest nahe, wenn man einen Blick in den Bericht des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) zur Entwicklung der Aufrüstung wirft: „Zu den Problemen, die zu einer langsamen und teuren Beschaffung führen, gehören nach Ansicht des Gremiums eine übermäßige parlamentarische Aufsicht über einzelne Beschaffungen, die zu einer Kirchturm-Politik führen kann, administrative Hürden, die den Schutz kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) in den Vordergrund stellen, Vertragsgestaltungen, denen es an Anreizen für Rüstungsunternehmen mangelt, sowie eine unzureichende Innovation im Allgemeinen.“ Das IfW argumentiert für „anreizkompatible Verträge“, die „für den Erfolg des deutschen Rüstungswunders von zentraler Bedeutung waren, nachdem Albert Speer sie 1941 initiiert hatte“8und macht damit deutlich, in welche Richtung es gehen soll.

Infolge des massiven staatlichen Ausbaus des MIK haben sich die Aktienkurse der Rüstungskonzerne im Rekordtempo gesteigert. So verzeichnet beispielsweise die Rheinmetall-Aktie seit Jahresbeginn 2025 einen Anstieg von über 80 %, vorwiegend aufgrund der verabschiedeten Aufrüstungspakete.9 Im IfW-Bericht kann man dazu lesen: „Seit Beginn der Invasion sind die Aktienkurse von Rüstungsunternehmen jedoch erheblich gestiegen, was darauf hindeutet, dass zumindest die börsennotierten Unternehmen in Europa in der Lage sein sollten, sich eine Finanzierung zu sichern.“10

Die Aufrüstung im europäischen Rahmen ist Konsens in der herrschenden Klasse, um die eigene Schlagkraft zu erhöhen. Bei einem EU-Sondergipfel wurden Kriegskredite in Höhe von 800 Milliarden Euro verabschiedet, um die europäische Aufrüstung in großem Stil umzusetzen. Dieses Vorhaben steht bereits länger im Raum, über die konkrete Geldbeschaffung wird noch debattiert.11 Neben den staatlich gewährten Krediten sollen auch private Sparanlagen investiert werden. Inwiefern private Ersparnisse in Form von Kriegsanleihen – es steht eine Summe von zehn Billionen Euro im Raum – in Investitionen überführt werden können, lässt Ursula von der Leyen derzeit noch offen.

Das IfW stellt fest, dass die europäische Produktion in den letzten zwei Jahren zwar zugenommen habe, allerdings immer noch „unter dem Bedarf“ liege und folglich „multinationale Innovationen und europaweite Beschaffungen“ notwendig seien, um „dem russischen Militär mehr als gewachsen“ zu sein.12 Hier gilt es für den deutschen Staat, eine möglichst große Unabhängigkeit zu sichern und die eigene Rüstungsindustrie im Wettbewerb zu stärken. Auch die 2023 in Deutschland vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie formuliert dies als Ziel: „Eigenständige europäische Handlungsfähigkeit ist zunehmend Voraussetzung für die Sicherheit Deutschlands und Europas. Dazu gehören moderne, leistungsfähige Streitkräfte der EU-Mitgliedstaaten ebenso wie eine leistungs- und international wettbewerbsfähige europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, die Grundlagen der militärischen Fähigkeiten der Streitkräfte schafft. Gemeinsame Rüstungsprojekte und deren Exportfähigkeit gemäß den Maßstäben des zukünftigen Rüstungsexportkontrollgesetzes tragen dazu bei, europäische Handlungsfähigkeit voranzutreiben und stärken damit den europäischen Pfeiler in der NATO.“13

Als Probleme werden die Zersplitterung des Marktes, nationale Partikularinteressen und eine folglich zu langsame europäische Beschaffung angesehen. An der grundsätzlichen Konkurrenz der europäischen Staaten um Marktanteile wird sich sicherlich nichts ändern. Dennoch gibt es Versuche, die Produktion zu koordinieren und die Beschaffung zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise die European Defence Industry Strategy entwickelt und eine neue Kommissionsstelle eingeführt, die seit letztem Jahr mit Andrius Kubilius besetzt ist. Conny Renkl und Stephan Müller führen in ihrer Analyse einige Beispiele an, wie das deutsch-französische Panzerprojekt MGCS oder das deutsch-französische Trinity House Agreement zur Rüstungszusammenarbeit.14

Kriegskredite und Finanzierung der Rüstungswirtschaft

Finanzielles Rückgrat der rüstungsindustriellen Offensive sind auf deutscher und europäischer Ebene staatliche Kriegskredite. Im Jahr 2022 hat die deutsche Regierung bereits Kriegskredite in Form von Sonderschulden außerhalb des regulären Haushalts in Höhe von 100 Milliarden Euro verabschiedet. Hinzu kommt nun ein weiteres Paket aus 500 Milliarden Euro für Infrastrukturmaßnahmen, von denen der Großteil militärisch geprägt ist. Diese Sonderschulden werden von führenden Militärs seit langem gefordert.

Zukünftig sollen außerdem die Zahlungen aus dem regulären Haushalt erhöht werden, da die Aufstockung auf das 2%-Ziel des BIP (entspricht knapp 20 % des Haushalts) derzeit über das Sondervermögen erfolgt. Diese Vorgehensweise wird von herrschenden Militär- und Wirtschaftskreisen kritisiert: „Die mittelfristige Haushaltsplanung sieht keine systematische Erhöhung des Einzelplans 14 über die nächsten Jahre vor, sondern eine plötzliche und politisch ungewisse Erhöhung im Jahr 2028. Die unklaren Aussagen zu den künftigen Ausgaben, sowohl im Jahr 2023 als auch in der aktuellen mittelfristigen Haushaltsplanung, schaffen Unsicherheit für die Rüstungsindustrie und behindern den Aufbau industrieller Kapazitäten für die militärische Produktion.“15 Um die generelle Aufstockung des Militärhaushalts zu gewährleisten, wurde im März mit einem Eilverfahren eine Reform der Schuldenbremse vom abgewählten Bundestag durchgepeitscht: Aufrüstungsausgaben fallen zukünftig nicht mehr unter die Schuldenbremse, wodurch der Kriegsvorbereitung keine finanziellen Grenzen mehr gesetzt sind. Das Handelsblatt geht in den nächsten zehn Jahren von Investitionssummen in vorläufiger (!) Höhe von zusätzlichen 1,7 Billionen Euro zu den ohnehin schon vorgesehenen Schulden aus.16

„Autos zu Rüstung“: Umbau der Wirtschaft

Zuletzt machte VW Schlagzeilen mit der Aussage, dass der Konzern „grundsätzlich offen“ für einen Einstieg in die Rüstungsproduktion sei. Es gibt bereits konkretisierte Überlegungen, die Werke in Dresden und Osnabrück in die Rüstungsproduktion zu überführen.17 Dieser Umbau wäre in der Geschichte des Konzerns keine Neuheit; VW stellte schon im Rüstungsmarsch für den Zweiten Weltkrieg auf militärische Produktion um.18

Hintergrund für die Umstellung auf Rüstungsproduktion sind sicherlich auch die sinkenden Absatzzahlen und Krisenerscheinungen, die die deutsche Autoindustrie zuletzt plagten. VW ist nicht der einzige Konzern, der seine Profite zukünftig verlagern will; auch die durch die Abnahmekrise der Autoindustrie betroffenen Zulieferbetriebe orientieren auf Rüstungsproduktion.19 In diesem Jahr hat außerdem der Panzerbauer KNDS ein Waggonbau-Werk des Unternehmens Alstom in Görlitz übernommen und nutzt die Produktionsstätte sowie einen Großteil der Arbeiter künftig für den Panzerbau. Auch das Laserunternehmen Trumpf erwägt eine Umstellung auf Drohnenproduktion. Darüber hinaus werden Unternehmen, die bereits militärische Komponenten produzieren, diesen Bereich zukünftig stärker fokussieren. Rheinmetall, dessen Umsätze in der Auto- und Rüstungssparte 2013 noch etwa gleich groß waren, hat 2024 mehr als 75% seines Umsatzes mit Rüstung gemacht, Tendenz natürlich steigend. In der Folge hat Rheinmetall zwei Werke zur Fahrzeugfertigung auf Munitionsproduktion umgestellt.

Dieser Umbau wird durch die kürzlich verabschiedeten Kriegskredite sicherlich noch verstärkt. Dies entspricht auch den Erwartungen der Rüstungsindustriellen, wie Hans Christoph Atzpodien, Chef des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie kürzlich in der Wirtschaftswoche äußerte: „Das Motto muss lauten: Autos zu Rüstung! Anstatt einen volkswirtschaftlichen Schaden durch den Niedergang der Auto-Konjunktur zu beklagen, sollten wir versuchen, Produktionseinrichtungen und vor allem Fachkräfte aus dem Automobilsektor möglichst verträglich in den Defence-Bereich zu überführen“.20

Die Übernahme von Arbeitskräften in die Rüstungsindustrie ist nicht neu. Rheinmetall übernahm bereits im letzten Jahr entlassene Continental-Arbeiter, und Hensoldt plant dies ebenfalls mit Arbeitern von Continental und Bosch. Die IG Metall Südwest hat die Tarifverträge bereits entsprechend abgeschlossen, sodass dieser Beschäftigungswechsel jederzeit möglich ist.

Die aktuellen Stimmen des deutschen Kapitals gehen über die bloße Aussicht auf hohe Profit aus der Rüstungsproduktion hinaus. Sie wollen durch den Schwenk zur Rüstungswirtschaft die deutsche Wirtschaft insgesamt aufpolieren. In diesem Zusammenhang wurden zuletzt zwei Studien veröffentlicht: eine des Beratungsunternehmens Ey und der DekaBank und eine vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. In der Studie Wirtschaftliche Effekte europäischer Verteidigungsinvestitionen wird festgehalten, dass eine Steigerung der Aufrüstung auf 3% des BIP einen Anstieg der Arbeitsplätze und einen Boom in den beteiligten Branchen wie Logistik, Metall oder Forschung zur Folge hätte.21 Das IfW stellt in seiner Studie Waffen und Wachstum: Die wirtschaftlichen Folgen steigender Militärausgaben die These auf, dass das europäische BIP von 0,9 auf 1,5% wachsen könne, wenn die Ausgaben des Militärhaushalt nicht mehr 2%, sondern 3,5% des BIP betragen würden. Voraussetzung dafür wäre jedoch, eine Senkung der nicht-europäischen Waffenimporte und ein Fokus auf die Produktion europäischer Systeme.22

Die bürgerlichen Ökonomen sparen natürlich aus, dass Militarisierung zwar kurzweilig durch neue Investitionsmöglichkeiten die Wirtschaft stimulieren kann, langfristig jedoch Krisentendenzen eher noch verstärkt. Darüber hinaus bedeutet Aufrüstung eine Hemmung der Produktivkraftentwicklung für den gesellschaftlichen Fortschritt. Nicht zuletzt wird die Aufrüstung durch die verstärkte Ausbeutung der Arbeiterklasse und die Umverteilung des Nationaleinkommens finanziert. Wenn also von einem Gewinn für die deutsche Wirtschaft gesprochen wird, ist klar, wem dieser Gewinn zufließen wird und wem nicht.

Rohstoff- und Energiebeschaffung

Ein Bestandteil der Rüstungs- und Kriegswirtschaft ist auch die Umstellung der Rohstoff- und Energiebeschaffung. Ziel ist eine möglichst große Unabhängigkeit und Diversifizierung der Lieferanten. Als strategische Ausrichtung wurde in den letzten drei Jahren die Nationale Sicherheitsstrategie und eine überarbeitete Rohstoffstrategie formuliert. Der Fokus liegt auf dem Abbau von „einseitigen Abhängigkeiten“, die „zu sicherheitspolitischen Risiken“ führen können.23 Dabei werden auch die Unternehmen adressiert, die aus Profitinteressen einer Umgestaltung entgehenstehen könnten und auf das Gesamtinteresses der herrschenden Klasse orientiert: „In einer offenen Volkswirtschaft müssen staatliche und private Akteure sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen.“24

Was als Abbau der „einseitigen Abhängigkeit“ bezeichnet wird, ist das Vorhaben, weiterhin uneingeschränkten Zugriff auf die Energie und Rohstoffe anderer Länder zu erhalten – im Sinne des Kriegskurses. Dies impliziert konkret die Stärkung der heimischen Rohstoffgewinnung, das Rohstoff-Recycling, den Ausbau von Rohstoffpartnerschaften, wie z. B. mit Chile und Peru25, Ghana und Länder Westafrikas sowie eine `Ressourceneffizienzstrategie`. Konkrete Erfolge verzeichnete der deutsche Imperialismus beispielsweise beim Lithium-Deal mit Serbien, der zu großen Massenprotesten vor Ort führte.26 Zudem wurden nach 25 Jahren Verhandlung die letzten Schritte im Mercosur-Abkommen mit verschiedenen lateinamerikanischen Staaten unternommen, welches u. a. den günstigen Import von Rohstoffen garantiert.27

Durch die Sanktionen gegen Russland haben sich auch Verschiebungen in der Energiezufuhr ergeben. Die westlichen Sanktionen hatten das Ziel, die russische Wirtschaft zu „ruinieren“ (Baerbock) und dadurch den Druck auf Russland zu erhöhen. Bisher hat sich dieser Effekt noch nicht eingestellt, da viele Staaten weiterhin russische Energielieferungen beziehen. Der deutsche Imperialismus, dessen Wettbewerbsvorteil u. a. auf billigem russischem Gas und Öl beruhte, hat auf neue Lieferanten orientiert und über Umwege (z. B. über Indien) weiterhin russische Energie bezogen.28 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der Widerstand der deutschen Monopole im Gegensatz zu mittelständischen und kleinen (oft in Ostdeutschland ansässigen) Unternehmen eher gering war. Die Monopole schienen sich, weitgehend dem Gesamtinteresse der herrschenden Klasse zu fügen, trotz erschwerter individueller Profitmöglichkeiten.

Gleichzeitig verfolgt ein Teil der herrschenden Klasse, insbesondere durch die Grünen verkörpert, die Strategie, durch die Umstellung auf erneuerbare Energien die Autarkie zu erhöhen. Dies wird unter den Begriffen „energiepolitische Zeitenwende“29 oder „grüne Kriegswirtschaft“ zusammengefasst. Andere Teilen der herrschenden Klasse, u. a. die AfD, lehnen diese Strategie ab und streben eine Wiederaufnahme der direkten russischen Energielieferungen an. Der Schaden für die deutsche Wirtschaft wird derzeit als zu groß eingeschätzt und soll daher behoben werden. Bei dieser Auseinandersetzung handelt es sich nicht um entgegengesetzte Positionen zur Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, sondern um die konkrete Ausgestaltung dieser. Es ist gut möglich, dass in den nächsten Jahren wieder russische Energielieferungen aufgenommen werden, insbesondere im Sinne einer kostengünstigen und effektiven Aufrüstung. Dafür sprechen auch jüngsten Aussagen prominenter CDU-Politiker, die eine teilweise Rückkehr zu russischen Gaslieferungen forderten.30

Staatseinstiege

Der Staat beschafft nicht nur Kriegskredite und Arbeitskräfte für die Rüstungsproduktion, sondern beteiligt sich teilweise auch selbst an Rüstungsunternehmen, um die wirtschaftliche Tätigkeit unmittelbar kontrollieren zu können. Beteiligungen an Airbus, MBDA Deutschland und Jenoptik bestehen bereits seit längerem und seit 2020 hält der deutsche Staat auch 25,1% Unternehmensanteile am Rüstungsunternehmen Hensoldt. Aktuell wird ein Einstieg bei ThyssenKrupp Marine Systems geprüft. Zukünftig sollen weitere Staatseinstiege, inbesondere in Unternehmen mit relevanten Schlüsseltechnologien, realisiert werden, um die Kontrolle zu sichern und die Produktion lenken zu können.31 In der Wirtschaftswoche wird dazu festgehalten: „Es gibt auch in Deutschland im Bereich Militär und Dual Use Spitzentechnologien, die besser nicht in die Hände ausländischer Unternehmen geraten, vor allem wenn es sich dabei um Firmen in Ländern handelt, die direkt oder indirekt Zugriff auf solche Technologien nehmen können.“32

Auch der Einstieg von Land und Bund in die Meyer-Werft in Papenburg mit 80% ist als Absicherung der Rüstungsproduktion zu verstehen: Keine andere Werft bietet so gute Möglichkeiten zum militärischen Flottenbau, wie ein vom Handelsblatt veröffentlichtes Dokument zeigt.33 Neben Staatseinstiegen wird auch anderweitig in die Produktion eingegriffen: So hat Rheinmetall beispielsweise auf politischen Druck hin die Geschossproduktion aus der Schweiz in die Lüneburger Heide verlagert, da sich die Schweiz gegen Waffenlieferungen in die Ukraine versperrte.34

Folgen, Gewerkschaften und Widerstand

Aufrüstung wird grundsätzlich durch die verstärkte Ausbeutung und Umverteilung des Nationaleinkommens finanziert. Die genannten Entwicklungen betreffen die Arbeiterklasse in Deutschland bereits unmittelbar: In vielen Konzernen wurden Entlassungen in großer Dimension beschlossen, gerade in der Metall-, Auto- und Zulieferbranche. Die Reallöhne sind in den letzten Jahren stark gesunken, während die Verbraucherpreise erheblich gestiegen sind. Sozialkürzungen stehen auf der Tagesordnung und werden mit der neuen Regierung weiter verschärft: Grundsicherung mit Arbeitszwang, Ausweitung der Sanktionen, mögliche Rentenkürzungen oder die Streichung des Elterngeldes sind im Gespräch. Außerdem wird über eine sogenannte Arbeitszeitflexibilisierung, also Arbeitszeitverlängerung und Einsatz je nach Bedarf der Unternehmen, nachgedacht. Die Einschränkung des Streikrechts ist schon lange in der Debatte, zuletzt machte der Verband Gesamtmetall den Vorstoß, Warnstreiks in Tarifverhandlungen gesetzlich zu verbieten.35

Die angekündigten Entlassungen im letzten Herbst führten zu Streiks und Protesten. Insgesamt ist der Widerstand gegen den Frontalangriff auf die Arbeiterklasse jedoch noch nicht wirklich ausgeprägt. „Lieber Rüstungsproduktion als arbeitslos“, äußert ein Arbeiter des neuen Rüstungsbetriebs in Görlitz und steht damit sicher nicht alleine da.36 Neben der materiellen Absicherung ist sicher auch die Entfremdung von der Arbeit ein Grund: Ob Panzerteile oder Autoteile, macht für viele keinen greifbaren Unterschied. Zudem fehlt Internationalismus und es besteht zu wenig Bewusstsein darüber, dass die Aufrüstung den Krieg nach Deutschland bringen wird. Hinzu kommt, dass dies im herrschenden Diskurs rein moralisch verhandelt wird: So kann man in der taz lesen: „Das Dilemma zwischen subjektiven Interessen und ethischem Anspruch wiederholt sich“.37Dabei steht die Rüstungsproduktion natürlich im klaren Widerspruch zum subjektiven Interesse eines jeden Arbeiters, nämlich den Kriegskurs zu verhindern – sowohl international als auch im eigenen Land.

Gewerkschaftsführung und Rüstungswirtschaft

Die Kräfte, die diesen Zusammenhang aufzeigen, sind in den Betrieben und Gewerkschaften in der Minderheit bzw. nicht an den entscheidenden Stellen vertreten. Die Gewerkschaftsspitzen stützen hingegen den Kriegskurs und integrieren Protest und Widerstand. Ein guter Beleg dafür ist das im Jahr 2024 veröffentlichte Positionspapier von IG Metall, SPD-Wirtschaftsforum und dem Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. In diesem Papier wird Planungssicherheit für die Rüstungsunternehmen gefordert, um deren Leistungsfähigkeit zu erhöhen sowie Arbeitsplatzabbau und Rückgang in der Rüstungsproduktion zu verhindern. Man wolle verhindern, dass sich Unternehmen „endgültig vom `Kunden Bundeswehr`“ abwenden.38

Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall, schlägt ähnliche Töne an: „Zwar hebt die Politik ihre Bedeutung für die Sicherheit unseres Landes und Europas hervor. Aber anders als man denken könnte, führt das Sondervermögen Bundeswehr nicht automatisch zur Stärkung der heimischen Industrie. Sie droht vielmehr unter die Räder zu geraten, wenn mehr und mehr in Übersee gekauft wird und die Regierung keine Sorge trägt, dass Betriebe in Deutschland Wartung und Upgrades übernehmen. Wir brauchen endlich eine wehrtechnische Industriepolitik.“39 Auch in der IG BCE wird diese Entwicklung mitgetragen. In der Mitgliederzeitung `Profil` wird beispielsweise das Unternehmen Rheinmetall bejubelt, das „eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung der deutschen Streitkräfte und als Lieferant für die Ukraine“ spiele, bei dem es sich lohne „anzuheuern“.40

Ganz in diesem Sinne äußerte sich die DGB-Führung auch wohlwollend zum kürzlich beschlossenen 500-Milliarden-Euro-Aufrüstungspaket: DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi nannte es einen „Befreiungsschlag zur Modernisierung unseres Landes“ und betonte: „Insbesondere vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten müssen wir Europas Verteidigungsfähigkeit stärken und dürfen dabei gleichzeitig sozialen Fortschritt nicht ausbremsen.”41Auch der Vorsitzende der IG BAU Robert Feiger bejubelte das neue Aufrüstungspaket und sieht den zukünftig unbegrenzten Wehretat als „notwendig in diesen weltpolitisch instabilen Zeiten“ an: „Natürlich ändert sich die Lage hier in Europa dramatisch, sollten sich die USA tatsächlich künftig von uns abwenden. Da müssen wir die Sicherheit Europas selbst in die Hand nehmen. (…) Bei allem Augenmerk auf die Infrastruktur dürfen wir das normale Leben der Menschen nicht vergessen, für viele ist das hart genug. Deshalb Hände weg von Kürzungen bei Sozialleistungen.“42

Die Haltung der Gewerkschaftsführung ist klar: Aufrüstung ja, Sozialabbau nein. Unabhängig davon, dass Aufrüstung und Kriegsvorbereitung auch ohne Sozialabbau nicht im Interesse der Arbeiterklasse liegen, werden hier natürlich Illusionen geschürt. Der Sozialabbau zum Aufbau der Rüstungswirtschaft findet längst statt und wird sich weiter intensivieren. Aktuell betrifft er noch vorrangig die prekären Teile der Arbeiterklasse: Migranten, Bürgergeld-Empfänger, Niedriglohn-Beschäftigte und Rentner.

Widerstand an der Basis

Innerhalb der Gewerkschaften gibt es jedoch Aktive und Organisationszusammenhänge, die die Haltung und Rolle der Gewerkschaftsführungen angreifen. Anlässlich des aktuellen Aktionstages der IG Metall in mehreren Städten hat die Vernetzung Kämpferische Gewerkschaften (VKG) einen alternativen 11-Punkte-Plan entwickelt. Darin fordern sie unter anderem die Demokratisierung der gewerkschaftlichen Prozesse, einen Anti-Kriegskurs der Gewerkschaften und eine Arbeitszeitverkürzung: „Die kommende Generation der Kolleg*innen wird auf den Wehrdienst vorbereitet, mit der Illusion, Aufrüstung und Kriege würden Kriege verhindern oder man könnte heute noch „siegreich“ sein. In Gaza und Libanon sterben unsere Klassenschwestern und brüder durch Waffen, die auch Deutschland an die israelische Armee geliefert hat. Die arbeitende Klasse braucht eine „Staatsräson“, sondern die internationale Solidarität gegen Krieg und Unterdrückung.“43 Es ist gut, dass die VKG auch den Zusammenhang zum Völkermord in Gaza herstellt, was jedoch nicht erwähnt wird, ist die konkrete Kriegsvorbereitung Deutschlands gegen Russland. Dabei ist dies der Hauptstoß der deutschen Kriegs- und Aufrüstungspolitik.

Neben der VKG gibt es weitere gewerkschaftliche Initiativen, die sich dem Kriegskurs in Deutschland und der Mitwirkung der Gewerkschaftsführung, entgegenstellen wollen. Gewerkschaften gegen Aufrüstung plädieren beispielsweise für die Einhaltung der gewerkschaftlichen Grundsätze zur Abrüstung und haben eine Petition gestartet.44 Außerdem fand 2024 ein Online-Austauschtreffen statt, bei dem verschiedene Aktive von ihren Erfahrungen berichteten. Diese Berichte zeigten deutlich, dass es an der Basis teilweise rumort, wenn es um die Fragen Krieg und Aufrüstung geht. Leider hat sich dieser Austauschrahmen bisher noch nicht verstetigt. Zudem bleibt offen, was aus dem Vorhaben geworden ist, die DGB-Führung mit den Ergebnissen der Petition zu konfrontieren und so unter Druck zu setzen.

Auch die antimilitaristische Gewerkschaftsinitiative SAGT NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden versucht, gegen den Aufrüstungskurs und die Rolle der Gewerkschaftsführung vorzugehen. Ein Hintergrund für die Organisation war der DGB-Bundeskongress 2022, bei dem entgegen den gewerkschaftlichen Grundsätzen eine Zustimmung zu Waffenlieferungen und zur Aufrüstung beschlossen wurde.45 SAGT NEIN! hat ebenfalls eine Petition gestartet und auch darüber hinaus umfassende Informationen zur Rolle der deutschen Gewerkschaften bei Aufrüstung und Krieg seit dem Ersten Weltkrieg erarbeitet.46

Diese Organisationsansätze sind wichtig und sollten von möglichst vielen Gewerkschaftsmitgliedern unterstützt werden. Neben der Arbeit in den gewerkschaftlichen Gremien ist es auch entscheidend, diese Themen in die Betriebe zu übertragen, inbesondere in den Bereichen, die im Sinne des Kriegskurses umgestaltet werden. Besonderer Fokus sollte auf die konkrete Ausrichtung der deutschen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, nämlich gegen Russland, gelegt werden. Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Aggressionen von Deutschland und der NATO ausgehen und nicht von Russland oder China. Diese Verständigung erfordert Zeit und Geduld, ist jedoch unerlässlich. Wenn das politische Ziel der deutschen Aufrüstung, nämlich die Kriegsvorbereitung gegen Russland, nicht benannt wird, hinterlässt man eine offene Flanke für Spaltung und Integration in den herrschenden Kriegskurs. Denn die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung in Deutschland wird maßgeblich durch das propagandistisch geschaffene Bedrohungsszenario Russland durchgesetzt.

Was heißt Kriegswirtschaft eigentlich?

  • die Steigerung der nationalen Rüstungsindustrie und die Senkung ausländischer Rüstungsimporte
  • Ausbau von internationalen Rüstungskooperationen zum Ausbau der eigenen Einflusssphäre
  • der Ausbau der physischen und digitalen Infrastruktur im Sinne der Kriegsführung
  • die Diversifizierung von Energie- und Rohstoffimporten bis hin zu einer möglichst großen Autarkie
  • massive staatliche Finanzierungsmaßnahmen, durch Kredite, erhöhte Steuern und eine verstärkte Umverteilung
  • verstärkte staatliche Eingriffe, um die Entwicklung im gesamtstaatlichen Interesse abzusichern, z. B. durch Verstaatlichungen von Unternehmen
  • Mobilisierung von Arbeitskraft für die Rüstungsindustrie durch den Staat, z. B. durch Verlagerung von Arbeitskräften oder Zwangsarbeit
  • Verteilungsmechanismen von Rohstoffen oder anderen Gütern im Sinne der Rüstungsindustrie
  • Produktion nach Plan, d. h. Priorisierung von Rüstungsgütern vor Gebrauchsgütern

Kurzer Blick in die Geschichte

Kriegswirtschaft im Ersten Weltkrieg

Hintergrund der deutschen Vorbereitung des Ersten Weltkrieges war die verspätete Entwicklung des deutschen Kapitalismus. Die Aufteilung der Welt unter den Großmächten war weitestgehend abgeschlossen, und der Widerspruch zwischen der schnellen kapitalistischen Entwicklung und der ökonomischen Macht des deutschen Imperialismus im Gegensatz zu seinem Einflussgebiet bedingte seine Expansionsbestrebungen. Um 1900 wurde daher die Rüstungsindustrie in einem groß angelegten Programm angekurbelt, so nahm beispielsweise die Flotten- und Heeresrüstung um 133 % zu.49 Der sogenannte militärisch-industrielle Komplex (MIK), also die enge Vernetzung von Monopolen, Staatsstrukturen und militärischen Führungskreisen bildete sich heraus. Mit Kriegsbeginn zeigten sich verschiedene ökonomische Probleme, wie der Mangel an kriegsnotwendigen Rohstoffen. Als Reaktion darauf wurde die Kriegsrohstoffabteilung gegründet, die die Aufgabe der Erfassung, Verteilung und Kontrolle der kriegswichtigen Rohstoffe erhielt. Außerdem wurde der Kriegsausschuss der deutschen Industrie mit Beteiligung der führenden deutschen Monopole gegründet. Die Verflechtung von Staat und Monopolen wurde enger, während die Insolvenzen kleinerer und mittlerer Betriebe zunahmen. Die Produktion wurde zunehmend auf Kriegsbedürfnisse ausgerichtet und das Staatseigentum an Produktionsmitteln wuchs. Der Staat organisierte den Einsatz von Zwangsarbeitern in Rüstungsbetrieben, schränkte die Arbeiterrechte massiv ein und unterdrückte die revolutionären Kräfte rigoros. Dagegen wurden jedoch mutige Kämpfe geführt, wie Streiks und Sabotageaktionen, Aktionen gegen den Hungerwinter und schließlich die Kämpfe der Novemberrevolution.

Kriegswirtschaft im Faschismus

Mit der Novemberrevolution wurde der Krieg beendet, der Kaiser verjagt und einige demokratische Grundrechte erkämpft. Die Herren Krupp und Stinnes richteten sich mit der SPD-Führung in der Tasche im neuen Staat ein. Dieser Staat konnte für sie nur eine Übergangslösung hin zum nächsten Krieg werden und so dauerte es nicht lange, bis der deutsche Imperialismus den revanchistischen Angriff plante. Entscheidend dafür war auch die Strategie der USA, Deutschland als Speerspitze gegen die Sowjetunion wieder aufzubauen. US-Kapital wurde für den Wiederaufbau genutzt, Reparationszahlungen durch die westlichen Staaten gesenkt, um Deutschland im Sinne eigener Pläne nicht zu stark zu schwächen. Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 griff der deutsche Staat immer stärker in die Wirtschaft ein, um die Lasten der Krise von den Monopolen abzuwenden und auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Mithilfe großer Kredite wurde die Wirtschaft, insbesondere die Rüstungsbranche, gefördert. Der Faschismus entwickelte sich allmählich für das deutsche Kapital zur politisch effektivsten und zuverlässigsten Kraft, um einen neuen Eroberungskrieg vorzubereiten. Der Faschismus bekämpfte die immer stärker werdende Arbeiterbewegung sowie Kommunistische Partei, die bereits früh erkannt hatte, dass „Hitler Krieg bedeutet“, mit Terror und Unterdrückung.

Wie bereits zur Zeit des Ersten Weltkrieges wurde mit dem Generalrat der deutschen Wirtschaft eine Vereinigung aller wichtigen Monopole und des Staates geschlossen. Die Namen sind fast dieselben wie heute: Siemens, Bosch, Rheinmetall-Borsig und Thyssen. Die Monopolvertreter wurden 1937 zu Wehrwirtschaftsführern ernannt und hatten die Aufgabe, den Krieg ökonomisch vorzubereiten. Die Kriegswirtschaft wurde in unvorstellbarem Ausmaß und mit großer Geschwindigkeit realisiert: Aufrüstung, Konzentration von Produktion und Kapital durch Pflichtvereinigungen, Autarkiebestrebungen, Zwangsinvestitionen und der Aufbau staatlicher Rohstoffreserven. Besonders betont werden muss die enorme Mobilisierung von Zwangsarbeit als kostenlose Arbeitskraft in den Fabriken und Konzentrationslagern. 1939 hielt der Chef des Wehrwirtschaftsstabes, Thomas, fest: „Die Geschichte kennt wenige Fälle, in denen ein Land in Friedenszeiten all seine wirtschaftlichen Kräfte bewußt und systematisch auf die Kriegserfordernisse abgestellt hat, wie es Deutschland tat.“50

Wie bereits erwähnt, kennzeichnet der Widerspruch zwischen der ökonomischen Macht und dem vergleichsweise geringen Territorium den deutschen Imperialismus. Er ist aufgrund seines hohen Exportanteils auf außenwirtschaftliche Expansionsbestrebungen angewiesen und griff dabei stets auf eine starke staatliche Rolle zurück. Zudem war Deutschlands Rolle maßgeblich durch seine Funktion als Speerspitze gegen den Sozialismus in Form der Sowjetunion bestimmt. Hauptverbündeter dabei waren die USA, deren Bündnis die Möglichkeit der revanchistischen Politik erst ermöglichten. Auch wenn die Sowjetunion heute nicht mehr existiert, hat sich an der Funktion des deutschen Imperialismus als europäischer NATO-Pfeiler gegen Russland nicht viel verändert. Revanchismus und Anti-Kommunismus sind in Deutschland Staatsdoktrin, und die Träger dieser sind dieselben Klassenkräfte wie die Träger der zwei Weltkriege. Die politische Taktik zur Erreichung der Ziele war in der Geschichte durchaus umstritten und ist es bis heute. Sie reichte vom offenen Revanchismus mit Krieg bis hin zur Zersetzung durch ökonomische Einflussnahme („Wandel durch Annäherung“).

1 Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Hans Christoph Atzpodien hat in der Welt die Parole „Autos zu Rüstung“ geäußert: https://www.imi-online.de/2025/03/08/autos-zu-ruestung/

2 Conny Renkl und Stephan Müller, Übergang zur Kriegswirtschaft?: https://www.unsere-zeit.de/uebergang-zur-kriegswirtschaft-4800209/

3 Institut für Weltwirtschaft Kiel. Kriegstüchtig in Jahrzehnten: Europas und Deutschlands langsame Aufrüstung gegenüber Russland. 2024, S. 9. https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kriegstuechtig-in-jahrzehnten-europas-und-deutschlands-langsame-aufruestung-gegenueber-russland-33235/

4 https://www.bmvg.de/resource/blob/5865332/d4d0d9ab55edde72a11cee2a3ca59d3b/nationale-sicherheits-und-verteidigungsindustriestrategie-data.pdf

5 MBDA ist ein deutsches Rüstungsunternehmen mit Sitz in Schrobenhaus, das u. a. Luftwaffen-System entwickelt, produziert und wartet.

6 https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/rheinmetall-wir-produzieren-mehr-munition-als-die-amerikaner-04/100103934.html

7 https://www.bmvg.de/resource/blob/5865332/d4d0d9ab55edde72a11cee2a3ca59d3b/nationale-sicherheits-und-verteidigungsindustriestrategie-data.pdf

8 IfW-Bericht, S. 19.

9 https://www.wallstreet-online.de/nachricht/19103778-rheinmetall-aktie-analysten-optimistisch-rekordhoch-geschaeftszahlen

10 IfW-Bericht, S. 19.

11 https://www.dw.com/de/eu-krisengipfel-macht-weg-frei-f%C3%BCr-eine-wiederaufr%C3%BCstung/a-71854100

12 IfW-Bericht, S. 7 + 49.

13 Nationale Sicherheitsstrategie S. 31.

14 https://www.unsere-zeit.de/uebergang-zur-kriegswirtschaft-4800209/

15 IfW-Bericht, S. 10.

16 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/finanzpaket-bis-zu-17-billionen-euro-schuldenspielraum-wird-noch-groesser/100114078.html

17 https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/volkswagen-vw-ruestung-blume-militaer-fabriken-100.html

18 https://kaz-online.de/artikel/kurzer-abriss-der-anfaenge-und-geschichte-von-volk

19 https://www.swr.de/swr1/kriselnde-automobilzulieferer-orientieren-sich-neu-richtung-ruestungs-und-luftfahrtindustrie-arbeitsplatz-2025-03-01-100.html

20 https://www.wiwo.de/politik/deutschland/schuldenplaene-ruestungsfirmen-scharf-auf-beschaeftigte-der-autoindustrie/30240510.html

21 https://www.ey.com/de_de/newsroom/2025/02/ey-studie-verteidigungsinvestitionen

22 https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/fis-import/78d4d746-2284-4431-bd95-4c4ef055e042-Kiel_Report_Nr2_DE_FINAL-27-2.pdf

23 Nationale Sicherheitsstrategie S.13 https://www.nationalesicherheitsstrategie.de/Sicherheitsstrategie-DE.pdf

24 S. 53 (Nationale Sicherheitsstrategie)

25 https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9149

26 https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9643

27 https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9790

28 https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9345

29 https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/energiepolitik-zeitenwende-2020106

30 https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/aussenpolitik/id_100644878/gas-aus-russland-cdu-politiker-ziehen-lieferungen-wieder-in-erwaegung.html

31 https://www.sueddeutsche.de/politik/ruestung-industrie-waffenproduktion-staatseinstieg-lux.KkRaTcgQogbGo4j2sUPjqd

32 https://www.wiwo.de/politik/deutschland/verteidigung-in-der-ruestungsindustrie-versagt-die-ordnungspolitik/29939226.html

33 https://www.jungewelt.de/artikel/490560.meyer-werft-einstieg-mit-r%C3%BCstungsoption.html

34 https://www.imi-online.de/2024/03/13/weg-in-die-kriegswirtschaft/

35 https://www.deutschlandfunk.de/vorstoss-von-gesamtmetall-streiks-sollen-per-gesetz-verringert-werden-100.html

36 https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21vcmdlbm1hZ2F6aW4vMzNmNmYwYTctZjIyOS00ZmVmLTg3M2EtOTAzZWVlYjg4ZDFh

37 https://taz.de/Gewerkschaften-und-Ruestungsindustrie/!6045570/

38 https://www.igmetall.de/download/20240130_Positionspapier_Sicherheits_und_Verteidigungsindustrie.pdf

39 https://www.igmetall.de/presse/pressemitteilungen/verteidigungsindustrie-zukunftsfaehig-machen

40 https://taz.de/Gewerkschaften-und-Ruestungsindustrie/!6045570/

41 https://www.dgb.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/dgb-chefin-fahimi-befreiungsschlag-fuer-wirtschaft-und-beschaeftigte/

42 https://igbau.de/IG-BAU-begrueszt-CDU-SPD-Sondervermoegen-fuer-Infrastruktur.html

43 https://vernetzung.org/wp-content/uploads/2025/03/VKG_Faltblatt_4-Seiten.pdf

44 https://gewerkschaften-gegen-aufruestung.de/

45 https://bundeskongress.dgb.de/antraege

46 https://storage.e.jimdo.com/file/b71a6c1b-0cab-4530-a8b7-e8e3794f30ad/Mappe-Ausstellung-Gesamt.pdf

47 W. I. Lenin, Den Sozialismus einführen oder aufdecken, wie die Staatskasse geplündert wird?, In: Werke, Bd. 25, S. 57 f.

48 Handbuch Wirtschaftsgeschichte, Hrsg. vom Institut für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1981, Band 2.

49 Der Imperialismus der BRD, Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Dietz Verlag Berlin 1971, S. 17.

50 Imperialismus der BRD, 1971. S. 54.

Umsturz in Syrien – Ursachen und Folgen

Mit Karin Leukefeld | 9. April | 19 Uhr | Berlin

Nach Jahren eines zermürbenden Kriegs der Türkei, Israel, der USA und anderer NATO-Mächte gegen Syrien erlag die Regierung von Assad dem Ansturm einer Islamistenmiliz, die von der UNO als terroristische Organisation geführt wird. Sturmreif geschossen wurde die Regierung in Damaskus zuvor durch die Verhängung beispielloser Wirtschaftssanktionen, die zur Verarmung der großen Mehrheit des Volkes führte.

Die vom „Westen“ gegen die Interessen Russlands, des Irans und Chinas durchgesetzte neue Ordnung ist aber alles andere als stabil. Große ethnische und religiöse Bevölkerungsgruppen wie die Kurden, die Alawiten und die Christen fühlen sich von den neuen, islamistischen Machthabern bedroht. Wohin wird das geschundene Land gehen?      

Über all das sprechen wir am Mittwoch, dem 9. April 2025, 19 Uhr, mit Karin Leukefeld. 

Ort: Spielhagenstraße 13, 10585 Berlin-Charlottenburg, nahe U-Bhf. Bismarckstraße (U2 und U7) und Bus 109.

Das MEZ führt die Veranstaltung gemeinsam mit der Kommunistischen Organisation (KO) durch.

Kostenbeitrag: 3 Euro

Kufiya hat in Buchenwald Hausverbot!

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In diesem Jahr jährt sich zum 80. Mal die Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald. Bereits im August letzten Jahres wurde von der Gedenkstättenleitung versucht, das Tragen der Kufiya, dem Solidaritätssymbol des palästinensischen Befreiungskampfes zu verbieten. Das konnten wir damals noch verhindern.

Entsprechend sah sich die Gedenkstättenleitung in diesem Jahr gezwungen, sich besser vorzubereiten. Direkt nach unserer Ankunft wurden wir von zwei Mitarbeitern gebeten, auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers die Kufiyas abzunehmen. Als Begründung nannten sie einen Absatz in der neuen Hausordnung, laut derer „das Tragen von Kleidungsstücken und Symbolen, deren Herstellung oder Vertrieb im rechtsextremen Feld anzusiedeln sind, ebenso das Tragen von Kleidungsstücken oder Symbolen, die nach objektiver Betrachtung den Grundwerten und dem Zweck der Stiftung widersprechen“ nicht gestattet ist. Auf unsere Nachfrage, inwiefern dies explizit auf die Kufiya zutreffe, antworteten die Stiftungsmitarbeiter, dass die Kufyia ein „Symbol antizionistischer Militanz“ sei. Auf den Hinweis, dass dies so nicht explizit in der Hausordnung stehe, sondern offensichtlich seine persönliche politische Interpretation sei, antwortete er, dies sei „wissenschaftlich erwiesen“. Entsprechend treffe der Passus „objektive Betrachtung“ hier durchaus zu. Dieser Mitarbeiter trug später-entgegen der Hausordnung, die das Tragen von Fahnen verbietet- eine Israelfahne am Revers und präsentierte sie uns grinsend. Er drohte die Polizei einzuschalten, sollten wir das Gelände mit Kufiya betreten.

Was dann auch geschah. Kurz vorm Eingang des Lagergeländes wurden wir von Polizei und Mitarbeitern der Gedenkstätte abgepasst. Der Genossin, die die Kufiya aus Prinzip weitertrug, wurde von den Mitarbeitern ein Hausverbot ausgesprochen. Sie weigerten sich nach unserer Bitte um die schriftliche Ausstellung dieses Hausverbots rechtswidrig, ein solches zu verfassen. Wir haben jedoch darauf bestanden und letztlich war es die Polizei selbst, die eine Ausfertigung dieses Dokuments durch die Gedenkstättenleitung veranlasste.

Die schriftliche Begründung für das Hausverbot wurde uns ausgehändigt, nachdem wir etwa anderthalb Stunden unter polizeilicher Beobachtung darauf warten mussten. Während dieser Zeit wurden wir erneut polizeilich kontrolliert, die Beamten wurden laut eigener Ansage explizit angewiesen, Träger von Kufiyas rauszuziehen. In der Begründung heißt es, mit den Regelungen der Hausordnung gehe es darum, „die Widmung des Tages zu schützen“ und „zu verhindern, dass er für andere Zwecke instrumentalisiert wird“. Und: „Der heutige Jahrestag der Befreiung ist dem Gedenken an die Opfer des KZ Buchenwald gewidmet, nicht anderen gegenwärtigen Auseinandersetzungen“. Eine armselige Lüge angesichts dessen, dass in allen Reden des offiziellen Gedenkens durchaus die Relevanz in Zeiten „der neuen Bedrohung aus Russland“ und des „erstarkenden antiisraelischen Antisemitismus“ betont wurde. Es geht hier also um etwas völlig anderes: mit polizeilichen Maßnahmen sollen unliebsame politische Meinungsäußerungen vom Lagergelände verbannt werden. Und so kam es dann auch. Unsere Genossin verließ unter Polizeieskorte das Lagergelände – ihre Kufiya legte sie nicht ab.

Die Begründungen des Hausverbots sind, wenngleich leider nicht überraschend, doch absurd und gefährlich. Ein aufrichtiges Andenken der Opfer und mutigen Antifaschisten Buchenwalds verpflichtet uns gegen die Kriegspolitik und Völkermordunterstützung Deutschlands aufzubegehren. Wir haben heute viele weitere Menschen mit Kufiya gesehen, die sie nach den Drohungen der Gedenkstättenmitarbeiter abgenommen haben. Wir müssen aber verstehen: Jedes Wegducken ist nur der Anlass, im nächsten Jahr einen Schritt weiterzugehen! Möglicherweise werden sie im nächsten Jahr schon die Kufiya explizit verbieten. Entsprechend werden wir prüfen, gegen dieses Hausverbot nachträglich juristisch vorzugehen.

Der deutsche Staat instrumentalisiert seine faschistische Vergangenheit für die Unterstützung des israelischen Völkermords und seine erneute Kriegsplanung gegen Russland. Jeder, der sich gegen die Verdrehungen stellt, wird es in Zukunft mit der Repression dieses Staates zu tun bekommen. Demokratische Rechte werden jetzt schon abgebaut – der heutige Tag ist Teil dieses Prozesses. Lernen wir aus der Geschichte! Wehren wir uns dagegen!

Palästina-Solidarität ist kein Antisemitismus! Bericht zur Friedensdemonstration in Wiesbaden gegen die US-Raketen

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Am 29. März fand in Wiesbaden eine Friedensdemonstration gegen die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen statt. Mit ca. 4.000 Teilnehmern war dies erfreulicherweise die größte Demo für Frieden seit Jahren in der Stadt. Viele Teilnehmer kamen mit Kufiya und riefen palästinasolidarische, antifaschistische und antirassistische Parolen. Hauptorganisator war das Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung. Beteiligt an der Demonstration war unter anderem das Offene Antifaschistische Treffen (OAT) Wiesbaden. Das OAT trat mit dem Banner „Frieden ja, aber ohne Nationalismus!” auf und versuchte palästinasolidarische Parolen zu überstimmen. Das gelang ihnen jedoch nicht und sie verließen daraufhin die Demonstration.

Der Demozug war friedlich und zog lautstark durch die Innenstadt auf einer Route, die auch an der Wiesbadener Holocaustgedenkstätte vorbeiführte. Die Polizei stellte sich, als die Demo vorbeiging, vor die Gedenkstätte, als ob von ihr erwartet würde, sie zu schänden. Als ein Demoteilnehmer sich die Namen auf der Gedenkstätte durchlesen wollte, wurde er von der Polizei weggeschubst. Ihm wurde gesagt, er könne diese auch später besichtigen. Diese Kriminalisierung von Palästinasolidarität und in diesem Fall auch der Friedensbewegung ist eine von der Bundesregierung angewandte Taktik zur Niederhaltung des Widerstands gegen die Zeitenwende nach innen. Wer gegen den Genozid an den Palästinensern ist, ist automatisch Antisemit und möchte jüdisches Leben auslöschen und Gedenkstätten angreifen – das ist das Bild, das die deutsche Staatsräson schaffen soll, um wieder mehr Autorität nach innen durchzusetzen.

Die Jüdische Gemeinde Wiesbaden (JGW) verleumdete die Demonstration im Nachhinein in ihrem Statement[1] als „Affront gegen die jüdische Gemeinschaft“ und schrieb: „‘Free Palestine‘ bedeutet in der gängigen Verwendung nichts anderes als das Ende Israels – ein Gedanke, der sich nahtlos an die lange Geschichte des jüdischen Existenzkampfes einreiht“. Die Gleichsetzung des jüdischen Lebens mit Israel ist etwas, was man seit Ewigkeiten zu hören bekommt: Free Palestine = Israelhass = Judenhass also Antisemitismus. Aber es ist falsch und gefährlich, den genozidialen Staat Israel mit einer friedlichen Religion wie dem Judentum gleichzusetzen. Das wird auch von vielen jüdischen Organisationen wie z. B. der Jüdischen Stimme kritisiert. Des Weiteren schrieb die JGW, dass „die Friedensdemonstration bewusst durch die Gedenkstätte (…) geführt wurde”. Dies wurde vom Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung zurückgewiesen, das in einem Statement erklärte: „Nachdem die Fußgängerzone nicht genutzt werden durfte, ging es allein darum, im Zentrum der Stadt möglichst viele Menschen anzusprechen und zum Kranzplatz zu kommen, was nur über die Coulinstraße möglich war”[2]. Die Route hatte also keinerlei provozierende Intention, ganz unabhängig davon, dass Palästina-Fahnen und „Free Palestine“-Rufe grundsätzlich keine Provokation darstellen.

Diese Art Verleumdungen sind nichts Neues, dennoch müssen wir uns konsequent dagegen stellen und Aufklärung leisten. Die Friedensbewegung soll delegitimiert werden, da die Stationierung der Mittelstreckenraketen im Interesse der Herrschenden liegt und den offenen Krieg gegen Russland weiter vorbereiten soll. Dagegen hat sich Demonstration klar ausgesprochen und wurde deswegen Zielscheibe der reaktionären Hetze. Wir stehen solidarisch mit der Friedensbewegung.

Nein zur Stationierung der Mittelstreckenraketen in Wiesbaden!
Nein zur Aufrüstung!
Free Palestine!


[1] https://www.instagram.com/p/DH3pSCds-Z7/?img_index=1 

[2] https://wiesbadenaktuell.de/2025/04/02/debatte-ueber-wiesbadener-friedensdemo-eskaliert/

Wer Geschichtsrevisionismus betreibt, verharmlost den Faschismus

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Ein Kommentar der Kommunistischen Organisation zu 80ten Jahrestag der Selbstbefreiung von Buchenwald

Nach 80 Jahren Selbstbefreiung spuken die Geister der Vergangenheit über den Ettersberg

Seit 2022 werden Vertreter der Russischen Föderation nicht zu der Gedenkfeier eingeladen und ihre Kränze für die Opfer des Lagers entsorgt. Russland zahlte mit Millionen Toten einen großen Blutzoll für die Befreiung vom Faschismus, kaum eine Familie blieb verschont. Auch das Georgsband, ein Symbol des Kampfes gegen den Faschismus, ist auf dem Gelände verboten. Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz beschuldigte die Gedenkstättenleitung Russland der Instrumentalisierung der faschistischen Vergangenheit, wenn seine Politiker von einer Entnazifizierung der Ukraine sprechen.[1] Kein Wort zu den faschistischen Mörderbanden im ukrainischen Militär und Geheimdienst oder zum Bandera-Kult und Russenhass, der die Gesellschaft durchsetzt. Passend zu dieser Linie wurde 2022 auf der offiziellen Gedenkfeier nicht die weißrussische Flagge angebracht, sondern die der Opposition.[2] Und das, obwohl die Flaggen für gewöhnlich die Nationalitäten der Häftlinge repräsentieren sollen. Die Fahne der weißrussischen Opposition war zur Zeit des Konzentrationslagers Buchenwald das Symbol der judenhassenden, weißrussischen Nazi-Kollaborateure.  

Auch die gescheiterten Versuche vom letzten Jahr, Antifaschisten mit Kufiyah den Eintritt in die Gedenkstätte zu verwehren, reihen sich in diese katastrophale Politik ein. Faschisten und palästinasolidarische Aktivisten werden ohnehin gerne mal in einen Topf geworfen: »Wenn junge Leute in Berlin „Free Palestine from German guilt“ skandieren, unterscheidet sich das kaum vom „Schuldkult“-Narrativ der extremen Rechten.«[3] so die Gedenkstättenleitung in einer Rede vom 27. Januar dieses Jahres. Während die einen darauf bestehen, die deutsche Schuld am Holocaust aufzuarbeiten, anstatt sie auf Araber und Palästinenser zu übertragen, leugnen die anderen die faschistischen Verbrechen Deutschlands. 

Diese Politik der Gedenkstätte hat ihre Wurzeln im stockreaktionären Geschichtsrevisionismus, auf den sich die Bundesrepublik stützt. Wir wollen im Folgenden Hintergründe liefern und die Geschichte der Gedenkstätte Buchenwald anlässlich 80 Jahren Selbstbefreiung aufarbeiten. Die Entlassungen und politischen Säuberungen seit 1990 bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs. Kaum bekannt ist die Geschichte des Protestes und Widerstandes gegen diesen Geschichtsrevisionismus.

Der Kampf gegen Geschichtsrevisionismus gehört auf die Tagesordnung

Für die deutsche Kriegsmaschinerie, die aktuell mit 1,7 Billionen Euro geölt werden soll, ist der Geschichtsrevisionismus ein entscheidender Hebel. Mit Geschichtsrevisionismus werden Krieg und Aufrüstung legitimiert. Deutschland habe aus seiner Vergangenheit gelernt und dürfe genau deswegen Atombomben besitzen, Panzer in die Ukraine schicken oder Bomben nach Israel liefern. Mit diesem Geschichtsrevisionismus wird außerdem neofaschistischen Tendenzen Vorschub geleistet. Wir müssen also genau hinschauen, wenn heute von deutscher Verantwortung und Lehren aus der Geschichte gesprochen wird. Und umso besser müssen wir die Geschichte des Faschismus und des antifaschistischen Widerstandes studieren. Es ist unsere Geschichte und wir müssen sie kennen! Wer die Erfahrungen und Klassenkämpfe der Vergangenheit nur schablonenhaft und identitär behandelt, ist zum Scheitern verurteilt – das gilt auch für die Gefahr der Ritualisierung des Gedenkens durch uns Kommunisten.

Das Ziel liegt darin, die Reinwaschung und Verleumdung der faschistischen Verbrechen so weit zu betreiben, dass man imstande ist, im Namen dieser Verbrechen neue Verbrechen begehen zu können. Oder wie es die Bourgeoisie nennt: Verantwortung. Konkret drückt sich diese Politik in der Täter-Opfer-Umkehr im Zweiten Weltkrieg aus, die notwendig wird, um den Krieg gegen Russland vorzubereiten.  Das geschieht erstens durch das Ausblenden deutscher Verbrechen in Osteuropa und zweitens durch eine Dämonisierung der Sowjetunion, die man nicht mehr als Befreierin akzeptieren will. Drittens wird die Rolle deutscher Monopole unterschlagen, um davon ausgehend Kontinuitäten des Faschismus, die bis heute in der DNA der BRD stecken, zur Spinnerei zu erklären.

»Die Blutspur führt von Buchenwald nach Bonn.« 

So brachte es das Lagermuseum in Buchenwald bis 1990 auf den Punkt. Im selben Jahr wurden weite Teile der Ausstellung abgebaut. 1995 entledigte man sich der Ausstellung komplett.[4] In dieser Zeit betrieb die BRD eine regelrechte Inquisition: Überall in Ostdeutschland wurden Ausstellungen politisch gesäubert und kleinere KZ-Gedenkstätten sogar komplett plattgemacht.

Warum musste die Ausstellung Buchenwald weichen? Weil die neue Gedenkstättenleitung weder Kontinuitäten in der BRD noch die Rolle der Monopole und der Finanziers hinter Hitler sehen wollte. Auch die Selbstbefreiung des Lagers und sein internationaler Widerstand passten nicht ins Bild. Die neue Gedenkstättenleitung war voll auf Linie des BRD-Geschichtsrevisionismus. Der Staat, der selbst nie eine ordentliche Aufarbeitung des Faschismus betrieb, hatte für den Antifaschismus, der von der KZ-Gedenkstätte ausging, nichts übrig. Während in der BRD bis zu diesem Zeitpunkt keine Gedenkstättenarbeit und –forschung existierte, hatte sie nun die Vormundschaft über die breit gefüllten Archive und Forschungen der DDR-Geschichtswissenschaft. In der BRD mussten ehemalige Häftlinge jahrelang für die Errichtung und Erhaltung von Gedenkstätten kämpfen – oft erfolglos. Den Freiwilligen, die sich für die Erhaltung der Gedenkstätte Dachau einsetzten, wurde mehrmals mit Schließung gedroht.[5] Die Forschung zum Faschismus war in der BRD völlig unterfinanziert und hatte einen Außenseiterstatus. Die breite Aufarbeitung und Forschung der DDR beweist hingegen bis heute, dass es auch anders gehen kann. Der Großteil der Historiker wurde 1990 auf die Straße gesetzt und aus den Universitäten Ostdeutschlands verbannt. Ihr Protest und Einspruch gegen diese Maßnahmen gingen im nationalistischen Freudentaumel der DDR-Eingliederung unter. Ein neues Geschichtsbild wurde von oben aufgezwungen. Das Schicksal der Gedenkstätte Buchenwald ist seitdem ein Paradebeispiel des Geschichtsrevisionismus.

Die Abwicklung der Gedenkstätte Buchenwald

1990 wurde auch die Gedenkstättenleitung umgehend abgewickelt und eine westdeutsche Historikerkommission eingesetzt. Es folgten dutzende Entlassungen und Denunziationen des alten Personals. Der neue Gedenkstättenleiter hielt sich nur 5 Tage im Amt. Als die DKP-Vergangenheit des Historikers bekannt wurde, musste er sofort wieder weichen.[6] 

Die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald neben dem Lager, geplant und errichtet von ehemaligen Häftlingen, wird seitdem verunglimpft als Zeugnis der heuchlerischen und diktatorischen DDR-Staatspropaganda.[7] Das größte KZ-Mahnmal Europas wird seit 35 Jahren den Witterungsbedingungen des Ettersberges überlassen.

Stattdessen fokussierte man sich nun auf die Nutzung von Buchenwald als Internierungslager für Nazifunktionäre, SS-Angehörige und Wehrmachtssoldaten zwischen 1945 und 1950. Gefundenes Fressen für die Reaktion: den Mythos vom Sowjet-KZ Buchenwald verbreiteten bereits viele Altnazis in der jungen BRD. Fakt ist: Solche Internierungslager wurden in allen vier Besatzungszonen genutzt und basierten auf Listen des britisch-amerikanischen Oberkommandos. Der Beschluss dazu wurde 1943 auf der Alliierten Konferenz in Teheran getroffen.[8]

Die Häftlinge des Internierungslagers Buchenwald erhielten schon früh Entschädigungen als „stalinistisch Verfolgte“. Was schon in der BRD der 1950er auf antifaschistischen Widerstand stieß, wurde in den 1990ern mit einer Gedenkstätte, die Nazis als Opfer präsentiert, weiter auf die Spitze getrieben. Während ein Monat Haft in der DDR/SBZ 550 Mark Entschädigung bedeutete, wurden Insassen der Konzentrationslager mit 150 Mark abgespeist. Kommunisten gingen leer aus und sahen sich staatlichen Repressionen ausgesetzt.[9] Die 1990 errichtete Gedenkstätte für das Speziallager steht hinter der Effektenkammer und erstreckt sich über 250 Quadratmeter Wald. Sie ist seitdem eine Pilgerstätte für Rechte und Neofaschisten.[10]

Streit um das antifaschistische Erbe

Der erneute Protest von Antifaschisten und ehemaligen Häftlingen des Konzentrationslagers gegen diese Geschichtsklitterung wurde von der Springerpresse als Umtriebe kommunistischer Ideologen verunglimpft und von der Gedenkstätte abgeschmettert. Nichts sollte dem neuen Geschichtsbild im Weg stehen.[11]  

Bis zuletzt protestierten die ehemaligen Häftlinge des Lagers gegen eine solche Umdeutung der Geschichte. Der Buchenwald-Häftling Emil Carlebach kritisiert, wie der Aufstand der jüdischen Häftlinge gegen die Todesmärsche und die Unterstützung durch den internationalen Widerstand im Lager behandelt werden:  »Ich selbst wurde acht Tage lang unter dem Fußboden einer Baracke versteckt – bis zur Befreiung. Ich sollte erhängt werden, weil man mich nicht ganz zu Unrecht verdächtigte, mitbeteiligt zu sein an der Verhinderung des Abtransportes der Juden zum Todesmarsch. Ich trug ja selber den Judenstern und wir haben über 900 Kinder hier gerettet, die nach SS-Begriffen und nach Begriffen der Herren Krupp und IG-Farben unnütze Esser waren und in Gaskammern kommen sollten. Heute wird das alles von Politikern und Historikern als kommunistischer Mythos denunziert. (…) Na gut, Lügen konnte nicht nur Göbbels, er hatte auch Nachfolger.«[12]    

Seit dem erinnerungspolitischen Kahlschlag der Neunziger ist die Marschrichtung klar: »Es geht auch in Buchenwald darum, wie man mit Geschichte öffentlich umgeht und wie man auch mit dem Antifaschismus-Mythos der DDR umgeht und solche Dinge. Und da brauchen sie einen mit Erfahrung im öffentlichen Umgang mit Geschichte, die nicht nur sozusagen wissenschaftliche Brillanz allein erfordert.« So der neue Gedenkstättenleiter Hofmann in der taz vom 15.6.1992. Für historische Fakten scheint kein Platz zu sein, wenn es um die Dämonisierung des Antifaschismus der DDR geht.   

Auch die nicht enden wollenden Versuche der DDR – und damit der politischen Linken – Antisemitismus zu unterstellen, gehen an Buchenwald nicht spurlos vorbei. Und das, obwohl der 1958 eingerichtete Gedenkort an der Stelle des jüdischen Sonderlagers sowie zahlreiche Reden und Artikel aus der Zeit das Gegenteil beweisen. Umso perfider ist es, dass der Aufruf der illegalen KPD »Gegen die Schmach der Judenpogrome« und die Verweise auf den gemeinsamen Widerstand von Juden und Kommunisten aus der Ausstellung gestrichen wurden. Selbst die Gedenkplakette für Jerzy Zweig, dem geretteten polnisch-jüdischen Kind aus Nackt unter Wölfen, wurde entfernt. Zweig selbst zog wegen der wiederholten Diffamierungen als „Tauschkind“ und „Legende“ gegen die Gedenkstättenleitung vor Gericht.  

2012 schaltete sich das Auschwitz-Komitee ein. In einem offenen Brief an die Regierenden forderte Esther Bejarano: »Schluss mit der Überwachung von Überlebenden des Holocaust und der Diskreditierung ihrer Zeitzeugenarbeit! « Sie kritisiert die Gesinnungsschnüffelei der Geheimdienste und den Generalverdacht gegenüber Überlebendenorganisationen und antifaschistischen Initiativen, während »die Regierenden eine Mitverantwortung an den deutschen Zuständen heute tragen: An der Ökonomisierung des Denkens, an der Entsolidarisierung der Gesellschaft, und, daraus folgend, an der sozialen Spaltung, die Ängste schürt. Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit haben heute wieder Konjunktur in Deutschland. «[13]

Muff von 1000 Jahren

Mit der BRD zog nicht nur ein neues Geschichtsbild ein, sondern auch hunderte Neonazis konnten sich nun wieder breitmachen. Sie greifen bis heute die Gedenkstätte und Besuchergruppen an: Hitlergrüße, Hakenkreuzschmierereien, Verhöhnung der Opfer, verbale Angriffe und Sabotageaktionen. Viel zu oft kommen die Neofaschisten mit viel zu geringen Strafen oder völlig ungestraft davon. Die neue Gedenkstätte für das sowjetische Internierungslager ist hingegen ein beliebter Pilgerort der Neofaschisten. 1996 besuchte eine Neonazigruppe, darunter das NSU-Trio, die Gedenkstätte in SA-ähnlichen Uniformen, um zu provozieren.[14] In der DDR hätte das ihre Verhaftung bedeutet und 10 Menschen das Leben gerettet. In der BRD konnte die geheimdienstfinanzierte Truppe weiter ihr Unwesen treiben.    

Mit der Zeit fand außerdem das Vorhaben, Opfer und Täter „differenzierter“ darzustellen, immer stärkere Unterstützung aus Wissenschaft und Politik. Die Darstellung der SS als diabolische Gewalttäter sei undifferenziert – die Teilschuld „roter Kapos“ müsse einbezogen werden. Auch die rein positive Darstellung des Lagerwiderstands sei problematisch und beweise die Einseitigkeit des DDR-Antifaschismus. Auch hier ging die Bild-Zeitung wieder als Vorreiterin in die Startlöcher: Mit der Artikelserie „Wie Kommunisten den Nazis beim Töten halfen“ hetzten sie in übelster Weise gegen Buchenwald-Häftlinge. 

 Im Schwur von Buchenwald heißt es: »Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!« In Westdeutschland bauten diese Schuldigen einen neuen Staat auf. Die Kriegstreiber und Revanchisten, die heute zum Krieg gegen Russland trommeln, treten ihr Erbe an. Drei Ziele zeugen bis heute davon, wessen Geistes Kind diese Bundesrepublik ist: Rache an der Sowjetunion, Unterwerfung Osteuropas und Abschüttelung der historischen Verbrechen.   


[1] Gedenkstätte Buchenwald (2025): Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. 

[2] Website der Gedenkstätte Buchenwald (2022): 77. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora.

[3] Ebd.

[4] Zorn, Monika (1993): Hitlers Zweimal getötete Opfer.

[5] Daniela Dahn (2021): Der Schnee von Gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit, eine Abrechnung. 

[6] Zorn, Monika (1993): Hitlers Zweimal getötete Opfer.

[7] Dutzende Artikel von BPB bis zur Website der Gedenkstätte zeugen davon.

[8] Dahn (2021), S.102.

[9] Daniela Dahn (2021): Der Schnee von Gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit, eine Abrechnung. 

[10] Ebd.

[11] Daniela (2021)

[12] Thomas Knecht (2010): Carlebach 1. (YouTube Video ab Min. 6:46) 

[13] Esther Bejarano (2012): Offener Brief des Auschwitz Komitees an die Regierenden (Glocke vom Ettersberg Nr. 205)

[14] Stiftung Gedenkstätten (2021): Besucher*innen, die nicht willkommen sind. (Eine Auswahl neofaschistischer Angriffe und Provokationen).