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Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke mit Susann Witt Stahl

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Wir präsentieren die Audio-Aufzeichnung der Buchvorstellung „Der Bandera-Komplex“ mit der Herausgeberin Susann Witt-Stahl, aufgenommen in Leipzig im Februar 2025. Susann Witt-Stahl beleuchtet in ihrem Beitrag die historischen Wurzeln des Banderismus, deren heutige ideologische Funktion und das dahinterstehende Netzwerk.

Das Buch kann bei der jungen Welt bestellt werden.

Für Kuba und Sozialismus: Kubasolidarität – Entwicklung und Notwendigkeit

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Redaktioneller Hinweis: In seinem Beitrag wirft Lanius Osen, der selbst in der Kuba-Solidarität aktiv ist, einen Blick auf die Kuba-Solidaritätsbewegung in Deutschland. Er zeichnet die Entwicklung dieser von der DDR bis heute nach und zeigt, welche Herausforderungen durch die Blockadepolitik und Desinformationskampagnen bestehen. An dieser Stelle möchten wir noch einmal auf die Vortragsreihe zum Internationalismus in der DDR verweisen: Die Vortrag Chile und die DDR, Mali und die DDR sowie Palästina und die DDR können alle auf Youtube nachgehört werden.

Beitrag von Lanius Osen

Inhalt

1. Einleitung

2. Ausgangslage

3. Kuba und DDR – solidarisch im Kampf für Frieden und Sozialismus

4. Die Beziehungen der BRD zu Kuba

5. Medien und Subversion als Waffe

6. Herausforderungen und Zukunftsaussichten: Internationalistische Solidarität als strategische Notwendigkeit für Kuba

7. Organisationsformen der Kubasolidarität

8. Wie weiter?

1. Einleitung

Schon Che Guevara machte in einem Gespräch mit dem damaligen algerischen Präsidenten Ben Bella Mitte der 60er Jahre deutlich, dass der Kampf gegen den Imperialismus längst keine Angelegenheit eines Volkes oder eines Landes sein kann. Kuba habe während der Invasion durch die USA 1961 die Erfahrung machen müssen, dass der Kampf gegen Imperialismus eine Sache für alle Länder auf der ganzen Welt sei. Dieser Kampf verlangt die internationale Solidarität aller gleichermaßen.1 Und auch wenn sich seit dieser Feststellung einiges in der Welt verändert hat, behält diese Aussage ihre Wahrheit.

Die Kuba-Solidarität in Deutschland ist aufgrund der historischen Entwicklung sehr vielschichtig. Seit der kubanischen Revolution 1959 war Kuba ein wichtiger Bezugspunkt für die sozialistischen Länder in Mittel- und Osteuropa sowie die nationalen Befreiungsbewegungen weltweit. Besonders in der DDR wurde die Solidarität mit Kuba als Ausdruck des proletarischen Internationalismus und der Einheit im Kampf der Arbeiterklasse praktisch gelebt. Doch auch nach der Konterrevolution 1989 spielt die Kuba-Solidarität noch eine Rolle in der Arbeiterbewegung der BRD, wo sie ein Symbol des Widerstands gegen Kapitalismus und imperialistische Unterdrückung darstellt.

Wie Fidel Castro in einer Rede von 2007 erklärte, ist die Geschichte Kubas untrennbar mit dem Kampf um die Bewahrung seiner nationalen Identität und Unabhängigkeit verbunden, ebenso wie mit der Evolutionsgeschichte des Imperiums der Vereinigten Staaten, seinem ständigen Versuch, sich Kubas zu bemächtigen, und den schrecklichen Methoden, die es heutzutage zur Absicherung seiner Weltherrschaft anwendet.2 Diese noch heute geltende Ausgangslage verdeutlicht, warum internationale Solidarität für Kuba von Bedeutung ist – nicht nur als Widerstand gegen die US-amerikanische Blockadepolitik, sondern auch als Ausdruck des gemeinsamen Kampfes um den Erhalt des Sozialismus auf Kuba.

Im folgenden Text soll die Kubasolidarität in Deutschland näher betrachtet werden. Zunächst wird nach einer Einordnung der politischen Ausgangslage die enge Solidarität zwischen Kuba und der DDR dargestellt, die sich im gemeinsamen Kampf für Frieden und Sozialismus zeigte. Anschließend werden die Beziehungen zwischen Kuba und der BRD beleuchtet sowie die Herausforderungen, die durch mediale Desinformation und Subversion bestehen. Abschließend werden die aktuellen Herausforderungen und Zukunftsaussichten betrachtet.

2. Ausgangslage

In der zweiten Jahreshälfte 2019 verschärfte die Trump-Administration das seit 1960 bestehende Wirtschaftsembargo gegen Kuba durch die Einführung von über 240 zusätzlichen Sanktionen und Maßnahmen. Diese Maßnahmen führten dazu, dass wichtige Deviseneinnahmequellen Kubas, wie der Tourismus, stark beeinträchtigt wurden. US-Amerikanern wurde die Reise nach Kuba verboten, und Kreuzfahrtschiffe durften nicht mehr anlegen.3 Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich weiter durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie ab 2020, was das Land zusätzlich unter Druck setzte. Die verschärfte Blockade verursachte anhaltende Stromausfälle, die nicht nur die Wasserversorgung beeinträchtigten, sondern auch Transportprobleme verschärften und zu einem Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten führten.4 Im Januar 2021, nur eine Woche vor der Amtsübergabe an Joseph Biden, setzte der scheidende US-Präsident Donald Trump Kuba erneut auf die Liste der „staatlichen Sponsoren des Terrorismus“, was zu weiteren wirtschaftlichen Einschränkungen führte. Finanztransaktionen von Drittländern und deren Banken sowie Unternehmen mit Kuba wurden dadurch erschwert und konnten von den USA mit hohen Geldstrafen belegt werden.5

Anfang 2025, kurz vor dem Ende seiner Amtszeit, kündigte US-Präsident Joe Biden an, Kuba von der Liste der Staaten zu streichen, die den Terrorismus unterstützen. Wenige Tage vor der Amtsübergabe im Weißen Haus setzte er diesen Schritt als „Geste des guten Willens“ tatsächlich um. Doch unmittelbar nach seiner Vereidigung als 47. Präsident der Vereinigten Staaten machte Donald Trump diese Entscheidung wieder rückgängig.6 Der designierte Außenminister Marco Rubio, selbst Sohn einer ultrareaktionären Exilkubanerfamilie aus Florida, gilt als Hardliner und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erneute Verschärfung der US-Politik gegenüber Havanna vorantreiben.7

Unter Bidens Präsidentschaft wurden lediglich Sanktionen für kubanische Privatunternehmen etwas gelockert. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez erklärte, dass die Maßnahmen in ihrer Tragweite „beschränkt“ gewesen seien. Sie hätten die „grausamen Folgen und die wirtschaftliche Erstickung“, die vor allem durch die fortgesetzte Einstufung Kubas als „staatlicher Sponsor des Terrorismus“ verursacht wurden, nicht abgemildert. Zudem zielten sie laut Rodríguez darauf ab, „die kubanische Gesellschaft zu spalten.“8

Die kubanische Regierung versuchte seit Anfang 2024 mit einem „makroökonomischen Stabilisierungsprogramm“ gegenzusteuern, um das hohe Haushaltsdefizit von 18 Prozent zu senken. Angesichts einer Rezession von zwei Prozent im Jahr 2023 blieb auch das erste Halbjahr 2024 unter den Erwartungen. Premierminister Manuel Marrero sprach von einem „komplexen Szenario“ und erwähnte die von Präsident Miguel Díaz-Canel im Dezember 2023 geprägte Metapher der „Kriegswirtschaft“.

Der akute Devisenmangel aufgrund des sich nur langsam erholenden Tourismus und anhaltender US-Sanktionen hat den finanziellen Spielraum der Regierung eingeschränkt. Mit der Rezentralisierung einiger Staatsausgaben, die künftig monatlich geprüft werden sollen, sollen die vorhandenen Mittel effektiver genutzt werden. Durch die Verzahnung von Staats- und Privatsektor sollen neue Synergien für mehr lokale Produktion und Importsubstitution entstehen.

Als Teil des Anpassungsprogramms wurden die Preise für Kraftstoff und Tabakwaren erhöht und neue Importzölle eingeführt. Gleichzeitig stiegen die Gehälter im Bildungs- und Gesundheitswesen. Kubas Vizewirtschaftsministerin Mildrey Granadillo de la Torre kündigte eine „einheitliche“ Preispolitik an, die für den Staatssektor und private Unternehmen gelten soll. Ab dem 1. Juli 2024 wurden die Gewinnmargen staatlicher Firmen, die an den Privatsektor verkaufen, auf 30 Prozent limitiert, um Korruption zu bekämpfen und die Kosten für Verbraucher zu senken.

Die aktuelle Situation in Kuba ist äußerst angespannt. Die Regierung steht vor der Herausforderung, die Errungenschaften der kubanischen Revolution zu bewahren und gleichzeitig den Menschen vor Ort Perspektiven zu bieten. Dies erfordert kontinuierliche Aufklärungsarbeit und eine effektive Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme.9 Angesichts der nur angedeuteten Herausforderungen, denen Kuba gegenübersteht, hat deshalb die Solidaritätsarbeit eine wichtige Bedeutung. Dabei umfasst sie verschiedene Aufgaben, in denen versucht wird, über symbolische Gesten hinauszugehen und eine konkrete Verbindung zwischen internationaler Solidarität und antiimperialistischer Politik herzustellen.

3. Kuba und DDR – solidarisch im Kampf für Frieden und Sozialismus

Die Bezeichnung dieses Abschnitts ist weder bloße Floskel noch Propaganda und sehr bewusst gewählt. Im Gegensatz zur Darstellung in der westlichen Presse waren die Beziehungen der DDR zu Kuba nicht eigennützig motiviert. Dies zeigt sich bereits im Motto der Ausstellung in Santiago de Cuba zum XV. Jahrestag der DDR 1964: „Kuba und DDR – solidarisch im Kampf für Frieden und Sozialismus“. In diesem Abschnitt werden einige konkrete Beispiele der gelebten Solidarität zwischen Kuba und der DDR dargestellt.

Ökonomische Solidarität

1960 war Kuba das erste Land in Lateinamerika, das die Deutsche Demokratische Republik (DDR) völkerrechtlich anerkannte. Schon im Jahr 1961 wurden die ersten Vereinbarungen zwischen den beiden Staaten getroffen. Nach der Sowjetunion war die DDR der zweitwichtigste und zweitgrößte Wirtschaftspartner Kubas.10

In den frühen Jahren nach der kubanischen Revolution war die Zusammenarbeit mit sozialistischen Ländern für Kuba essenziell, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Der traditionelle Absatzmarkt in den USA fiel weg, und die US-Blockade hatte direkte, verheerende Auswirkungen auf Kuba; zusätzlich beeinflusste sie die Haltung anderer kapitalistischer Staaten gegenüber der Republik.11

Auf der 11. Plenartagung des Zentralkomitees im Dezember 1960 unterstrich die SED ihren solidarischen Beitrag. Walter Ulbricht erklärte, dass die DDR das kubanische Volk, das seine nationaldemokratische Revolution erfolgreich abgeschlossen hatte, mit voller Kraft unterstützen werde. Diese Erklärung setzte einen klaren Kurs für die zukünftige Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und Kuba. Diese Art der Darlegung hatte nicht nur mobilisierende Wirkung auf die zuständigen Staatsorgane, sondern auch auf die Partei und die Massenorganisationen.12

Trotz der Tatsache, dass die DDR 1960 selbst ein bedeutender Zuckerexporteur war und über eine gut ausgebaute Industrie von Zuckerrübenverarbeitung bis zu Raffinerien verfügte, importierte sie in diesem Jahr 62.000 Tonnen Zucker aus Kuba. Die Preise für diesen Zucker waren für Kuba deutlich höher als die an den Börsen der kapitalistischen Staaten.

Die Grundlage für diese Importe bildete ein Abkommen zwischen den Staatsbanken der DDR und Kubas, das den Handel und Zahlungsverkehr regelte. Kuba erhielt dabei einen ersten Staatskredit von über 12 Millionen US-Dollar, was für die DDR weit mehr als nur eine symbolische Geste der Solidarität darstellte. Der Handel wurde nach dem „Clearing-Verfahren“ durchgeführt, was bedeutete, dass Ein- und Ausfuhren ausgeglichen werden mussten. Auf diesen ersten offiziellen Schritten folgten am 30. August weitere Vereinbarungen, darunter der Austausch von „Missionen“ – offiziellen Entsendungen von Botschaftern oder diplomatischen Vertretern –, ein Kulturabkommen, ein Handelsabkommen sowie ein Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit.13 Im März 1961 wurde ein Abkommen über kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der DDR und Kuba abgeschlossen, gefolgt von einem Schifffahrtsabkommen im gleichen Jahr. Um den wachsenden Güterverkehr zu bewältigen, wurde die spezielle „CUBALCO“-Linie eingerichtet, die für den Transport von und nach Kuba zuständig war, wobei die DDR den Großteil der Schiffe bereitstellte.

Die DDR unterstützte Kuba beim Aufbau einer industriellen Basis, unter anderem durch den Bau von Zementwerken, wie dem Werk „Karl Liebknecht“ in Cienfuegos, das mit moderner Technologie und technischer Hilfe aus der DDR errichtet wurde. Auch beim Aufbau der Textilfabrik „Karl Marx“ in Matanzas half die DDR, indem sie Maschinen und technisches Know-how lieferte. Diese Fabrik spielte eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der kubanischen Leichtindustrie. Zusätzlich lieferte die DDR eine Vielzahl von Maschinen, Fahrzeugen und industrieller Ausrüstung nach Kuba, darunter landwirtschaftliche Maschinen, Baumaschinen sowie Lastwagen und Traktoren, die für die industrielle und landwirtschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung waren.

Durch diese umfassende wirtschaftliche Unterstützung wurde die DDR zu einem wichtigen Handelspartner Kubas. Sie importierte kubanische Produkte wie Zucker und Nickel, was zur Stabilisierung der kubanischen Wirtschaft beitrug. Im Gegenzug exportierte die DDR industrielle Güter, Maschinen und Konsumgüter nach Kuba. Dieser Handel ermöglichte Kuba trotz des US-Embargos den Zugang zu wichtigen Industriegütern. Die DDR-Regierung betrachtete diese Unterstützung als echte Solidarität, bei der ein brüderlich verbundenes Land durch gezielte wirtschaftliche Zusammenarbeit langfristig in die Lage versetzt werden sollte, eine unabhängige und souveräne Politik zu verfolgen.14

Kuba, als fester Bestandteil des sozialistischen Weltsystems und insbesondere des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), konnte das volle Potenzial einer globalen kommunistischen Produktionsweise, wie sie ursprünglich angestrebt wurde, leider nicht vollständig ausschöpfen. Ab Mitte der 1980er Jahre traten vermehrt Schwierigkeiten auf, die nicht nur die DDR-Industrie betrafen, sondern auch die Umsetzung gemeinsamer wirtschaftlicher Integrationsprojekte im RGW nahezu unmöglich machten. Die Absicht, durch Integration die Produktivität der Mitgliedsländer anzugleichen, blieb weitgehend unerfüllt, da es bereits an den objektiven Voraussetzungen und wirtschaftlichen Ressourcen mangelte. Ein Beispiel hierfür ist das gescheiterte Projekt einer Nickelhütte in Las Camariocas, dessen Inbetriebnahme für 1987/88 geplant war. Wegen begrenzter Kapazitäten zogen mehrere RGW-Länder ihre Beteiligung an dem Abkommen zurück. Trotz dieser Probleme zeigte sich das Potenzial einer weltweiten Kooperation frei assoziierter Produzenten.15

Nachdem die DDR in die BRD einverleibt wurde, annullierte die Bonner Regierung einseitig und ersatzlos alle 64 Abkommen, Vereinbarungen und Verträge zwischen der DDR und Kuba. Der Zusammenbruch des sozialistischen Systems hatte weitreichende Folgen, die als Sonderperiode bekannt wurden und in einem separaten Abschnitt näher erläutert werden.

Kultur und Wissenschaft

Nicht nur die wirtschaftliche Zusammenarbeit prägte die Freundschaft zwischen den beiden Staaten. Von Beginn der Beziehungen an entwickelte sich ein intensiver Kulturaustausch in Bereichen wie Verlagswesen, Volksbildung und den Künsten.

Auf der Grundlage eines Kulturabkommens von 1963 entstanden direkte Beziehungen. Dieses Abkommen regelte die Zusammenarbeit in kulturellen und wissenschaftlichen Bereichen und trug zur Vertiefung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern bei. Fachkräfte aus der DDR halfen beim Aufbau von Bildungseinrichtungen, die den Arbeiter- und Bauernfakultäten der DDR ähnelten. Diese Einrichtungen ermöglichten es Jugendlichen, die zuvor keine Gelegenheit hatten, ihre Hochschulreife zu erwerben, das Abitur nachzuholen.

Das Volksbildungswesen der DDR spielte eine entscheidende Rolle bei der Einführung der Unterrichtsplanung, der Lehrplangestaltung und besonders beim Aufbau des Mathematikunterrichts in kubanischen Grund- und Mittelschulen. In den 1960er Jahren nahmen die ersten kubanischen Jugendlichen ihr Studium an DDR-Hochschulen auf. Diese Bildungskooperation war jedoch keine Einbahnstraße. So wurden auch Erfahrungen aus Kuba ausgewertet und in die Gestaltung der Lehrpläne sowie des schulischen Alltags integriert. Diese wechselseitige Beziehung unterstreicht den Charakter der internationalistischen Bildungsarbeit der DDR.16

Solidarität in der DDR-Bevölkerung

In der DDR wuchs die Sympathie und Unterstützung für die kubanische Revolution, was im Januar 1961 zur Gründung eines Komitees für Kuba-Solidarität führte. Ein markantes Zeichen dieser Solidarität war die große Massenkundgebung am 26. April 1961 in Berlin Unter den Linden. Diese Demonstration, die zehntausende Teilnehmer versammelte, richtete sich gegen die von den USA unterstützte Invasion in der Schweinebucht.17 Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1978 in Havanna stellten einen bedeutenden Moment in der Geschichte der internationalen Solidarität dar. Sie vereinten junge Menschen aus aller Welt, um ihre gemeinsamen Ziele und Kämpfe zu besprechen und zu feiern. Diese Veranstaltung stärkte nicht nur die Solidarität unter den Teilnehmern, sondern festigte auch Kubas Position als Zentrum der antiimperialistischen Bewegung.

Durch die enge Zusammenarbeit in gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und anderen Bereichen entwickelten sich zahlreiche freundschaftliche Beziehungen, und das Solidaritätsgefühl mit dem revolutionären Kuba war in der DDR stark ausgeprägt.18

4. Die Beziehungen der BRD zu Kuba

Die Solidarität mit Kuba wies in der BRD und der DDR deutliche Unterschiede auf, die auf die unterschiedlichen politischen Systeme, ideologischen Ausrichtungen und internationalen Bündnisse zurückzuführen sind. In der BRD wurde die Solidarität vor allem von linken Oppositionsgruppen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen getragen, während staatliche Unterstützung praktisch nicht existierte. Im Gegensatz dazu war die Solidarität mit Kuba in der DDR, wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, stark staatlich geprägt und eng in die offizielle Politik eingebunden.

Der deutsche Imperialismus hat sich historisch immer wieder gegen die sozialistische Regierung Kubas gestellt, insbesondere im Kontext der US-Blockade. Deutschland hat zwar die Blockade nicht direkt verhängt, doch die Bundesregierung traf regelmäßig politische Entscheidungen, die im Sinne imperialistischer Politik agierten und Kuba in wirtschaftlicher und diplomatischer Hinsicht isolierten.

Vor 1959 unterhielt die Bundesrepublik Deutschland (BRD) diplomatische Beziehungen zur Diktatur unter Batista. Der Handel war geprägt durch den Export von Zucker aus Kuba und die Lieferung von Industrieprodukten aus Deutschland. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um Handelsbeziehungen mit kubanischen Privatbetrieben handelte, bei denen die Gewinne von Privatunternehmen angeeignet wurden. Nach dem Sieg der kubanischen Revolution 1959 änderten sich die Handelsbeziehungen zunächst wenig, da Kuba weiterhin wirtschaftliche Beziehungen zu westlichen Ländern pflegte. Die Situation begann sich jedoch rasch zu verändern, als Kuba nach dem Bruch mit den USA und der Verschärfung der Blockade zunehmend die Zusammenarbeit mit der DDR suchte, um sich von imperialistischen Einflüssen zu befreien und eine sozialistische Wirtschaftsordnung aufzubauen. Im Zuge dieser Neuausrichtung verstaatlichte Kuba viele große Industriebetriebe und landwirtschaftliche Unternehmen, um die Kontrolle über Produktionsmittel zu erlangen. Im Rahmen der Hallstein-Doktrin19 brach die BRD 1962 die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab.

Nach der Verhängung des US-Embargos gegen Kuba, das von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) unterstützt wurde, schloss sich die Bundesrepublik Deutschland (BRD) weitgehend diesem Boykott an. Dies führte dazu, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Kuba und der BRD nahezu vollständig zum Erliegen kamen. Erst mit der Aufhebung der Hallstein-Doktrin durch die sozial-liberale Koalition Anfang der 1970er Jahre kam es zu einer begrenzten Annäherung.

Die Entscheidung, diplomatische Beziehungen zu Kuba wiederaufzunehmen, war jedoch nicht nur eine außenpolitische Entscheidung der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt. Sie beruhte maßgeblich auf dem Grundlagenvertrag von 1972 zwischen der BRD und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). 1975 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der BRD und Kuba wiederhergestellt, was den Beginn eines langsamen Ausbaus der Wirtschaftsbeziehungen markierte.20 Seit 1989 sieht sich das sozialistische Kuba aufgrund der Konterrevolution in den ehemals sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas einer doppelten Blockade ausgesetzt.

Sonderperiode

Die von der kubanischen Regierung als Sonderperiode bezeichnete Zeit, die in den 1990er Jahren begann, war von tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Krisen geprägt. Diese wurden durch den Verlust der Unterstützung des sozialistischen Lagers und des internationalen sozialistischen Marktes ausgelöst. Kuba verlor dadurch seine wichtigsten Handelspartner und wirtschaftlichen Subventionen. Die kubanische Wirtschaft erlebte einen dramatischen Rückgang, und das Land stand vor den größten Herausforderungen seit der Revolution von 1959.21

Zu Beginn der Sonderperiode, im Jahr 1990, schrumpfte das kubanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um mehr als 30 %. Kuba verlor seine Hauptlieferanten von Rohstoffen und Energie und war gezwungen, drastische Kürzungen bei Importen und Subventionen vorzunehmen. Dies führte zu massiven Engpässen in der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern. Die kubanische Bevölkerung war mit strengen Rationierungen und ständigen Stromausfällen konfrontiert. Der Verlust von Lebensstandards und die schwierigen Lebensbedingungen führten zu einem allgemeinen Rückgang der Lebensqualität.22

Angesichts der wirtschaftlichen Notlage und der völkerrechtswidrigen US-Blockade war Solidaritätsarbeit sowohl auf politischer als auch auf materieller Ebene von erheblicher Bedeutung. Länder und Organisationen aus dem globalen Süden sowie zahlreiche Solidaritätsbewegungen weltweit trugen dazu bei, die Auswirkungen der Blockade abzumildern und Kuba in dieser schweren Zeit zu unterstützen.

5. Medien und Subversion als Waffe

Der folgende Abschnitt beleuchtet die mediale Berichterstattung, die darauf abzielt, die Solidarität mit Kuba zu untergraben. Trotz zahlreicher Errungenschaften ist die soziale Lage in Kuba aufgrund der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Situation oft katastrophal. Durch den Wirtschaftskrieg der USA explodieren in Kuba täglich tausende ökonomische Bomben, wie es Prof. Dr. C. Ing. Osvaldo Romero passend bildlich bei einem Referat beschrieben hat. Zudem verschärften Naturkatastrophen und die Corona-Pandemie die Lage weiter. Ob die jüngsten Reformvorschläge der Nationalversammlung eine Lösung für diese Krisen bieten werden, bleibt abzuwarten.

Es ist ebenfalls wichtig zu erwähnen, dass Kuba seit dem Sieg der Revolution 1959 kontinuierlich terroristischen Angriffen ausgesetzt ist. Um ein Gefühl für den anhaltenden Belagerungszustand zu vermitteln, sind folgende Zahlen aufschlussreich: Von 1959 bis 2014 wurden seitens der USA 713 Terroranschläge auf Kuba registriert, bei denen etwa 3.500 Menschen getötet und mehr als 2.100 verletzt wurden.23

Desinformationskampagnen

Desinformationskampagnen sind vielschichtig und werden von verschiedenen Akteuren wie Regierungen, Medienunternehmen und Exilgruppen, die gegen das kubanische Regime sind, betrieben. Ziel dieser Kampagnen ist es, das Bild Kubas in der Öffentlichkeit zu verzerren und politischen Druck auszuüben, wobei oft grundlegende journalistische Standards und Sorgfaltspflichten missachtet werden.

Ein historisches Beispiel für solche Einflussnahmen ist die Operation Mockingbird, eine geheime CIA-Initiative aus den 1950er und 1960er Jahren, die darauf abzielte, sowohl ausländische als auch inländische Medien zu beeinflussen. In diesem Rahmen wurde auch Kuba ins Visier genommen, um das Image der kubanischen Regierung zu untergraben und sowohl die amerikanische Öffentlichkeit als auch die internationale Gemeinschaft gegen das kommunistische „Regime“ in Kuba zu mobilisieren.24

An dieser Strategie hat sich bis heute nichts geändert. Die USA investieren jedes Jahr Millionen an Steuergeldern, um die kubanische Regierung zu destabilisieren. Laut Tracey Eaton, dem Gründer des Cuba Money Project, haben das US-Außenministerium und USAID seit 1990 insgesamt 300 Millionen Dollar „für“ Kuba ausgegeben. Zusätzlich ist seit 1984 eine weitere Milliarde Dollar in Radio und TV Martí geflossen, die ihr Signal über ein Propagandaflugzeug nach Kuba senden, obwohl dieses dort gestört wird und somit eher dazu dient, die Taschen der Kubaamerikaner in Miami zu füllen.25

Ein Beispiel ist das in Miami ansässige Directorio Democrático Cubano, Inc., das 2019 über 1 Million US-Dollar für Radioprogramme, humanitäre Hilfe und subversive Aktivitäten gegen die kubanische Jugend ausgegeben hat. Eine Überprüfung im Februar 2021 bestätigte diese Ausgaben.26

Falschmeldungen, Unterschlagungen, Manipulationen

Traditionell berichteten die großen deutschsprachigen Medien nicht über die Niederlagen der USA in den UN-Generalversammlungen. Bei der Abstimmung über die von Kuba eingebrachte Resolution am 1. und 2. November 2023 forderten 187 von 193 Mitgliedstaaten zum 31. Mal in Folge das sofortige Ende aller US-Sanktionen gegen Kuba. Diese wichtige Abstimmung und die dazugehörige Diskussion wurden jedoch in prowestlichen Medien, einschließlich ND und TAZ, nicht thematisiert. Nur die Tageszeitung „junge Welt“, die Wochenzeitung „UZ“ und einige Onlineportale berichteten über die fast einstimmige Verurteilung und Forderung der Weltgemeinschaft.27

Ein Beispiel für Falschmeldungen betrifft die Berichterstattung über kubanische Ärzte, die im Rahmen von Programmen wie „Misión Barrio Adentro“ in andere Länder entsandt werden. In westlichen Medien wird manchmal behauptet, diese Ärzte würden unter Zwang arbeiten und die Programme dienten der Ausbeutung. Tatsächlich melden sich viele Ärzte freiwillig für diese Einsätze, da sie eine wichtige Einnahmequelle für Kuba sind und den Ärzten oft bessere Löhne bieten als im Heimatland.28 In der deutschen Medienlandschaft werden politische und wirtschaftliche Entwicklungen in Kuba häufig durch gezielte Framings dargestellt, die eine bestimmte Perspektive nahelegen. Techniken wie die selektive Darstellung von Fakten, die Verwendung emotional aufgeladener Begriffe und die Fokussierung auf Konflikte oder Missstände dienen dabei der Meinungslenkung.

Ein zentraler Mechanismus ist die selektive Berichterstattung, bei der kritische Aspekte hervorgehoben und kontextualisierende Informationen ausgeblendet werden. Beispielsweise beleuchtet die Tagesschau in Berichten wie „Kuba: Wirtschaftskrise“ die wirtschaftliche Notlage des Landes, ohne die US-Blockade als Hauptursache umfassend darzustellen.29 Auch die taz unterlässt es in Artikeln wie „Wirtschaftskrise auf Kuba“, die bestehenden Probleme im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Wirtschaftsembargo der USA darzustellen.30 Die sprachliche Gestaltung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in der Meinungsbildung. Begriffe wie „Diktatur“ oder „Einparteiendiktatur“ erzeugen negative Assoziationen und prägen die Wahrnehmung Kubas. Ein prägnantes Beispiel dafür ist der Wikipedia-Eintrag zu Kuba, der als oft genutzte Informationsquelle eine subtile, aber wirkungsvolle Form des Framings betreibt.31

Ein weiteres Mittel ist die Emotionalisierung. Bilder von Protesten, leeren Supermarktregalen oder verzweifelten Menschen schaffen eine emotionale Verbindung, die die Berichterstattung untermauert und eine bestimmte Deutung suggeriert. Journalisten entscheiden oft, auf welche Aspekte einer Geschichte sie ihren Fokus legen. Während westliche Medien häufig den Fokus auf einzelne gewaltsame Reaktionen auf Proteste in Kuba legen, soll dies den Eindruck eines repressiven Staates erwecken. Diese Techniken tragen dazu bei, dass die US-Blockade als zentraler Faktor für die wirtschaftliche Lage Kubas in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund tritt. Ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung wird von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. geleistet, insbesondere durch die Rubrik „Kuba im Medienspiegel“ in der Zeitschrift „Cuba Libre“.32

6. Herausforderungen und Zukunftsaussichten: Internationalistische Solidarität als strategische Notwendigkeit für Kuba


Die Solidaritätsbewegung mit Kuba in Deutschland hat sich historisch unterschiedlich entwickelt, abhängig von den politischen Linien der BRD und DDR. Während die DDR eine klar definierte, staatlich unterstützte Solidarität praktizierte, formierte sich in der BRD eine Vielzahl kleiner, unabhängiger und oft pluralistischer Initiativen. Um die Solidaritätsarbeit zu bewahren, muss ihr politischer Kern als Teil des globalen antiimperialistischen und antikapitalistischen Kampfes gefestigt und verteidigt werden. Gleichzeitig ist es entscheidend, neue Wege zu finden, um die breite Gesellschaft zu erreichen und die Verbindung zu Kuba aufrechtzuerhalten.

Kuba ist aufgrund des von den USA geführten Wirtschaftskriegs und begrenzter Ressourcen stark auf internationale Unterstützung angewiesen. Beziehungen zu Ländern wie Venezuela, China und Russland ermöglichen es Kuba, wesentliche Güter zu importieren und die Wirtschaft zumindest teilweise zu stabilisieren. Dennoch bleibt die Solidaritätsarbeit aus westlichen Ländern, insbesondere aus Deutschland, unerlässlich, um auch Druck in den imperialistischen Zentren aufzubauen.

Die aufstrebende Rolle der BRICS-Staaten bietet Kuba neue wirtschaftliche Möglichkeiten und diplomatische Stärkung. 2024 wurde Kuba als Partnerland in die BRICS aufgenommen, zusammen mit anderen Ländern des Globalen Südens. Dies ist ein wichtiger Schritt für Havanna, um sich wirtschaftlich unabhängiger von der US-Blockade zu machen. Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla betonte auf dem Gipfel in Kasan die zunehmende Bedeutung der BRICS als Hoffnungsträger für eine gerechtere Weltordnung, während die Dominanz der USA und der EU weiter schwindet. Dies spiegelt sich im wachsenden Einfluss der BRICS-Staaten wider, die sowohl ihren Anteil an der Weltwirtschaft ausbauen als auch strategisch wichtige Rohstoffe kontrollieren. Künftig könnten sie eine noch stärkere Rolle auf den globalen Märkten für Getreide und Energie spielen. Kuba bringt in das Bündnis bedeutende Vorkommen an Nickel, Chrom und Kobalt sowie Erfolge in der Pharma- und Biotechnologie ein. Die verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der BRICS könnte es Kuba erleichtern, US-Sanktionen zu umgehen, insbesondere durch die Nutzung alternativer Währungen und Finanzsysteme. Die Aufnahme Kubas und Boliviens in die BRICS wird als Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit betrachtet. Der nächste BRICS-Gipfel 2025 in Brasilien dürfte die Rolle Lateinamerikas weiter hervorheben.33 Die Kooperation mit Kuba folgt natürlich nicht nur politischen Solidaritätsmotiven, sondern ist auch von geopolitischen und ökonomischen Kalkülen geprägt. Einerseits bietet die BRICS-Kooperation eine strategische Möglichkeit, die US-Dominanz zu unterlaufen; andererseits bleibt sie innerhalb der kapitalistischen Weltordnung verhaftet und kann keine grundlegende Alternative zum Aufbau des Sozialismus darstellen.

Die ideologischen Debatten über den Entwicklungsstand des kubanischen Sozialismus und die Kritik an der kubanischen Regierung bergen die Gefahr, die eigentlichen Probleme zu verschleiern, den Kontext zu verschieben und den Druck auf Kuba zu erhöhen. Während solche Debatten wertvoll für die Einschätzung der Lage sein können, muss „solidarische Kritik“ klar von destruktiver Kritik unterschieden werden. Diese Doppelrolle muss in der solidarischen Analyse berücksichtigt werden, um eine realistische Einschätzung der Perspektiven für Kuba zu ermöglichen. Eine Entsolidarisierung mit der kubanischen Regierung hätte jedoch schwerwiegende Konsequenzen für den internationalen Klassenkampf und den Antiimperialismus. W. I. Lenin erklärte die Notwendigkeit des proletarischen Internationalismus folgendermaßen: „Die Herrschaft des Kapitals ist international. Das ist der Grund, weshalb auch der Kampf der Arbeiter aller Länder für ihre Befreiung nur dann Erfolg haben kann, wenn die Arbeiter gemeinsam gegen das internationale Kapital vorgehen … Die Vereinigung der Arbeiterklasse, ihr Zusammenschluss, beschränkt sich nicht auf die Grenzen eines Landes oder auf eine Nationalität: Die Arbeiterparteien verschiedener Staaten verkünden laut und vernehmlich die völlige Übereinstimmung (Solidarität) der Interessen und Ziele der Arbeiter der ganzen Welt … und schließen die Arbeiterklasse aller Nationalitäten und aller Länder zu einer einzigen großen Arbeiterarmee zusammen. Diese Vereinigung der Arbeiter aller Länder ist eine Notwendigkeit, dadurch hervorgerufen, daß die über die Arbeiter herrschende Kapitalistenklasse ihre Herrschaft nicht auf ein einzelnes Land beschränkt.“34 Lenins Analyse der internationalen Natur des Kapitals und der daraus resultierenden Notwendigkeiten der Arbeiter-Solidarität bietet einen zentralen Bezugspunkt für die Unterstützung Kubas im Kampf gegen imperialistische Blockaden und wirtschaftliche Aggressionen. Wie Lenin aufzeigte, ist die Herrschaft des Kapitals international organisiert, was sich in der heutigen Zeit besonders in der globalen Finanzstruktur, den Handelsbeziehungen und den Mechanismen von Sanktionen und Blockaden widerspiegelt.

Die Blockade gegen Kuba, die seit über sechs Jahrzehnten von den USA durchgeführt wird, ist ein Ausdruck dieser internationalen kapitalistischen Kontrolle. Sie zielt darauf ab, ein sozialistisches Land zu isolieren und wirtschaftlich zu schwächen, um es den Interessen des globalen Kapitals gefügig zu machen. Kubas Widerstand gegen diese Blockade und die konsequente Verteidigung seiner Errungenschaften durch den Aufbau des Sozialismus sind daher ein Kampf, der weit über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung hat. Es ist ein direkter Schlag gegen die internationalen Mechanismen der kapitalistischen Unterdrückung. Die Notwendigkeit, dass Arbeiter aller Länder gemeinsam gegen das internationale Kapital vorgehen, findet ihre Entsprechung in der internationalen Solidaritätsbewegung mit Kuba. Indem Arbeiter, Gewerkschaften und antiimperialistische Organisationen weltweit die Blockade anprangern und Kuba praktisch unterstützen – sei es durch Spenden, den Austausch von Wissen oder die Verbreitung der Wahrheit über die Auswirkungen der Blockade – leisten sie einen Beitrag zur Schwächung der imperialistischen Strukturen. Diese Solidarität verdeutlicht, dass der Kampf der kubanischen Bevölkerung nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern ein integraler Bestandteil des internationalen Kampfes gegen die Vorherrschaft des Kapitals ist.

7. Organisationsformen der Kubasolidarität

In Deutschland haben sich verschiedene Formen der Solidarität bewahrt, die sich in den Organisationsstrukturen der Kubasolidaritätsbewegung widerspiegeln. Über die Jahrzehnte hinweg entstanden Netzwerke, Initiativen und Bündnisse, die sich der praktischen Unterstützung Kubas widmen und den antiimperialistischen Kampf auf internationaler Ebene stärken. Ihr Spektrum reicht von überregionalen Organisationen bis hin zu lokalen Gruppen, die auf vielfältige Weise zur Solidaritätsarbeit beitragen. Bereits in den 1970er Jahren schlossen sich in der BRD verschiedene Gruppen aus unterschiedlichen Bereichen und Regionen zusammen, um Kuba zu unterstützen. So leisteten etwa der Gesundheitsladen Berlin e.V. und das Pro Cuba – Komitee technische Unterstützung.35 Auch Gewerkschaften wie die IG Metall beteiligen sich aktiv an der Solidaritätsarbeit, etwa durch Resolutionen, Spendenkampagnen und politische Initiativen gegen die US-Blockade, zuletzt mit einem Antrag auf dem 25. Gewerkschaftstag 2023.36

Ein zentraler Akteur ist das 1993 gegründete Netzwerk Cuba – Informationsbüro e. V., das als Dachorganisation für mittlerweile 40 Solidaritätsgruppen fungiert, darunter Cuba Sí, die AG Kuba der Partei DIE LINKE und die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba.37 Letztere ist die älteste Solidaritätsorganisation der BRD und organisiert regelmäßig Informationsveranstaltungen, Solireisen und Spendenkampagnen. Zudem veröffentlicht sie die Zeitschrift CUBA LIBRE, die über die Lage in Kuba und die Auswirkungen der US-Blockade informiert. Unter folgendem Link ist das Archiv der Zeitschrift CUBA LIBRE zu finden, das wertvolle Informationen bereitstellt: https://fgbrdkuba.de/cl/cuba-libre-archiv.php Seit 1991 setzt sich die AG Cuba Sí mit Solidaritätsprojekten in den Bereichen Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Bildung und Kultur für das sozialistische Kuba ein. Außerdem gibt sie das vierteljährlich erscheinende Magazin Revista heraus. Ein Beispiel für ein Projekt ist die Kampagne „Milch für Kubas Kinder“, durch die bereits zahlreiche Landwirtschaftsprojekte erfolgreich umgesetzt wurden. Darüber hinaus werden jährlich mehrere Schiffscontainer mit dringend benötigten Hilfsgütern zur Unterstützung auf die Insel verschickt.38 Auch kommunistische Organisationen wie die DKP setzen sich aktiv gegen die US-Blockade ein und unterstützen Kuba durch verschiedene Solidaritätsprojekte. Nach 1990 leisteten sie zudem Hilfsmaßnahmen und trugen aktiv zur Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der kubanischen Zeitung Granma bei.39 Ergänzt wird die Solidaritätsarbeit durch internationale Kampagnen wie Unblock Cuba!, die sich gegen das US-Embargo richten und durch Konferenzen, Reisen und Medienarbeit die weltweite Vernetzung der Solidaritätsbewegung fördern.40

8. Wie weiter?

Sowohl materielle als auch politische Solidarität müssen gezielter, wirkungsvoller und stärker auf das Dringliche fokussiert werden. Dazu gilt es, unsere begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen zu bündeln und die Zusammenarbeit zu intensivieren. Entscheidend sind Maßnahmen, die mit minimalem Aufwand maximale Wirkung entfalten – auch um die Medienblockade zu durchbrechen. Jede Aktion muss sorgfältig durchdacht und strategisch abgewogen werden. Mehr Anstrengung bedeutet nicht „mehr vom Gleichen“, sondern eine qualitative Verbesserung: höhere Effektivität, größere öffentliche Aufmerksamkeit und mehr Druck auf Entscheidungsträger.

Praktisch bedeutet Solidarität mit Kuba, konkrete Unterstützung zu leisten – sei es durch politische Aktionen, materielle Hilfe oder die Verbreitung von Informationen. Theoretisch gilt es, die kubanische Revolution als Teil des weltweiten Klassenkampfes zu verstehen und zu verteidigen. Für die Menschen in Kuba hat internationale Solidarität direkte Auswirkungen: Sie stärkt das Durchhaltevermögen angesichts der durch die US-Blockade verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Eine Schwächung dieser Solidarität würde die Lebensbedingungen weiter verschlechtern und die moralische Unterstützung für den Fortbestand des sozialistischen Projekts untergraben. Internationalistische Solidarität ist für Kuba daher eine strategische Notwendigkeit, um in einem feindlichen Umfeld zu bestehen und seine Revolution zu bewahren.

1Vgl. Schaaf, Günther (2002): Che Guevara, S. 120

2https://fidelcastroarchiv.blogspot.com/2007/08/das-imperium-und-die-unabhngige-insel.html

3https://www.kubakunde.de/neues/trump

4https://amerika21.de/2019/08/230202/kuba-cuba-tourismus-sanktionen-usa

5https://www.dw.com/de/trump-setzt-kuba-wieder-auf-terrorliste/a-56198744

6https://www.berliner-zeitung.de/news/trump-setzt-kuba-wieder-auf-us-terrorliste-china-spricht-von-tyrannei-li.2290394

7https://www.jungewelt.de/artikel/491890.usa-kuba-etwas-luft-f%C3%Bcr-kuba.html

8https://amerika21.de/2024/05/269796/usa-lockern-sanktionen-privatsektor-kuba

9https://amerika21.de/2024/07/270353/kriegswirtschaft-kuba-ministerrat

10Vgl. Langer, Heinz (2010): Zärtlichkeit der Völker – Die DDR und Kuba, S. 8

11ebd., S. 49

12ebd., S. 21

13Vgl. Langer, Heinz (2010): Zärtlichkeit der Völker – Die DDR und Kuba, S. 17

14Vgl. Langer, Heinz (2010): Zärtlichkeit der Völker – Die DDR und Kuba, S. 149 ff

15ebd., S. 160

16 Vgl. Langer, Heinz (2010): Zärtlichkeit der Völker – Die DDR und Kuba, S.36

17ebd., S. 23

18ebd., S. 48ff

19Die Hallstein-Doktrin besagte, dass die BRD die diplomatischen Beziehungen zu allen Staaten abbricht, die die DDR anerkennen, das heißt diplomatische Beziehungen zur DDR aufnehmen. Entsprechend konnten alle Staaten, die Beziehungen zur DDR aufnahmen, keine bundesdeutsche Entwicklungshilfegelder erhalten.

20https://quetzal-leipzig.de/printausgaben/ausgabe-06-07-lateinamerika-und-deutschland/tauziehen-um-kuba

21Vgl. Burchardt, Hans-Jürgen (2001): Kubas langer Marsch durch die Neunziger — eine Übersicht in Etappen, S. 25

22 ebd., S. 28

23Vgl. Hermsdorf, Volker (2016): Kuba – Aufbruch oder Abbruch? S.110

24https://de.granma.cu/mundo/2019-01-11/vom-gesang-der-spottdrossel-zu-dem-der-grille

25https://de.granma.cu/mundo/2021-06-01/millionen-us-dollar-fur-die-subversion-und-da-soll-kuba-keine-prioritat-sein

26http://de.cubadebate.cu/news/2021/06/11/die-usa-finanzieren-nichtregierungsorganisationen-zur-einmischung-kuba/

27https://www.fgbrdkuba.de/cl/cltxt/cl2024122-kuba-im-medienspiegel.php

28https://www.hrw.org/news/2020/07/23/cuba-repressive-rules-doctors-working-abroad

29https://www.tagesschau.de/ausland/kuba-wirtschaftskrise-101.html

30https://taz.de/Wirtschaftskrise-auf-Kuba/!5979812/

31https://de.wikipedia.org/wiki/Kuba

32http://www.cuba-libre-magazin.de/

33revista_2025-01, S.4ff

34LW, Bd. 2, S. 101 ff.

35http://www.cuba-libre-magazin.de/

36https://www.igmetall.de/download/20240321_25_oGT_Beschlussbuch_alle_Antr_ge_e2a291ba8b8d13ad70f7dd95415c871e4f41d3df.pdf

37Vgl. Hammer, Heinz u. Schwitalla, Frank (2013): Solidarität – Die Zärtlichkeit der Völker: 20 Jahre Netzwerk Cuba – Informationsbüro – e.V., S. 15

38https://cuba-si.org/projekte

39 https://www.unsere-zeit.de/wir-haben-unseren-internationalistischen-beitrag-geleistet-55952/

40https://www.jungewelt.de/artikel/424897.hintergrund-unblock-cuba.html

Brot und Rosen – heute wie damals!

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Heute ist internationaler Frauenkampftag. Ein Tag, der für den internationalen Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen steht, die besonders von Unterdrückung, Krieg und Ausbeutung steht. Ein Tag, den wir eigentlich jeden Tag begehen müssten und der weit in die Geschichte der Arbeiterbewegung zurückreicht: In Deutschland fand der Frauenkampftag erstmals 1911 statt, die Idee ging von sozialistischen Frauen aus. Die Forderung nach Brot und Rosen stellten amerikanische Textilarbeiterinnen auf – sie wollten sowohl materielle Teilhabe als auch Teilhabe an anderen Bereichen des Lebens, wie der Politik. Mit den Streiks der Frauen im russischen Petrograd 1917, die für Brot und Frieden streikten, wurde das Datum des internationalen Frauentags auf den 8. März gelegt.

Diese Wurzeln rücken in heutigen Diskussionen um den Kampf um die Rechte der Frau oft in den Hintergrund. Längst wurden die Kämpfe um die Befreiung der Frau kapitalistisch integriert. Sei es durch Modeketten, die T-Shirts mit „feministischen Slogans“ produzieren, durch bürgerliche Parteien oder durch Annalena Baerbocks „feministische Außenpolitik“, mit der sie versucht imperialistische Kriege gegen die Unterdrückten dieser Welt als fortschrittlich darzustellen. Oft geht es heute um Sprach- und Identitätspolitik, seltener um die materiellen Wurzeln der Unterdrückung der Frauen – durch mörderische Sanktionen und Kriege oder durch Gewalttaten und Armut. In Deutschland wird jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/ oder sexualisierter Gewalt und jede fünfte Frau ist von Altersarmut betroffen.

Frauenkampftag heißt Kampf gegen die Unterdrückung und Ausbeutung aller Unterdrückten Hand in Hand. Dieser Kampf kann nicht ohne die unterdrückten Frauen gewonnen werden. Frauenkampftag heißt aber auch Erinnern an unser Vorkämpfer, ihre Geschichten und Erfahrungen. Eine dieser Vorkämpferinnen ist Grete Groh-Kummerlöw, die Zeit ihres Lebens für die Befreiung der Menschen von den imperialistischen Fesseln kämpfte.

Zwei Genossinnen arbeiteten in den letzten Jahren an ihrer Biographie, die bald veröffentlicht wird. Heute wollen wir anlässlich des diesjährigen Frauenkampftages einen kurzen Ausschnitt daraus vorab veröffentlichen. Wir haben dazu die Einleitung sowie Ausschnitte aus einer Rede Gretes zum Frauenkampftag 1958 ausgewählt. Sie spricht darin viele Themen an, die auch heute noch aktuell sind: die notwendige Verbindung des Frauenkampfes mit antikolonialen Kämpfen, mit dem Kampf gegen einen dritten Weltkrieg und mit dem Kampf für den Sozialismus – in Gretes Fall, die in der DDR lebte und arbeitete, hieß das die Aufrechterhaltung und Ausweitung dessen.

Grete Groh-Kummerlöw

Sieben Jahrzehnte – Der Weg einer Kämpferin (1909 – 1980)

von Anna Martel und Ella Kallenberg

Die ursprüngliche Idee zur Beschäftigung mit dem Leben von Margarete Groh-Kummerlöw (genannt Grete) entstand aufgrund einer Ausschreibung des Weltgewerkschaftsbundes. Dieser rief dazu auf, sich mit Persönlichkeiten der internationalen Gewerkschaftsbewegung auseinanderzusetzen. Im Rahmen unserer Recherche fokussierten wir uns auf weibliche Gewerkschafterinnen, da deren Geschichten allzu oft unerzählt bleiben – und so stießen wir auf Grete Groh-Kummerlöw. Ihr Lebensweg beeindruckte uns sofort, da er durch die zentralen Kapitel der deutschen Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert führt. Sich mit ihrer Geschichte zu befassen bedeutet, sich mit der revolutionären Geschichte der deutschen Arbeiterklasse zu befassen. Grete Groh-Kummerlöws Lebensweg beginnt fünf Jahre vor dem ersten Weltkrieg. Sie wuchs in einer Arbeiterfamilie auf und erlebte unmittelbar die Schrecken des Krieges und die großen Nöte der Bevölkerung, die unter Armut und Hunger litt.

Grete war aber auch Teil des wachsenden Selbstbewusstseins der Arbeiterinnen und Arbeiter, erlebte das Erstarken der Gewerkschaften und den Aufbau der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Im Faschismus zögerte sie nicht, in den aktiven Widerstand zu gehen, und erfuhr hautnah die Befreiung durch die Rote Armee. Unmittelbar nach ihrer Befreiung aus dem Gefängnis und der Niederlage des deutschen Faschismus beteiligte sie sich an dem Wiederaufbau innerhalb der sowjetischen Zone und den Diskussionen darum. Für sie, die bereits zwei Weltkriege miterlebt hatte, stand fest: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Doch die Aufbauarbeit in der DDR war keinesfalls leicht oder ohne Widersprüche. Im Gegenteil war es trotz der Erfahrung des Faschismus schwierig, die Organisationen der Arbeiterklasse zu einen, die Frauen zu aktivieren und gemeinsam eine neue Gesellschaft aufzubauen. Gretes Biographie lehrt uns somit auch viel über die kleinteilige und geduldige Arbeit an der Basis, die für den Aufbau schlagkräftiger Organisationen damals wie heute relevant ist.

Die Gewerkschaftsarbeit blieb für Grete ihr ganzes Leben lang zentral, sowie die Aktivierung von Frauen für die Kämpfe ihrer Klasse. Grete spielte nicht nur im Aufbau der DDR, sondern auch international eine wichtige Rolle, so wurde sie beispielsweise 1953 in das höchste leitende Gremium des Weltgewerkschaftsbundes gewählt. Gretes Biografie gibt einen wichtigen Einblick in die Brutalität des Imperialismus und Faschismus, sowie in die Versuche der Arbeiter sich dagegen zu organisieren – bis hin zur Schaffung der höchsten Form der Organisierung gegen Faschismus und Imperialismus – der Schaffung eines sozialistischen Staates.

Dass Gretes Biographie trotz ihrer entschiedenen Rolle in der deutschen Gewerkschaftsbewegung weitgehend unbekannt ist, ist Ausdruck dessen, wie schlecht diese Geschichte aufgearbeitet ist und wie wenig Bezug in heutigen politischen Bewegungen darauf genommen wird. Wir leben in einer Zeit, in der Organisationen wie der Weltgewerkschaftsbund in Deutschland irrelevant und vergessen sind und die Gewerkschaften immer weniger Organe der aktiven Kämpfe gegen den Imperialismus sind, sich stattdessen mindestens von Führungsebene aus immer mehr mit ihm gemein machen. Zu verstehen, wieso es zu diesen Entwicklungen gekommen ist und um die Organisierung in Deutschland gegen Armut, Ausbeutung, Aufrüstung und Kriege wieder zu stärken, ist es notwendig, sich mit den historischen Erfahrungen, Problemen und Widersprüchen dieser Kämpfe auseinanderzusetzen. Gretes Biographie bietet einen ersten Einstieg dafür. Sie ermöglicht gleichzeitig den inspirierenden Lebensweg einer beeindruckenden Kommunistin kennenzulernen, die ihr Leben der Verbesserung der Lage der arbeitenden Bevölkerung, besonders der Arbeiterfrauen, widmete, sowie dem Kampf gegen den Faschismus und dem Aufbau des ersten Arbeiterstaats auf deutschem Boden.

[…]

Grete hielt 1958 eine Rede zum Internationalen Frauenkampftag. Sie betonte darin den Kampf gegen Unterdrückung und Krieg – gemeinsam von Frauen und Männern, internationalistisch und über die Grenzen hinweg. Diese Rede hat nicht an Aktualität verloren:

Wir begehen den internationalen Frauentag als Kampf- und Ehrentag der Frauen der ganzen Welt. Er steht im Zeichen des verstärkten Kampfes aller friedliebenden Menschen, aber besonders der Frauen, um die Erhaltung des Friedens.

Djamila, eine algerische Patriotin (22 Jahre) zum Tode verurteilt! Warum? Sie kämpfte: gegen den Kolonialismus und die blutige Unterdrückung des Volkes durch die französischen Imperialisten. Weil sie ihr Vaterland, die Freiheit und das Leben liebt. Mit 21 Jahren trat Djamila der Nationalen Befreiungsfront bei und wurde bald Kurier beim Stab der Befreiungsfront. Sie führte unerschrocken die schwierigsten Aufträge aus. Am 9. April 1957 wurde Djamila während einer Razzia im Araberviertel in Algerien von der Salwe einer Maschinenpistole getroffen, schwer verwundet brach Djamila zusammen.

Es begann ein schwerer Leidensweg durch die Gefangenschaft. Verhöre wurden durchgeführt, man folterte sie mit Strom, bis sie ohnmächtig zusammenbrach, man schlug sie, aber Djamila schwieg. Als sie am 26. April vom französischen Militärgericht zum Tode verurteilt wurde, rief sie ihren Henkern zu: „Mein Volk lebt und wird leben!“

Und ich weiß, daß das französische Volk und alle freiheitsliebenden Völker an seiner Seite stehen. Nun, liebe Frauen und Mädchen, daß ist in den letzten Tagen beweisen worden durch die große Internationale Solidarität aller friedliebenden Menschen und Persönlichkeiten der verschiedensten Länder, die die Aufhebung des Todesurteils forderten. Allein in Berlin sind über 5.000 Telegramme an den französischen Präsidenten geschickt worden. Hier wird durch unsere FDJ eine große Bewegung ausgelöst, weil Djamila ein [sic] junge leidenschaftliche Patriotin ist.

Ich erinnere an die Zeit des faschistischen Terrorregimes in Deutschland 1933 bis 1945. Auch hier haben wir mutige Frauen und Mädels in der antifaschistischen Widerstandsbewegung gehabt. Solche Frauen, wie Katja Neukirchner, Geschwister Scholl, auch meine Schwester ist ein Opfer des Faschismus im Plauener Gefängnis geworden, während ich meine Freiheit Dank der Sowjetarmee wieder erlangen konnte aus den Klauen der Faschisten.

In der DDR begehen wir den 8. März mit einer großen Volksinitiative für Frieden und Sozialismus. Ziel dabei: Unsere Republik weiter zu entwickeln und unsere Arbeiter-und-Bauern-Macht weiter zu festigen, mit guten Taten für unsere gemeinsame sozialistische Sache und damit für eine glückliche Zukunft unserer Kinder. Um diese glückliche Zukunft der Kinder zu sichern, erfordert es, einen neuen dritten Weltkrieg, der mit Atom- und Vernichtungswaffen geführt werden soll, zu verhindern. Das muß jeden [sic] zur persönlichen Verpflichtung werden, diesen Kampf so zu führen, als hängt es von seinem Tun und Handeln allein ab. Wir sind in der Lage, die Anschläge auf den Frieden zu verhindern, denn die Friedensbewegung ist ständig im Wachsen, sie hat sich stark erweitert und durch Taten gefestigt. Allein die Tatsache des Vorhandenseins des sozialistischen Lagers – 1/3 der Welt – 990 Millionen Menschen zeigt das Wachsen dieses großen sozialistischen Lagers.

Diese Kraft mit der Weltfriedensbewegung und der Sowjetunion an der Spitze mit ihrer konsequenten Friedenspolitik ist im Stande, die Aggressoren zurückzuschlagen. Die Sowjetunion beweist durch ihre Vorschläge immer auf’ s neue ihre ehrliche Friedenspolitik. Der Vorschlag einer Gipfelkonferenz der 4 Großmächte wurde von der USA abgelehnt. Dulles zeigt, daß er keinen Frieden will, indem er erneut die Vorschläge der Sowjetunion ablehnte, obwohl die Sowjetunion jetzt bereit war, auch eine Außenministerkonferenz einzuberufen, um damit aber dann die Gipfelkonferenz durchführen zu können. Das lehnte Dulles ab und Adenauer und Strauß gehörten mit in dieses Lager imperialistischen Kräfte, die weiterhin bestrebt sind, ihren Atomkrieg vorzubereiten.

Der Vorschlag Rabatzki, Außenminister Polen, eine atomwaffenfreie Zone in Europa zu schaffen, hat eine große Bewegung, international gesehen, ausgelöst. Aber auch in Westdeutschland stimmten immer weitere Schichten diesen Vorschlägen zu und befürworten einen solche atomwaffenfreie Zone. Auch in Parteikreisen des Bonner Kanzlers wird die Forderung laut nach Verhandlungen mit der Regierung der DDR. Die Menschen werden aufgerüttelt, da sie interessiert sind an einem atomwaffenfreien und Raketenabschußbasenfreien Raum, denn sie wollen leben und nicht in einem neuen Krieg zugrunde gehen. In Westdeutschland erleben die Menschen selbst, daß die Bundeswehr atomar aufgerüstet wird, daß amerikanische Raketenabschußbasen auf dem gebiert der Bundesrepublik geschaffen werden. Durch diese Tatsachen wenden sich die Menschen dem gemeinsamen Handeln zu und stellen das, was sie trennt, zurück.

Beweis dafür: Die 21 Hamburger Frauenorganisationen, die von der Bonner Regierung verlangten: alle Pläne zu fördern, die die Bundesrepublik zum atomwaffenfreien Raum machen. Oder: Wie jene 80 Frauen Westdeutschlands, die in der letzten Tagung des Deutschen Frauenrates am 22. Und 23.8.58 in Berlin gemeinsam mit den Vertreterinnen der DDR den Vorschlag unseres Ministerpräsidenten Otto Grotewohls auf Durchführung einer Volksabstimmung in beiden deutschen Staaten über diese lebenswichtigen Fragen zustimmten – ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den verschiedensten Organisationen. Er gibt die Möglichkeit, Kriege zu verhindern und den Frieden zu erhalten. Das muß den Frauen und Müttern für ihren Kampf neue Impulse geben. […]

Ich möchte schließen mit den Worten von Bertholt Brecht.

Ihr Mütter, da es Euch anheim gegeben,

Den Krieg zu dulden oder nicht zu dulden,

Ich bitt Euch, lasset Eure Kinder leben!

Daß sie Euch die Geburt und nicht den Tod dann schulden:

Ihr Mütter, lasset Eure Kinder leben!“1

aus: Martel, Kallenberg (2025): Grete Groh-Kummerlöw -1909 – 1980. Sieben Jahrzehnte – Der Weg einer Kämpferin. Vorabveröffentlichung.

1 aus dem Nachlass´ Grete Groh-Kummerlöws, mit Genehmigung von F. Kummerlöw

Podcast #49 – Antifa und rechter Terror

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Wir hatten zwei Aktivisten der Migrantifa Rhein-Main zu Gast um über Hanau, die erstarkende Rechte und den Zustand der antifaschistischen Bewegung zu sprechen. 

Wo steht die Antifa und was kann sie aktuell leisten? Beide gehen scharf in die Kritik und bringen eigene Perspektiven ein.

Auf Grund eines kleinen Fehlers mussten wir den Podcast nochmal neu hochladen.

Vorwort Programmatische Thesen

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Fast sieben Jahre nach der Verabschiedung der „Programmatischen Thesen” (PT) auf der ersten Vollversammlung der KO 2018 haben sich nicht nur die politischen Verhältnisse, sondern auch wir uns als Organisation stark verändert. Sowohl der Charakter der PT als auch Teile ihres Inhalts passen nicht mehr zu uns als Organisation. Allerdings halten wir zentrale Punkte des Dokuments weiterhin für relevant und möchten es daher nicht einfach verwerfen. Zudem sagen sie viel darüber aus, woher wir kommen und welche Entwicklung wir vollzogen haben. Aus diesem Grund wollen wir das Dokument aus heutiger Perspektive einordnen- sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seiner Rolle in der Spaltung unserer Organisation im Jahr 2023 und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Imperialismusthese. Vorab wollen wir kurz einordnen, wie wir nun mit diesem Dokument umgehen.

Der weitere Umgang mit den Programmatischen Thesen

Die PT haben ihre Funktion in einer spezifischen Phase des Gründungsprozesses erfüllt. Später wurden sie als Werkzeug zur Durchsetzung einer bestimmten politischen Linie missbraucht. Heute ist die KO ein anderer Zusammenhang, der sich über manche inhaltlichen Mängel der PT hinaus entwickelt hat und nicht zuletzt ein kollektiveres Verständnis von wissenschaftlicher Arbeit und Klärung erlangt hat. Wir arbeiten weiterhin daran, unseren Bildungsstand anzuheben, die Klärungsarbeit fortzusetzen und unser Verständnis der Krise der Bewegung zu schärfen, weshalb wir aktuell noch keine komplette Überarbeitung des Dokuments vornehmen werden. So lange dienen uns die Programmatischen Thesen nicht mehr als unser Grundlagendokument, sondern als Teil der Geschichte unserer Organisation und wichtiges Arbeitsdokument, anhand dessen wir weiter diskutieren werden. Wir nutzen sie weiterhin, wenn wir mit neuen Interessierten an der KO diskutieren, jedoch nicht mehr als eine Art „Programm“, dem in allen Punkten zugestimmt werden muss, sondern als Reflexion und Vermittlung der inhaltlichen Diskussion in unserer Organisation.

Die Entstehung der Programmatischen Thesen:

Die Programmatischen Thesen entstanden im Gründungsprozess der KO. Damals gab es das Bedürfnis, eine gemeinsame inhaltliche Grundlage festzuhalten, anhand derer wir uns gemeinsam organisieren und in der Bewegung verorten konnten. Uns war zum Beispiel wichtig, uns klar auf die Sowjetunion und die DDR als realen Sozialismus zu beziehen und uns damit von den Strömungen abzugrenzen, die diese wichtigen Kampferfahrungen negieren und der UdSSR und DDR den sozialistischen Charakter absprechen. Einerseits haben die Thesen diesen Zweck erfüllt, andererseits waren sie kein Ergebnis einer wirklich kollektiven Diskussion, sondern wurden in sehr kurzer Zeit von wenigen Genossen geschrieben und nur wenige waren zu ihrer Qualifizierung in der Lage. Auch im späteren Verlauf der KO zeigte sich immer wieder, dass viele ihrer Aspekte nicht tiefgehend durchdrungen wurden und teils nur oberflächlich darauf Bezug genommen wurde.  Die Diskussion um konkrete antiimperialistische Positionen war noch nie ausreichend in den Thesen abgedeckt. Die Bedeutung dieses Defizits zeigten uns jedoch erst die weltpolitischen Ereignisse auf, die unsere Diskussion darum beschleunigten.

Die KO wurde mit dem Ziel gegründet, der Krise der Bewegung entgegenzuwirken, insbesondere in Bezug auf inhaltlicher Klarheit, Verankerung in den Massen und Disziplin. Ein zentraler Baustein dabei ist ein inhaltlicher Klärungsprozess, da ein Mangel an Klarheit und Diskussionsbereitschaft über brennende Fragen der Bewegung erkannt wurde. Die programmatischen Thesen sollten als Rahmen für diesen Klärungsprozess dienen, weshalb sie auch offene Fragen beinhalten. Schon damals gab es allerdings verschiedene Haltungen zum Stellenwert dieser offenen Fragen. Einige Genossen fanden die Benennung zu erforschender Fragen unwichtig und legten mehr Wert auf eine klare Positionierung. Beim Lesen wird deutlich, dass einige dieser offenen Fragen in Widerspruch zu den formulierten Aussagen stehen. 

Dieser widersprüchliche Charakter war zwar von Anfang an vorhanden, allerdings wurde die programmatische Auslegung durch den praktischen Umgang, z.B. die Zustimmung zu den Thesen als Aufnahmevoraussetzung in die KO, gestärkt, was wir erst mit der Spaltung wirklich erkannten und problematisierten.

Die Verwendung der Thesen in der Spaltung

Mit der erfolgreichen Vertreibung der US-Besatzer aus Afghanistan 2021 begann in unserer Organisation eine Diskussion um die Bedeutung der nationalen Frage. Nach Beginn der russischen Militäroperation (MOP) in der Ukraine wurden dann besonders die Abschnitte, die das Imperialismusverständnis betreffen, auf den Prüfstand gestellt. Während die Thesen und Fragen zum Imperialismus ausgereicht hatten, um einen organisatorischen Ausgangspunkt zu schaffen, stießen wir in der Verortung des Ukrainekriegs auf Widersprüche in den Thesen und unserer Auslegung dieser. Die inhaltlichen Schwächen der PT und unsere mangelhafte Durchdringung der Thematik sowie der widersprüchliche Charakter des Dokumentes wurden zum Problem. Die PT wurden zum Gegenstand des politischen Konfliktes, der in der KO entstanden war und maßgeblich anhand des Dokumentes ausgetragen wurde.

In dieser Auseinandersetzung wurde deutlich, dass unterschiedliche Vorstellungen davon existierten, wie offen und umfassend die Streitfragen der Kommunistischen Bewegung untersucht werden sollten und welche konkrete Bedeutung sie für die politische Arbeit haben sollten. Für die allermeisten stand ein ernsthaftes Interesse an der Klärung lange Zeit im Vordergrund. Allerdings wurde der Begriff des Klärungsprozesses offenbar sehr unterschiedlich verstanden- eine Differenz, die erst mit der Diskussion um die MOP wirklich sichtbar wurde. Im Prozess der Spaltung negierte ein Teil der Organisation den offenen Charakter der PT und der an sie angelehnten Fragen jedoch vollständig und erhob sie zum Programm. Dabei wurden bestimmte Aspekte der Thesen dogmatisch verabsolutiert und eine konkrete Beschäftigung mit der Weltlage ignoriert. Mit Verweis auf die PT wurde behauptet, eine Positionierung, die die russische Intervention in der Ukraine nicht als imperialistischen Krieg bezeichne, verstoße gegen die PT und damit gegen die Organisationsprinzipien der KO. Damit wurde die Diskussion auf eine formale Ebene verschoben und die PT in ein Instrument zur Spaltung der Organisation verwandelt. Eine inhaltliche Diskussion und kollektive Bildung und Auseinandersetzung wurde verunmöglicht. Damit einher ging auch die Instrumentalisierung des Revisionismusbegriffs als Kampfbegriff gegen alle Positionen, die nicht dieser speziellen Interpretation der PT entsprachen. Das schematische, von der „Pyramidentheorie“ der KKE beeinflusste Imperialismusverständnis, das in den PT angelegt ist, hat sich dabei als Einfallstor für eine opportunistische Distanzierung von der sich zuspitzenden politischen Lage herausgestellt. Die Gleichsetzung der Konfliktparteien hat einer äquidistanten Position zu den internationalen Konflikten den Weg geebnet, die im Moment sich zuspitzender Verhältnisse einen politischen Rückzug erlaubt und im entscheidenden Punkt nicht in Opposition zu den Herrschenden geht.

Den abgespaltenen Teil der KO (jetzt: „Kommunistische Partei (KP)“), der die Diskussion nicht im Sinne einer offenen Klärung geführt und die produktive Debatte sowie die Demokratie in der Organisation unter anderem durch Parallelstrukturen untergraben hat, bezeichnen wir im Folgenden als Spalter.

Zur inhaltlichen Widersprüchlichkeit der Programmatischen Thesen (PT)

In den PT werden weitreichende Aussagen getroffen, die durch die offenen Fragen am Ende der jeweiligen Kapitel relativiert und zum Teil infrage gestellt werden. Exemplarisch soll hier der Abschnitt zum Imperialismus beleuchtet werden, mit dem wir uns tiefergehend beschäftigt haben, da er im Zentrum der Auseinandersetzung stand.

Die Thesen betonen zu Recht den ökonomischen Kern des Imperialismus, was natürlich nach wie vor gültig ist. Es gilt, sich deutlich von jeder Auffassung des Imperialismus abzugrenzen, die ihn auf „aggressive Außenpolitik“ verkürzt. Lenin analysierte den Imperialismus als Herrschaftsordnung mit einer spezifischen Entwicklung. In den Thesen wird jedoch eine Vorstellung nahegelegt, die die systemischen Merkmale des Imperialismus auf jegliche kapitalistischen Staaten überträgt und damit die konkrete historische Entwicklung unbeachtet lässt. Entsprechend wird der heutige Kapitalismus als „imperialistischer Kapitalismus“ (S. 8) bezeichnet, ohne klarzustellen, ob damit alle bestehenden kapitalistischen Staaten als imperialistisch gelten oder ob der Begriff auf eine bestimmte Entwicklungsstufe des Kapitalismus verweist.

Dass es eine Herrschaft bestimmter imperialistischer Staaten in der Welt gibt, die sich historisch entwickelt hat, wird negiert, und sogar als Gegensatz zum ökonomisch-systemischen Charakter des Imperialismus (Gesetzmäßige Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus) dargestellt (vgl. S. 10).

Dass an anderer Stelle die „imperialistischen Zentren“ als Akteure der imperialistischen Weltordnung benannt werden (vgl. S. 9), bringt die unausgereifte theoretische Durchdringung und die Widersprüchlichkeit des in den PT formulierten Imperialismusverständnisses zum Ausdruck.

Von den Spaltern wurde aus den Thesen konstruiert, dass es weder eine Vorherrschaft bestimmter imperialistischer Staaten gebe noch einen qualitativen Unterschied zwischen verschiedenen kapitalistischen Staaten, bspw. USA und Mexiko, oder Deutschland und Griechenland. Dem widersprechen wir. Wir verstehen Lenins Imperialismusbroschüre als Untersuchung einer internationalen Herrschaftordnung, mit einigen „Räubern“ an der Spitze, die historisch gewachsen sind und nicht ohne weiteres ausgetauscht werden können. Zentral ist der monopolistische und parasitäre Charakter des Imperialismus, der sich auf Ausplünderung und Aneignung von Wert aus den unterdrückten Staaten stützt. Auch wenn Lenins Schrift keine aktuelle Analyse ersetzen kann, legt sie weiterhin den Grundstein für diese. Es gibt eine weltweite Herrschaftsordnung, an deren Spitze historisch gewachsen die USA und ihre mächtigsten Verbündeten stehen und diese Herrschaftsordnung erhalten. Anhand dieser Ordnung wird der Rest der Welt ökonomisch, politisch und militärisch in unterschiedlichem Maße eingebunden und unterworfen. Der Imperialismus ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts in diese konkrete Form getreten und muss als solche bekämpft und gestürzt werden. Ob der Imperialismus mit der Herrschaft der USA untergeht, ist offen und liegt an der Entwicklung der Kämpfe der Arbeiterklasse und der unterdrückten Völker der Welt. Der Imperialismus ist also ein Stadium des Kapitalismus und nicht einfach eine Form von Politik. Dieses Stadium tritt nicht abstrakt oder beliebig in die Welt, sondern in Form der Staaten, die am meisten Kapital akkumuliert haben, am stärksten ihre Macht ausdehnen konnten und durch eine Kolonial- und Herrschaftsordnung, die sie über die Welt errichteten, diese ausplündern konnten und können. Lediglich von quantitativen Unterschieden zwischen den Staaten und gegenseitiger Abhängigkeit zu sprechen, verschleiert diese realen Herrschaftsverhältnisse.

Aus dieser Perspektive und angesichts der Analyse der konkreten Entwicklungen der letzten Jahre müsste auch die Diskussion um den „objektiven Antiimperialismus“ differenzierter geführt werden. Die Thesen wenden sich gegen den Begriff des „objektiven Antiimperialismus“, der zum Teil auf Russland angewendet wurde. Auf Seite 10 heißt es, dass „die Vorstellung, der Imperialismus sei die Vorherrschaft einiger ‚westlicher‘ oder ‚nördlicher‘ Staaten wie der USA, Westeuropas und Japans“ per se falsch sei. Weiter heißt es, der Imperialismus sei „ein globales System gesellschaftlicher Beziehungen, das alle kapitalistischen Länder umfasst, nicht nur die USA, Japan und Westeuropa. Auch andere Staaten, in denen (monopol-)kapitalistische Verhältnisse bestehen, wie etwa China, können keinen antiimperialistischen Charakter annehmen.“ Hier wird eine vorschnelle und nicht belegte Einordnung Chinas vorgenommen, die Herrschaft der imperialistischen Staaten wird relativiert.

Kapitalistischen Staaten kann kein „objektiver Antiimperialismus“ als Charaktereigenschaft per se zugeschrieben werden, sie agieren in einer Weise, die durch die Herrschafts- und Klassenverhältnisse getragen ist und auch schnell umschlagen kann. Jedoch kann das konkrete Wirken von kapitalistischen Staaten, in Feindschaft zu den herrschenden imperialistischen Zentren, antiimperialistisch sein und dem antiimperialistischen Kampf zuträglich sein. Es kann temporäre Interessensüberschneidungen zwischen den Kapitalisten der unterdrückten Länder und den Interessen der Arbeiterklasse geben. Diese müssen klug genutzt werden. Das per se abzulehnen bedeutet, sich der konkreten Analyse und damit auch der Ausarbeitung von Strategie und Taktik anhand der realen Verhältnisse zu entziehen und in linksradikalen Phrasen zu verfallen, die Antiimperialismus zu einer leeren Worthülse machen.

Insbesondere zum Charakter und der Rolle Chinas sind die Aussagen der PT problematisch und zeugen von vorschnell getroffenen Aussagen ohne gründliche Kenntnisse. Allerdings haben wir uns in den Thesen zugleich den Auftrag gegeben, die Verhältnisse in China besser zu verstehen, was wir weiterhin als wichtige Aufgabe sehen.  

Für die Kampfbedingungen der Arbeiterklasse der unterdrückten Länder ist relevant, ob sie auch Bündnispartner in Staaten wie China, Russland oder Iran finden können, die es ihnen ermöglichen, besser gegen die imperialistischen Staaten zu kämpfen. Diese realen Fragen nach Kräfteverhältnissen und ihren Auswirkungen auf antiimperialistische Kämpfe tun die Thesen ab, indem sie solche Überlegungen als Illusion in einen „imperialistischen Weltfrieden“ abstempeln (vgl. S.9) – solche falschen Hoffnungen auf einen friedfertigen Imperialismus gibt es natürlich und sie müssen kritisiert werden, sie bilden jedoch nicht die gesamte Diskussion um den größeren Einfluss von Staaten wie Russland und China ab.  

Bezüglich zwischenimperialistischer Konkurrenz und temporärer imperialistischer Bündnisse lässt sich feststellen, dass es seit dem Zweiten Weltkrieg in dem Sinne keine direkten militärischen Konflikte zwischen imperialistischen Staaten gegeben hat und sich die Bündnisse im westlichen Block eher vertieft haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Imperialismus friedfertig geworden ist. Im Gegenteil, überall auf der Welt werden Stellvertreterkriege geführt und Länder im Chaos gehalten, um die imperialistische Vorherrschaft zu sichern. Was genau diese Veränderung in der Austragung von Konkurrenz und militärischer Auseinandersetzung bedeutet, müsste weiter untersucht werden.  

In der Imperialismusthese fehlt die Rolle des Neokolonialismus. Durch die fortschreitende Unterdrückung vieler Staaten durch neokoloniale Mechanismen muss nationale Souveränität weiterhin ein zentrales Thema von Antiimperialisten sein (in den PT unter These 6 erwähnt). Nicht etwa nur in Palästina und der Westsahara, sondern auch in vielen formal unabhängigen Staaten z.B. in Lateinamerika, Afrika, Südostasien, die weiterhin weitgehend durch ausländisches Kapital beherrscht werden, sei es durch zweckgebundene Kredite, Strukturanpassungsprogramme oder andere Mechanismen, die diese Länder an dem Aufbau einer eigene Industrieproduktion hindern und somit den Kampf für nationale Souveränität in den Vordergrund rücken.

Sowohl die Herrschaftsmechanismen des Imperialismus als auch die Stellen, an denen diese bröckeln, müssen genauer untersucht werden. Das betrifft das Kreditwesen, Sanktionen, Währungen und auch das Verhältnis der herrschenden imperialistischen Staaten zueinander. Die Potentiale und Grenzen von Bündnissen wie BRICS oder ALBA müssen besser verstanden werden. Das Verhältnis des Kampfes um nationale Souveränität zum Kampf um Sozialismus muss konkret untersucht werden, sowie die konkrete Einordnung Russlands und Chinas.

Wie weiter?

Zum künftigen Umgang mit den Thesen haben wir zu Beginn dieses Vorworts bereits etwas gesagt. Wir haben in den letzten Jahren Positionierungen zum Thema Imperialismus gesammelt, in Vertiefungsgruppen an spezifischen Themen gearbeitet, Veranstaltungen durchgeführt und Diskussionsbeiträge veröffentlicht. Mit dem Studiengang wollen wir unsere Arbeit zu den brennenden Fragen der Bewegung auf solidere Füße stellen und damit auch der Klärung der Fragen, die in den PT enthalten sind, näherkommen.

NVA – Friedensarmee im Kampf gegen Kolonialismus!

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Am 1. März 1956 wurde die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR gegründet. Seither beging man diesen Tag im sozialistischen Deutschland als Ehren- und Gedenktag. Die NVA wurde nicht nur als Friedensarmee gegründet, sie ist auch tatsächlich die einzige nationale Armee eines deutschen Staates, die nie Krieg geführt, nie andere Länder bedroht und nie ein anderes Land überfallen hat. 

Doch die NVA hat nicht nur geholfen, den Frieden in Europa zu sichern und den Sozialismus in Ostdeutschland zu verteidigen. Vielmehr hat sie auch aktiv Solidarität mit den antikolonialen Befreiungsbewegungen geleistet. Am Beispiel Afrikas wollen wir den diesjährigen 1. März nutzen, ein paar Schlaglichter auf diese weithin unbekannte Seite Armee der DDR zu werfen.

Afrika-Solidarität der DDR

Praktische Solidarität der DDR mit den afrikanischen Ländern begann bereits in den 1950er Jahren, als sich die Deutsche Demokratische Republik nicht nur politisch und diplomatisch, sondern auch materiell auf die Seite Ägyptens stellte: Nachdem Israel, Großbritannien und Frankreich Ägypten 1956 als Reaktion auf die Verstaatlichung des Suez-Kanals überfallen hatten, sammelte die DDR Spenden für das Land und druckte dafür u. a. eine der beiden ersten Solidaritätsbriefmarken (Zuschlagmarken).1 Auch das algerische Volk bekam während seines Befreiungskrieges (1954-62) materielle Hilfe in Höhe von 18 Millionen Mark aus der DDR, finanziert aus Spenden der Bevölkerung. Ab 1957 wurden verwundete Kämpfer der Nationalen Befreiungsfront (FLN) Algeriens in der DDR behandelt und rund 400 Algerier erhielten dort nicht nur Asyl, sondern auch ein kostenloses Studium oder eine Fachausbildung. Darüber hinaus organisierte die DDR Propaganda, um Deutsche, die in der französischen Fremdenlegion auf Seiten der Kolonialisten kämpften, zum Desertieren zu bewegen.2

Es folgte vor allem in den 1960er und 1970er Jahren die immer aktivere Unterstützung weiterer nationaler Befreiungsbewegungen und die Entwicklung geschwisterlicher Verhältnisse zu verschiedenen national befreiten Staaten Afrikas, von denen einige sozialistische Entwicklungswege einschlugen. Diese Solidarität hatte verschiede Ebenen und Dimensionen: auf Regierungsebene, aber in vielen Fällen auch insbesondere über Massenorganisationen wie den FDGB und die FDJ sowie durch das Solidaritätskomitee der DDR, durch Diplomatie, Solidaritätsbekundungen und Aufklärungsarbeit, aber auch durch ökonomischen Handel zu Vorzugsbedingungen, humanitäre Hilfe, die Entsendung von politischen und wirtschaftlichen Experten und Beratern, durch die kostenlose Ausbildung von Facharbeitern, Medizinern und Akademikern – und nicht zuletzt durch militärische Unterstützung.3

Beitrag der NVA

Spätestens ab 1967 unterstützte die DDR, dem Beispiel der Sowjetunion, der Tschechoslowakei  und Bulgariens folgend, verschiedene afrikanische Befreiungsbewegungen auch mit militärischer Hilfe in Form von unentgeltlichen Waffenlieferungen.4 Diese „nichtzivile“ Hilfe erhielten der ANC (Südafrika), die FRELIMO (Mosambik), die MPLA (Angola), die PAIGC (Guinea-Bissau), die POLISARIO (Westsahara), die SWAPO (Namibia) und die ZAPU (Simbabwe). Die Waffen wurden aus Beständen der NVA, des Ministeriums für Staatssicherheit und der Volkspolizei entnommen.5

Nach der zionistischen Aggression 1967 leistete die DDR Ägypten materielle Solidarität im militärischen Bereich in Höhe von 44 Millionen Mark. Unter anderem übergab die NVA der ägyptischen Armee, deren Luftwaffe von Israel fast vollständig zerstört worden war, 50 Jagdflieger und bildete entsprechendes Personal aus.6 Angeblich soll die DDR-Führung zwei Tage nach Beginn des Überfalls sogar über die Entsendung bewaffneter NVA-Verbände nach Ägypten nachgedacht haben.7 1969 und 1970 drängte Walter Ulbricht gegenüber Moskau darauf, dass die Entsendung „von Freiwilligen aus sozialistischen Ländern“ nach Ägypten „notwendig“ sei, um die arabischen Staaten in ihrem Kampf gegen Israel zu unterstützen. Dazu kam es jedoch offenbar nie, jedenfalls nicht aus der DDR.8

Allerdings entsandte das sozialistische Deutschland Militärberater in befreundete afrikanische Länder mit antikolonialen und teilweise sozialistischen Regierungen, vor allem nach Angola, Äthiopien, Kongo-Brazzaville, Mosambik, Sambia und Simbabwe.9 Ab 1975 bildete die NVA dann auch Soldaten befreundeter Staaten und Kämpfer nationaler Befreiungsbewegungen auf deutschem Boden aus. 1982 wurde dafür eigens eine Militärakademie geschaffen. Bis 1990 wurden mehr als 1150 Offiziere aus afrikanischen Ländern zur Aus- und Weiterbildung in die DDR geschickt.10 Die Kosten übernahm in den allermeisten Fällen – und im Fall von nationalen Befreiungsbewegungen, die noch nicht die Staatsmacht übernommen hatten, immer – die DDR.

Antikoloniale Solidarität ist Klassenkampf

Die Anerkennung der Legitimität und Notwendigkeit der antikolonialen Befreiungsbewegungen bedeutet auch, die Errungenschaften der DDR auf dem Gebiet der antikolonialen Solidarität anzuerkennen: Keine soziale Bewegung in der BRD – ob damals oder heute – hat auch nur annähernd etwas leisten können, das dem entspricht, was die DDR den kämpfenden Völkern an praktischer, materieller Solidarität entgegenbringen konnte: Aufbau- und echte Entwicklungshilfe, Bildung und Ausbildung, Waffen und Training.

Schon damals und vor allem im Rückblick werden die NVA und die internationale Tätigkeit der DDR von bürgerlichen Propagandisten gerne auf dieselbe Stufe mit der imperialistischen und neokolonialen Politik des Westens gestellt. Dabei wird die NVA auch gerne in die Nähe der faschistischen Wehrmacht gestellt („Honeckers Afrika Korps“11). Diese haltlose Gleichsetzung sieht aber vom Wesentlichen ab: Während der Westen stets reaktionäre Regime aufbaute und unterstütze, stand die DDR immer auf der genau anderen Seite. Politisch wurden Beziehungen auf Augenhöhe und wirtschaftlich Verträge zum gegenseitigen Nutzen oder gar zum Nachteil der DDR geschlossen. Nicht ökonomische Privat- und Profitinteressen, sondern der Kampf gegen den Imperialismus stand hinter der Solidarität mit den Befreiungsbewegungen. Vereint waren diese und die DDR im internationalen Klassenkampf. Teil dieses Klassenkampfs waren und sind im Übrigen auch die Solidaritätsbewegungen in der Bundesrepublik – ob damals für Südafrika, Namibia und Simbabwe oder heute für Palästina und Kongo.

Als deutsche Kommunisten, die sich positiv auf die DDR beziehen, können wir mit Recht stolz auf dieses Kapitel praktischer internationaler Solidarität zurückblicken: Es beweist, dass der Sozialismus auf Völkerfreundschaft und Internationalismus beruht – ganz im Gegensatz zum Kapitalismus, mit seiner Konkurrenz und seinem Drang zu Aggression. Und es beweist, dass ein Deutschland möglich ist, das die Welt nicht mit Krieg und Ausbeutung überzieht, sondern im Gegenteil geschwisterlich an der Seite der Völker steht und ihre Kämpfe um Freiheit, Selbstbestimmung und sozialen Fortschritt unterstützt.

Von der DDR und der NVA lernen, heißt internationale Solidarität lernen!

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Solidarit%C3%A4t_(Zuschlagmarke) ↩︎
  2. Helmut Nimschowski: Der nationale Befreiungskrieg des algerischen Volkes (1954-1962), Militärverlag der DDR 1984, S. 94. ↩︎
  3. Wir empfehlen hierzu die verschiedenen Artikel der Internationalen Forschungsstelle DDR (IFDDR): https://ifddr.org/publikationen/freundschaft/  ↩︎
  4. https://www.jungewelt.de/beilage/art/494220 ↩︎
  5. Hans-Georg Schleicher / Ilona Schleicher: Waffen für den Süden Afrikas. Die DDR und der bewaffnete Befreiungskampf. In: Ulrich van der Heyden / Ilona Schleicher / Hans-Georg Schleicher (Hrsg.): Engagiert für Afrika. Die DDR und Afrika II, LIT-Verlag 1994, S. 10-19. ↩︎
  6. Klaus Storkmann: Geheime Solidarität. Militärbeziehungen und Militärhilfen der DDR und die „Dritte Welt“, Ch. Links 2012, S. 206, 561. ↩︎
  7.  Karin Hartewig: Jüdische Kommunisten in der DDR und ihr Verhältnis zu Israel. In: Wolfgang Schwanitz (Hrsg.): Jenseits der Legenden. Araber, Juden, Deutsche, Dietz Verlag Berlin 1994, S. 134. ↩︎
  8. Storkmann: Geheime Solidarität, S. 205. ↩︎
  9. Bernhard Schöne: Die NVA und das subsaharische Afrika. Zu den militärischen Auslandsbeziehungen der DDR. In: Ulrich van der Heyden / Ilona Schleicher / Hans-Georg Schleicher (Hrsg.): Die DDR und Afrika. Zwischen Klassenkampf und neuem Denken, LIT-Verlag 1993, S. 35. ↩︎
  10.  Storkmann: Geheime Solidarität, S. 612-14. ↩︎
  11.  https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-1980-10.html  ↩︎

Update Syrien-Dossier: Ohne Volk kein Antiimperialismus 

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Wir erweitern unser Dossier zu Syrien um einen Artikel von Willi Langthaler, der am 18. Dezember 2024 auf der Seite der Antiimperialistischen Koordination (AIK) erschienen ist. Obwohl dem Text nach mehr als zwei Monaten aufgrund der Dynamiken vor Ort sicherlich eine Aktualisierung gut tun würde – es kam wiederholt zu gewaltsamen konfessionalistischen Auseinandersetzungen in Syrien sowie an der libanesischen Grenze, die meisten kommunistischen und sozialistischen Parteien Syriens sind mittlerweile verboten und das neue HTS-Regime hat sich für unbestimmte Zeit zur alleinigen Regierung erklärt, biedert sich zunehmend offen an die pro-imperialistischen Staaten in der Region an und hat seinen anti-iranischen und Anti-Hisbollah-Kurs um eine konfrontative Haltung gegenüber Russland ergänzt; außerdem wurde gestern bekannt, dass Abdullah Öcalan die PKK nicht nur dazu aufgerufen hat, mit der Türkei Friedensverhandlungen zu führen, sondern sich auch aufzulösen – haben wir uns entschieden, diesen Text zu spiegeln, weil er als einer der sehr wenigen aus einer antiimperialistischen Haltung heraus das System der Baath-Herrschaft kritisiert. 

Dabei argumentiert der Text nicht auf einer moralischen Ebene, sondern setzt sich sachlich und kritisch mit den subjektiven Fehlern und Schwächen der Syrischen Arabischen Republik (SAR) auseinander, die dazu geführt haben, dass es den imperialistischen Angriffen letztlich keinen Widerstand mehr entgegensetzen konnte und nach 13 Jahren Krieg plötzlich in kürzester Zeit zusammenbrach. Die Hauptaussage spiegelt sich bereits im Titel wider: Antiimperialistische Kämpfe sind nicht zu gewinnen, wenn das Volk nicht für sie gewonnen und mobilisiert wird.  

Eine weitere These, die der Genosse Langthaler aufstellt, ist die, dass der große Sieger in Syrien nicht der US-Imperialismus, sondern die Türkei ist – und dass das einen wichtigen Unterschied ausmacht.  

Von diesen beiden Einschätzungen ausgehend wirft der Text einen Blick auf die Perspektiven des antiimperialistischen Kampfs in Syrien nach dem Sturz der SAR. 

Redaktion der Kommunistischen Organisation 

Über die Perspektiven Syriens unter türkischer Schirmherrschaft 

Da sind die einen, die ob des Sturzes Assads naiv über den Einzug von Freiheit und Demokratie gemeinsam mit dem Westen jubeln. Und da sind die anderen, die schwarz in schwarz vom Ende des Widerstands sprechen. Fast als wäre die Geschichte zum Stillstand gekommen, wie 1989/91. Indes ist Vor- und Weitsicht geboten, denn vieles bleibt offen, auch die Perspektiven. 

Ausgangspunkt ist jedenfalls der totale Kollaps, die völlige innere Verrottung eines Regimes, das schon seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr auf eigenen Beinen zu stehen vermochte. In dem Moment, in dem die iranische und russische Unterstützung, und jene der Hisbollah, ausblieb, fiel alles in sich zusammen. Welch Unterschied zu Gaddafi und Saddam, die buchstäblich bis zum letzten Atemzug kämpften. Assad setze sich einfach ab und ließ das Desaster zurück. 

Vorab methodisch: der Nahe Osten ist sein vielen Jahrzehnten DER neuralgische Punkt des imperialistischen Weltsystems. Dort treffen die Widersprüche am stärksten auf einander, kommen mit Gewalt zum Ausdruck und zeigen eine globale Tendenz an. Einerseits kämpft das US-Empire mit allen Mitteln, auch jenen des Genozids, um seine Fortexistenz. Andererseits bewegen sich die Völker, leisten Widerstand, wie man in unglaublicher Weise bei den Palästinensern sieht. Die regionalen Regime müssen, um sich zu halten, diesen Druck reflektieren aber gleichzeitig niederhalten. Sie haben in den letzten zwei Jahrzehnten mehr Spielraum von den USA errungen und/oder diese an direkter Kontrolle verloren. Sie haben ein äußerst labiles Staatensystem gebildet, das sich bei jeder Krise neu konfiguriert. Jedes Mal besteht das Risiko des Volksaufstandes, des Bürgerkriegs und auch des Volkskriegs. Und natürlich auch der imperialistischen Intervention, die nicht zur Stabilisierung beiträgt! Die permanente israelische Aggression ist der Stachel im Fleisch, die niemanden zur (kapitalistischen) Ruhe kommen lässt. Unerwartete Wendungen, jähe Rekonfigurationen in einem regionalen Multipolarismus stehen auf der Tagesordnung. Ein Krieg folgt dem anderen mit der Gefahr einer umfassenden kriegerischen Eskalation, deren Ausgang ungewiss ist. 

Implosion 

Das syrische Regime und vor allem Assad als Person an der Spitze haben keinen Widerstand geleistet. Nach so vielen Jahren des Bürgerkriegs auch mit gewissen militärischen Erfolgen von Assad ist das doch verwunderlich. Warum kam es so weit? 

Ausschlaggebend war wohl die Entscheidung von Teheran und in der Folge auch Moskau, dass es keinen Sinn mehr hat Assad weiter zu unterstützen, denn der Kampf schien bereits verloren. Hinter den Kulissen hat wohl Ankara mit Versprechungen und Garantien diese Entscheidungen erleichtert. Als dieser Entzug an Unterstützung klar wurde, als man unten merkte, dass es oben keinen Willen mehr zum Kampf gab, brach das ganze System in Windeseile in sich zusammen. 

Historisch gesehen steht hinter dieser totalen Isolierung und Selbstaufgabe eine grundlegende Entscheidung des syrischen Baathismus, nämlich gegen den aufkommenden politischen Islam, der in der gesamten Region zur vielgestaltigen, aber dominanten politischen Kraft wurde, die harte Linie des systematischen Ausschlusses und der militärischen Gewalt zu verfolgen. In Algerien nannte man diese Generale „Eradicateurs“, die Auslöscher. Diese Linie war früher oder später zum Scheitern verurteilt, denn sie isolierte ihrerseits das Regime von der großen Mehrheit, weichte die antiimperialistische Haltung auf und machte sie von äußerer Unterstützung abhängig. Im Namen des Säkularismus wurde sie zur Diktatur konfessioneller Minderheiten, zuletzt auch mit immer mehr neoliberalen Zügen. 

In der säkularistischen Erzählung wird der politische Islam und vor allem der Jihadismus organisch dem Imperialismus zugerechnet. Doch das ist eine, zugegeben hartnäckige, Apologie der gescheiterten Erben der (links)nationalistischen Regime. Nach dem Niedergang und der weitgehenden Kapitulation des arabischen Nationalismus, wurde das antiimperialistische Moment in den Massen zunehmend von verschiedenen Strömungen des politischen Islam repräsentiert (natürlich nicht von allen), die zuvor noch vom Westen als Alternative um Linksnationalismus bevorzugt und unterstützt worden waren. Die Re-Islamisierung ist ein vielschichtiges und klassenübergreifendes Phänomen in der gesamten islamischen Welt. Sie hängt kausal mit dem Scheitern der kommunistischen und Arbeiterbewegung sowie jenem der nationalen Befreiungsbewegungen zusammen. Die kulturelle Islamisierung ist so stark und tief, dass sich ihr (fast) alle Klassen und politischen Kräfte anpassen (müssen), um nicht davongeschwemmt zu werden. Natürlich bedienen sich ihrer auch proimperialistische Regime, allen voran Saudi-Arabien. Aber sie hat gleichzeitig ein starkes Massenelement, das auch Momente der Selbstbestimmung und des Antiimperialismus enthält. Das beste Beispiel dafür ist Hamas in Palästina, die in einer einst säkularisierten Gesellschaft die Führung des Widerstands gegen den Imperialismus und Zionismus übernommen hat. Ähnliches gilt für die Taliban, die die westliche Besatzung aus dem Land geworfen haben – um nur zwei Beispiele zu nennen. 

Jetzt könnte man einwenden, dass Assad ja mit einer Form des politischen Islam, jedoch schiitisch, wie er im Iran die Staatsmacht repräsentiert, sehr eng kooperierte. Doch genau das isolierte ihn in Syrien nur noch mehr, weil es den sunnitisch-schiitischen Gegensatz bediente und vertiefte. 

Ein Ausgleich, eine Integration eines Teils des sunnitischen politischen Islam in das Regime auf antiimperialistischer, nationaler und demokratischer Grundlage wäre unumgänglich gewesen. Die Auslöscher halten dem entgegen, dass dies nicht ginge. Doch auch die andere Seite macht historische Erfahrungen und Wandlungen durch. Die konfessionalistischen, extremistischen und terroristischen Tendenzen sind überwiegend gescheitert. Die politische Aufgabe eines einschließenden Antiimperialismus wäre gewesen, den politischen Islam aufzufächern, zu differenzieren, die antiimperialistischen, weniger konfessionalistischen, sozialeren Tendenzen zu fördern und einzubeziehen. 

Das Assad-Regime verweigerte sich systematisch einer solchen Operation und wurde darin von Teheran und Moskau auch noch bestärkt. Es konnte nur untergehen und ist für die Katastrophe, die es hinterlässt, selbst verantwortlich. 

Großer Sieger Türkei – unverhofft 

Der eigentliche Architekt hinter dem Umsturz ist die Türkei Erdogans. Das Konzept war von Anfang an die Massenbewegung des Arabischen Frühlings gegen das Regime zu nutzen und ein System nach türkischem Modell zu fördern. Das Projekt wurde zutreffend auch Neoosmanismus genannt. Doch der daraus resultierende Bürgerkrieg brachte große Komplikationen mit sich. Er beförderte eine Jihadisierung, die selbst Ankara aus dem Ruder lief. Insbesondere den USA ging das entschieden zu weit, trotz der tiefen Feindschaft zu Assad. Im Sommer 2013, als Obama mit seinen „Roten Linien“ alles für ein Bombardement nach irakischem Vorbild aufgebaut hatte, wurde das kurzfristig abgesagt, denn das hätte eine unmittelbare Machtübernahme unkontrollierbarer Jihadis gebracht, die man nicht wollte. In der Schlacht um Kobane 2014 schlugen sich die USA und ihre Alliierten dann auf die Seite der kurdischen PYD (von der Herkunft her eine linksnationalistische Bewegung) und halfen ISIS niederzuringen – gegen den Willen der Türkei, die mit Hilfe von ISIS Assad stürzen wollten. 2016 setzte Washington dann in Unterstützung des irakischen Regimes mit dem Angriff auf Mosul dem Islamischen Staat ein Ende. Das sind alles bedeutende historische Ereignisse, die der simplizistischen und islamophoben Schablone, die die sunnitischen Jihadisten pauschal als Werkzeug der USA und Israels betrachtet, zuwiderlaufen. 

Ab 2015 griff dann Russland systematisch auf Seiten Damaskus ein. Der Iran war mit Truppen und Milizen eigentlich fast von Anfang an beteiligt gewesen. Mit ihrer Hilfe gelang es 2016 Aleppo, eines der Zentren der sich islamisierenden Volksrevolte, mit äußerster Härte zurückzuerobern. Erdogan schien gescheitert, Moskau der Sieger. (Pax russiana? Schon damals meldeten wir Zweifel an, ob das nachhaltig sein würde.) 

Es entwickelte schließlich eine Pattsituation, die das zwiespältige Verhältnis zwischen der Türkei und Russland ausdrückte. Ankara installierte im Nordwesten eine Zone direkter Kontrolle mittels einer arabischen Marionettenarmee, auch um die Kurden zumindest von der türkischen Grenze wegzudrängen. In der Provinz Idlib erlaubten sie ein jihadistisches Kalifat. Das ermöglichte einerseits deren Kampfkraft zu erhalten und zu nutzen, andererseits diese im türkischen Sinn zu domestizieren. 

Der Kreml musste ab 2022 seine Kräfte auf die Ukraine konzentrieren, was wiederum Ankara ermöglichte den Druck auf die Kurden zu erhöhen, die, wenn nötig, nicht nur mit den USA, sondern auch mit Russland und Assad kooperierten. 

Alle Seiten schienen sich mit diesem Arrangement abgefunden zu haben und auf bessere Zeiten zu warten. Niemand, wohl nicht einmal die Türkei, dürfte mit dieser enormen inneren Aushöhlung Assads berechnet haben. 

Für die Türkei und Erdogan persönlich ist das ein nicht zu unterschätzender Erfolg, zumal er seine Feinde und gleichzeitig Kooperationspartner Iran und Russland beim Umsturz praktisch mit ins Boot geholt hat. 

Niemand soll sich täuschen und glauben, dass die Türkei eine Marionette der USA und schon gar nicht Israels ist. Ankara ist natürlich NATO-Mitglied und weiß, dass der Herr der Welt in Washington sitzt und respektiert werden will. Aber der neoosmanische Ansatz bedeutet auch, angesichts der schwindenden Macht der USA, die sich ergebenden Spielräume maximal zu nutzen und da und dort auch die Spielregeln zu überdehnen. Es sind mit allen Nachbarn Beziehungen zu unterhalten, man spielt sie gegebenenfalls gegen einander aus, dabei immer fest die eigenen Interessen im Blick, ohne sich in zu große Abhängigkeit zu begeben. So hat die Türkei und Israel gemeinsam Aserbaidschan gegen Armenien unterstützt. Die Türkei liefert Waffen an die Ukraine und hat sich dennoch nicht dem Embargo gegen Russland angeschlossen. Im Gegenteil, sie ist eine der wenigen möglichen Vermittler. Und sie unterstützt (gemeinsam mit Qatar) in der arabischen Welt die Muslimbrüder, die für die prowestlichen autoritären Regime nicht nur am Golf der ärgste innere Feind sind, und unterhält dennoch Beziehungen zu diesen Regimen. 

Aber auch die Türkei kann Syrien nicht alles diktieren. Vor allem gilt es nun ein neues Regime zu errichten und da bedarf es innerer Kräfte, die den Neuaufbau des Staates auch tragen können. Sowas kann nicht von außen diktiert werden. Alle diesbezüglichen Versuche der USA in der Region sind in den letzten Jahrzehnten kläglich gescheitert. Die Türkei wird sicher nicht mit der gleichen Hybris ans Werk gehen. 

HTS-Regierung? 

Bis vor kurzem figurieren „Hayat Tahrir al Shams“ (HTS) noch als Terroristen. Doch wir wissen, dass der Terrorvorwurf was Instrumentelles hat. Alle Gegner der USA sind grundsätzlich Terroristen. Wenn sie die Seite wechseln, dann werden sie plötzlich zu Freischärlern oder gar Befreiungskämpfern. Der Terror- und Völkermordstaat Nr. 1, Israel, ist sowieso die „einzige Demokratie des Nahen Ostens“. Man sollte also den Begriff am besten gar nicht verwenden oder nur ganz eng begrenzt verwenden, denn er dient analytisch unscharf nur zur Bezeichnung von Feinden. 

HTS kommt ursprünglich von ISIS. Die Spaltung kam vor allem wegen des auf Syrien beschränkten Machtanspruch der Nusra (dem Vorläufer der HTS), während ISIS eine territorial nicht begrenzte Konzeption eines islamischen Staates verfolgte. HTS rückte schrittweise vom takfiristischen Konzept ab, das de facto die anderen jihadistischen Gruppen als gefährlichste Feinde betrachtet, und versuchte die Jihadis unter ihrer Führung zu vereinigen. Mit dem Kalifat in Idlib kam die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dazu, die innere Konflikte dämpfen und um Konsens heischen muss. Und es bedurfte der guten Beziehungen zur Türkei, die das ganze Unternehmen wiederum für die „internationale Gemeinschaft“ akzeptabel halten musste. („Gordischer Knoten Idlib“ – eine Betrachtung von 2020 als der russische Druck auf Idlib noch stark war.) 

Haben die Jihadisten nur Kreide gefressen oder haben sie wirkliche eine Wandlung durchgemacht? Letztlich ist die Frage müßig. Denn sie sind unheimlich schwach und stehen vor den Trümmern eines Staates, den sie nicht ersetzen können. Unter Strafe des baldigen Scheiterns haben sie verkündet, dass 

  • die staatlichen Institutionen erhalten bleiben sollen 
  • die Minderheiten, die aus Angst vor den Jihadis das Regime unterstützt oder zumindest geduldet haben, nichts zu befürchten haben 
  • es eine einschließende Regierung geben wird 
  • die nationale Einheit erhalten werden soll 
  • russische und iranische Einrichtungen gesichert bleiben. 

Es gab bereits unmittelbar nach dem Umsturz einige konfessionelle, revanchistische Morde, die aber begrenzt geblieben zu sein scheinen. Wenn sich HTS nicht an ihre Versprechen hält, dann werden sie nicht in der Lage sein einen Herrschaftsapparat zu bilden, denn die wirtschaftliche und soziale Lage ist dramatisch. Es bedarf sofortiger energischer Maßnahmen um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Ansonsten droht der baldige Zerfall, die Fortsetzung des Bürgerkriegs und die Balkanisierung – was alles den angesammelten politischen Kredit der jihadistischen Islamisten schnell verbrauchen würde. 

Völlig offen bleibt, was mit den bewaffneten Organen des Staates passieren wird. Sind sie in der Lage eine neue Polizei und Armee aufzustellen, während Israel alles was es kann zerstört? Werden sie versuchen untere Ränge der alten Exekutive zu aktivieren, um wieder auf die Beine zu kommen? Wie wird die Übergabe in den Ministerien und allen anderen staatlichen Apparaten funktionieren? 

Und natürlich werden sie versuchen ausländische Unterstützung zu bekommen, zu aller erst aus der Türkei, der arabischen Welt aber auch vom Imperialismus, der seinerseits versuchen wird, das neue Regime möglichst weit unter Kontrolle zu bringen. Hilfe kommt nie ohne Bedingungen und ohne Eigennutz. 

Ein sehr wichtiger Gradmesser wird die Reaktion auf die enorme israelische Aggression sein, die bisher völlig unbeantwortet blieb. Israel hat nicht nur große neue Gebiete am Golan erobert. Der Kolonialstaat hat auch in hunderten Luftangriffen einen großen Teil des militärischen Großgeräts Syriens zerstört. Sollte die neue Regierung dagegen nicht mobilisieren, wird sie viel an politischem Prestige einbüßen. Trifft sie Maßnahmen, wird sie zunächst einem überlegenen Feind gegenübertreten und destabilisierende Niederlagen einstecken müssen. Zudem steht die imperialistische Gnade auf dem Spiel. Erste Zeichen deuten darauf hin, dass HTS einem Zusammenstoß mit Israel ausweichen will. 

Die Positionierung der neuen Regierung wird in etwa die Resultante der beschriebenen Kräfte sein, jedenfalls kein glattes Marionettenregime, sondern sich in etwa auf der Linie der Türkei bewegen. 

Die weitverbreitete linke These, dass HTS das direkte Werkzeug Israels und des Westens sei, ist hier schon an vielen Passagen falsifiziert worden. Es gibt aber tatsächlich Kräfte in Syrien, die sehr direkt an den USA hängen. Das sind einerseits die über Jordanien versorgten bewaffneten Kräfte im Süden wie die Syrian Free Army (SFA)(die weniger islamistisch sind) und das sind seit 2014 die Kurden. HTS hat sich im scharfen Gegensatz zu den USA und den Kurden etabliert, zuerst im Rahmen des Islamischen Staates und dann im Idliber Kalifat. Alles andere kann die Schlachten um Kobane und Mosul nicht erklären. Alles deutet darauf hin, dass die Türkei ihr eigenes Spiel spielt und im Gegensatz zu Washington den Jihadismus als ihr Werkzeug einzusetzen vermag. Die USA wollen das nicht machen, weil sie nicht kontrollierbar sind. Warum hätten sie sonst auf die Kurden gesetzt? 

Knackpunkt Kurden 

Die USA haben nicht nur Israel als Werkzeug um jede Regierung in Damaskus unter Kontrolle zu halten (letztlich auch Baath), sondern sie verwenden dazu auch die Kurden. Wenn die Türkei und Syrien Washingtons Interessen ausreichend bedient, dann könnten jene die Unterstützung der Kurden zurückziehen. Wenn nicht, behalten sie diese als Faustpfand. Zudem sind auch die Kurden keine reinen Marionetten. Sie mögen entsprechend der Kräfteverhältnisse zum Zurückweichen und zu schwerwiegenden Kompromissen bereit sein, die Selbstaufgabe werden sie nicht betreiben.(„Benutzen oder benutzt werden?“ – Kommentar zur Stretegie der kurdischen Führung in Syrien 2017) 

Das kann leicht der Auslöser eines neuen (Bürger)kriegs werden, zumal sich schon zuvor einige Golfstaaten auch der Kurden gegen die Achse Ankara-Doha unterstützen. 

Positionierung der kommunistischen und demokratischen Parteien 

Bekanntlich befanden sich einige der kommunistischen, linken und auch demokratischen Parteien im Orbit von Baath. Sie waren entsprechend auch geduldet je nach dem Grad ihrer Nähe. Natürlich gab es darüber eine starke Auffächerung und Schattierungen, über die wir gegenwärtig keine genauen Kenntnisse verfügen. 

In ihren Stellungnahmen (KP Syrienarabische KPenehemalige „innere“ Opposition) nach dem Umsturz haben sofort neben der Einhaltung der Versprechen Jolanis ein schnelles und gemeinsames Vorgehen gegen die israelische Aggression eingefordert. In der gegenwärtigen Lage scheint das im Sinne einer antiimperialistischen, demokratischen und sozialen Ausrichtung die richtige Intervention zu sein. 

Niederlage bekämpfen wie in Osteuropa? 

Handelt es sich denn nicht um eine Niederlage oder gar Konterrevolution wie bei der Wende in Osteuropa und der Sowjetunion? Bedarf es daher nicht der Frontalopposition gegen die Restauration wie damals? 

In einem großen historischen Bogen handelt es sich natürlich um eine Niederlage. Der Baathismus hat seinen letzten Atemzug getan und hat kapituliert, weil niemand ihm mehr folgen wollte. Viele Hyänen zerren nun am Kadaver und zerreißen auch die verbliebenen (vielfach formalen) antiimperialistischen Aspekte. Doch die Niederlage war unvermeidlich, denn Assad konnte und wollte die Macht nicht teilen – was im antiimperialistischen Sinn aber unbedingt notwendig gewesen wäre. 

Ein altbürgerliches, rein geopolitisches Denken vermag diesen inneren Aspekt nicht zu erfassen. Es sieht nur, dass Russland und der Iran dadurch geschwächt werden. Werden sie auch, aber sie haben diesen schweren, ja unverzeihlichen politischen Fehler mitbegangen und mitgetragen. 

Viele glauben nun, dass der palästinensische Widerstand damit erledigt wäre. Natürlich ist es ein weiterer schwerer Schlag unter sehr vielen anderen. Doch der Widerstand hängt nicht ursächlich von der Unterstützung durch den Iran, Syrien oder Hisbollah ab. Er wird auch unter den extremsten Bedingungen weitergehen und seine politische Wirkung in Arabien und der Welt entfalten. Hamas hat dennoch den Umsturz begrüßt, obwohl sie Unterstützung aus Damaskus erhalten hatten. (Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass sie als Brücke zwischen den verschiedenen antiimperialistischen Tendenzen dienen werden können.) 

Die „Achse des Widerstands“ war und ist wichtig und leistet einen Beitrag, selbst nach diesem Fiasko. Doch deren Intervention ist keineswegs problemlos. Diese „Achse“ enthält ein Moment der Anmaßung, weil sie die antiimperialistischen Kräfte der arabischen Welt, meist sunnitisch kulturalisiert, unter die Führung von Teheran und einen schiitischen politischen Islam zwingt. Wer sich dagegen stellt, den trifft automatisch (und oft unberechtigt) der Vorwurf proimperialistisch zu sein. Im Irak hat das ein historisches Desaster und die konfessionelle Spaltung mit befeuert (wobei natürlich auch die andere Seite Mitschuld trägt). („Bürgerkrieg im Irak“ – Kommentar aus dem Jahre 2007) 

Es gibt zudem eine Art historische Konstante in der arabischen Welt: die arabischen Staaten sind durch den Stachel Israel so schwach und rachitisch, dass sie gegen die israelische faschistische Militärmaschine immer verlieren. Lediglich im Volkskrieg ist ihnen beizukommen. Das hat man im Libanon gesehen und das sieht man auch heute in Gaza. 

Sozial gesehen macht der Umsturz keinen großen Unterschied, vorher neoliberaler peripherer Kapitalismus, nachher im Wesentlichen das gleiche. Politisch geht ein verbrauchter, isolierter, ausgetrockneter Antiimperialismus unter und es kommt eine weite Koalition an politisch-islamischen Kräften jeweils mit Unterstützern aus den umgebenden Ländern an die Macht, deren Massenbasis antiimperialistisch eingestellt ist. Das heißt nicht, dass daraus ein antiimperialistisches Regime entstehen wird. Aber unter dem Massendruck stehen sie auf jeden Fall. 

In Osteuropa folgten im Gegensatz dazu der Konterrevolution bleierne Jahre der liberalen Reaktion mit der freiwilligen Unterordnung unter die USA. In Syrien geht der Kampf weiter – wenn auch unter völlig neuen Bedingungen. Antiimperialistische Einstellungen, Strömungen und Kräfte haben nach wie vor erhebliche Bedeutung, demokratische und soziale Kräfte hatten und haben es sehr schwer. Offene Unterordnung unter den Westen gibt es kaum. 

Die Aufgaben bleiben nach wie vor monströs und die neue Führung ist wie die alte dazu wohl kaum in der Lage: Die Einheit des Landes in der Vielfalt neu zu schaffen, die israelische Aggression und den Imperialismus abzuwehren, die Wirtschaft auf die Beine zu bekommen und dabei Richtung sozialer Gerechtigkeit zu drängen, möglichst demokratische Verhältnisse herzustellen. 

Die gleiche historische Aufgabe der Differenzierung der islamisch-politischen Kräfte, derer sich Baath verweigerte, liegt nun an den verbliebenen antiimperialistischen, demokratischen und sozialen Kräften. 

Der Richtige zur richtigen Zeit

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Ausblick nach der Bundestagswahl

Die Wahlen sind vorbei und als Sieger gehen AfD und CDU hervor. Während die CDU sich zur Vollstreckerin der Zeitenwende erklärt, ist die AfD schon jetzt ein wesentlicher Faktor für die Kriegsvorbereitung. Ob die neue Regierung im Gegensatz zur Ampel-Koalition die gesamte Legislatur durchhalten wird, ist noch offen. Ein Blick in andere Länder wie Frankreich zeigt, dass die Krise des Imperialismus auch die politische Instabilität erhöht. Eine Regierungsbeteiligung der AfD steht zwar aktuell noch nicht an – nach den nächsten Wahlen wird das vermutlich anders aussehen. Wir werfen einen kurzen Blick auf die zentralen Punkte, die wir aus der Wahl mitnehmen können. Einiges davon haben wir in unserer Broschüre zu Zeitenwende und Kriegsvorbereitung weiter ausgeführt.

Krise heißt Kriegsvorbereitung

Der deutsche Imperialismus steckt in der Krise. Hintergrund ist die Bedrohung der imperialistischen Ordnung unter der Vorherrschaft der USA, die wohl als allgemeine Krise des Imperialismus verstanden werden muss. Ursula von der Leyen beschrieb diese Lage kürzlich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos so: „Die auf Zusammenarbeit ausgerichtete Weltordnung, wie wir sie uns vor 25 Jahren vorgestellt haben, ist nicht Wirklichkeit geworden. Stattdessen sind wir in eine neue Ära des rauen geostrategischen Wettbewerbs eingetreten (…) der Wettlauf hat begonnen.“

Und daher müssen die USA den Krieg gegen China wollen. Mit der Wahl Trumps werden sich die Aggressionen gegen die Volksrepublik noch verstärken und die aktuellen Verhandlungen im Ukraine-Krieg müssen als Teil dieser Kriegsvorbereitung verstanden werden: Der Konflikt soll eingefroren werden, um ein noch engeres Bündnis zwischen China und Russland zu verhindern und China so zu schwächen. Der deutsche Imperialismus kann (noch) nicht ohne die USA, und muss sich dem Kurs im Wesentlichen anpassen. Die widersprüchlichen Interessen werden mit immer härteren Bandagen ausgehandelt – Stichwort Zollpolitik. Einigkeit besteht jedoch in der Vorbereitung des Krieges zur Aufrechterhaltung ihrer Weltordnung. Deutschland soll bis 2029 kriegsbereit gegen Russland sein. Daran ändern weder die Verhandlungen im Ukraine-Krieg noch die Ablösung der Ampel-Koalition durch eine neue Bundesregierung etwas. Im Gegenteil: Die Kriegsvorbereitung wird in der kommenden Legislatur noch verstärkt werden.

Vollstrecker für die Zeitenwende

Der Tenor der Herrschenden vor der Wahl ging ungefähr so: Die Militarisierung sei zu langsam, zu träge, zu ineffektiv. 2% des BIP für Militärausgaben seien das absolute Minimum, eigentlich müsse man mindestens über 3,5% kommen und ein neues Sondervermögen von mindestens 300 Milliarden sei sowieso schon längst überfällig. Das Motto der Wahl: Vollstrecker für die Zeitenwende und Kriegsvorbereitung gesucht!

Die CDU mit Neu-Kanzler Merz titelt „Der Richtige zur richtigen Zeit“ und trifft damit einen Punkt: Mit ihren angekündigten Angriffen auf Arbeitslose, Migranten und Werktätige zugunsten einer verstärkten Kriegsvorbereitung scheint die schwarze Partei tatsächlich die richtige politische Kraft für die aktuelle Zeit zu sein. Voraussichtlich wird sich die CDU die SPD mit ins Boot holen – eine politische Kraft, die immer stärker an politischen Einfluss verloren hat, insbesondere in den Gewerkschaften. Hier entsteht eine Lücke, die in näherer Zukunft nochmal zu wichtigen Dynamiken und Einflusskämpfen führen kann. Es scheint fast so, als wäre auch hier die AfD potentiell am ehesten aufgestellt den Kampf um freiwerdende Plätze der SPD aufzunehmen.

Keine Kriegsvorbereitung ohne Rechte und Faschisten

Der AfD-Sieg bringt zum Ausdruck, dass Teile der herrschenden Klasse sehr bewusst und gezielt diese Partei nicht nur aufgebaut, sondern so weit gestärkt haben, dass sie an diese Stelle kommen konnte und sollte. Darin stimmen sie mit den Herrschenden der USA überein. Das ist der zweite wichtige Faktor. Beides weist darauf hin, dass der Krieg gegen Russland, nach einer möglichen Neugruppierung durch die anlaufenden Verhandlungen, intensiviert werden soll. Dafür ist insbesondere in Deutschland, als größte Macht in Europa, ein ultra-reaktionärer Kurs notwendig. Aufrüstung, Mobilisierung und Kriegsführung werden ohne weitreichenden Sozial- und Demokratieabbau nicht möglich sein, ohne Verhetzung und Verrohung der Gesellschaft. Sie muss weiter nach rechts gebracht werden. Ihr, und insbesondere der Arbeiterklasse, wird zugesetzt werden müssen. Im Zweifelsfall ist dann auch Terror notwendig.

Die AfD hält dafür nicht nur die entsprechende Ideologie bereit, sondern auch das Personal. Sie ist die Sammelpartei der faschistischen Kräfte. Vom ehemaligen Institut für Staatspolitik über Höcke bis hin zu den Straßenterror-Gruppen sind alle relevanten faschistischen Strukturen an die AfD angedockt oder Teil von ihr. In den letzten Jahren und insbesondere im Wahlkampf ist die AfD trotz aller „Brandmauer“-Beteuerungen normalisiert und gestärkt worden. Durch das Abstimmungsmanöver von Merz im Bundestag, aber auch durch BSW, das nicht nur mit zugestimmt hatte, sondern permanent von der Berechtigung der AfD-Forderungen gesprochen hatte.

Ideologisch haben die AfD bzw. die Medien und die sie lenkenden Kreise eine ideologische Oberhoheit gewonnen. Ihre scheinbar für Frieden und Verhandlungen verbreiteten Parolen sind nicht nur von geringer Bedeutung im Wahlkampf gewesen, sondern sie sind von ihrer Bedeutung her ohnehin gering, da die AfD vor allem für Aufrüstung, Wehrpflicht und Kriegsfähigkeit steht. Diese durchzusetzen ist die Hauptsache. Dass Leute zunächst glauben sollen, die AfD wende sich gegen einen Krieg gegen Russland, nutzt ihr und ihrer Politik, aber es entspricht nicht den politisch zu erwartenden Tatsachen. Die offenen Werbemaßnahmen der US-Republikaner für die AfD sind eindeutig: Sie wollen, dass diese Partei Deutschland zu einer Kriegsmacht aufbaut, die den Krieg gegen Russland fortsetzt und sie sich dafür umso aggressiver gegen China wenden können.

Aufgebaut für ein Ziel: Krieg und Krise

Die AfD hat ideologische Siege errungen, insbesondere was die Verhetzung und Aufstellung von Sündenböcken anbetrifft, als auch die Verrohung. Aber auch die Verbreitung des Nationalismus, die Akzeptanz für Geschichtsrevisionismus und Militarismus und eine starke Hand. Es kann sein, dass sie bei bestimmten Teilen der Bevölkerung auch schnell wieder an Zuspruch verlieren wird. Das ist nicht so relevant. Relevant ist, dass es ihr gelungen ist, Teile der Gesellschaft fest, um sich zu scharen und zu binden. Das konnte sie auch, weil erfahrene Stratege und ehemalige CDU-Politiker wie Gauland daran stark gearbeitet haben. Gauland, der auch Kubitschek vom Institut für Staatspolitik aktiv in die Strategieentwicklung der Partei eingebunden hat.

CDU-Konservative, die Nazi-Parteien aufbauen. Das ist kein neues Phänomen. Ähnlich war es bei der Deutschen Volksunion in den 70er Jahren und bei den Republikanern in den 80ern. Dieses Mal ist der Unterschied, dass die Planungen des deutschen Imperialismus sehr weitreichend sind und nicht nur die Abschaffung des Asylrechts durchzusetzen sind (wie in den 90er Jahren) oder die Ostverträge zu verhindern bzw. möglichst schwer zu verhandeln (wie in den 60er/70er Jahren), sondern es darum geht einen größeren Krieg zu organisieren.

Die Angriffe werden schärfer

Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt, dass uns in der nächsten Legislatur ein massiver Angriff auf die Arbeiterklasse erwartet. Das Bürgergeld soll abgeschafft und durch eine Grundsicherung mit Arbeitszwang ersetzt werden. Das Asylsystem wird weiter ausgehöhlt und damit schrittweise abgeschafft. Die Arbeitszeit soll „flexibilisiert“, Ruhezeiten verkürzt und eine Einschränkung des Streikrechts durchgesetzt werden. Die Monopole sollen in noch größerem Ausmaß mit den Steuerabgaben der Arbeiterklasse subventioniert werden. Repressive Maßnahmen werden weiter zunehmen. Gerade gegen politische Organisationen, die vermeintliche „Feindpropaganda“ verbreiten, also Inhalte, die der deutschen Staatsräson widersprechen. Darüber hinaus deutet viel darauf hin, dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht mit der neuen Regierung vollstreckt wird.

Keine konsequente Anti-Kriegspartei im Bundestag 

Tatsächliche Anti-Kriegspositionen sind im nächsten Bundestag nicht vorhanden. Die Linke ist ideologisch völlig auf den Sanktions- und Aufrüstungskurs eingeschwenkt und wurde als „soziale“ und „moderne“ Partei von den Medien selbst gehypt, nachdem abgesichert war, dass sie nicht ernsthaft gegen den Kriegskurs und die Waffenlieferungen und schon gar nicht ernsthaft gegen die Staatsräson steht. Neben der teilweisen Befürwortung von Waffenlieferungen oder Verschärfung der Sanktionen, ist der neuste Vorfall ihre Mitwirkung beim sogenannten Grünbuch, das den Kriegsverlauf gegen Russland im Jahr 2030 simuliert. Das BSW hat es nicht in den Bundestag geschafft. Sie haben sich zwar bisher noch konsequent gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel gestellt, sowie als einzige Partei gegen die Antisemitismus-Resolution gestimmt. In ihrer Migrationspolitik jedoch schwimmt sie auf Zeitenwende-Kurs und macht mit Aussagen wie `Putin ist ein Verbrecher` oder `Terror der Hamas` klare Zugeständnisse an die NATO-Propaganda. Dies bedeutet jedoch nicht, dass zwischen den Parteien im Bundestag keine Unterschiede existieren bzw. sie gleichgesetzt werden können. Es ist durchaus gut, wenn Parteien im Bundestag abweichende Positionen zur Aufrüstung einbringen, gegen die Wehrpflicht stimmen oder Anfragen stellen können. Eine klare und konsequente Anti-Kriegsposition können wir jedoch nicht erwarten.

Wir Kommunisten laufen hinterher, nicht voran

Das Programm der Herrschenden ist klar: Alles für den Krieg gegen China und Russland. Die Antwort der linken und kommunistischen Bewegung darauf ist leider alles andere als klar: Die einen begreifen die Verhinderung der AfD als dringendste Aufgabe und sehen daher ein Bündnis mit den anderen Kriegsparteien als notwendig an. Die anderen postulieren, dass es zwischen den Parteien keine Unterschiede gebe. Die einzige Antwort sei Klassenkampf, konkreter bestimmt wird dieser jedoch nicht. Auch während des Wahlkampfes hat sich diese fehlende Klarheit gezeigt: Während manche Gruppen für die Wahl der Linkspartei zur Verhinderung der AfD aufriefen, plädierten anderen für den Boykott und wieder andere formulierten indirekt eine Wahlempfehlung für das BSW.

Die Entwicklungen sind schnell, der Klassenkampf von oben nimmt zu. Organisiert werden muss der Widerstand gegen die weiteren Milliardenpakete, gegen die verschärften Asylgesetze, gegen die gesteigerten Abschiebungen, gegen die sozialen Angriffe und die weiteren Spaltungen durch Repression, Chauvinismus und Verhetzung. Doch wir Kommunisten hinken hinterher und erfahren, wie sich unserer politischer Handlungsrahmen immer weiter verengt. Wir nehmen uns als KO keineswegs davon aus, wenn wir das Feststellen und Schwierigkeiten dabei haben, konkrete Orientierung aufzustellen. Nötig ist eine korrekte Analyse der aktuellen Lage: Wir müssen verstehen, welche Widersprüche und Probleme sich dem deutschen Imperialismus aktuell stellen, welche Methoden der Herrschaftssicherung er anwendet und welche Rolle dabei die jeweiligen politischen Akteure spielen, insbesondere die AfD als neue, einflussreiche Kraft. Darauf aufbauend brauchen wir eine Taktik gegen die Zeitenwende, die konkret und realistisch an der Lage und dem Bewusstseinsstand der Arbeiterklasse anknüpft. Es ist klar, dass wir dies nicht als Einzel-Organisation erreichen können – das wäre Selbstüberschätzung – sondern wir diese Aufgabe als gesamte Bewegung angehen müssen.

„Selenskij will uns umbringen!“ Solidaritätsaufruf der Kononovich-Brüder

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Deutsch:

Wir teilen hier den Aufruf der Kommunisten und Antifaschisten Michail und Aleksandr Kononovich, die in der Ukraine verhaftet wurden und an die Front geschickt werden sollen. Die beiden wurden bereits 2022 verhaftet und stehen seit 2023 unter Hausarrest. Wir rufen zu schnellen Protestaktionen vor der Botschaft und den Konsulaten der Ukraine auf! Ihr Leben hängt nun in unseren Händen!

„Ein offizieller Appell an die Weltföderation der demokratischen Jugend sowie an Linke und Antifaschisten auf der ganzen Welt! Hallo Genossen, wir sind die politisch inhaftierten antifaschistischen und kommunistischen Brüder Mikhail und Alexander Kononovich. Wir wurden gerade von der Polizei festgenommen. Das Regime beschuldigt uns, in der gesamten Ukraine auf der Fahndungsliste zu stehen und dem Militärdienst auszuweichen, wir wollen nicht in den Krieg ziehen. Liebe Genossen, wir appellieren offiziell an den Weltverband der demokratischen Jugend, an die Rockband „Banda Bassotti“, an die Kommunisten, an die Linken und an die ukrainische Regierung. Kommunisten, Linke, Antifaschisten aus Europa und den USA, Genossen, gehen zu unserer Verteidigung zu den ukrainischen Botschaften und Konsulaten auf der ganzen Welt! Zelenskys Regime will uns offiziell töten, uns in den Krieg schicken und uns dort töten oder uns wegen neuer Anschuldigungen als Ausreißer des Militärdienstes ins Gefängnis bringen. Das Regime kann uns nicht nach dem Gesetz verurteilen und deshalb will es uns töten! Liebe Genossen, wir bitten um Eure Hilfe, unser Leben liegt in Euren Händen!“

English:

We are sharing the appeal of communists and anti-fascists Mikhail and Aleksandr Kononovich, who were arrested in Ukraine and are to be sent to the front. The two were arrested in 2022 and have been under arrest since 2023. We call for quick protest actions in front of the embassy and consulates of Ukraine! Their lives are now in our hands!

“An official appeal to the World Federation of Democratic Youth and to leftists and anti-fascists all over the world! Hello comrades, we are the politically imprisoned anti-fascist and communist brothers Mikhail and Alexander Kononovich. We have just been arrested by the police. The regime accuses us of being on the wanted list throughout Ukraine and of evading military service, we don’t want to go to war. Dear comrades, we officially appeal to the World Association of Democratic Youth, to the rock band “Banda Bassotti”, to the communists, to the leftists and to the Ukrainian government. Communists, leftists, anti-fascists from Europe and the USA, comrades, go to the Ukrainian embassies and consulates around the world !!!! in our defense. Zelensky’s regime wants to officially kill us, send us to war and kill us there or put us in prison on new charges of being runaways from military service. The regime cannot convict us according to the law and that is why it wants to kill us! Dear comrades, we ask for your help, our lives are in your hands!”

Русский:

Мы публикуем обращение коммунистов и антифашистов Михаила и Александра Кононовичей, которые были задержаны в Украине и должны быть отправлены на фронт. Они были арестованы в 2022 году и с 2023 года находятся под домашним арестом. Мы призываем к быстрым акциям протеста перед посольством и консульствами Украины! Их жизни теперь в наших руках!

Догогые товарищи, мы политически заключённые антифашисты и коммунисты братья Михаил и Александр Кононович. Мы только что были задержаны полицией. Нас режим обвиняет, что мы находимся во все украинском розыске и уклоняемся воинской службы и не хотим идти на войну. Дорогие товарищи, официально обращаемся к всемирной федерации демократической молодёжи, рок-группе Банде Бассоти, к левым и антифашистам Европы и США. Товарищи, выходите к посольствам и консульствам Украины. Режим Зеленского хочет нас официально убить. Они нас хотят отправить на войну и убить нас или посадить в тюрьму по-новому обвинению как уклонистов от воинской службой они не могут осудить на по закону и поэтому хотят нас убить. Дорогие товарищи, обращаемся за помощью, наша жизнь ваших руках!

Español:

Compartimos el llamamiento de los comunistas y antifascistas Mijaíl y Aleksandr Kononovich, detenidos en Ucrania y que van a ser enviados al frente. Los dos fueron detenidos en 2022 y están bajo arresto domiciliario desde 2023. ¡Llamamos a acciones rápidas de protesta frente a la embajada y consulados de Ucrania! ¡Sus vidas están ahora en nuestras manos!

¡Una apelación oficial a la Federación Mundial de Juventudes Democráticas y a los izquierdistas y antifascistas de todo el mundo! Saludos compañeros, somos los hermanos Mijail y Alexander Kononovich, antifascistas, comunistas y presos politicos. Acabamos de ser detenidos por la policía. El régimen nos acusa de estar en una lista de personas buscadas en toda Ucrania y de evadir el servicio militar — no queremos marchar a la guerra. Queridos compañeros, apelamos oficialmente a la Asociación Mundial de la Juventud Democrática, a la banda de musica rock «Banda Bassotti», a los comunistas, a los izquierdistas y al gobierno ucraniano. Comunistas, izquierdistas, antifascistas de Europa y de EEUU, compañeros, vayan a las embajadas y a los consulados ucranianos de todo el mundo en nuestra defensa!!! El régimen de Zelensky quiere matarnos oficialmente, enviarnos a la guerra y matarnos allí, o meternos en la cárcel bajo nuevos cargos de ser fugitivos del servicio militar. ¡El régimen no puede condenarnos según la ley y por eso quiere matarnos! Queridos compañeros, os pedimos por ayuda, ¡nuestras vidas están en vuestras manos!

Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück: Zu den Verhandlungen zwischen Russland und den USA

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Ein Kommentar von Alexander Kiknadze

Erstmals seit 2021 laufen wieder Verhandlungen zwischen Russland und den USA. Der amerikanische Vizepräsident kritisiert auf der Münchener Sicherheitskonferenz die EU für einen Mangel an Demokratie und fordert im gleichen Atemzug größere Militärausgaben der EU-Staaten. Die Politik in Deutschland läuft einerseits Sturm, weil sie bei der Erklärung, warum Verhandlungen mit Russland nun doch plötzlich möglich seien, in Erklärungsnot gerät. Anderseits werden die Aussagen von Hegseth und Vance als „Chance“ für Europa interpretiert, sich jetzt ernsthaft selbstständig aufstellen zu können.

Was passiert?

Der Westen hat sein 2022 formuliertes Kriegsziel nicht erreicht: Russland wurde keine vollständige strategische Niederlage zugeführt. Russland hat dem Westen in der Ukraine eine Grenze aufgezeigt. Auch wenn die Nachwirkungen der Sanktionen noch in den Sternen stehen, zurzeit erfüllen sie ihre Wirkung nicht. Ganz im Gegenteil scheinen sie die Desintegration des Westens, und die Integration des sogenannten globalen Südens mit Russland und China zu stärken. Auch die Waffenlieferungen erzielen keine besonderen Fortschritte auf dem Kampffeld. Als letzter Eskalationsschritt wurde dann Ende 2024 der russische Wille und die Fähigkeit, einen Nuklearkrieg zu führen, praktisch ausgetestet: Auf diesen Beschuss des eigenen Territoriums durch westliche Mittelstreckenraketen hat Russland seinerseits deeskaliert: mit dem Einsatz der leeren, durchaus aber nuklear bestückbaren Oreshnik-Rakete haben sie gezeigt, dass sie praktisch in der Lage wären, symmetrisch auf solche Angriffe zu reagieren. Nach diesem Warnschuss mit dieser neuartigen Rakete zogen sich die westlichen Militärs zurück und mussten diese neue Lage beraten. In den hiesigen Medien ist davon seitdem nicht mehr viel zu hören.

Die USA sind also an eine Grenze gestoßen. Sie gehen deshalb nun einen Schritt vorwärts und zwei Schritte zurück. Ihnen wurde praktisch aufgezeigt, dass mit dieser Kriegsführung Russland keine strategische Niederlage zugeführt wird- ganz im Gegenteil. Der Konflikt wurde in den letzten drei Jahren auf eine globale Ebene gehoben. Er wird deshalb nun in der Dimension eines baldigen Weltkriegs gedacht. Der wird nun praktisch vorbereitet.

Dafür braucht es wohl nun- erstmal- eine Atempause in der Ukraine. Um einen großen Krieg gegen China ernsthaft führen zu können, muss das russisch-chinesische Bündnis getrennt werden. Es braucht darüber hinaus eine EU, die ökonomisch, militärisch und ideologisch-geistig bereit ist, in Europa einen Krieg führen zu können und zu wollen. So weit sind sie noch nicht. Der Waffenstillstand soll Zeit verschaffen. Er soll mit Zuckerbrot ( Angebot der Lockerung der Sanktionen und Wiedereinführung der russisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen, Anerkennung der Territorialgewinne) und Peitsche (Androhung der Verschärfung von Sanktionen, weitere Aufrüstung der Ukraine) erreicht werden. Es werden in diesen Verhandlungen also genau die Waffen gegen Russland in Anschlag gebracht, die man bereits seit 2014 gegen das Land nutzt.

Die ökonomische, militärische und geistige Zurichtung Europas auf Krieg geht vor allem mit Faschisten. Diese Kräfte formieren sich schon längst in Europa und werden nun auch, zuletzt bei der CPAC-Konferenz, öffentlichkeitswirksam von den Republikanern unterstützt. Die AfD in Deutschland fordert (bisher) als einzige Partei 5% des BIP für Militärausgaben. Sie fordern eine geistige Wende in Deutschland, die an die alte, militaristische Werte anknüpft, sie stehen für Geschichtsrevisionismus von rechts und wollen von Moralpredigten gegen den neuen deutschen Militarismus nichts hören. Sie stehen für einen aktuell gemäßigteren Kurs gegenüber Russland: Mit Bezug auf Bismarcks Russlandpolitik argumentierte Alexander Gauland in seinen „außenpolitischen Thesen“1, dass die Politik der Ampelregierung gegenüber Russland „unrealistisch“ sei. Ihr Problem mit der Ampelregierung ist nicht, dass dass sie Krieg gegen Russland führt, sondern wie sie das tut. Abhilfe tut not. Die AfD ist keine prorussische Partei.

Der Aufschrei über den vermeintlichen Nichteinbezug der EU in die amerikanisch-russischen Gespräche geht nicht an die Adresse der USA. Er ist ein Weckruf nach innen, an die Bevölkerung der EU: „Jetzt sei es an der Zeit“, die EU wirtschaftlich und militärisch wirklich zu einem Schwergewicht aufzubauen, das in der Lage ist Krieg zu führen. Mehr Aufrüstung, wirtschaftliche Abkopplung von China und Russland, gemeinsame Anstrengungen zu mehr Koordination in den militärischen Aktivitäten, geistige Wende etc. Das sind genau die Dinge, die aus den USA gefordert werden. Und hier treffen sich CDU, SPD, Grüne, FDP, zum Teil auch BSW und Linke mit der AfD.

Für die Bevölkerung der Ukraine wird der Waffenstillstand teuer erkauft. Die Regierung wird mit 500 Mrd. USD, dem dreifachen des ukrainischen BIP von 2023, zu Rückzahlungen gezwungen, die den Versailler Vertrag bei weitem übertreffen. Es ist klar, dass die Ukraine mit einem solchen Deal wirtschaftlich endgültig in den Status einer finanziell erpressbaren Kriegskolonie gebracht wird. Wer diese Zukunft der Ukraine mit seinem Gesicht „regieren“ soll, ist aktuell Gegenstand von Auseinandersetzungen vor Ort: Vor kurzem wurden Selenskijs wichtigste Widersacher Petro Poroshenko und Igor Kolomojskij sanktioniert; regierungskritische ukrainische Medien schreiben, dass ihnen Verhaftung drohe, weil sie mit ihrer Medienmacht Selenskij den Kopf kosten könnten2.

Die russische Regierung versteht diese Entwicklungen. Ob die Ambitionen, mit dem Vorsitzenden des Direktinvestitionsfonds und Ex-Goldman-Sachs Banker Dmtri Kiryliev die russisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen wieder aufzubauen, Ausdruck von Opportunismus oder ein Ausnutzen der Situation mit dem Ziel der Lockerung der Sanktionen ist, wird sich am Ergebnis zeigen. Unabhängig davon sind Präsident und Regierung deutlich: An ihrer Position, dass die ursprünglichen Kriegsziele, also die vollständige Entmilitarisierung und Neutralität der Ukraine, erreicht werden müssen, hat sich nichts geändert. Alle Regierungsmitglieder lassen verlautbaren, dass ein Waffenstillstand nicht akzeptiert würde, sollten ebendiese Ursachen des Konflikts nicht beseitigt werden. Westliche „Sicherheitsgarantien“ mit Truppenstationierungen an den neuen Grenzen sind für Russland inakzeptabel. Sie wissen, was Minsk II gebracht hat.

In den Kreisen der Friedensbewegung werden die jüngsten Verhandlungen manchmal als große Hoffnung bezeichnet. Ein nachvollziehbares Gefühl nach drei Jahren Eskalations- und Militarisierungskurs in Deutschland. Es darf aber nicht davon ablenken, was das Ziel der Verhandlungen seitens des Imperialismus in der Sache ist: Die Vorbereitung auf den nächsten, größeren Krieg.

1https://www.youtube.com/watch?si=45wI1_DxwId0A9j8&v=5uPdKosfDno&feature=youtu.be (letzter Aufruf 24.2.25)

2https://strana.today/articles/analysis/480002-sanktsii-protiv-petra-poroshenko-i-kolomojskoho-chto-eto-znachit.html (letzter Aufruf 24.2.25)