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Aufrüstung, Völkermord und Terror sind das Geschäft der Kriegsregierung!

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Stellungnahme zum 01. September 2024

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Vor 85 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht Polen und eröffnete damit einen faschistischen Raubkrieg gegen die Völker Europas. Rücksichtsloser Terror gegen andere Völker steckt in der Handschrift des deutschen Imperialismus: vom Bombenterror in Guernica und Serbien bis hin zu den Völkermorden in Namibia und Gaza.

Der neue deutsche Imperialismus steht tief in seiner alten und grausamen Tradition. So modern und woke er auch daherkommen mag, kann er seine aktuellen Verbrechen gegen die Völker der Welt nicht länger verstecken. Egal ob beim Säbelrasseln im Pazifik, dem Völkermord in Palästina, der Aggression gegen den Jemen oder im Krieg gegen Russland – der Bundesregierung ist kein Verbrechen zu brutal und kein Terror zu radikal, wenn es darum geht, die eigenen Profite und Weltmachtsansprüche auszudehnen.

Komplizen im Völkermord

Die Bundesregierung gibt beim Völkermord in Palästina nicht einfach nur Rückendeckung, sondern ist selbst aktiv an den Massakern in Gaza beteiligt. Deutsche Waffentechnologie ist im Einsatz, die Waffenexporte nach Israel sind auf einem Rekordhoch und hierzulande wird die Palästina-Solidarität unterdrückt. Die Medien setzen erbittert die deutsche Staatsräson – bedingungslose Solidarität mit Israel – durch. Faschistische Siedler und rechtsterroristische israelische Politiker genießen Deutschlands volle Unterstützung beim Blutbad in Gaza. Die Bundesregierung sitzt für diese Völkermord-Unterstützung auf der Anklagebank des Internationalen Gerichtshofes. Und genau da gehören diese Völkermord-Komplizen auch hin.

Krieg gegen Russland

Die Bundesregierung stand 2014 genauso bedingungslos hinter dem Maidan-Putsch in der Ukraine. Maßgeblich durchgesetzt von ukrainischen Faschisten mit nur einem Ziel: der Aufbau der Ukraine als Aufmarschgebiet und Kriegsstaat gegen Russland. Da durfte die militärische und finanzielle Unterstützung der BRD natürlich nicht fehlen. Der Donbass und die russische Bevölkerung der Ukraine wurde neun Jahre von faschistischen Bataillonen terrorisiert – auch mit deutschen Waffen und deutschen Geldern. Heute müssen tausende Ukrainer ihren Kopf für diesen NATO-Krieg gegen Russland hinhalten, der seit Jahren gezielt vom Westen provoziert wurde. Russland soll ruiniert werden, formulierte Außenministerin Baerbock. Das Jubeln deutscher Medien als Leopard-Panzer, erstmals seit dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, wieder russischen Boden betraten spricht eine klare Sprache. Die deutschen Kriegstreiber sind wieder zu allem bereit.

Woke und wehrhaft: Der neue deutsche Imperialismus

Dass eine solche Regierung neben der Einführung des Veteranentages und Wehrpflicht-Debatten versucht hat, im Bundeswehr-Traditionserlass alte SS-Mörder und Wehrmachtssoldaten wieder attraktiv zu machen, ist kein Wunder: Der neue deutsche Imperialismus ist tief mit seinen alten Traditionen verbunden.

Mit der Durchsetzung des Kriegskurses geht der Abbau von Grundrechten Hand in Hand. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit müssen dem Kriegsgeheul weichen. Deutschland soll für den großen Krieg gegen Russland fit gemacht werden: militärisch, politisch und juristisch. Weite Teile der Bevölkerung wissen, dass diese Kriegspolitik ihnen nichts außer Verarmung und Leid bringen wird. Und so stoßen die Kriegspolitik gegen Russland und der Völkermord in Gaza weiterhin auf Ablehnung, was Außenministerin Baerbock als „Kriegsmüdigkeit“ kritisierte. Die Aufgabe der deutschen Medien besteht darin, diese Stimmen zu unterdrücken und Angst zu verbreiten. Wer den Kriegskurs kritisiert, soll von der Gesellschaft ausgestoßen werden.

Aber die Verstrickungen der Bundesregierung in den Völkermord in Gaza und in die Aggression gegen Russland sind Tatsachen. Diese Tatsachen sind wahr und die Bundesregierung kann diese Wahrheit nicht verbieten. Sprechen wir sie gemeinsam aus und werden aktiv gegen die deutsche Kriegspolitik!

Für die Niederlage der NATO! In der Ukraine und weltweit!

Stoppt die Unterstützung des zionistischen Völkermordes!

Kampf der Hetze gegen Kriegsgegner!

Zu den UZ-Friedenstagen

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Die UZ-Friedenstage eröffneten vom 23.-25.08. einen wichtigen Raum des Austauschs unter Kriegsgegnern und Kommunisten. Die vielen Vorträge und Podien beschäftigten sich mit den brennenden Entwicklungen unserer Zeit: dem Krieg gegen Russland, dem Völkermord in Palästina und den Kämpfen der unterdrückten Völker. Zentral war dabei auch die Auseinandersetzung mit der aggressiven Kriegspolitik des deutschen Imperialismus und seiner zunehmend reaktionären Politik nach innen. Dass die DKP den Kampf gegen die geplante Stationierung der US-Mittelstreckenraketen ins Zentrum stellt, ist absolut richtig und muss stärker auf die politische Tagesordnung aller. 

Dass diese Veranstaltung, in Zeiten der immer stärkeren Hetze gegen Oppositionelle und Kriegsgegner so stattfinden konnte, ist nicht selbstverständlich – und sie hat unsere volle Unterstützung. Die Livestreams zu den Podien sind weiterhin auf der YouTube Seite der UZ zu finden und wir möchten Sie euch sehr ans Herz legen.  

Ihr findet sie hier: Unsere Zeit – Zeitung der DKP – YouTube 

Uns war es möglich, auf dem Friedensfest einen Teil unseres DDR-Filmes zu zeigen und mit dem Publikum die herausragende Rolle der DDR in verschiedensten Fragen des Alltagslebens und Klassenkampfes zu diskutieren. Aber auch um der Frage nachzugehen, welche Lücken und Fragen zur DDR weiterhin geschlossen werden müssen, um offensiv nach außen vertreten zu können, dass die DDR das bessere Deutschland war. An unserem Infostand konnten wir währenddessen zahlreiche Gespräche mit Interessierten führen und die Ergebnisse unserer Vertiefungsgruppen zu Imperialismus und Ukraine Krieg nach außen zu tragen.  

Wir danken der DKP und der SDAJ für die Möglichkeit, Infostand und Film zu den Friedenstagen beisteuern zu können.  

Schikane in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald beim Thälmann-Gedenken

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In diesem etwas längeren Bericht wollen wir einen Fall der politischen Schikane in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald dokumentieren, den wir erfolgreich abwehren konnten. Genossen sollten nicht mit Kufiyas oder T-Shirts mit Palästina-Bezug das Gelände betreten dürfen, die Begründungen dafür waren mitunter haarsträubend. Natürlich akzeptierten wir das nicht, sondern ließen uns die vermeintliche „Grundlage“ dafür zeigen und konnten durch kollektives, beharrliches Auftreten dann doch mit etwas Verspätung ein würdiges und konsequentes Gedenken begehen. Wir legen den Fall und unsere Begründung hier ausführlich dar, um allen Lesern ein Beispiel an die Hand geben zu können und Mut zu machen. Lassen wir uns nicht einschüchtern!

Am Sonntag, den 18. August haben wir den 80. Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns im KZ Buchenwald zum Anlass genommen, an der gemeinsamen Gedenkveranstaltung mit DKP, SDAJ, KPD, Freidenkern und weiteren Genossen teilzunehmen und dies mit einem anschließenden Rundgang über das gesamte Gelände zu verbinden. Der von einem Genossen geführte Rundgang gab viele Einblicke in den Alltag im Lager, die Zwangsarbeit, die Folter, das Leid, die unmenschlichen Zustände, aber auch den alltäglichen und organisierten Widerstand. Dabei fokussierten wir uns dieses Jahr darauf, in Ansätzen zu erfahren, mit welchen Mitteln die Inhaftierten auch unter den widrigsten Bedingungen kampf- und widerstandsfähig bleiben konnten, auf welchen mitunter sehr überraschenden Wegen den Faschisten immer wieder kleine Siege abgerungen werden konnten. Die Selbstbefreiung, angeleitet durch das Internationale Lagerkomitee unter Führung der Kommunisten, ist Ausdruck dieser beeindruckenden Organisierung im KZ und rettete Tausenden das Leben.

Wir beendeten den Rundgang im in der DDR erbauten Mahnmal-Komplex. Dieser Weg „durch Sterben und Kämpfen zum Sieg“ führte uns zu den sieben Steinstelen, die berührende und erschütternde Szenen des Lagerlebens porträtieren, über die Ringgräber und Straße der Nationen bis zum Glockenturm, wo ein Teil des Schwurs von Buchenwald verlesen wurde. Beendet wurde der Tag durch Kulturbeiträge und eine Rede mit aktuellen Überlegungen zum Thema Faschismus am Ernst-Thälmann-Denkmal in Weimar.

Streit um Kufiyas und T-Shirts mit Palästina-Bezug in der Informationsstelle

So weit, könnte man denken, klingt alles nach einem normalen Ablauf unseres Gedenkens auf dem Gelände des KZ Buchenwald, wie wir sie auch in den letzten Jahren immer wieder anlässlich des Tages der Befreiung in der Gedenkstätte veranstalteten.

Allerdings konnte unsere Gruppe erst verspätet zur gemeinsamen Gedenkveranstaltung am Krematorium dazustoßen. Grund dafür war, dass wir von drei Mitarbeitern der Gedenkstätte abgefangen wurden, weil ein paar Genossen und Freunde Kufiyas und T-Shirts mit Palästina-Bezug trugen. Dies sei vermeintlich gegen die Hausordnung. Selbstverständlich akzeptierten wir das als Begründung nicht, sondern wollten uns schriftlich zeigen lassen, wo das angeblich in der Hausordnung zu finden sei. Dies boten die Mitarbeiter auch an. So folgten wir also den drei Mitarbeitern zur Informationsstelle. Dort wurde uns eine gedruckte Form der Hausordnung vorgelegt, bei der der zweite Teil folgender Passage markiert war: „Nicht gestattet sind: […] das Anbringen und Mitführen von Plakaten, Fahnen und Transparenten“.

Da wir werder Plakate, noch Fahnen oder Transparente bei uns hatten und dies auch kommunizierten, wurde hastig ein neuer Grund gesucht, warum das irgendwie doch gegen die Hausordnung verstoßen sollte. Allein dieser Umstand zeigt, dass es den Mitarbeitern um gezielte Schikane ging und keineswegs darum, einfach nur „die Hausordnung durchzusetzen“. So berief man sich dann auf diesen Passus: „Tragen Sie Kleidung, die in der Gedenkstätte angemessen ist.“ Selbstverständlich hielten wir uns bereits an diese Anordnung.

Dass dieser Satz aber nun so ausgelegt wurde, als wäre das nicht der Fall, hatte eine ideologische Motivation, wie sich spätestens im politischen Streit offenbarte. So provozierte eine vermutlich politisch der antideutschen Strömung zuzuordnende Mitarbeiterin einen palästinensischen Genossen wiederholt mit der auf Gaza bezogenen Frage: „Was für ein Genozid?“

Als es darum ging, zu begründen, warum es in Buchenwald nicht mal einen passiven Bezug auf einen derzeit stattfindenden Genozid geben dürfe, wurde es dann vollends absurd. Uns wurde vorgeworfen, wir würden mit der Benennung des Massenschlachtens in Gaza als Genozid eine Gleichsetzung mit und Relativierung der Shoah vornehmen, was wir im Gespräch mehrfach explizit zurückwiesen – das tun wir nicht und ist selbstverständlich auch nicht unsere Absicht. Es müsste bereits ein durchschnittlich begabter Grundschüler verstehen, dass nur weil zwei Dinge unter einer gleichen Klassifizierung zu fassen sind, sie deshalb nicht automatisch gleichzusetzen sind oder gleichgesetzt werden. Ein Beispiel, um die Absurdität dieser Argumentation zu verdeutlichen: Sowohl der Falklandkrieg als auch der Vietnamkrieg waren Kriege. Nach dieser „Logik“ wäre jedoch die Benennung des Falklandkrieges als Krieg automatisch z.B. eine Verharmlosung des Vietnamkriegs. Die gleiche Klassifizierung weist erstmal nur aus, dass es bestimmte Gemeinsamkeiten gibt; dass trotzdem (auch gewaltige) Unterschiede bestehen können, versteht sich von selbst.

Den Mitarbeitern war das scheinbar auch völlig klar, und das Argument nur vorgeschoben: Auf die Nachfrage, ob es sich bei den Massakern an Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen in Namibia um einen Genozid handelte, bejahte das der Mitarbeiter, der gerade noch mit der Anschuldigung aufgewartet hatte, eine Benennung des Gaza-Genozids sei Verharmlosung des Holocaust. Hatte er nun also selber den industriellen Massenmord der deutschen Faschisten verharmlost?

Immer wenn sich die Mitarbeiter im übertragenen Sinne in eine Ecke argumentiert hatten, unterbrach man das Gespräch, um zu sagen, man wolle hier keine politische Diskussion und setze nur die Hausordnung um. An dieser Stelle sei nochmal hervorgehoben, dass man uns entgegen der großspurigen Ankündigung, man könne uns unseren vermeintlichen Verstoß auch schriftlich zeigen, eben keine stichhaltige Begründung liefern konnte, sodass man mehrfach Vorgesetzte anzurufen versuchte. Es lohnt sich also, sich genau zeigen zu lassen, was die angebliche Grundlage ist.

Streit am Eingangstor

Da nur drei Genossen mit in die Informationsstelle gekommen waren, wurde der Rest der Gruppe am Eingangstor von einem vierten Mitarbeiter aufgehalten. Hier hieß es, die Kufiya sei ein politisches Statement, das auf dem Gelände nicht geduldet würde.

Nachdem er jedoch mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei der Gedenkstätte um eine Stiftung (öffentlichen Rechts) handelt, die mit öffentlichen Geldern finanziert wird und so u.a. dem Neutralitätsgebot verpflichtet ist, begann sich die Situation zu ändern. Auf die Aufforderung, den Verwaltungsakt, die Genossen, die sich weigerten, die Kufiya abzusetzen, nicht auf das Gelände zu lassen, schriftlich auszustellen und angemessen zu begründen, verschwand er vorerst und teilte uns dann mit, man würde das jetzt heute so dulden, dies sei aber keine generelle Entscheidung.

So kamen wir mit etwa einstündiger Verspätung doch noch alle dazu, dem gemeinsamen Gedenken für den Genossen Ernst Thälmann beizuwohnen und unseren Rundgang danach ungestört zu begehen.

Das KZ Buchenwald, ein unpolitischer Ort?

Immer wieder klang in den Einlassungen an, die KZ-Gedenkstätte Buchenwald sei ein politisch neutraler oder sogar unpolitischer Ort. Das können wir nicht unkommentiert lassen. Es gibt kaum einen politischeren Ort auf der Welt als ein KZ. Die dort gefolterten, eingesperrten, ermordeten Menschen waren aufgrund politischer Entscheidungen der deutschen Faschisten und der sie unterstützenden Kapitalistenklasse diesen Zuständen ausgesetzt, sie sind dort nicht einfach verstorben wie Tote auf einem Friedhof. Der Widerstand gegen den deutschen Faschismus sollte hier konzentriert und gebrochen werden, die Kategorie politischer Häftlinge zeigt dies auch unmissverständlich. So wie das System KZ im Allgemeinen und das KZ Buchenwald im Besonderen politisch waren, so war es der Widerstand natürlich ebenso.

Und auch heute zeigt die Gedenkstätte selbst, dass sie politisch keineswegs neutral ist. So war sie anlässlich der anstehenden Landtagswahlen an einem Anti-AfD-Briefversand an alle Thüringer über 65 Jahren beteiligt.[1] Vor zwei Jahren war zudem beispielsweise das offizielle Gedenken an die Befreiung des KZ-Buchenwald mit allerlei äußerst negativen Verweisen auf Russland gespickt, die für unsere Begriffe tatsächlich eine hanebüchene Nähe des faschistischen industriellen deutschen Massenmords mit der russischen Militärintervention konstruieren sollten. Daran nahm die Gedenkstätte aber offensichtlich keinen Anstoß, schließlich ging es gegen Russland. Man könnte noch viel mehr anführen: Etwa die Fahne der weißrussischen, mit Faschisten sympathisierenden Oppositionsbewegung, die bei dieser Gedenkfeier statt der tatsächlichen weißrussischen Fahne aufgehängt wurde. Wenn einerseits eine explizite, in Reden vorgetragene Ablehnung Russlands und Weißrusslands auf der offiziellen Gedenkfeier kundgetan werden darf, aber keine T-Shirts oder Tücher mit Palästina-Bezug getragen werden dürfen, dann handelt es sich offensichtlich um eine politische Entscheidung, die im Sinne des deutschen Imperialismus willkürlich festlegt, was gesagt werden darf und was nicht. Unter dem Vorwand politischer Neutralität wird auf dem Gelände des KZ Buchenwald also eigentlich nur genau das durchgesetzt, was diesem Staat und seinem Herrschaftspersonal politisch in die imperialistische Agenda passt.

Der Vorwurf der „Instrumentalisierung“ und der Provokation

Sowohl in den Kommentarspalten des antideutschen Internet-Mobs – der sich diesbezüglich zu waschechten Straftaten hinreißen lässt (z.B. „[Statt der Kufiya] hätte es auch eine Uniform mit Hakenkreuzbinde sein können“ oder „ihr seid die echten Nachfahren der SS-Wachleuchte“) und sich von prominenter Seite im Doxing unserer Genossen versucht – als auch in der Informationsstelle wurde uns wiederholt vorgeworfen, wir würden die KZ-Gedenkstätte für unsere politischen Ziele instrumentalisieren, also missbrauchen, zweckentfremden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Aufgabe einer würdigen Gedenkarbeit ist es, Zusammenhänge herzustellen und vergangenes Unrecht nicht isoliert zu betrachten, es nicht zu entrationalisieren. Dass Faschismus und Genozide in regelmäßigen Abständen immer wieder auftreten, hat System. Sie sind beide Auswüchse der kapitalistisch-imperialistischen Ökonomie, die das erst möglich macht, damals wie heute. Erst wer diese Zusammenhänge aufzeigt und auf vergangene Menschheitsverbrechen die Antwort gibt, sich heutigen konsequent entgegenzustellen, hat eine würdige, angemessene Haltung eingenommen.


Wiederum andere schrieben davon, wir seien „Störer“ und hätten absichtlich einen Eklat provoziert. Das stimmt jedoch auch nicht. Wie oben bereits geschrieben, hielten wir in den vergangenen Jahren mehrfach ein ähnliches Gedenken inklusive Rundgang ab, bei dem verschiedene Aspekte des KZ Buchenwald besprochen wurden, dort kam es nie zu derartigen Zwischenfällen. Auch jetzt war keine Störung oder Provokation geplant. Symbole wie die Kufiya zu tragen, wie es ein paar Genossen und Freunde taten, und damit auf den derzeit laufenden Genozid in Palästina aufmerksam zu machen, der von der BRD materiell ermöglicht wird, ist für uns als politische Menschen ein selbstverständliches Gebot. Es wäre eher die Frage zu stellen, was jemand, der sich daran stört, in einer KZ-Gedenkstätte verloren hat. Nun sagen andere: Das könne man ja überall sonst machen, aber nicht auf dem Gebiet eines ehemaligen KZ. Wir sehen jedoch keinen Grund dafür, warum man sich für eine Gedenkveranstaltung eines ermordeten Kommunisten an einem der politischsten Orte Deutschlands explizit im Erscheinungsbild entpolitisieren sollte – im Gegenteil – und werden dies auch in Zukunft nicht tun.

Die „Vermeidungsstrategie“ und warum sie schädlich ist

Andere Genossen meinten zu uns, es wäre klug gewesen, die Kufiya erst am Krematorium rauszuholen, dem von einem Holzzaun umgebenen Ort von Thälmanns Ermordung. Auch dem wollen wir widersprechen. Wenn wir uns verstecken, akzeptieren wir damit passiv, dass der Staat im Rahmen seiner reaktionären Erinnerungspolitik darüber entscheidet, was er an diesem Ort zulässt und was nicht. Wenn wir der Auseinandersetzung aus dem Weg gehen, zementieren wir den Zustand einer sich zuziehenden Schlinge der Repression in diesem Deutschland der „Zeitenwende“. Dieser arbeitet  gezielt mit Einschüchterungen, Willkür und Unklarheit, damit potentielle Widerständler beginnen, sich weit über den rechtlichen Rahmen hinaus selbst zu zensieren, um ihr vermeintlich sicher entgehen zu können.

In diesem Kontext ist auch das Fahnen- und Transparentverbot zu nennen, das 2023 in die Hausordnung der KZ-Gedenkstätte Buchenwald aufgenommen wurde. Es wurde von manchen Seiten ausdrücklich begrüßt[2] und ist im Wesentlichen auf das Verhalten der MLPD zurückzuführen. Auch wenn wir das Auftreten der MLPD an vielen Stellen als schädlich empfinden, sollten wir keinesfalls diesem Staat und seinen Institutionen und Stiftungen die Hoheit darüber zusprechen, zu entscheiden, was diesbezüglich angemessen ist und was nicht und deshalb verboten sein sollte. Gerade in Zeiten einer immer ausgreifenderen staatlichen Einschränkung jeglichen oppositionellen Handlungsspielraums, sollte man derlei Verschärfungen sehr kritisch betrachten.

Ausblick

Unsere Auseinandersetzung mit der KZ-Gedenkstätte zeigt erneut: Man kann solcher politisch motivierten Schikane, wie wir sie auch oft genug auf der Straße erleben, etwa durch Ordnungsämter und Polizei, die Stirn bieten. Wichtig ist dabei, seine Rechte möglichst gut zu kennen, auf diesen zu beharren, die Argumente der Gegenseite nicht zu glauben, sondern nachzuprüfen und wenn möglich direkt zu widerlegen, schriftliche Begründungen einzufordern und den Vorgang ausgiebig zu dokumentieren. Dann hat man gute Chancen, in so einem Fall auch tatsächlich zu seinem Recht zu kommen.

Dass wir uns durchgesetzt haben und somit ein würdiges, konsequentes Gedenken abhalten konnten, ist ein Sieg und sollte uns Kraft geben, uns auch weiterhin nicht von diesem Staat und seinem Personal einschüchtern zu lassen. Wir tun nichts Illegales und sollten uns deshalb auch nicht kriminalisieren lassen. Wir arbeiten daran, so gut es geht unserem politischen Auftrag gerecht zu werden und das gilt es auch mit breiter Brust in die Öffentlichkeit zu tragen.

Selbstverständlich werden wir uns auch weiterhin von der BRD, die sich selbst laut Bundesverfassungsgericht als Völkerrechtssubjekt als mit dem „Deutschen Reich“ identisch begreift[3], dessen Inlandsgeheimdienst tief in die Machenschaften einer faschistischen Mörderbande verwickelt war und der mittlerweile auch Angehörige der Wehrmacht wieder zu Vorbildern seiner Armee erklärt (um nur eine kleine Auswahl der Dinge zu nennen, die hier zu sagen wäre), nicht vorschreiben lassen, wie wir den im deutschen Faschismus Ermordeten, darunter vielen Kommunisten, also unseren politischen Vorfahren, gedenken.

Wir kennen unsere Aufgaben und bleiben beim Schwur von Buchenwald: Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig“


[1]https://www.buchenwald.de/newsroom/warum-die-stiftung-einen-brief-an-die-waehler-in-thueringen-geschrieben-hat

[2]z.B. https://thueringen.vvn-bda.de/2023/04/27/stellungnahme-zur-geaenderten-hausordnung-der-gedenkstaette-buchenwald/

[3]https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2015_06/380964-380964

Antifaschismus und Kriegsgefahr – eine Podiumsdiskussion

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Die Veranstaltung „Antifaschismus und Kriegsgefahr“ vom Kommunistischen Aktionsbündnis Dresden widmet sich Diskussionen rund um die aktuelle Aufrüstung und Kriegspolitik, sowie dem Kampf dagegen. Neben Vertretern der DKP, KPD, SDAJ, FDJ und Dresden Stadt des Friedens sind auch Genossen der KO auf den beiden Podien vertreten. Wir unterstützen diesen Anlauf zu einer gemeinsamen und offenen Diskussion. 

Aus dem Aufruf des Kommunistischen Aktionsbündnisses Dresden:

Podium 1: Deutschlands Zeitenwende: Militarisierung und Mobilmachung 

Ob der Krieg in der Ukraine oder der Völkermord in Palästina: Während deutsche Waffen fleißig morden, soll die Gesellschaft auf Kriegskurs gebracht werden. Deutschland auf dem Weg von „Nie wieder Krieg und Faschismus“ zu „Nie wieder Frieden und Antifaschismus“? Im ersten Podiumsgespräch widmen wir uns den Hintergründen der militärischen und ideologischen Aufrüstung. Was kennzeichnet das politische Projekt „Zeitenwende“? 

Podium 2: Kämpfen gegen Krieg und Faschismus 

Der deutsche Kriegskurs trifft auf eine Linke, die sich in einer tiefen Krise befindet. Die Antikriegsbewegung und Kommunistische Bewegung sind zersplittert und schwach aufgestellt. Währenddessen besetzen rechte Kräfte das Thema „Frieden“. Wie begegnen wir der Kriegsgefahr? Welche Kämpfe können wir organisieren und gemeinsam führen? 

Wann? 31. August 11:00 bis 16:00 Uhr 

Wo? Haus der Begegnung, Großenhainer Str. 93 Dresden

Nachlese: Vor 80 Jahren wurde Ernst Thälmann ermordet

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Wir veröffentlichen an dieser Stelle drei Reden, gehalten bei Gedenkveranstaltungen zur Ermordung von Ernst Thälmann vor 80 Jahren. In Berlin haben wir gemeinsam mit dem Freundeskreis Ernst Thälmann e.V. Ziegenhals-Berlin und der Ortsgruppe Pankow der DKP eine Filmvorführung organisiert. Beide Thälmann-Filme von Kurt Maetzig aus den Jahren 1954 und 1955 sind Online verfügbar. Ihre Sichtung lohnt, nicht nur weil sie die verlogene Erzählung blamieren, nach der die Kommunisten Schuld am Aufstieg des Faschismus hätten, sondern auch weil sie vielfältige Anregungen für die Aufgaben und Probleme unserer Zeit geben, in denen Militarisierung, Repression und Chauvinismus große Kriege vorbereiten.

Die Rede vom Freundeskreis gibt einen kurzen, pointierten Einblick in die Biografie Thälmanns, als Sohn und Führer seiner Klasse. Die Rede der KO vom 16.08. baut eine Brücke zwischen den Klassenkämpfen der Zeit Thälmanns und heute. Beide Reden machen stark, dass eine Beschäftigung mit Leben und Wirken Thälmanns und der KPD im Kampf gegen Faschismus und Krieg not tut.

Am Jahrestag der Hinrichtung Thälmanns haben wir uns an einer Gedenkveranstaltung im Konzentrationslager in Buchenwald beteiligt. Nach elf Jahren Einzelhaft wurde Ernst Thälmann auf direkten Befehl Adolf Hitlers ins KZ gebracht und am Krematorium des Lagers hingerichtet. In dem Redebeitrag eines Genossen vom 18.08. wird der Frage des Faschismus damals und heute nachgegangen.


Rede vom Freundeskreis Ernst Thälmann e.V.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

Ernst Thälmann wurde am 16. April 1886 in Hamburg geboren. Seine Eltern besaßen einen kleinen Gemüse- und Steinkohlenladen. Thälmann war ein überdurchschnittlich guter Schüler. (Dieses Detail erwähnen wir hier, weil ja zahlreiche bürgerliche Historiker versuchen Thälmann als dummen Arbeiter oder Provinzpolitiker zu diskreditieren.) Thälmann wollte gerne die Schule weiter fortsetzen, danach Handwerker oder Lehrer werden. Seine Eltern verweigerten ihm das. Mit 14 Jahren folgt er dem Aufruf der SPD zu einer Feier für Arbeiterkinder. Die Reden und die kämpferische Atmosphäre begeistern ihn. Er kauft sich eine Broschüre „Wie werde ich Mitstreiter am Sozialismus?“. Der Kontakt zur Arbeiterbewegung ist hergestellt.

Doch erst mal geht es um ihn selbst: Er wird von seinen Eltern ausgebeutet, 10 Stunden Arbeit am Tag für wenig Geld. Es reicht ihm: Er verlässt das Elternhaus, landet erst mal buchstäblich auf der Straße, schläft im Nachtasyl, hat Hunger. Er schlägt sich mit Jobs durch, findet dann feste Arbeit: Knochenarbeit für die Herstellung von Fischknochen-Mehl. Aus dem von den Eltern ausgebeuteten Krämersohn ist ein vom Kapital ausgebeuteter Arbeiter geworden.

Thälmann wird mit 17 Jahren Mitglied der SPD, mit 18 Jahren Mitglied in der Transportarbeiter-Gewerkschaft. Und er wird sofort aktiv und organisiert 1905 mit anderen jungen Kollegen zusammen eine Jungarbeiterversammlung – ohne den Segen der Gewerkschaftsführung. Sie legen Geld zusammen, mieten einen Saal. Die Versammlung wird ein Riesenerfolg: 700 junge Arbeiter und Auszubildende kommen, 200 treten noch am gleichen Abend in die Gewerkschaft ein. Und er bleibt weiter aktiver Gewerkschafter, der sich mit seiner Führung anlegt und auch bei seiner neuen Arbeit – Kutscher für einen großen Wäschereibetrieb – ist bald die gesamte Belegschaft gewerkschaftlich organisiert. Sein Chef versucht es mit Bestechung: Er bietet Thälmann einen Job als Filialleiter an – einzige Bedingung: er soll aufhören mit der Gewerkschaftsarbeit. Dieses „Angebot“ ist für Thälmann eine Beleidigung. Er lehnt ab.

Auch in der SPD wird er aktiv und übernimmt auch dort bald erste Funktionen. Noch vor dem I. Weltkrieg wird Thälmann aus seiner gewerkschaftlichen und politischen Arbeit herausgerissen: er muss seinen Wehrdienst ableisten. Hier lernt er das Militär kennen und vor allem hassen. 1915 wird er als Kanonier in den Krieg eingezogen. Er erlebt das ganze Grauen des Völkermordens. Thälmann ist nicht tatenlos, beschafft sich illegale Zeitungen (darunter das Flugblatt des Spartakusbundes: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“) er  nimmt dafür doppelt und dreifach Schikanen in Kauf: Kriegsgericht, Arrest und Strafexerzieren. Thälmann muss an der Front kämpfen, er wird viermal verwundet, erhält die ersten 2 ½ Jahre keinen Heimaturlaub.

1917, endlich sein erster Heimaturlaub. Jedoch: keine Zeit zum Ausruhen. Seine Urlaubstage nutzt er um sich über die wichtigsten politischen Fragen zu informieren und Verbindungen mit Kriegsgegnern aufzubauen. Während dieses Heimaturlaubs wirft Ernst Thälmann sein SPD-Parteibuch weg und wird Mitglied der im April 1917 gegründeten USPD. Eigentlich fühlt er sich politisch mehr mit dem Spartakusbund, mit Liebknecht und Luxemburg verbunden, aber er folgt der Mehrheit der Hamburger Hafenarbeiter, die alle in der USPD organisiert sind. Er nimmt aktiv an der Novemberrevolution in Hamburg teil. 

Nach Krieg, Revolution, Konterrevolution wird Ernst Thälmann 1919 zum Ersten Vorsitzenden der Hamburger USPD gewählt. Hamburg ist mit 44.000 Genossen einer der mitgliedsstärksten Verbände der USPD in ganz Deutschland. Es ist seine Leistung, dass 42.000 von 44.000 Hamburger USPDlern mit der KPD zusammengehen, zur VKPD (Vereinigte KPD, kurze Zeit später KPD). Thälmann wird Vorsitzender der Hamburger VKPD, wird in den Hamburger Senat gewählt, im Sommer 1921 wird er Delegierter der deutschen Kommunisten auf dem III. Weltkongress der Kommunistischen Internationale, KI. Zum ersten Mal im Land der Oktoberrevolution, zum ersten Mal sieht er Lenin, sieht er den sozialistischen Aufbau mit eigenen Augen.

Es reicht die Zeit hier nicht, um die Umstände des Hamburger Aufstands und sein Scheitern darzustellen. Aber zu Thälmanns vielfältigen Fähigkeiten kommt nun auch die des politischen Aufstandsleiters in Hamburg dazu. Die militärische Leitung unterlag dem Gen, Kippenberger. Es folgt dem mutigen, aber gescheiterten Aufstand: Verbot der KPD, knapp 1000 Verhaftungen, die Klassenjustiz verurteilt 876 zu hohen Gefängnisstrafen. Auch gegen Thälmann läuft ein Haftbefehl, aber er verkriecht sich nicht, sondern taucht überall wieder auf: Mal als Seebär, mal als Kutscher, mal als Hamburger Pfeffersack mit steifem Hut. Seit den Tagen des Hamburger Aufstands wird Ernst Thälmann von den Arbeitern und Genossen „Teddy“ genannt. Anfangs mag er es gar nicht hören, aber er kann nichts machen. „Unser Teddy“ heißt es von nun an überall.

Am 20. August 1925 wird Thälmann zum Vorsitzenden der KPD gewählt. Hinein in die Massen, raus aus der sektiererischen Ecke, dafür steht Thälmann von Anfang an. Hinein in die Gewerkschaften, das wird in den kommenden Jahren eine Hauptaufgabe für die KPD. Thälmann erkennt, dass die KPD die Betriebszellen als Grundlage für die Parteiorganisation braucht – nicht mehr die Wohngebiete wie bei der SPD. Thälmann steht auch für die Einheitsfrontpolitik, er steht für die Unterscheidung zwischen SPD-Führung und SPD-Mitgliedern. Er fordert seine Genossen auf den SPDlern an der Basis stets die Hand zu reichen, den Opportunismus der SPD-Führung dagegen aufs schärfste zu bekämpfen. Thälmann steht für eine umfassende Schulungsarbeit im ZK der KPD, aber auch für die Mitglieder: Elementarschulungen (Die erste Elementarschulung im Frühjahr 1926 beschäftigt sich mit Einheitsfront und Bündnispolitik, ein halbes Jahr später im Herbst das Thema „Probleme der proletarischen Diktatur – der Aufbau des Sozialismus in der SU“), die Marxistische Abendschule (MASCH), die Herausgabe der Werke der Klassiker für wenig Geld, dafür steht Thälmann. 

Aber es geht nicht nur um Schulung und Bildung. Vor 100 Jahren gründete sich der Rote Frontkämpferbund. Auch hier erlaubt es die Zeit nicht näher darauf einzugehen. Aber der Schwerpunkt unseres „Ziegenhalser Rundbriefs“ handelt davon. 

Mit dem Blutmai 1929, gefolgt von Verboten und Verhaftungen beginnt die Phase des Aufstiegs des deutschen Faschismus. Immer weitere Teile des deutschen Kapitals setzen auf die Nazis. 30.1.1933: Der von der SPD so genannte „Garant gegen Hitler“, von Hindenburg, beauftragt Hitler mit der Regierungsbildung. Der Aufruf des ZK der KPD zum politischen Generalstreik, wird von der SPD-Führung abgelehnt. Der Aufruf gemeinsam Massendemonstrationen, Massenstreik und Generalstreik zu organisieren, lehnen die SPD-Führer ab: sie wollen weiterhin mit „beiden Füßen auf der Verfassung und der Gesetzlichkeit“ stehen.

Am 7. Februar 1933 hält Thälmann seine letzte Rede auf einer ZK-Sitzung der KPD im Sporthaus Ziegenhals, bei Berlin, die als Ziegenhalser Rede in die Geschichte eingeht. 

Am 3. März 1933 wird er verhaftet. Es beginnen Folter, Verhör, Isolationshaft und eine Odyssee durch die faschistischen Kerker. Das mutige Auftreten des bulgarischen Genossen Georgi Dimitroff, hindert die Nazis daran einen Prozess gegen Thälmann zu eröffnen, um ein zweites Desaster zu vermeiden. Die Flut an Solidarität weltweit für die Freilassung Thälmanns ist riesig. Deutschland wird überschwemmt mit Protest- und Solidaritätsschreiben. Überall in der Welt wird für Thälmanns Freilassung demonstriert. Drei Ausbruchsversuche misslingen nur knapp. Am 18. August 1944 wird Ernst Thälmann nach 11 Jahren Einzelhaft in das Krematorium des KZ Buchenwald geführt und durch drei Schüsse in den Rücken ermordet.

Ernst Thälmann Sohn seiner Klasse, Führer seiner Klasse hat uns auch heute noch viel zu sagen: Einheit der Arbeiterklasse und Massenkampf, Unversöhnlichkeit gegen Kapital, imperialistischen Krieg und Faschismus, Unversöhnlichkeit gegen Opportunismus und Reformismus. 

Und: Siegen wollen! Das ist wohl das größte Vermächtnis unseres Genossen Thälmann.


Rede der Kommunistischen Organisation vom 16. August

Genossinnen und Genossen! 

Danke an die Vorredner. Danke für die interessanten Informationen zum Genossen Ernst Thälmann und zur Geschichte des Gedenkortes hier, seit 35 Jahren auch eine immer wieder nervende Geschichte von Abrissdrohungen und Schändungen –  durch Schmierereien (von Einzeltätern, die hier einen rechtsfreien Raum für Sachbeschädigungen haben) oder durch sogenannte Kontextualisierung, politisch großzügig finanziert, ausgeführt von gehorsamen  Auftragskünstlern, die bewusst oder ahnungslos am Ende nichts anderes tun, als auf städtebaulich/kultureller Ebene die Arbeit der vier SS-Auftrags-Mörder von 1944 im Vorraum des Krematoriums von Buchenwald fortzusetzen. 

Den Gegnern dieses Denkmals geht es darum, mit der Erinnerung an Thälmann auch die Rolle der deutschen Kommunisten zwischen den beiden Weltkriegen in der Erinnerung der Menschen zu bearbeiten, zu verfälschen und in ihrem wesentlichen Kern auszulöschen. Die zentrale Forderung der KPD, ihr zentraler Anspruch an die Partei, Grundlage und Zielpunkt ihrer Politik: Die Arbeiterklasse zum Subjekt der Geschichte zu machen, soll aus dem Gedächtnis der Menschen ausradiert werden und auf keinen Fall jemals wieder, von nichts und niemandem, auf die politische Tagesordnung gesetzt werden. 

Ernst Thälmann steht für eine Generation von revolutionären Arbeitern, die vom ersten Weltkrieg bis zum Aufbau des Sozialismus an der kampfreichsten Phase der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung teilgenommen haben. Und sie haben sich in dieser Phase zu herausragenden politischen Führern entwickelt. Zu ihnen gehören Walter Ulbricht, John Schehr und die etwas Älteren rund um Wilhelm Pieck. Gewerkschaftliche Organisierung, die Novemberrevolution, der Kampf in der Weimarer Republik und der Kampf gegen Faschismus und Krieg und schließlich der Aufbau des Sozialismus in der DDR – in diesen Situationen mussten sie sich politisch bewähren. Der Aufbau der KPD zu einer kampfstarken, in der Arbeiterklasse verankerten Partei, die eine wichtige Rolle in der Kommunistischen Internationale gespielt hat, war dabei zentrale Aufgabe, um die Kämpfe zu bestehen. Und in diesem Rahmen hat Thälmann die wichtigste Rolle gespielt. Das um ihn herum gebildete Zentralkomitee bildete ein starkes Kollektiv, das für Stabilität und Wachstum der Partei sorgte und mit dem die KPD Anfang der 30‘er Jahre zu der großen revolutionären Partei wurde.

Das war genau der Kern der politischen Arbeit Ernst Thälmanns als Vorsitzender der KPD ab 1925 bis zu seiner Verhaftung im März 1933, es ist die Periode des Aufstiegs zur einflussreichen revolutionären Massenpartei, Berlin dabei als roter Vorposten – bei der Reichstagswahl am 06.11.1932 mit einem Stimmanteil von 37,7 % und 450.000 Wählern die KPD mit Abstand stärkste Partei mit einem Vorsprung von 165.000 gegenüber der SPD und, mehr als 180.000 gegenüber den NSDAP-Faschisten.  

Die Reden Thälmanns aus dieser Zeit haben es in sich! Viele von ihnen reflektieren sehr klarsichtig historische Prozesse und die Rolle der Arbeiterklasse in diesen Kämpfen. Die Rede von Ziegenhals, seine letzte vor der Verhaftung, ist ein spannendes Beispiel für die Analyse einer Kampfsituation. Thälmann unterstreicht nur wenige Tage nach Bildung der Regierung von Papen/Hitler den dramatischen Wechsel zum Faschismus und arbeitet heraus, dass der Sturz der Hitler-Diktatur die wichtigste Aufgabe ist, auf die alle Kräfte konzentriert werden müssen. Er führt aus, dass damit nicht unbedingt der revolutionäre Sturz der bürgerlichen Herrschaft verbunden sein muss, sondern Kampfergebnis zunächst auch die Herstellung bürgerlich-demokratischer Verhältnisse sein kann. 

Wie ein roter Faden durchzieht dabei alle Reden Thälmanns auch bei der Beschäftigung mit Details und tagespolitischen Fragen der Blick auf den „klassenmäßigen Hintergrund“, welche Klassen stehen mit welchen materiellen Interessen als wahre Akteure hinter den Parteien auf der politischen Bühne, was steckt wirklich hinter dem Theaterdonner und dem Nebel der Politik, hinter den Phrasen von Vaterland, Nation, Rasse usw. usw. 

Im Aufruf des Politbüros der KPD vom 04. Juni 1930, den „Kampf gegen die faschistische Gefahr auf das Äußerste zu verschärfen“, werden die Hitlerfaschisten als bewußte und skrupellose Agenten des Finanzkapitals attackiert. Auf einer Wahlkundgebung in Hamburg am 8.August 1930 charakterisiert Thälmann die NSDAP als „das gefährlichste und schmutzigste Werkzeug des deutschen Finanzkapitals“. In der Programmerklärung der KPD (mit Unterstützung der Komintern ausgearbeitet) vom 24.08.1930 wird ausgeführt, dass die Nazi-Partei die Politik der extremen, reaktionärsten und aggressivsten Kräfte des deutschen Monopolkapitals ist und dass die faschistische Gefahr ihrem Inhalt nach eine imperialistische Gefahr ist. Das Programm hebt hervor, dass die Kommunisten die einzige Kraft sind, die sich den Sturz des Imperialismus zum Ziel setzt. 

Das Ziel wurde nicht erreicht. Das deutsche Monopolkapital hat genau den barbarischen Raubkrieg vom Zaun gebrochen, vor dem die Kommunisten frühzeitig warnten, u.a. zur Reichspräsidentenwahl 1932 mit den Worten:  Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg. Am Ende eines beispiellosen Blutvergießens haben Abermillionen Menschen dafür sterben müssen. Der deutsche Imperialismus erlitt lediglich eine militärische Niederlage. Mehr nicht. Auch wenn die propagandistische Begleitmusik zeitgemäß aktualisiert wurde, blieb das deutsche Monopolkapital (wenn auch auf reduziertem Territorium) im Sattel und ist längst wieder damit beschäftigt, seinen Interessen weltweit Geltung auch mit militärischen Mitteln und Kriegseinsätzen zu verschaffen. 

Und dabei bleibt es nicht. Die Mobilmachung der Gesellschaft für einen großen Krieg läuft auf Hochtouren. Das erklärte Ziel: in 5 Jahren Krieg gegen Russland führen zu können, ganz offiziell. Dafür wird auf unsere Kosten millionenschwere Infrastruktur ausgebaut, das Gesundheitssystem kriegstüchtig gemacht, die Bundeswehr zu Werbeeinsätzen losgeschickt. Währenddessen rollen bereits unter Beifall der Leitmedien Deutsche Panzer nach Osten, die laut Bundestagsbeschluss Russland auch direkt angreifen dürfen. Auf dem Berliner Kongress für „wehrhafte Demokratie“ betont die Regierungsberaterin Jessica Däbritz, dass Deutschland unverkrampfter über Krieg sprechen muss. Eine Kriegswirtschaft soll laut Verteidigungsminister Pistorius auch aufgebaut werden. Rheinmetall und Co. arbeiten bereits seit Monaten an einer Vergrößerung ihrer Produktionskapazitäten.

Die DGB-Führung freut sich über neu geschaffene Arbeitsplätze und unterstützt solche Vorhaben in Absprache mit dem Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Unter dem Etikett der „wehrhaften Demokratie“ werden Grundrechte abgebaut und die Repressionen gegen den Widerstand täglich ausgeweitet.

Der zionistische Völkermord in Palästina und die offene Kollaboration Deutschlands zeigt die brutale Fratze des Imperialismus, der immer noch den Kolonialismus in sich trägt und mit ihm das Herrenmenschentum. Thälmann und die KPD waren erbitterte Feinde des Kolonialismus. Der Internationalismus und die Solidarität mit den unterdrückten Völkern war Herzstück der Partei. Der ekelhafte Rassismus, der heute den Palästinensern entgegen schlägt, die mutig und standhaft für ihre Freiheit kämpfen, schlug auch den Chinesen, den Südafrikanern, den Ghanaern und allen anderen entgegen. Die Berichte von großen Kundgebungen der KPD gemeinsam mit chinesischen, sowjetischen und anderen internationalen Genossen sind nicht nur spannend – sie zeigen: Die Kommunisten standen und stehen auf der Seite der Zukunft der Menschheit.

Militarismus und Nationalismus sind bei uns heute Staatsdoktrin. Die Zeitenwende ist dabei nicht nur ein militärisches Projekt zur Aufrüstung und ein ökonomisches Projekt hin zur Kriegswirtschaft, um den Feldzug gegen Russland, China und die Achse des Widerstands abzusichern.  Durch Ausweitung der Repressionen und reaktionären Staatsumbau soll die Ruhe an der Heimatfront sichergestellt werden. 

Dass der aggressive Kriegskurs des Imperialismus mit ungeheuren Risiken für die übergroße Bevölkerungsmehrheit verbunden ist und die enormen Kosten des Kriegskurses am Ende aus der Tasche der Arbeiterklasse finanziert werden, liegt auf der Hand. Deshalb stehen wir vor ähnlichen Aufgaben, wie die Kommunisten vor 90 Jahren.

Viele Arbeiter in Deutschland sind gegen den Kriegskurs und Völkermord. Aber die Klasse ist auch gespalten und zum Teil unter dem Einfluss von sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsführungen, die Krieg und Aufrüstung unterstützen. Wir haben also noch viele Hindernisse zu überwinden. Die Erfahrungen und Erkenntnisse von Thälmann und seinen Genossen können uns dabei helfen.

Ob in Palästina oder im Donbass – Solidarität mit dem weltweiten antiimperialistischen Widerstand!     

Stoppt den Krieg der NATO ! 

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! 


Rede am KZ Buchenwald (18. August)

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste,

wir sind heute hier, um dem 80. Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns im KZ Buchenwald zu gedenken – stellvertretend für alle anderen politischen Gefangenen, Gefolterten und Ermordeten des faschistischen Regimes. In der linken und kommunistischen Bewegung wird zu solchen Anlässen wie heute häufig der Spruch „Erinnern heißt kämpfen“ genannt. Er soll auf Notwendigkeit der Weiterführung politischer Kämpfe hinweisen und die auf dem Weg Gefallenen ehren. Ich glaube, dass dieser Ausspruch aber noch eine tiefere Ebene hat. Zum einen drückt er für mich aus, dass wir auch um die Geschichte kämpfen müssen; dass wir uns mit der Geschichte auseinandersetzen und sie gegen moderne Verfälschungen verteidigen müssen. Zum anderen heißt der Ausspruch für mich, für die Zukunft zu lernen. „Erinnern heißt kämpfen“ bedeutet Gedenken, Ehrung, aber auch Bildung, Aufarbeitung und Reflexion. Mit diesem Blick will ich kurz auf die heutige politische Situation eingehen und einen Zusammenhang mit der Faschismusforschung der Kommunistischen Internationale in den 1930er Jahren eingehen.

Schon vor der Machtübertragung an die Faschisten in Deutschland im Jahr 1933 standen die Zeichen international auf Krieg. Die Weltwirtschaftskrise, die Nachkriegsordnung nach dem Ersten Weltkrieg inklusive der Demütigung Deutschlands durch den Versailler Vertrag, der Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion und Unruhen in den Kolonien sorgten für viel Sprengkraft auf dem politischen Parkett Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre. Anders ausgedrückt: Zur Überwindung der kapitalistischen Krise teilten sich die imperialistischen Länder das Interesse an Krieg. Die Kriegsvorbereitungen in Deutschland beinhalteten folgende politische Schritte: Aufrüstung nach Innen und Außen, Sozialabbau und Aufbau der Heimatfront. Der Aufbau der Heimatfront geschah durch die Spaltung der Arbeiterbewegung und ihrer Organisationen, durch Hass und Hetze gegen Kommunisten, Sozialdemokraten, Migranten, Juden – gegen jegliche sogenannten Volksverräter. Darüber hinaus sollte das deutsche Nationalgefühl gestärkt werden, um die widersprüchlichen Interessen zwischen der deutschen Bourgeoisie und der deutschen Arbeiterklasse zu verwischen und durch ein gemeinsames Interesse an Krieg zu ersetzen.

Die Vorbereitung eines nächsten großen Krieges durch Aufrüstung, Sozialabbau und Aufbau einer Heimatfront erleben wir auch heute. Im Deutschland der 30er Jahre war es notwendig, für diese Politik der Kriegsvorbereitung, die faschistische Bewegung aufzubauen und schließlich auch den Faschismus an die Macht zu bringen.

Die Kommunisten heute sind damit konfrontiert, Antworten auf die aktuellen Entwicklungen zu finden. Eine Frage, die sich auf Grund der aufgezeigten Parallelen aufdrängt: Braucht es zur Vorbereitung eines imperialistischen Raubkrieges Deutschlands wieder den Faschismus? Sind wir „auf dem Weg“ in den Faschismus? Findet eine „Faschisierung“ statt? Und was gilt es für Kommunisten deshalb heute zu tun?

In diesem Sinne kommen wir zurück zum Anfang: „Erinnern heißt kämpfen“. Um uns diesen Fragen zu stellen, müssen wir den Aufbau des Faschismus in Europa und speziell in Deutschland erforschen und unsere Analyse schließlich auf die heutige Lage anwenden.

Die Kommunistische Internationale setzte sich seit ihrer Gründung 1919 unter anderem mit der Frage auseinander, wie ein neuer großer Krieg der Imperialisten zu verhindern ist. In diesem Zusammenhang forschte sie zum aufkommenden Faschismus als politische Bewegung und später zum Faschismus an der Macht in Europa. Die Kommunistische Internationale begründete damit die Faschismusforschung und erarbeite bemerkenswerte Erkenntnisse. Das XIII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale definiert den Faschismus an der Macht im Dezember 1933 wie folgt: Der Faschismus ist „die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Georgi Dimitroff – einer der bedeutendsten Faschismusforscher dieser Zeit und seit 1935 Generalsekretär der Kommunistischen Internationale – bestätigte diese Definition in seinem Referat auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale im August 1935. Neben dieser Definition nannte er weitere Merkmale des Faschismus an der Macht:

Der Faschismus ist ein Staatsformwechsel und kein bloßer Regierungswechsel. Er ist eine andere Form der bürgerlichen Herrschaft; eine qualitative Änderung und keine rein quantitative. 

Die terroristische Diktatur wird durch die Bourgeoisie auf Grund einer historischen Notwendigkeit angestrebt. Die Entwicklung zum Faschismus ist keine Automatismus.

Der Faschismus wird von der faschistischen Partei und Teilen der herrschenden Klasse systematisch vorbereitet.

Und: Der Faschismus bedeutet Kriegspolitik und ist eng mit der Vorbereitung eines imperialistischen Krieges verbunden.

Als Ursachen für den Faschismus nannte Dimitroff die Schwäche der Bourgeoisie – ihre Angst vor einer sozialistischen Revolution und das Versagen ihrer herkömmlichen Methoden zur Unterdrückung der Arbeiterklasse. Aber auch die Schwäche des Proletariats, welches gespalten und desorganisiert ist – vor allem durch die Politik der Sozialdemokratie.

Zurück zu heute: Die BRD und die westlichen Staaten sind in einer politischen Krise, die aus einer ökonomischen resultiert. Die deutsche Bourgeoisie steht heute allerdings keiner organisierte Arbeiterklasse wie in den 30er Jahren gegenüber – Arbeiterklasse und Kommunisten sind gespalten und schwach. Ich würde daher sagen, dass die herkömmlichen Methoden der Bourgeoisie zur Unterdrückung der Arbeiterklasse aktuell sehr gut funktionieren. Chauvinismus, Rassismus, Identitätspolitik, Illusionen in die bürgerliche Demokratie und vieles weitere lenken die Gesellschaft sehr effektiv von den Ursachen unserer Lage und von unseren Problemen ab. Braucht es deshalb heute überhaupt den Faschismus in Deutschland zur Durchsetzung der imperialistischen Interessen der deutschen Bourgeoisie? Braucht der deutsche Imperialismus den Faschismus zur Vorbereitung des nächsten großen Krieges? Ist die AfD die faschistische Kraft, die mit Teilen der herrschenden Klasse den Faschismus vorbereitet? 

Wir als kommunistische Bewegung und ich hier im Besonderen kann keine vollständige Analyse dessen liefern. Ich will aber betonen, dass es eine Analyse braucht, die an die neuen Umstände angepasst ist und dass deshalb jetzt die Zeit ist, sich mit dem Faschismus, seinen Ursachen und ebenso mit Gegenstrategien zu befassen. 

Dimitroff weist in seinem Referat zum VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale auf verschiedene linke und rechte Abweichungen des Faschismusverständnis hin, die uns auch heute häufig begegnen und die wir unbedingt berücksichtigen sollten. Als linke Abweichung beschreibt er das Verständnis des Wechsels der Herrschaftsform zum Faschismus als einen stufenlosen Übergang, bei dem es lediglich einige quantitative Verschärfungen in der Kriegsvorbereitung, dem Sozialabbau und der Repression gebe. Diese Ansicht führe zur Verharmlosung des Faschismus und zum Sektierertum im antifaschistischen Kampf. Darin ist zum Beispiel enthalten, dass der Antifaschismus nur echt sei, wenn er auch den Sozialismus zum Ziel habe oder auch die Ablehnung des Kampfes um bürgerlich-demokratische Grundrechte. Als rechte Abweichung beschreibt Dimitroff die Überzeichnung des Übergangs der Herrschaftsform von bürgerlicher Demokratie und Faschismus und damit die Darstellung des Faschismus als etwas Gegensätzliches zur bürgerlichen Demokratie. Diese Ansicht führe zur Verharmlosung der Sozialdemokratie und anderer potentieller Bündnispartner und zur Aufgabe des strategischen Ziels der proletarischen Revolution. Beide Formen des Opportunismus resultieren aus einem mangelhaften Verständnis von den Unterschieden zwischen Strategie und Taktik. Für die Bekämpfung des europäischen Faschismus der 30er Jahre bedeutete das für Dimitroff: Schaffung der Einheitsfront – also Überwindung der Spaltung der Arbeiterklasse zwischen kommunistischem und sozialdemokratischem Teil und Zusammenarbeit in der Aktionseinheit gegen die Offensive des Kapitals – gegen Sozialabbau, Repression, Krieg und damit gegen Faschismus; gegen den Klassenfeind. Ein zentraler Punkt ist dabei die Verteidigung demokratischer Grundrechte.

Heute Gedenken wir Ernst Thälmann – stellvertretend für all die heldenhaften Kämpfer gegen den Faschismus in Deutschland. Sie haben es nicht geschafft, den deutschen Faschismus, seinen imperialistischen Raubkrieg und den Völkermord zu verhindern. Lasst uns gemeinsam lernen, forschen und kämpfen. Darauf, dass wir den Kapitalismus in Deutschland abschaffen, bevor die Bourgeoisie erneut zu diesen Mitteln greifen wird.

Entwicklung des Kapitalismus in Russland

Von Käthe Knaup, Max Granzow und Alexander Kiknadze

Veröffentlicht: 13.08.2024

Abstract

Der Kapitalismus wurde in Russland durch die Konterrevolution in eine Volkswirtschaft eingeführt, deren Zweck eine planmäßige Erhöhung des Lebensniveaus des sowjetischen Volkes und die Unabhängigkeit vom Kapitalismus war. Dieser Umbau der Ökonomie und seine gesellschaftlichen und politischen Folgen bis heute werden im Folgenden dargestellt. Die erste Periode der Konterrevolution und Perestroika zeigt, inwiefern die Zerschlagung der einstigen Planwirtschaft und die Einführung des Kapitalismus dazu führten, dass Russland schließlich in die Regeln der imperialistischen Weltordnung gezwungen wurde. Diese Integration führte zu einem Niedergang der russischen Volkswirtschaft und ihrer Währung, was Kapitalflucht und den Ausverkauf durch die neue russische Bourgeoisie zur Folge hatte. Der Niedergang gipfelte in der weltweiten Finanzkrise 1998, die in Russland zur Staatspleite führte. Dieser Zustand war auch für große Teile der russischen Bourgeoisie nicht haltbar, sodass der seit 2000 amtierende Präsident Wladimir Putin sein Projekt der strategischen Nationalisierung der Ökonomie umsetzen konnte. Dieses Projekt bezweckte eine kapitalistische Entwicklung der russischen Volkswirtschaft, die auf eine strategische Unabhängigkeit gegenüber dem Westen abzielte. Dafür wurden insbesondere strategisch zentrale Bereiche der Volkswirtschaft verstaatlicht und eine Wirtschafts- und Handelspolitik der Importsubstitution, Schuldenkonsolidierung und Exportdiversifizierung vorangetrieben. Mit einer solchen Neuausrichtung des russischen Kapitalismus sollte die Integration in den kapitalistischen Weltmarkt der nationalen Entwicklung der russischen Volkswirtschaft dienen und nicht zu deren Ausverkauf führen. Ebendiese Integration in den internationalen Kapitalverkehr bei gleichzeitig weiterhin existierender ungleicher Abhängigkeit von Kapital- und Technologieimport, Rohstoffexport und Aufrechterhaltung von Devisenreserven dient dem imperialistischen Westen nun als Waffe gegen Russland: Seine Sanktionen zielen auf genau diese Schwächen ab. Teile der russischen Bourgeoisie erkennen diese Unsicherheit und Gefahr und sind bereit, ihr Kapital abzuziehen. Dieses Verhältnis des russischen Kapitals zum Staat ist eine wichtige Erkenntnis in der Diskussion um Russlands imperialistischen Charakter. Ob Russland sich, bspw. durch weitere Import- und Exportsubstitutionspolitik mit nichtwestlichen Staaten, unter kapitalistischen Bedingungen aus einer solchen Abhängigkeit lösen kann, wird Gegenstand zukünftiger Betrachtungen sein. Die Enteignung der Bourgeoisie und der Wiederaufbau des Sozialismus wird von russischen Kommunisten aus diesen Gründen als Notwendigkeit für die Verteidigung Russlands gegen die imperialistische Aggression gesehen.

Teil I: Konterrevolution und Perestroika

Die Einführung des Kapitalismus in eine sozialistische Produktionsweise hat es historisch noch nie gegeben. Mit den Anfängen dieser Entwicklung in der Sowjetunion (SU), ihrer Zuspitzung bis zur Auflösung der SU und den Entwicklungen, die aus den Widersprüchen dieses historisch einmaligen Übergangs entspringen, befasst sich der folgende Teil I.

Hintergrund: Entwicklungen in der SU

Bereits in den 1970er Jahren traf die sowjetische Staatsführung Entscheidungen, die zu einer zunehmenden Rückständigkeit und Abhängigkeit der Reproduktion und Entwicklung der sowjetischen Volkswirtschaft von den imperialistischen Hauptmächten führten1Im Folgenden kann nicht tiefer auf grundsätzlichere politische Orientierungen, z.B. die Bedeutung der „Friedlichen Koexistenz“, die zu solchen wirtschaftspolitischen Entscheidungen führten, eingegangen werden. Ziel dieses Kapitels ist es ausschließlich, die Abfolge von Entwicklungen logisch darzulegen, die zu einer Zerstörung der sowjetischen Volkswirtschaft und darauf folgenden Integration der neuen russischen Volkswirtschaft in den kapitalistischen Weltmarkt der imperialistischen Weltordnung führte.: Mit den in den 1970er Jahren steigenden Ölpreisen und der Entdeckung riesiger Vorkommen in Sibirien erhöhten sich die Deviseneinnahmen der Sowjetunion. Diese ermöglichten es, Güter, die für die Reproduktion und Erneuerung der sowjetischen Industrieanlagen notwendig waren, schnell und einfach auf dem kapitalistischen Weltmarkt zu erwerben. Das führte zu seinem Investitionsstau in der nationalen Ökonomie, da durch die Möglichkeit des Einkaufs dieser Güter kein Bedarf an einer eigenen Weiterentwicklung gesehen wurde. Diese Stagnation führte aufgrund der Weiterentwicklung der westlichen Volkswirtschaften zu einer technologischen und industriellen Rückständigkeit und damit einer Abhängigkeit der Reproduktion der sowjetischen Volkswirtschaft von den internationalen Rohstoffpreisen. Sinkende Rohstoffpreise führten folglich zu ökonomischen Problemen. Eine derartige Entwicklung fand aufgrund ähnlicher Reformen auch im Landwirtschaftssektor statt. Damit verlor die Sowjetunion zum Teil ihre Nahrungsmittelsouveränität an den kapitalistischen Weltmarkt, da Nahrungsmittelimporte abhängig von Devisenreserven, vor allem in US-Dollar, wurden. Der Zusammenbruch der Ölpreise in 1970er Jahren provozierte in der späten Sowjetunion schließlich sogar in den Großstädten eine ernsthafte Krise der Lebensmittelversorgung.

Diese Umstände wurden in der Debatte über die Ursachen dieser Probleme nicht als Folge der Abkehr vom Prinzip „Sozialismus in einem Land“ und der Hinwendung zum kapitalistischen Weltmarkt erkannt, sondern vielmehr dem Sozialismus als Produktionsweise insgesamt zugeschrieben. Folglich wurden weitere Reformen zur Aufgabe der sozialistischen Produktionsweise durchgeführt, nunmehr bereits unter der politischen Agenda der „friedlichen Koexistenz“ mit dem imperialistischen Westen. Die Reformen führten zu einer langsamen Herausbildung von individuellen ökonomischen Privatinteressen in der Sowjetunion, die im Folgenden kurz angerissen wird:

Eine wichtige Reform war die Aufgabe des sowjetischen Außenhandelsmonopols, also der strategisch unabdingbaren, vollständigen staatlichen Kontrolle des sowjetischen Außenhandels. Nun konnten Produktionsgenossenschaften, spezielle Formen des kollektiven Eigentums in der SU, sowjetische Rohstoffe frei handeln. Sie machten dabei Gewinne aufgrund von Preisunterschieden im inländischen Einkauf auf der einen, und Weltmarktpreisen auf der anderen Seite. Andere Reformen verstärkten die Autonomie der sowjetischen Betriebe, was zu einem Wandel in der Zielstellung der Produktion von volkswirtschaftlicher- hin zu betrieblicher Rentabilität führte.  Die schrittweise Preisfreigabe war eine weitere wichtige Reform, auf die weiter unten eingegangen wird.

Eine weitere Struktur, in der sich die neuen Privateigentümer herausbildeten, waren die sogenannten Zentren der wissenschaftlich-technischen Kreativität der Komsomol- Verbände (Kommunistische Jugend, Anm. d. Verf.). Sie wurden im Laufe dieser Reformen für mehr „Eigenständigkeit“ und der Mobilisierung des „subjektiven Faktors“ (so häufig der Sprachgebrauch von Gorbatschow) beauftragt, mit in die SU importierten Waren selbstständig zu handeln und die innersowjetische Zahlungsabwicklung zwischen den Unternehmen zu organisieren. Durch bewusste Ausnutzung von Preisunterschieden wurden in diesen Strukturen ebenfalls erste Geldgewinne erzielt. Eine letzte wichtige Quelle der privaten Bereicherung waren Fremdwährungsdarlehen des Staates, die auf den nunmehr weit verbreiteten Schwarzmärkten gehandelt wurden. Auch durch die Ausnutzung unterschiedlicher Wechselkurse des US-Dollars, einerseits auf dem Schwarzmarkt und andererseits auf dem inneren sowjetischen Markt, wurden erhebliche Geldgewinne erzielt. Die Zerstückelung und Unterminierung der sowjetischen Planwirtschaft durch die erwähnte Auflösung ihrer Produktionsbeziehungen, insbesondere in der industriellen Produktion, führte bereits viele Jahre vor der Konterrevolution zu einem materiellen, aber auch politischen Rückgang des Industrieproletariats als Stütze der sozialistischen Bewegung, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Bewusstsein. Diese Schwächung des Industrieproletariats, zusammen mit den inzwischen materiell etablierten Privatinteressen und den Individualfreiheiten, die diese Privatinteressen rechtlich absicherten, fand mit der Konterrevolution ihren politischen Ausdruck – und zwar innerhalb der KPdSU selbst. Die Abschaffung der sozialistischen Produktionsweise war das Ergebnis eines Beschlusses der regierenden Partei, die sowjetische Nationalökonomie auf eine kapitalistische Grundlage zu stellen. Die zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschrittenen Interessen waren in der Partei vertreten.

Die politische Programmatik der Konterrevolution und Perestroika

Die wirtschaftspolitische Agenda der Perestroika war die Einführung kapitalistischer Prinzipien und Maßstäbe in die übernommene sowjetische Volkswirtschaft

Die SU war den kapitalistischen Geschäftsprinzipien nicht unterworfen, weil sie nicht auswärtigem Geld und Handel ausgesetzt war. Durch die Erträge der sozialistischen Nationalökonomie entwickelte sich die SU zur Weltmacht und zum größten Feind der westlichen Welt: Sie war in der Lage, die Gesellschaft mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen, sodass die Sphäre der gesellschaftlichen Reproduktion nicht vom Ausland erpressbar war. Der Sozialismus brach nicht aufgrund einer eigenen ‚Unfähigkeit‘ zusammen – im Gegensatz zur Ideologie seiner Feinde hat er funktioniert.

Die Behauptung, dass sich die sowjetische Wirtschaft 1985 in völliger Stagnation befunden habe, entspricht nicht den Tatsachen. Dennoch zeichnete sich ein gewisser Krisentrend ab – ein kontinuierlicher Rückgang der Wirtschaftswachstumsraten seit dem Ende des achten Fünfjahresplans 1966-1970 (Lebskij 2016, S. 9). 

Lebskij schreibt, dass es Mitte der 1980er Jahre reale Möglichkeiten gab, die Stagnation und die drohende Wirtschaftskrise zu überwinden. Dazu wäre es jedoch notwendig gewesen, sich auf die Stärken der sowjetischen Wirtschaft zu stützen, eine objektive wirtschaftliche Analyse und Bewertung des Zustands der Gesellschaft durchzuführen und einen durchdachten Plan zur Überwindung der Krise zu entwickeln (Lebskij S.10, aus: G. Khanin). Politisch war dies jedoch nicht gewollt und wurde daher nicht umgesetzt. Das Programm der Reformer war es, die sowjetische Ökonomie auf eine kapitalistische Marktwirtschaft umzustellen. Die Prinzipien kapitalistischen Wirtschaftens (Angebot, Nachfrage, Privateigentum, Geld, Banken, …) sollten durch Regierungsbeschlüsse in diese Ökonomie eingeführt werden. Sie bewerteten die sozialistische Wirtschaft nach den Maßstäben kapitalistischen Wirtschaftens. An die sowjetische Ökonomie wurden damit Maßstäbe angelegt, die ihren bisherigen Grundsätzen und Zielen widersprachen: Die sozialistische Wirtschaft verfolgte ganz andere Zwecke als eine kapitalistische: Der Zweck allen Wirtschaftens in der Sowjetunion war ein Aufbau, der auf eine Selbstversorgungsfähigkeit des Landes und eine Arbeitsorganisation, die nicht im Dienste einer Kosten-Ertrags-Rechnung einzelner Betriebe, sondern der gesamtem Volkswirtschaft gerichtet war. Diesen Grundwiderspruch trug die Einführung kapitalistischer Prinzipien in eine sozialistische Volkswirtschaft in sich. Die Folgen dieses Widerspruchs sollen folgend ausgeführt werden.

Anfang der 90er Jahre gab es drei Fraktionen innerhalb der KPdSU. Die erste Fraktion forderte eine Rückbesinnung auf den Sozialismus und lehnte die Reformen also ab – sie wird in der bürgerlichen Literatur als ‚konservative Fraktion‘ (im Sinne der Erhaltung und Rückbesinnung auf die kommunistische Programmatik) bezeichnet. Die zweite Fraktion bestand aus den Kräften um Boris Jelzin, die häufig als ‚radikale Reformer‘ bezeichnet wurden. Die dritte Fraktion waren die ‚Zentristen‘, die durchaus eine prokapitalistische, aber in Abgrenzung zu den ‚Radikalreformern‘ gemäßigtere Umgestaltung der Sowjetunion anstrebten und sich dadurch von ‚Konservativen‘ und ‚Radikalreformern‘ abgrenzten. In dieser Auseinandersetzung setzten sich die Kräfte um Jelzin durch. Ihre politische Agenda war es, mit einer radikalen und schnellen Einführung kapitalistischer Prinzipien das Wirtschaftsleben Russlands zu einem „Teil der herrschenden Klasse der Welt“, einer „Weltmacht“ zu machen (Lebskij 2016). Die Reformen, ihre Widersprüche und Folgen werden nun im Einzelnen aufgeführt.

Die Preisfreigabe führte zu einem massiven Umverteilungsprozess des gesamtvolkswirtschaftlichen Reichtums

Mit der Preisfreigabe ab 1992 sollte eine kapitalistisch rentable Produktion in den Einzelbetrieben ermöglicht werden. Dies wurde mit der mangelnden Flexibilität des sowjetischen Preissystems begründet, die eine rentable Produktion behindert und zu den bestehenden wirtschaftlichen Problemen beigetragen soll. Die entsprechenden Richtlinien für die Preisfreigabe traten ab 1992 für ganz Russland in Kraft, ab März 1992 wurden im Sinne einer weiteren Dezentralisierung der russischen Volkswirtschaft den Regionen Vollmachten erteilt, eigene Preisregelungen einzuführen (Höhmann 2004).

Die Funktion des Preises im sowjetischen Preissystem, nämlich als gesamtwirtschaftliches und staatliches Steuerungsinstrument für die Zuteilung von Produktions- und Konsumgütern, sollte abgelöst werden. Im Kapitalismus ergeben sich die Preise grundsätzlich aus der Berechnung des einzelnen Betriebs aus Kostpreis (der Preis des Kapitalisten bei der Produktion einer Ware) und Profit, den der Betrieb macht. Sie können entsprechend, um ihren Profit zu erhöhen (bzw. um bei steigendem Kostpreis den Profit zu erhalten), die Preise einfach erhöhen. Die Betriebe ergriffen diese Gelegenheit sofort: Sie erhöhten die Preise, um ihre Gewinne zu steigern, oder konzentrierten sich auf die Produktion höherpreisiger Waren. Dies führte zu einem Mangel an billigen Konsumgütern, deren Produktion folglich unrentabel wurde (Lebskij 2016).

Dies führte in ganz Russland zu einem massiven Umverteilungsprozess des zirkulierenden Geldes von den konsumierenden Massen (Käufern) zu den produzierenden Betrieben (Verkäufern). Die Käufer wurden unfähig, zu konsumieren, was zu Massenarmut führte, während die Betriebe daraufhin Schwierigkeiten hatten, ihre Produkte abzusetzen. Die zuvor im Sozialismus gut abgestimmten Lieferketten wurden unterbrochen, wodurch weiterverarbeitende Betriebe nicht mehr produzieren konnten und Lebensmittel entweder unbezahlbar wurden oder gar nicht mehr produziert wurden. Diese Prozesse führten zu einer weiteren Zerrüttung der Produktionsbeziehungen und einem Rückgang der Produktion auf 10 % pro Monat im Jahr 1992 (GSP 1992).

Fazit: Die wirtschaftlichen Zusammenbrüche Ende der 90er sind die Folge der Perestroika-Reformen

Der Fokus auf die Entwicklung einzelner, autonomer Wirtschaftseinheiten zerstörte letztlich die Einheit des bisherigen sowjetischen Wirtschaftskomplexes, der nur funktionieren konnte, weil alle seine Teile einem großen, einheitlichen landesweiten Plan folgten. Die Festlegung von Gewinn und Rentabilität als Hauptkriterien für die effiziente Führung eines Unternehmens verwandelte sowjetische Fabriken in halbunabhängige Warenproduzenten. Sie waren halbunabhängig, da sie weiterhin von den bestehenden sowjetischen Liefer- und Produktionsbeziehungen abhängig waren, begannen jedoch schließlich, andere Unternehmen als Konkurrenten zu betrachten. Dies zerrüttete die sowjetischen Produktionsbeziehungen und führte zu dem anfänglichen wirtschaftlichen Zusammenbruch und Massenverarmung Anfang der 90er Jahre.

Entzugsmaßnahmen der Betriebe aus der russischen Volkswirtschaft

Der Rubel wird kein kapitalistisches Geld

Die staatlich verordnete Fortsetzung der Produktion, die allerdings aufgrund der o.g. Widersprüche und daraus resultierenden Probleme kaum Überschüsse abwarf, führte zu einem permanenten Geldmangel und damit zu Problemen der Betriebe, ihre Produktion fortzusetzen. Durch die Umverteilung des Geldes, die aus der Preisfreigabe resultierte, verlor der Rubel zunächst seine Funktion als Zahlungsmittel für Konsumgüter – schließlich verfügten die Konsumenten kaum noch über ihn. Die Zirkulation wurde dadurch ständig unterbrochen, was dazu führte, dass in der Folge keine nennenswerte Kapitalakkumulation in der russischen Volkswirtschaft stattfand. Der Rubel wurde somit nicht zu Kapital, das nennenswert akkumuliert werden konnte. In der Folge kam es sogar dazu, dass Betriebe ihre Erzeugnisse direkt untereinander tauschten, ohne den Rubel als Tauschmittel zu verwenden, um ihre Produktion fortzusetzen. Teilweise entlohnten die Betriebe ihre Arbeiter auch direkt mit den Produkten, die sie selbst hergestellt hatten. (GSP 1992).

Die politische Führung, unterstützt von westlichen Beratern, diagnostizierte diese Probleme als eine einer kapitalistischen Wirtschaftskrise analoge „Konjunkturkrise“, der mit höheren Investitionen und Kreditierungen entgegenzukommen sei. Folglich gründeten die Betriebe Gemeinschaftsbanken, um sich selbst zu kreditieren und sich damit formell mit Rubeln zu versorgen. Die russische Zentralbank unterstützte dies mit einer expansiven Geldpolitik, also einer Verbilligung der Kreditnahme. An der schwachen Rentabilität der Betriebe änderte eine solche formelle Kreditierung jedoch nichts. Folglich wurde die Akkumulation materiell unterlaufen: Der Rubel blieb trotz aller Ausgaben durch die Banken weiterhin eine Währung, an deren Vermehrung kein echtes Interesse bestand.

Der Ausverkauf der Produktionsmittel als Mittel zur Umgehung der Betriebe

Die radikalste Entzugsmaßnahme der neuen Privateigentümer aus dieser zum Verdienen von echtem Geld untauglichen russischen Volkswirtschaft, war der Ausverkauf: Die Betriebseigentümer verkauften folgerichtig – aufgrund der nicht lohnenden inländischen Produktion und dem verständlicherweise fehlenden Interesse, nutzlose Rubel zu verdienen – ihre Gebäude, Produktionstechniken, Ingenieure und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt gegen harte Währungen. Das durch einen solchen Ausverkauf erworbene Geld in harter Währung wurde in der Folge in den westlichen Standorten der Kapitalakkumulation investiert und kaum in die russische Produktion. Diese Aneignung von Geld durch Ausverkauf und in der Folge Akkumulation im Ausland (Kapitalflucht) führte zu massiven Produktions- und Versorgungsausfällen in ganz Russland – und damit zu einer weiteren Verschärfung der sozialen Lage in Russland.

Die Zerstörung der Reproduktion der Arbeiterklasse und die Folgen für die russische Volkswirtschaft und ihre Währung

Mit der Preisfreigabe wurde das Grundelement des sozialistischen Staates, die Reproduktion der Volkswirtschaft und ihrer Bevölkerung, aufgegeben. In der Folge fielen alle Bürger, die nicht in Betrieben lohnarbeitend tätig waren, schlagartig unter das staatlich ermittelte Existenzminimum. Logische Folge dieser Entwicklung war die Verlumpung durch Arbeitslosigkeit und Verbäuerlichung der Arbeiterklasse durch Rückkehr in die private Subsistenzwirtschaft, um die eigene Reproduktion privat zu bestreiten.

Selbst bei Arbeitern, die in Lohn und Brot standen, ließ sich die Existenz mit Rubellöhnen aufgrund der oben beschriebenen Prozesse der Umverteilung, Produktionsausfälle und Verlust der Qualität der Währung als Zahlungsmittel kaum noch bestreiten.

Die Reproduktion der Arbeiterklasse war zu dieser Zeit damit weiterhin von staatlichen Alimentierungen abhängig, zumindest was ihre Ausstattung mit Geld betraf. Der Staat reagierte in dieser Phase entsprechend mit Versorgungsmaßnahmen, die aber allenfalls den Charakter von finanziellen Überlebenshilfen in Rubel hatten.

Die Freigabe der Preise bewirkte also mit der Umverteilung von Geld von den Konsumenten zu den Produzenten nur eine Zerstörung der ererbten Versorgungsbeziehungen. Es wurde also nicht der bezweckte Produktionsaufschwung, sondern nur Armut auf der einen und unbrauchbares Geld auf der anderen Seite produziert. Bei der umfassenden Geldrechnung und den erwähnten Ausverkaufsgeschäften der neuen Eigentümer stellte die politische Führung fest, dass brauchbares Geld offenbar nur im Ausland erhältlich war.

Folgemaßnahmen: Aufspaltung der vermeintlich „preismanipulierenden“ (Staats-)Monopole

In der russischen Regierungspolitik wurden die konstant hohen Preise trotz sinkender Nachfrage und die ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolge nicht der Untauglichkeit der sowjetischen Volkswirtschaft für eine kapitalistische Marktwirtschaft und der daraus folgenden Zerrüttung der Produktionsbeziehungen zugeschrieben, sondern ausschließlich der (auch tatsächlich vorkommenden) Preismanipulation durch die Betriebe, insbesondere durch große. Es wurde diagnostiziert, dass diese großen Betriebe ihre Marktmacht nur zum eigenen Vorteil ausnutzten und nicht im Sinne einer funktionierenden nationalen kapitalistischen Entwicklung handelten. Daher wurde beschlossen, ihnen diese Marktmacht zu entziehen, indem die großen Betriebe in kleinere Einheiten aufgespalten wurden, um eine echte marktwirtschaftliche Konkurrenz zu schaffen.

Dies wurde Mitte 1992 staatlich in die Tat umgesetzt und wird heute, in Abgrenzung zu der „kleinen Privatisierung“ der sowjetischen Einzelbetriebe (vgl. oben), „große Privatisierung“ genannt (Höhmann 2004). Die großen und mittleren Staatsbetriebe wurden privatisiert, ihre Produktionsmittel und Arbeiter in die Hände privater Geldbesitzer gelegt – in der Erwartung, dass sich diese die Betriebe nun zu marktwirtschaftlich freien und kapitalistisch rentablen Unternehmen entwickeln würden. Die Geldbesitzer hatten den Auftrag, mit den ihnen übertragenen Betrieben Geld zu verdienen. Sie wurden dabei durch den Erwerb der Betriebe zu extrem niedrigen Symbolpreisen vergütet. (Kagarlitzki, 2012).

Das Ziel, die ehemaligen Staatsbetriebe durch die Privatisierung kapitalistisch rentabel zu machen, wurde allerdings kaum erreicht. Der Großteil der neuen Eigentümer erwarb die Betriebe offenbar in der Kenntnis, dass in dieser Volkswirtschaft kein großes Geld zu verdienen war. Sie betrachteten die Betriebe vor allem als Spekulationsobjekte, mit der Erwartung, dass sie irgendwann, nicht sofort, in der Lage sein würden, Geld zu vermehren. Entsprechend wurden sie nicht mit dem (staatlich beabsichtigten) Ziel erworben, Produktion zu betreiben und als industrielles Kapital zu fungieren. Viele Betriebe standen nach ihrem Erwerb durch die Geldbesitzer zunächst als reine Spekulationsobjekte still oder wurden, wenn sie brauchbar waren, direkt gegen harte Währung auf dem kapitalistischen Weltmarkt verkauft. Dadurch wurde schließlich genau das Gegenteil des beabsichtigten Ziels erreicht (GSP 1992).

Mit der Maßnahme der Privatisierung der Staatsbetriebe wurden damit nur formale Eigentumstitel in die Welt gesetzt, die nicht die bezweckte Geldvermehrung und industrielle Produktion mit sich brachten. Das bezweckte kapitalistische Wachstum stellte sich damit in Russland auch durch die Privatisierungs- und Aufspaltungspolitik der russischen Führung kaum ein.

Die Folge für den Rubel- die sogenannte „Inflation“

Investoren war in den frühen 90er Jahren also klar, dass Investitionen in diese Volkswirtschaft keine großen Gewinne bringen würden. Zu dieser Zeit gab es entsprechend international keine Nachfrage nach dem Rubel – er besaß praktisch keinen Außenwert, da er im internationalen Geschäft gar nicht gehandelt wurde. Sein Wertverlust war zu dieser Zeit also nicht relativ im Vergleich zu anderen auf den Geldmärkten gehandelten Währungen, sondern absolut (GSP 1992). Dieses Phänomen des absoluten Verlusts des Außenwertes des Rubels wurde von der russischen Regierung und ihren finanzpolitischen Beratern zu dieser Zeit als Inflation interpretiert, also als relativer Wertverlust der Währung im Vergleich zu anderen Währungen auf den internationalen Geldmärkten.

Regierung und Berater schlussfolgerten daraus, dass eine „antiinflationäre Geldpolitik“, analog zu der in westlichen Staaten, gegen diesen Wertverlust erforderlich sei. Daher reduzierten sie die „expansive Geldpolitik“ zur bisherigen Kreditierung der Betriebe und leiteten ab dem ersten Quartal 1992 einen Sparhaushalt ein.

Der Sparhaushalt zur Stärkung des Rubels und seine Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der russischen Betriebe

Der Sparhaushalt, der die zuvor gewährten formellen Kredite zur Fortsetzung der Produktion beendete, hatte weitere äußerst negative Auswirkungen auf die russische Volkswirtschaft. Die wichtigste Folge dieses Sparhaushaltes war, dass den vom Staatshaushalt durch Geldzuweisungen organisierten Bereichen der nationalen Produktion und sozialen Versorgung die staatliche Existenzgrundlage entzogen wurde (vgl. Gaidar: Kürzungen der Unternehmenssubventionen und Rüstungsausgaben).

Die Streichung der staatlichen Kreditierungen bedeutete für die betroffenen Betriebe, dass ihre Produktion nun vollständig von der Zahlungsfähigkeit der Kunden abhängig war. Diese Zahlungsfähigkeit war jedoch aufgrund der oben geschilderten Prozesse der Umverteilung des gesamtvolkswirtschaftlichen Reichtums weg von den Konsumenten stark eingeschränkt. Zahlungsunfähig gemachte Verbraucher zogen damit in der Folge zahlungsunfähige Betriebe nach sich.

Darüber hinaus sollten sich die Betriebe, die durch diese Reformen stark in Geldnot geraten waren, keine Kredite mehr beschaffen können, da sie nach den staatlichen Kriterien als nicht erfolgreich galten. Ihr Geld versickerte lediglich, statt sich zu vermehren. Da sie für die Versorgung ihres Geldbedarfs häufig selbst Banken gegründet hatten und diese Selbstkreditierung in Rubel (s.o.) entsprechend unterbunden werden sollte, wurde nach dem Vorbild kapitalistischer Staaten auch das private Geldverleihwesen eingeschränkt: Der Leitzins wurde von der russischen Zentralbank von 8 auf 20 %, die Pflichteinlagen der Banken von 2 auf 20 % erhöht.  Diese Reformen führten nicht zur beabsichtigten Erhöhung des Werts des weiterhin international nicht gehandelten Rubels, sondern zum Gegenteil: Der Entzug von Geld durch den Sparhaushalt und die Einschränkung der Selbstkreditierung führten bei den Betrieben zu einfacher Zahlungsunfähigkeit.

Bereits 10 Wochen nach Beginn dieses Sparhaushaltes scheiterte das Projekt: Das Steuersystem war zusammengebrochen, die Einnahmen aus der Privatisierung der Staatsbetriebe lagen weit unter den Erwartungen, und Kredite sowie Zinsen in Höhe von 532 Mrd. Rubel waren überfällig (GSP 1992). Daher wurden die Reformen schnell zurückgenommen oder angepasst.

Die Aufteilung der Sowjetunion unter die neuen „unabhängigen Staaten“ führt zum Ausverkauf ihrer Produktion

Mit der Auflösung der Sowjetunion und der der daraus resultierenden Loslösung der ehemaligen Sowjetrepubliken zerbrachen auch die einheitlichen Produktionsbeziehungen zwischen den Republiken. Durch die neuen nationalen Grenzen wurden die Produktionsbeziehungen unterbrochen, und die nun „unabhängigen“ Volkswirtschaften sollten fortan eigenständig agieren, anstatt Teil eines gemeinsamen Systems zu bleiben. Als eigenständige „unabhängige“ Volkswirtschaften hatten sie jedoch nie fungiert, da ihre Betriebe stets als Teile der gesamten sowjetischen Volkswirtschaft agierten und nicht als eigenständige Einheiten. Die neu entstandenen Nationalstaaten entwickelten unterschiedliche und teilweise gegensätzliche politische Interessen, die sie wirtschafts- und außenpolitisch durchsetzten: Zölle, gegenseitige Handelsbeschränkungen oder -förderungen, sowie Streitigkeiten über die nationale Zugehörigkeit grenzüberschreitender Produktionseinheiten, führten in der Folge zu Unterbrechungen bis hin zum Abbruch der bisherigen sowjetischen Produktions-, Handels- und Lieferbeziehungen. Dementsprechend gab es zu dieser Zeit zahlreiche Fälle, in denen Betriebe der weiterverarbeitenden Industrien ihre Produktion einstellen mussten, da notwendige Vorprodukte in einer anderen, nun ‚unabhängigen‘, ehemals sowjetischen Republik hergestellt wurden und deren Importkosten im Verhältnis von Kosten und Marktpreis nicht mehr rentabel waren (GSP 1992).

Daraus folgte in allen neuen unabhängigen Staaten die schnelle Einsicht, dass ihre Produktionsmittel und -einheiten nicht als Produktionsmittel für eine nationale Akkumulation funktionieren konnten.  Sie wurden, analog zu den Ausverkäufen aus der Russischen Föderation (vgl. oben), nun vor allem als Exportmittel ins Ausland gegen harte Devisen betrachtet und verkauft, bzw. auch als Spekulationsobjekte gehandelt (GSP 1992). Die durch diese Verkäufe ersten großen Dollareinnahmen waren auch in diesen Republiken die Eigenkapitalgrundlage für die neue Bourgeoisie.

Diese Ausverkäufe verstärkten die Unterbrechung der Produktionsketten und führten zu einer weiteren Verknappung von Gütern in allen Republiken. Die Untauglichkeit der jeweils nun nationalen Währungen der neuen unabhängigen Staaten als kapitalistisches Geld verstärkte sich. Analog zum Rubel gab es auf den internationalen Geldmärkten keine Nachfrage nach den neuen nationalen Währungen, da Investitionen in diese Volkswirtschaften völlig uninteressant waren und höchstens als Spekulationsobjekte in Betracht kamen.

Die Russische Föderation und die anderen nun unabhängigen Staaten wirtschafteten sich durch den Ausverkauf ihrer nationalen Produktionsmittel gegen Devisen in harte Währungen in eine Abhängigkeit vom Weltmarkt hinein. Das bedeutet, dass sie nun gezwungen waren, die Reproduktion ihrer nationalen Volkswirtschaften durch Handel zu sichern, indem sie Weltmarktgüter importierten (zu dieser Zeit nicht nur Hochtechnologie und Maschinen, sondern auch Nahrungsmittel) und Rohstoffe oder ihre eigenen Produkte auf dem Weltmarkt exportierten. Sie wirtschafteten sich mit ihrer neuen „Freiheit“ somit in einen Zwang hinein, Devisen verdienen zu müssen.

Der Westen unterstützte diesen Prozess in seinem Interesse, genau diese Abhängigkeit aufzubauen, z.B. mit Exportbürgschaften für Devisenbeschaffung.

Die Devisenbeschaffung bedeutete also keinen nationalen Gewinn und keinen materiellen Beitrag zur nationalen Akkumulation durch Erneuerung der Produktionsanlagen, sondern war ein Ausverkauf von Reichtümern und eine Aufzehrung vorhandener Produktionsmittel.

Politisch entwickelten sich die „nationalen Aufbruchprogramme“ und der damit verbundene Devisenbeschaffungszwang der neuen unabhängigen Staaten damit in die permanente Aufgabe, sich nach auswärtige Interessen zu richten.

Entsprechend konkurrierten die unabhängigen Staaten darum, sich den Gläubigern der ehemals sowjetischen Auslandsschuldner als solide verlässliche Schuldner für die Möglichkeit der Aufnahme neuer Schulden anzubieten. Diese Konkurrenz wurde vor allem gegenüber der neuen Russischen Föderation ausgetragen, die sich als rechtmäßiger Nachfolgestaat der SU und damit als der verlässlichste Schuldner anbot. Die neuen unabhängigen Staaten nationalisierten in der Folge ihre jeweils nationale Abteilung der ehemals sowjetischen Vneshekonombank (Außenhandelsbank) und beschlagnahmten die Devisenkonten auf dem eigenen Terrain, um sie der russischen Kontrolle zu entziehen und sie somit unter ihre eigene nationale Kontrolle zu bringen. In der Folge gelangten kaum noch Devisen aus den neuen unabhängigen Republiken in die russische Außenhandelsbank, sodass ihre Devisenreserven entsprechend sanken (GSP 1992).

Das rasche Schrumpfen der russischen Devisenreserven stellte aufgrund der oben beschriebenen Abhängigkeit der Volkswirtschaft von Importen aus den Weltmärkten ein existenzielles Problem dar. Daher entschied die russische Regierung im Februar 1992, 40 % der Gewinne aus Exportgeschäften zur Begleichung eigener Schulden abzuschöpfen, was für die Exporteure eine sehr drastische Maßnahme war. Diese Entscheidungen führt zu einer Verstärkung der Umgehungsmaßnahmen der Kapitalisten: Sie sicherten ihr im Ausland verdientes Geld gegen den russischen Staat ab, indem sie es im Ausland deponieren oder Außenhandel auf eigene Faust betrieben, was nun durch die Aufgabe des Außenhandelsmonopols und breite Gesetzeslücken möglich war (GSP 1992).

Die Notwendigkeit der ständigen Devisenbeschaffung, der Kontrollverlust über ebendiese durch die Abtretung des Außenhandels an das private Kapital und die Konkurrenz um die Schuldenbedienung, also die Etablierung als verlässlicher Schuldner gegenüber den westlichen Gläubigern, führte zu anhalten Konflikten zwischen den Nachfolgestaaten der SU. Dies brachte den Westen in eine Machtposition, er konnte nun als Schuldner die Konditionen setzen und damit auch politischen Einfluss geltend machen. Dieses einseitige Verhältnis wurde schlussendlich mit der Aufnahme der Nachfolgestaaten der SU in den Internationalen Währungsfonds (IWF) folglich politisch und rechtlich institutionalisiert.

Die Überführung der russischen Wirtschaft unter die Aufsicht der imperialistischen Hauptmächte durch den IWF

Mit diesem Schritt gelang dem Westen die politische Aufsicht über die Schuldenbewirtschaftung der Russischen Föderation. Die Aufnahme Russlands in den IWF führt zu einer Steigerung der Abhängigkeit vom Weltmarkt, weil die ihm gewährleisteten Kredite von 24 Mrd. USD in ebendiesen Dollar zurückgezahlt werden mussten.

Die Kreditvergabe erfolgte, wie beim IWF üblich, nur unter der Bedingung der Einhaltung von Reformen, die ein Abtreten der wirtschaftspolitischen und fiskalischen Souveränität an den IWF bedeuteten:

Die durchgesetzten Sparreformen durch Privatisierungen, Kürzungen von „Defiziten“ u.Ä. führten unweigerlich zu Preissteigerungen. Dies war ganz im Sinne der russischen Regierung, da so der Wert des Rubels stieg (vgl. oben): Im Sommer 1992 wurde der Rubel durch einen Präsidentenerlass mit Gesetzeswirkung allen (auch ausländischen) Geschäftssubjekten als verbindliches Zahlungsmittel vorgeschrieben. Dieses Gesetz wäre ohne eine materielle Grundlage, nämlich einen Umtauschkurs von Rubel in Devisen, nicht möglich gewesen. Eine solche Sicherheit konnte Russland zu diesem Zeitpunkt selbst nicht garantieren, erst die Unterstützung des IWF machte diesen Schritt möglich. Die Absicherung des Umtauschkurses der nationalen Währung hatte seine materielle Grundlage nun also in der ausländischen Kreditgarantie und nicht in der Potenz der nationalen Volkswirtschaft. Mit diesem Schritt war die Abhängigkeit der Souveränität des „neuen Russlands“ von den Regeln der imperialistischen Weltordnung institutionalisiert und gesichert.

Das Ergebnis der Perestroika: Die Abhängigkeit Russlands von den Regeln imperialistischer Weltordnung

Die Perestroika-Reformer setzten mit ihrem Programm in den Jahren 1992-1993 einen neuen russischen Kapitalismus in die Welt, in dem die nationale Staatsmacht keine Kontrolle mehr über ihre Ökonomie und folglich ihr Geld innehatte. Sie bewirtschaftete zu dieser Zeit einen nach außen wertlosen Rubel und den permanenten Zwang sich für die Devisenbeschaffung politisch, wirtschaftlich und fiskalisch herzurichten. In dieser Zeit wurde keine nennenswerte Kapitalistenklasse geschaffen, die innerhalb des Landes zu Reichtum gelangte; stattdessen akkumulierte sie ihren Reichtum im Ausland.

Teil II: Der Zusammenbruch 1998

Im Verlauf der 1990er Jahre erlebte die Russische Föderation einen Rückgang der Industrieproduktion um 56 % im Vergleich zu 1988. Bis 1994 erreichte das Produktionsniveau das der ehemaligen Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR). Gleichzeitig vollzog sich, bedingt durch die weitere Liberalisierungspolitik u.a. im Bankensektor, eine Gründungswelle neuer Bankinstitutionen. Der wirtschaftliche Zusammenbruch führte dazu, dass der Staat nicht mehr genügend Steuern für den Haushalt einnehmen konnte. Dies wurde zusätzlich durch ein dezentrales Steuersystem verschärft, bei dem nicht alle Zahlungen aus den Föderationssubjekten ihren Weg nach Moskau fanden, sowie durch weitverbreitete Steuerhinterziehung, insbesondere in Form von Kapitalflucht ins Ausland. Generell wird in dieser Zeit ein Kapitalabfluss von bis zu 400 Mrd. USD vermutet. Gleichzeitig hatte die Russische Föderation als Rechtsnachfolger der Sowjetunion deren Auslandsschulden übernommen, was die finanzielle Belastung zusätzlich erhöhte.

Diese Ausgangslage, sowie die sich anbahnende Hyperinflation, veranlasste den russischen Staat ab 1995 eine Reihe von Reformen durchzuführen, um die Lücken im Haushalt zu füllen und die Wirtschaft, zumindest zeitweise, zu „stabilisieren“. Kernstück der Reformen war dabei ein sogenannter Wechselkursanker, der den russischen Rubel in einem festen Wechselkurskorridor im Verhältnis zum US-Dollar festsetzte. Dies konnte durch die ausreichend vorhandenen Devisenreserven in der Ankerwährung (hier dem US-Dollar) durchgesetzt werden. Dies führte dazu, dass sich der Rubel bis Mitte des Jahres stabilisierte, was wiederum zur Folge hatte, dass die Kapitalbewegung von einer Kapitalflucht zu einem Anstieg von Kapitalimporten (fast ausschließlich in den Finanzmarkt) umkehrte. Russland wurde in dieser Zeit als „Emerging Market“, also Schwellenmarkt, eingestuft, was ausländischen Investoren suggerierte, dass das Marktrisiko in der Russischen Föderation geringer sei.

Eine weitere wichtige Reform war die Umstellung der Finanzierung der öffentlichen Haushalte auf den privaten Kapitalmarkt. Ehemalige Zentralbankkredite wurden durch Schatzwechsel mit kurzer Laufzeit (rus. GKO, gosudarvstvennyie kratkosrochnyie beskuponnyie obligazii), sowie durch Wertpapiere mit einer Laufzeit zwischen einem und drei Jahren und einem flexiblen Zinssatz (OFZs) verdrängt. Zwischen 1995 und 1997 stieg der Gesamtbetrag dieser Anleihen von 50 Mrd. Rubel auf 350 Mrd. Rubel an. Für Anleger waren besonders die GKOs attraktiv, da sie eine kurze Laufzeit hatten: 70 % liefen weniger als 150 Tage, und 17 % sogar nur 30 Tage. Zugleich garantierten sie hohe Renditen: Bis 1997 lagen diese bei 20 %, stiegen jedoch im folgenden Jahr auf 150 %. Dadurch verschuldete sich der russische Staat erheblich, indem er versprach, das Geld der Gläubiger schnell zu vermehren – sowohl in Rubel als auch in Fremdwährungen, insbesondere dem US-Dollar. Für die ausländischen Anlieger waren die Investitionen in GKOs durch den stabilen, künstlich hochgehaltenen Rubelkurs interessant. Eine Abwertung des Kurses hätte zur Folge gehabt, dass der Kapitalimport sofort zum Erliegen käme und gleichzeitig die Schulden der Russischen Föderation in Fremdwährungen anstiegen. Ende 1997 betrug die Staatsverschuldung 123,5 Mrd. USD, was 27,5 % des BIP entsprach. Auch die Banken hatten sich erheblich in Auslandswährungen verschuldet, unter anderem zur Finanzierung des Kaufs von GKOs und OFZs. Im Jahr 1998 beliefen sich die Verbindlichkeiten der Banken in Auslandswährungen auf etwa 250 % ihres Guthabens in diesen Währungen.

Im Juli 1997 begann in Thailand die „Asienkrise“, ausgelöst durch die Freigabe der Landeswährung Baht. Auch andere Länder wie Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur und Südkorea waren betroffen. Diese Krise hatte zwei wesentliche negative Auswirkungen auf die Russische Föderation: Erstens kam es zu einer Neubewertung der Schwellenmärkte, was zu einer Flucht der Anleger in westliche Anlagemöglichkeiten führte. Zweitens fiel der Dollarpreis für Öl und Gas um 30 %, was unter anderem durch die verringerte Nachfrage infolge der Asienkrise bedingt war. Daraus folgte, dass der russische Staat am 17. August 1998 zahlungsunfähig wurde und seine Schulden nicht mehr begleichen konnte. Infolgedessen wurde die Rückzahlung der Schulden für drei Monate ausgesetzt, und der zuvor festgelegte Rubelkurs wurde freigegeben. Zuvor hatte man versucht, den Rubel durch Stützungskäufe und den Erwerb von Devisen zu stabilisieren, unter anderem mithilfe eines IWF-Kredits. Die Freigabe des Wechselkurses hatte eine Abwertung um 50 % zur Folge. Gleichzeitig konnten die Banken aufgrund des Zahlungsmoratoriums ihre GKOs und OFZs nicht in liquide Mittel umwandeln, was die Pleitewelle der russischen Banken stark vorantrieb. Innerhalb eines Jahres verringerte sich die Anzahl der Banken in Russland von 1600 auf 1390. Laut einer Weltbankstudie aus dem Jahr 1999 waren von den 18 größten Banken vor der Krise nun 15 zahlungsunfähig, gleichzeitig hatte sich das Eigenkapital des gesamten Bankensystems halbiert.

Was das Finanzsystem schwer traf, führte gleichzeitig zu einem Aufschwung in der Industrie der Russischen Föderation. Diese war, wie bereits erwähnt, im Vergleich zur Wirtschaftskraft der Sowjetunion stark geschwächt und durch den hohen Rubelkurs im Export benachteiligt. Nach der Abwertung des Rubels profitierte die Industrie von den niedrigeren Wechselkursen und dem wachsenden Interesse an russischen Waren im Ausland. Beispielsweise verdoppelte sich der Exportwert zwischen 1998 und 2002.

Das politische Ergebnis der Finanzkrise war, dass Teile der aufstrebenden russischen Bourgeoisie die Notwendigkeit eines stabilen Wirtschaftssystems mit stärkerer staatlicher Kontrolle erkannten. Die Krise traf vor allem den Bankensektor hart, wodurch einflussreiche Kapitalistengruppen wie die Semibankirschina (Sieben-Bankiers-Bande) durch den Bankrott ihrer Banken an wirtschaftlicher Macht und Einfluss verloren oder zu der Erkenntnis kamen, dass der Staat eine stärkere Rolle in der Wirtschaft spielen müsse.

Eine weitere Folge war ein Konzentrationsprozess innerhalb der russischen Wirtschaft, der durch Unternehmensfusionen geprägt war. Zusätzlich erkannte der russische Staat die Wichtigkeit einer teilweisen Kontrolle des Rohstoffexportes und übernahm, beispielsweise mit dem Konzern Gazprom, mehr Kontrolle über die Staatseinnahmen. Dabei wurde die Abhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten durch eine Abhängigkeit vom Ressourcenexport ersetzt. Dieser Export führte zwar zu einem schnellen Anstieg des Wachstums, dieser beruhte aber vor allem auf dem hohen Ölpreis, der zwischen 1998 und 2004 von 74 USD auf 232 USD anstieg.

Ein Beispiel für die Forderung nach verstärkter staatlicher Intervention war die Gründung des Russländischen Verbands der Industriellen und Unternehmer (RSPP). Dieser Verband entstand nach einem Treffen der 19 größten Unternehmer mit Putin im Juli 2000. Der RSPP diente als Plattform zur Institutionalisierung des „ideellen Gesamtkapitalisten,“ indem er wirtschaftspolitische Forderungen bündelte und diese geschlossen gegenüber dem Staat vertrat. Putin schieb 1999 über die neue Rolle des Staates: „Unabhängig davon, wem natürliche, insbesondere mineralische Ressourcen gehören, hat der Staat das Recht, den Prozess ihrer Entwicklung und Nutzung zu regulieren und dabei im Interesse der Gesellschaft als Ganzes und der einzelnen Eigentümer zu handeln. Damit deren Interessen ins Spiel kommen, im Widerspruch zueinanderstehen und um einen Kompromiss zu erzielen, ist die Hilfe staatlicher Stellen erforderlich“. Ergänzt wird die Bedeutung der wirtschaftlichen Stabilität durch das Eintreten für die „Integrität“ der Russischen Föderation: Sowohl RSSP als auch der neue Ministerpräsident Putin standen für eine Bekämpfung des Separatismus in Tschetschenien (Kriegsbeginn 1999).

Teil III: Entwicklung des Kapitalismus in Russland 2000-2008

Phase der Stabilisierung in Russland: Agenda einer strategischen Steuerung des russischen Kapitalismus

Die Jahre 2000 bis 2008 gelten als die Phase der Stabilisierung in Russland. Nach der Finanzkrise unter Jelzin wurde unter Wladimir Putin die Staatsmacht im Kreml zentralisiert und der Ausverkauf der russischen Produktion gebremst. Die Entwicklung wurde vom westlichen Imperialismus äußerst kritisch betrachtet, da ihr Einfluss auf die russische Entwicklung dadurch deutlich gehemmt wurde. Gleichzeitig trat die Russische Föderation in dieser Phase außenpolitisch deutlich selbstbewusster auf. Dieser Aspekt soll in diesem Text aber nicht tiefergehend betrachtet werden. Vielmehr sollen die politische und ökonomische Entwicklung betrachtet und auch die Auswirkungen auf die Arbeiterklasse in Russland mit einbezogen werden.

„Staatsmacht wiedererlangen“

Wladimir Putin wurde 1999 von Jelzin zum Ministerpräsidenten ernannt. Es handelte sich also nicht um ein komplett neues Gesicht, sondern um jemanden, der das Ansehen Jelzins genoss. Dafür gewährte Putin Jelzin Immunität, er ließ seine Vergangenheit – inklusive Staatsbankrott – ruhen.

Zu Beginn seiner Amtszeit schätze Putin die Souveränität und Sicherheit der Russischen Föderation als gefährdet ein. Dies machte er an vier Punkten fest:

  • Die Ökonomie war zerfasert. Es gab keinen geregelten Binnenmarkt, die russische Ökonomie war davon geprägt, dass Produktionsmittel ausverkauft wurden.
  • Die zerfaserte Ökonomie war stark abhängig vom ausländischen Finanzkapital
  • Die staatliche Macht konnte sich nur sehr begrenzt durchsetzen. Dies wurde auch an vielen Separationsbewegungen in den einzelnen Regionen der RF deutlich.
  • Die staatliche Macht war außerdem angeschlagen da viele Beamte nicht dem Staat als solches verpflichtet waren, sondern mehr einzelnen Oligarchen.

Putins Programm sah deswegen eine Restaurierung der staatlichen Macht vor. Um die Einmischung verschiedener Oligarchen in die Angelegenheiten des Kremls zu verhindern oder zumindest einzuschränken, fand im Jahr 2000 ein Treffen mit den zehn größten Kapitalisten statt. Bei diesem Treffen wurde vereinbart, dass sie nicht verpflichtet sind, den Ursprung ihres Vermögens offenzulegen, sich jedoch im Gegenzug nicht in die Politik einmischen dürfen.

Der bekanntesten Separationsbewegung, der in Tschetschenien, wurde mit harter Hand begegnet. Die russische Armee griff durch, um ein Zerfallen der Russischen Föderation zu verhindern und ein Exempel gegen alle Kräfte zu statuieren, die ähnliche Absichten hegten. Auch wenn die Macht mehr im Kreml zentralisiert werden sollte, gab es gleichzeitig Bestrebungen, das autonome Handeln der einzelnen Regionen zu fördern. Dies geschah wohlgemerkt in einer Zeit, in der sich einige Regionen als „souveräne Staaten, assoziiert mit der Russischen Föderation“ bezeichneten und folgend mehr Freiheiten in ihrer sozioökonomischen Politik erhielten. Inwiefern dies zu einer Auseinanderentwicklung je nach ökonomischer Stärke führte, lässt sich hier jedoch nicht abschließend beurteilen.

Wie oben schon beschrieben, kann man bei der Übernahme des Präsidentenamtes durch Putin nach Jelzin, nicht von einem kompletten Machtwechsel sprechen. Dies zeigt sich auch daran, dass im Jahr 2003 77 % der staatlichen Führungsschicht aus der ehemaligen Nomenklatura der Gorbatschow- und Jelzin-Zeit stammten. Seit 2000 ist dieser Anteil sogar noch gestiegen, insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Militär. Gleichzeitig kam es jedoch auch zu einer Verjüngung des Personals: 24 % des Führungspersonals wurden seit 2000 ersetzt. Wie oben schon beschrieben, kann man bei der Übernahme des Präsidentenamtes durch Putin nach Jelzin, nicht von einem kompletten Machtwechsel sprechen. Dies zeigt sich auch daran, dass im Jahr 2003 77 % der staatlichen Führungsschicht aus der ehemaligen Nomenklatura der Gorbatschow- und Jelzin-Zeit stammten. Seit 2000 ist dieser Anteil sogar noch gestiegen, insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Militär. Gleichzeitig kam es jedoch auch zu einer Verjüngung des Personals: 24 % des Führungspersonals wurden seit 2000 ersetzt.

 Putin selbst bezeichnete den russischen Staat 2008 als weiterhin korruptes und bürokratisches System und forderte eine weitere Dezentralisierung und größeres Vertrauen in die Ministerien. Zu dieser Zeit arbeiteten 25 Mio. Menschen für den Staat.

Die Armee der RF setzte sich größtenteils aus den Überresten der in der Jelzin-Zeit stark reduzierten Roten Armee zusammen. Das betraf vor allem die Kernwaffen, die weiterhin als Abschreckung dienten. Von 1994 bis 2003 verringerte sich der Verteidigungsetat von 20 % auf 16 % des Staatshaushaltes. Nach Protesten aus dem militärisch-industriellen Komplex wurden das Verteidigungsbudget um 27 % angehoben, von 413 Mrd. Rubel auf 528 Mrd. Rubel. Im Jahr 2008 wurde beschlossen, dass bis 2020 eine neue Strategie für den Aufbau der bewaffneten Kräfte erforderlich ist.

Nach der Konterrevolution und der Einführung des Kapitalismus fehlte bis 2000 eine stringente Steuerpolitik, und es wurden kaum Steuergelder eingezogen. Im Jahr 2001 wurde dann eine Flat-Tax eingeführt, die eine allgemeine Steuer von 13 % für Unternehmen und Arbeiter festlegte. Diese niedrige Steuer sollte die Steuermoral erhöhen, um so überhaupt wieder einen staatlichen Zugriff auf Unternehmen und Löhne zu bekommen. So konnten schon deutlich mehr Steuereinnahmen als unter Jelzin eingenommen werden. Ziel der Steuerreform war es, Finanzreserven in Rubel aufzubauen, die für Krisen und soziale Verpflichtungen verwendet werden könnten, unabhängig von ausländischen Devisenreserven.

Die niedrige Unternehmenssteuer sollte auch die internationale Konkurrenzfähigkeit der russischen Unternehmen erhöhen. Um die Belastungen der Finanzkrise 2008 abzumildern, wurden die sozialen Verpflichtungen der Unternehmen noch weiter verringert. Das wurde damit begründet, dass eine Senkung der Steuerlast für Bürger und Unternehmen erforderlich sei, um Investitionen in die Entwicklung des menschlichen Kapitals zu stimulieren.

Durch die Finanzkrise unter Jelzin hatte sich Russland beim IWF verschuldet. Um sich von dieser Abhängigkeit abzulösen, wurden die Steuereinnahmen, die man durch den Rohstoffhandel einnahm (300 Mrd. allein in 2001) vor allem für den Abbau solcher Auslandsschulden eingesetzt. Allein 2001 wurden 40 % des Haushaltes für die Rückzahlung von Krediten genutzt. So konnte 2003 die IWF-Kredite vollständig zurückgezahlt werden.

Die Bundesrepublik forderte 2002 500 Mio.€ von der RF für Transferrubel aus DDR/SU-Zeiten zurück. Dieser Transferrubel war für wirtschaftliche Beziehungen zwischen der DDR und der Sowjetunion eingeführt worden. Die beanstandeten 500 Mio. € waren wohl relativ niedrig angesetzt, was von deutscher Seite aus damit begründet worden war, dass Russland sehr präzise seine Schulden an den Pariser Club (informelles Gremium für die Vermittlung von Zahlungsabläufen zwischen Staaten) seit 2000 zurückzahlte.  Insgesamt betrugen die Schulden an die BRD aber bis 2004 weiterhin 14 Mrd. Euro. Bis 2008 konnte die RF ihre Auslandsschulden auf auf 3 % des BIP reduzieren.

Russland konnte bis 2004 seine Devisen- und Goldreserven auf 117,4 Mrd. USD erhöhen. Der Rubel erholte sich wieder nach der Finanzkrise. Damit erhöhen sich wieder die Preise russischer Produkte im Ausland, nachdem sie durch den niedrigen Kurs des Rubels sehr billig geworden waren.

Ab 2000 griff der russische Staat stärker als zuvor in die russische Wirtschaft ein. Das war auch nötig, da eine funktionierende Wirtschaft auch notwendig für die Reproduktion der Arbeiterklasse war. Etwas wie ein Sozialstaat musste erst wieder aufgebaut werden, sodass die Arbeiterklasse konsumieren und sich reproduzieren konnte. Denn das größte Entwicklungspotential sah man in der Hebung der Produktivität der Arbeitskräfte. Um eine Ausbeutung durch ausländische Unternehmen zu beschränken, wurden insgesamt 42 Branchen vor ausländischen Investitionen geschützt.

Wie oben schon angedeutet wurde die Politik Putins, aber auch Medwedews, im Westen stark kritisiert. Dies lag besonders am selbstbewussteren Auftreten international. Hier soll nur beispielhaft auf die Rede Putins auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 eingegangen werden, da sie diesen Wandel verdeutlicht. Putin forderte dort mehr „Multipolarität“ statt „US-Vorherrschaft“, was er mit „Demokratisierung der internationalen Machtverhältnisse in der Weltgemeinschaft“ begründete. Er kritisierte, dass Abrüstungsverträge nur einseitig eingehalten würden und der Westen seinen Verpflichtungen nicht nachkäme. Dieser Wandel auf dem internationalen Parkett war nur durch den eigenen wirtschaftlichen Aufschwung möglich.

Die Erholung der russischen Nationalökonomie

Insgesamt lässt sich sagen, dass sich die russische Wirtschaft nach der Finanzkrise von 1999 in den frühen 2000er Jahren recht schnell erholte. Das BIP wuchs im Jahr 2000 bereits um 7 %, die Industrieproduktion sogar um 9,8 %. Dieses wirtschaftliche Wachstum hatte verschiedene Ursachen, die nicht allein in der neuen Kontrolle des russischen Staates zu suchen sind. Die Rubelabwertung von 1998 ermöglichte es, russische Produkte sehr günstig auf dem internationalen Markt zu verkaufen. Zudem stieg der weltweite Erdölpreis, was insbesondere dem rohstoffexportlastigen Sektor der russischen Wirtschaft zugutekam. In diesem Zusammenhang beschränkte der russische Staat die Binnenpreise für Energieträger, wodurch die inländische Produktion verbilligt und der Konsum innerhalb der Bevölkerung angekurbelt wurde. Ein weiteres staatliches Mittel zur Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung war die Einführung staatlicher Überwachung der Unternehmen. Dafür wurden auch die Geheimdienste mit einbezogen. Trotz der verstärkten staatlichen Kontrolle wurde bis 2005 weiterhin angenommen, dass etwa 25 % der Wirtschaft nicht vollständig erfasst oder reguliert waren.

Ein Ergebnis des wirtschaftlichen Wachstums waren insbesondere die gesteigerten Exporte. Bis 2003 konnten diese um 29,8 % erhöht werden, während die Exporte in die GUS-Staaten sogar um 33,8 % stiegen. Insgesamt wurde der Warenumschlag mit dem Ausland vergrößert, und zwar um das Fünffache. Dabei spielten Staatsbetriebe eine bedeutende Rolle, da sie sowohl die finanziellen Mittel bündeln als auch die notwendigen organisatorischen Kapazitäten bereitstellen konnten. Trotz der aufsteigenden Tendenzen blieb die Kapitalflucht ein Problem der russischen Ökonomie, die im Jahr 2000 bei immer noch 20 Mrd. USD lag. Gleichzeitig nahmen die Investitionen in die RF zu, von 2000 bis 2008 waren es 82 Mrd. USD.

Russland verfügt über reiche Vorkommen an Rohstoffen, insbesondere an Erdöl und Gas. Durch die Übernahme der beiden großen Unternehmen Jukos und Sibneft durch die Staatskonzerne Rosneft und Gazprom konnte der russische Staat die Kontrolle über die Rohstoffexporte zurückgewinnen. Bis 2007 kontrollierte der Staat somit wieder über 40 % der Förderungen. In den 90er Jahren waren zusätzlich Konzessionen zur Förderung von Öl und Gas an ausländische Konzerne vergeben worden. Für ihre Gewinne aus den Förderungen mussten sie keine Abgaben bezahlen, solange sie ihre Unkosten noch nicht wieder reingeholt hatten, was zu einer ständigen vorgeblichen Unkostenerhöhung seitens der Unternehmen führte. Deshalb wurden u.A. diese Konzessionen auf den Prüfstand gestellt und zum Teil wieder zurückgenommen. Trotzdem kamen 2007 weiterhin 26 % der Ölfördermenge ausländischem Kapital zu.

Trotz großer Gewinne durch Exporte der Rohstoffe kam es 2001 zu einer Energiekrise im Inland. Es zeigte sich, dass ein Spannungsfeld in der russischen Ökonomie zwischen dem Bedarf an Rohstoffen im eigenen Land und der Exportmenge existierte.

2007 war das Jahr des größten Zuwachses des BIP (+8,1 %). Damit lag die RF noch vor Italien und Frankreich. Insgesamt lag das Wirtschaftswachstum von 2000 bis 2007 bei 72 %. Trotzdem lag das Verhältnis von Investitionen aus dem Ausland zu Investitionen russischen Kapitals ins Ausland weiterhin bei 15:1. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Russland zu dieser Zeit keinen nennenswerten Netto-Kapitalexport betrieb.

Das Geschäft mit Europa beschrieb Putin 2008 weiterhin als schwierig:  europäischen Firmen würden sich nicht an Absprachen halten und russische Firmen würden vom europäischen Markt ferngehalten werden, z.B. bei atomaren Brennstoffen. Unter den europäischen Ländern nahm die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Rolle in den wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland ein. Sie begrüßte insbesondere die Marktliberalisierung, da sie ihrem Export hochwertiger Industrieprodukte zugutekam.

Es ist wichtig zu erkennen, dass die russische Wirtschaft nicht so weit diversifiziert werden konnte, wie ursprünglich geplant. Im Jahr 2008 machten Rohstoffe noch 80 % der russischen Exporte aus, während Industrieprodukte lediglich 15 % ausmachten. Besonders die Rüstungsindustrie spielte eine bedeutende Rolle, da sie als einziger wettbewerbsfähiger Sektor gilt, der zudem staatlich dominiert wird. Während der Finanzkrise zeigte sich jedoch, dass selbst die profitablen Rohstoffunternehmen nicht stabil aufgestellt waren und 2008 mit 150 Mrd. Rubel unterstützt werden mussten.

Insgesamt konnte sich die russische Wirtschaft im weltweiten Vergleich von Platz 22 im Jahr 1999 auf Platz 11 im Jahr 2008 verbessern.

Sozio-ökonomische Verbesserungen für die russische Arbeiterklasse im Rahmen der kapitalistischen Möglichkeiten

Nur das wirtschaftliche Wachstum kann eine tatsächliche zuverlässige Grundlage für eine langfristige Lösung der sozialen Probleme, auch für Armutsbekämpfung geben. (Putin 2006)

Für weite Teile der russischen Arbeiterklasse war die Tausch- und Selbstversorgung weiterhin essenziell, um über die Runden zu kommen. Aus diesem Grund spiegeln die Lohnstatistiken in diesem Fall nicht unbedingt das tatsächliche Einkommen der Arbeiterinnen und Arbeiter wider.

Wie bei der Besteuerung wurde auch der Minimallohn niedrig gehalten, um zu verhindern, dass Unternehmen in die Schattenwirtschaft abwandern. Im Jahr 2002 sollte der Minimallohn an das Existenzminimum gebunden werden, was eine erhebliche Verbesserung der Lebensbedingungen versprochen hätte. Dieses Vorhaben wurde jedoch 2004 zurückgezogen, und zusätzlich wurden die Lohnnebenkosten gesenkt.

Im Jahr 2007 wurde der Minimallohn von 1.100 auf 2.300 Rubel angehoben. Da der Steuerfreibetrag jedoch nicht erhöht wurde, unterlag ein größerer Teil des Einkommens der Besteuerung. Der Minimallohn lag weiterhin unter dem Existenzminimum und stand im starken Kontrast zur boomenden Wirtschaft und den hohen Gewinnen der Unternehmen. Zudem galt der Minimallohn nicht landesweit, sondern konnte von den Regionen angepasst werden. Insgesamt stiegen die Löhne bis 2007 um das 2,5-fache. Der Sozialstaat wurde zwar aufgebaut und sollte gemäß der Agenda größere Teile der Bevölkerung unterstützen, dennoch spiegelte er auch die marktliberale Linie Putins wider: Bürger wurden dazu angeregt, sich selbst um ihre Renten- und Gesundheitsversorgung zu kümmern. Parallel dazu wurden die Sozialabgaben der Arbeitgeber 2004 von 35,6 % auf 26 % gesenkt. Zudem wurde 2005 eine Erhöhung des Rentenalters beschlossen: Für Männer von 60 auf 68 Jahre und für Frauen von 55 auf 63 Jahre. Dies konnte nicht durchgesetzt werden, weil der Widerstand zu groß war und damit auch 2007 noch immer jeder zweite Mann vor dem Eintritt in die Rente verstorben wäre.

Eine weitere einschneidende Maßnahme war die Abschaffung von Vergünstigungen für viele Arbeiter und Veteranen bei Medikamenten und dem öffentlichen Personenverkehr im Jahr 2006. Diese Vergünstigungen stammten noch aus der Sowjetunion und sollten durch Geldleistungen ersetzt werden. Für einige stellte dies einen positiven Schritt dar, da sie ohnehin keinen Zugang zu vergünstigtem ÖPNV hatten. Für andere hingegen bedeutete die Kürzung einen erheblichen Einschnitt, da die angebotenen Geldleistungen nicht ausreichten, um die Kosten für Medikamente zu decken. Neben den Einsparungen für den Staat wurde die Kürzung auch damit begründet, dass man sich von dem sozialistischen Erbe trennen wolle.

Die Armut, die mit der Konterrevolution in die Russische Föderation einzog, blieb auch nach 2000 erheblich. Im Jahr 2007 galten 16,3 % der Bevölkerung als extrem arm. Auch wenn die absolute Armut von 40 % 2000 auf 20 % 2008 der Bevölkerung sank, blieb sie dennoch ein bedeutendes Problem, da nach wie vor die Hälfte der Bevölkerung weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens verdiente.

Teil IV: Russlands Kapitalismus nach und in den Krisen

Die Weltwirtschaftskrise 2008 und die ab 2015 verhängten Sanktionen haben die materielle Krisenanfälligkeit der politischen Agenda, die in Teil III dargelegt wurde, deutlich gemacht. Sie haben der Regierung aufgezeigt, dass alle Bemühungen, eine unabhängige Entwicklung Russlands zu verfolgen und dabei den Westen einzubeziehen, zum Scheitern verurteilt sind. Im folgenden Teil wird die Politik seit 2008, ihre Widersprüche und Folgen für Russland untersucht.

Die Politik seit 2015 und 2022: Versuche der Trennung vom Westen

Seit 2008, und insbesondere seit der intensiven Sanktionspolitik ab 2015, die durch die Eingliederung der Krim in die RF ausgelöst wurde, bemüht sich Russland verstärkt darum, die strukturellen Probleme zu verringern, die seine Abhängigkeit vom Rohstoffexport und seine Anfälligkeit bedingen.

Ein wichtiges Mittel für den Kampf gegen die oben dargelegte schädliche Abhängigkeit von ausländischem Kapital- und Warenimport ist eine verstärkte Importsubstitutionspolitik. Ziel ist es, ein nationales Produktionssystem zu schaffen, das, geschützt vor überlegenen Importen, neue Strukturen entwickelt und in Bezug auf Preise, Qualität und Diversität ein Niveau erreicht, das mit internationalen Wettbewerbern vergleichbar ist. Dieses nationale Produktionssystem soll den Import von Gütern durch eine eigenständige Produktion ablösen. (vgl. Vercieul, 2023, S.50).

Weiterhin wird, wie schon ähnlich in den frühen 2000er Jahren, die Diversifizierung der Wirtschaft angestrebt, um die Abhängigkeit der Volkswirtschaft aus den Exporterlösen der Rohstoffförderung zu senken. Dies treibt Russland insbesondere seit den extremen Primär- und Sekundärsanktionen gegen seine Exporte voran.

Brangsch (2022) bezeichnet diese Maßnahmen als „neue Lösungen für alte Probleme“; in Anbetracht dessen, dass es diese Bemühungen allerdings schon in den frühen 2000er Jahren gab, ist fraglich, ob es sich wirklich um „neue Lösungen“ handelt. Ein wesentlicher Unterschied ist freilich die verstärkte Abwendung vom Westen auf der einen und Zuwendung in Richtung China, Indien u.A.

Was diese politische Agenda für das Verhältnis zwischen Staat und Kapital innenpolitisch bedeutet, ist derzeit Gegenstand intensiver Debatten und Interessenkonflikte in Russland. Brangsch beschreibt, dass es in den russischen Führungskreisen nach wie vor „wirtschaftsliberale Strömungen“ gibt, die gegen „konservative“ Kräfte kämpfen. Dies deutet darauf hin, dass westlich orientierte Kräfte weiterhin Einfluss in den russischen Eliten haben. Die Militäroperation in der Ukraine sei ganz offensichtlich ohne Zustimmung breiter Teile des russischen Großkapitals entschieden worden. Um solche Unsicherheiten in Zukunft zu vermeiden, sei ein Umbau der Kapitalistenklasse mit dem Ziel einer stärkeren politischen Loyalität das Ziel.

Ob dies angesichts der strukturellen Probleme Russlands in der daraus resultierenden mangelhaften Attraktivität als Akkumulationsstandort – trotz der o.g. Reformen – realistisch ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Teil V: Der Zustand der russischen Volkswirtschaft als langfristiges Ergebnis der (Wirtschafts-) Politik in Russland 

Die russische Volkswirtschaft ist durch die staatliche Übernahme und Interventionen der aus Sicht der Regierung strategisch relevanten Abteilungen (siehe Teil III) auf der einen, und der Widersprüche der Kapitalisierung der sozialistischen Gebrauchswertökonomie auf der anderen (Teil II) weiterhin geschieden in rentable und unrentable Abteilungen.

Die Programmatik der Putin-Regierung war und ist die Herstellung eines nationalen Kapitalismus, der Gewinne für den Erfolg und Selbstbehauptung Russlands in der Staatenwelt abwirft. Ein solcher Kapitalismus wurde aus ihrer Sicht von der Jelzin-Administration zwar bezweckt, aber noch nicht erfolgreich in die Welt gesetzt. Als zentraler politischer Handlungsschwerpunkt folgt daraus bis heute, dass der Staat die Kommandogewalt über seine Wirtschaft und sein Geld zurückerlangt – auch gewaltsam gegen die Interessen einzelner Eigentümer (vgl. Teil III).

Der Staat hat sich durch diese Politik einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Staatsbetriebe eingekauft. Durch staatliche Investitionen soll die Produktivität dieser Betriebe vorangebracht werden. Durch solche Übernahmen sollen die Exporterlöse für die Entwicklung der russischen Volkswirtschaft abgesichert werden. Aus dieser wirtschaftspolitischen Zielsetzung, gepaart mit den finanziellen Begrenzungen, vor denen der russische Staat steht, folgt jedoch, dass er nur sehr bestimmte Abteilungen der Volkswirtschaft so übernehmen, bezuschussen und kontrollieren kann. Vercieul  bezeichnet dies als „selektiven Staatsmonopolismus“, bei dem die wirtschaftlichen Aktivitäten des Staates zwar zugenommen haben, sich jedoch auf spezifische Branchen konzentrieren (ebd. S.40). Auf die finanzielle Begrenztheit dieser Politik geht Vercieul ein, der unterschiedliche Einschätzungen der russischen Monopolkommission, Fachzeitschriften und des IWF über den staatlichen Anteil an Unternehmensbeteiligungen zitiert (ebd. S.45), die hier jetzt aber nicht vertieft werden.

Das Problem der Scheidung in rentable und unrentable Abteilungen der russischen Volkswirtschaft ist nicht etwa nur ein für Russland zu bedauernder Einschnitt des russischen BIP, sondern ein fundamentales Problem für seine Volkswirtschaft als Ganzes: Alle Abteilungen seiner Volkswirtschaft sind weiterhin, aufgrund der in Teil I und Teil II geschilderten postsowjetischen Produktionsbeziehungen, organisch aufeinander angewiesen (vgl. Teil I und II). Die gesamtnationale Kapitalakkumulation ist daher abhängig von der gegenseitigen Notwendigkeit der Einzelbetriebe, Kapital zu akkumulieren. Die Konsequenz dieses fundamentalen Problems ist ein negativer Zirkel/“Teufelskreis“: Die mangelnde Rentabilität des einen Betriebs wirkt sich notwendig negativ auf die Rentabilität des anderen aus und die wiederum auf den dritten etc. Es stellten sich also weiterhin nur sehr schleppend kapitalistische Produktions- und auch Konkurrenzbeziehungen in der russischen Binnenwirtschaft (und auch im GUS-Wirtschaftsraum) ein.

Auf dieses Problem reagiert der russische Staat mit zwei Maßnahmen. Erstens versucht er, mit Staatsaufträgen, v.a. in der Infrastruktur, die unrentablen Abteilungen zu „unterstützen“ – in dem Sinne, dass er sie durch seine Aufträge produzieren lässt. Zweitens werden die rentablen Betriebe verpflichtet, die unrentablen zu unterstützen – in dem Sinne, dass sie dabei gesetzlich unter Druck gesetzt werden (durch Importsteuern) und finanziell unterstützt werden, ihre Vorprodukte von russischen Produzenten zu beziehen bzw. den Verkauf ihrer Produkte an russische Firmen, z.T. zu günstigeren Konditionen, dem Verkauf an ausländische Kunden vorzuziehen oder direkt mit ihrem Kapital in die unrentablen Betriebe zu investieren.

Eine weitere Verpflichtung, die der Staat den Betrieben auferlegt, besteht darin, einen größeren Anteil an den Reproduktionskosten der Bevölkerung zu tragen. Er ist weiterhin darauf aus, den in Teil I und Teil II geschilderten Niedergang der Ressource der menschlichen Arbeitskraft als Hindernis für einen nationalen kapitalistischen Erfolg Russlands zu verhindern. Die Betriebe werden entsprechend dazu verpflichtet, überhaupt, regelmäßig und ausreichend Löhne zu zahlen. Dies scheiterte bisher und bis jetzt nicht nur an der „Dreistigkeit“ der Betriebe, dies nicht zu tun – ein Resultat der neuen Freiheit, die ihnen das neue kapitalistische Russland gewährte – die Zahlung von Löhnen, die die Reproduktion der Arbeiterklasse halbwegs ermöglichen kann, scheitert auch schlicht daran, dass die Betriebe selbst nicht in der Lage waren, dafür ausreichend Geld zu verdienen und folglich die Lohnkosten zu stemmen.

Die hier dargelegten staatlichen Verpflichtungsmaßnahmen für das Kapital – die Unterstützung der unrentablen Betriebe durch die rentablen und die Zahlung der Reproduktionskosten der Arbeiterklasse – mindert die Rentabilität der Betriebe weiter. Dadurch wird sowohl vom Staat als auch vom Kapital Geld investiert, das sich nicht oder nur schlecht kapitalistisch rentiert, also unproduktiv verausgabt wird. Dies hat Folgen:

Die großen kapitalistisch erfolgreichen Energiekonzerne beklagen Kapitalmangel und stellen fest, dass ihre von staatlichen Krediten ermöglichten Investitionen in russische Förder-, Entwicklungs- und Forschungsmethoden nur mäßig Gewinn abwerfen. In der Folge entscheiden sie sich gegen solche Investitionen und a) sparen das Geld oder b) verkaufen die noch in der Sowjetunion erschlossenen Vorkommen bis zur Neige.

Solche Entscheidungen, die die Unternehmen im Rahmen ihrer Unternehmensfreiheit treffen, stehen gegen das staatliche Interesse, die russische Volkswirtschaft zu einer erfolgreich kapitalistischen zu machen. Sie rufen entsprechend politische Reaktionen hervor – eine maßgebliche ist die, dass der Staat selbst Unternehmen und Banken gründet.

Staatliche Unternehmensgründungen und Kreditierung

Russland gründete sechs staatliche Öl- und Gascluster, um den im vorherigen Kapitel dargelegten privatkapitalistischen Entscheidungen der Betriebe, die in dieser Branche tätig sind und von denen sich ein Beitrag zur nationalen Akkumulation erhofft wird, entgegenzuwirken.

Auch das russische Finanzwesen, das ursprünglich für die Kreditierung der Betriebe geschaffen wurde, hat außerhalb des Rohstoffsektors nur begrenzte Möglichkeiten, erhebliche Gewinne zu erzielen. Infolgedessen gibt es im Finanzsektor keine ausreichenden Kapitalreserven, um große wirtschaftliche Projekte zu finanzieren. Folglich bleibt der Staat (mit seinen Banken Sberbank und VTB) und nicht etwa kleinere russische Privatbanken der Hauptakteur für die Kreditschöpfung und Kreditvergabe für die russischen Unternehmen. Und damit setzt sich auch die Problematik der russischen Staatsverschuldung als wesentliches Element der Initiierung wirtschaftlichen Erfolges fort: Durch kontinuierlich unproduktive Staatsinvestitionen wird das aufgenommene Staatsschuldenkapital nicht in produktives Geldkapital umgewandelt. Diese Investitionen führen zu keiner oder nur unzureichend erfolgreichen Kapitalakkumulation, die sie als gerechtfertigt erscheinen lassen würde. Damit bleiben auch die Kreditvergabe-Bedingungen, v.a. die Kreditkosten durch steigende Zinsen des russischen Staates, erschwert. Die Kreditfähigkeit des russischen Staates hängt weiterhin stark von den Devisenreserven der Zentralbank ab.

Diese Politik hat also nur zum Teil das erreicht, was bezweckt wurde. Die Scheidung der russischen Volkswirtschaft in einen kleinen kapitalistisch rentablen und einen in der Breite kapitalistisch unrentablen Teil bleibt. Diese Zweiteilung wird auch mit der Politik der Putin-Administration fortgesetzt: Weiterhin werden solche erfolgreichen kapitalistischen Inseln hergestellt, erhalten und gefördert und auch weiterhin wird der Erhalt unrentabler Produktionsabteilungen staatlich befohlen – mit ebendem fortschreitenden Ruin dessen Produktionsapparats, da Investitionen in Erneuerung und Instandhaltung dieser Abteilungen vom Kapital als nicht rentabel beurteilt werden.

Russland schafft es also bei aller staatlich subventionierten Produktivität nicht zu einer weitreichenden kapitalistischen Rentabilität. Mit Ausnahme von Waffen sind russische Waren auf dem Weltmarkt nicht weiter nachgefragt. Damit beruht das ganze Projekt der nationalen Stärke Russlands auf kapitalistischer materieller Grundlage weiterhin auf vor allem einer Geldquelle: Die Öl- und Gasvorkommen. Diese Quelle unterliegt Schwankungen und politischen Entscheidungen, die außerhalb Russlands politischer Gewalt liegen. Sie und damit das ganze russische kapitalistische Staatsprojekt ist damit angreifbar. Deshalb entscheidet sich Russland, vor allem nach dem Einbruch der Ölpreise in der Krise 2008 für ein weiteres Instrument, das aus seiner Sicht die Akkumulation im Land voranbringen soll: Kapitalimport aus dem Ausland.

Kapitalimport aus dem Ausland- die Zurichtung Russlands als attraktiver Investitionsstandort

Der Einbruch der Ölpreise infolge der Krise 2008 und die darauf folgende Spekulationen gegen Russlands Staatsschulden haben die Herrschenden zur Erkenntnis gebracht, dass ihr Aufbauprojekt sehr stark von Faktoren, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, abhängt. Dies und die Erkenntnis, dass inländische private und staatliche Investitionen zu keiner Erweiterung der Rentabilität der Volkswirtschaft führen, hat sie in dem Beschluss bestärkt, ihre industrielle Basis durch Kapitalimport aus dem Ausland zu erweitern.

Für diesen Zweck gibt es drei Mittel: Sonderwirtschaftszonen für ausländisches Kapital, die Bereitstellung unrentabler Betriebe für ausländisches Kapital und die Öffnung des russischen Marktes für ausländische Unternehmen (GSP 2013).

Die zweite Maßnahme- die Bereitstellung von Betrieben für ausländisches Kapital- wird durch bestimmte investitionsfreundliche Bedingungen verstärkt. Russland ist insbesondere wegen seiner niedrigen Umweltschutzstandards attraktiv für bestimmte Industrieinvestitionen, da diese Standards für westliche Investoren in ihren Heimatländern zusätzliche Kosten verursachen. Darüber hinaus werden Teile der noch kaum kapitalisierten Landwirtschaft für ausländische Investitionen geöffnet. Zuletzt – und das ist der politisch besonders zentrale Punkt – werden russische Betriebe als „verlängerte Werkbank“ für westliches Kapital angeboten. Attraktiv werden solche Investitionen vor allem aufgrund im Vergleich zu westlichen Staaten geringen Arbeitsschutzstandards und Löhnen.

Politisch brisant, und im Gegensatz zur Zielsetzung stehend, ist dieser Schritt vor allem deshalb aus zwei Gründen: Erstens, weil mit einer solchen Funktionalisierung der russischen Betriebe ein Verlust der nationalen Souveränität über technologische und fertigungstechnische Fähigkeiten einhergeht, ein schmerzhafter Verlust für die internationale Konkurrenzfähigkeit aber auch Souveränität der über die eigenen staatlichen Gewaltmittel (Flugzeugindustrie). Zweitens, weil mit der Öffnung des russischen Marktes, v.a. für weltbeherrschende Autokonzerne, die für Arbeitsplätze und Autos für die russische Bevölkerung sorgen sollten, vor allem zu Profiten ebendieser Konzerne, die mangels rentabler Investitionsmöglichkeiten in Russland ihr dort verdientes Kapital vor allem außerhalb von Russland investieren. Die russische Zahlungsfähigkeit wird hier also aus Russland abgeschöpft und nicht dort reinvestiert, was für eine nationale Kapitalakkumulation notwendig wäre.

Zusammengefasst führt der Import von ausländischem Kapital nach Russland und die dafür staatlich hergestellten Investitionsbedingungen dazu, dass konkurrenzfähigere ausländische Kapitale vor allem russische Betriebe auf dem eigenen Markt verdrängen. Die bezweckte Verringerung der Scheidung des Landes in rentable und unrentable Abteilungen zum Zweck einer erfolgreicheren gesamtnationalen Kapitalakkumulation wird damit nicht, wie beabsichtigt, erreicht, sondern verschärft.

Anwerben von ausländischem Finanzkapital

Die in Kapitel III skizzierte erfolgreiche Schuldenkonsolidierung wird in Russland als gute Bedingung für die Anwerbung von internationalen Finanzkapital gesehen, dass die mangelhafte Investitionsfähigkeit und -tätigkeit des russischen Staates und Kapitals kompensieren soll.

Das Finanzkapital schätzt die Kreditwürdigkeit des Staates und der Betriebe jedoch äußerst kritisch ein. So wird einerseits durchaus in die rentablen Abteilungen der russischen Wirtschaft investiert. In Abteilungen mit zweifelhaften Wachstumsaussichten wird allerdings weniger investiert und wenn, dann wird sich das damit verbundene Risiko mit hohen Zinsraten und Kreditkonditionen in Rechnung gestellt – eine Rechnung, die sich ein russischer Betrieb mit zweifelhaften Erfolgsaussichten dreimal überlegt. Grundlage dieses Zweifels der Investoren ist, dass der kapitalistische Erfolg russischer Betriebe – wenn er denn eintritt – stark abhängt von der auswärtigen Nachfrage der russischen Rohstoffe. Ein weiterer Mangel, den die Investoren benennen, ist der zunehmende unrentable Einsatz der Staatseinnahmen für die Alimentierung für die Fortsetzung der Produktion und Reproduktion der Arbeiterklasse (s.o.). Das Finanzgewerbe urteilt über Russland als Anlagesphäre und seine Währung selbst als schwach, weil es abhängig ist vom Devisenschatz in der Leitwährung, der wiederum abhängig ist vom Rohstoffexport des Staates und der unterliegt einigen Gefahren. Die ins Land geholte Finanzwelt sieht sich deshalb gezwungen, ihr in Rubel verdientes Geld in Devisen zu tauschen und in außerrussischen, also nicht in Rubel lautenden Finanzanlagen zu vermehren. Das gilt auch für russische Geldkapitalisten.

Das westliche Finanzkapital, das nach Russland kommt und dort akkumuliert wird, verlässt also in der Summe das Land. Der ausgehend von ihren Investitionen akkumulierte Reichtum wird dort in der Summe mehr außer Land geschafft, als er für eine nationale Akkumulation reinvestiert wird. Es handelt sich in Summe also um Kapitalabfluss. Dieser Kapitalabfluss ist damit keineswegs Ausdruck einer weltweiten Eroberung russischen Finanzkapitals, sondern ganz im Gegenteil Ausdruck der weiterhin existierenden Schwäche der russischen Volkswirtschaft, des Staates und seiner Währung.

Vercieul schlussfolgert, dass sich an der Art und Weise, wie Russland in die Weltwirtschaft eingebunden ist, seit den 90er Jahren kaum etwas verändert hat. Er führt diese Stagnation auf die hier so ähnlich skizzierten immanenten Probleme des postsowjetischen Kapitalismus zurück, die er als „Russian Disease“ bezeichnet. Die Abhängigkeit der nationalen Akkumulation und damit Reproduktion des russischen Staates von den Rohstoffexporten sei weiterhin gegeben und damit seine hohe Anfälligkeit für äußere Schocks wie Sanktionen und Ölpreisschwankungen (Vercieul 2023, S.43).

Alle Versuche Russlands, dem ernsthaft entgegenzutreten, d.h. seine strategischen Interessen von den ökonomischen Machthebeln des Westens unabhängig zu machen, scheiterten in der Regel am Widerstand der westlichen Regierungen. Das Ziel, sich als Macht aufzubauen, die ihre wirtschaftlichen Beziehungen als politische Hebel nutzen kann, um ihren Interessen Geltung zu verschaffen – diesen strategischen Statusgewinn wollen die westlichen Staaten nicht zulassen. Beispielhaft für den Widerstand seien hier einmal die zahlreichen Versuche der EU genannt, einen Zugewinn an russischer Marktmacht zu verhindern. Darüber hinaus mobilisieren die USA seit jeher Flüssiggas, um die europäischen Staaten von der Abhängigkeit russischen Gases zu „befreien“. Insbesondere diese Politik schadet den russischen Staatsfinanzen erheblich, da teure Pipelines als Investitionsruinen liegen bleiben. Zuletzt gibt es zahlreiche Beispiele für die aktive Verhinderung russischer Investitionen in die EU.

Zusammenfassung: Der russische Kapitalismus heute und seine Einbindung in die imperialistische Weltordnung

Der russische kapitalistische Staat ist bis heute ökonomisch und politisch sehr instabiles. Genau auf diese Instabilität zielen die schon seit Jahren forcierten Sanktionen und ökonomischen Druckmittel gegenüber Russland ab.

Ein wesentlicher Grund für diese ökonomische Instabilität ist die Abhängigkeit der russischen Ökonomie von den Erlösen des Verkaufs fossiler Brennstoffe, Vorprodukten und Mineralstoffen. Denn der Verkauf dieser Rohstoffe bzw. Vorprodukte hat aufgrund der ökonomischen Rückständigkeit Russlands notwendigerweise das Ziel, Devisen in Weltwährung (v.a. USD und EUR) zu beschaffen, um damit den Einkauf von Waren und Technologien zu finanzieren, die für die nationale Entwicklung importiert werden müssen. Russland ist nicht in der Lage, diese Waren und Technologien selbst zu produzieren, sodass dieser Teil der Wertschöpfung nur in einem sehr geringen Maße stattfindet. Die russische Volkswirtschaft ist damit in keiner Weise konkurrenzfähig gegenüber den großen westlichen Industrienationen. Darüber hinaus unterliegen die Währungen, die sich Russland als Devisen beschaffen muss, der politischen Kontrolle der Länder, deren Zentralbanken sie emittieren (d.h. FED in USA und EZB in Europa) und in denen sich die Zentren des internationalen Finanzkapitals befinden.

Die russische Volkswirtschaft muss mit ihren strategischen Exportgütern – sowohl in privaten als auch in staatlichen Betrieben produziert – auf dem Weltmarkt Devisen verdienen. Diese Devisen werden benötigt, um die für die Produktion dieser Güter und die allgemeine Reproduktion des Landes erforderlichen Waren, insbesondere Technologie und Maschinen, zu importieren. Nur aufgrund dieser strategischen Bedeutung ist in den Unternehmen dieser Branchen auch der russische Staat Hauptanteilseigner – das war die wesentliche Änderung der politischen Agenda Russlands mit dem Regierungsantritt Putins. Diese Abhängigkeit der Reproduktion der Volkswirtschaft durch die Devisenbeschaffung durch Rohstoffexport stellt eine weitere extreme strategische Schwäche dar, die die politischen Feinde Russlands durch bspw. Gas- und Ölembargos, so geschehen 2022, ausnutzen können.

Weiterhin muss sich Russland aufgrund seiner Rückständigkeit notwendig ausländischen Unternehmen mit einer überlegeneren Produktivität als Investitionsstandort anbieten – es betreibt also Kapitalimport. Dafür bietet es dem internationalen Kapital billige Arbeit, Energie, Grundstoffe und einen großen Absatzmarkt an. Diese Notwendigkeit bedeutet eine strategische Schwäche, da diese Länder entsprechend ihrer politischen Ziele diese Unternehmen auch wieder abziehen können. Der Abzug von westlichem Kapital war entsprechend 2022 ein wichtiges Sanktionsinstrument gegen Russland.

Zuletzt muss sich Russland für die Refinanzierung seiner Schulden und besagten Importen auf dem Weltmarkt auf den internationalen Finanzmärkten durch Emission von Staatsanleihen Devisen beschaffen. Die Stabilität seiner Währung ist abhängig von den nationalen Devisenreserven in den Weltwährungen. Auch dies stellt eine strategische Schwäche dar, die von seinen politischen Gegnern genutzt wird. Das Einfrieren der russischen Devisenreserven, der Ausschluss Russlands aus SWIFT und das Verbot des Einkaufs russischer Staatsanleihen ist den imperialistischen Hauptmächten möglich, da sich die Institutionen ebendieses internationalen Finanzkapitals auf ihrem Hoheitsgebiet befinden. Sie sind damit in der Lage, Russland komplett vom internationalen Zahlungsverkehr auszuschließen (SWIFT) und außerdem in den Status eines Schuldners ohne Kredit (Verbot des Aufkaufs russischer Staatsanleihen) zu werfen.

Durch die Konterrevolution, den Ausverkauf in den 90er Jahren und die, wenn auch selbstbewusster artikulierte, fortgesetzte Teilnahme an der imperialistischen Weltordnung seit 2000 hat sich Russland in eine starke Abhängigkeit von den imperialistischen Hauptmächten manövriert. Die Reproduktion und Entwicklung des kapitalistischen Russlands ist damit materiell wesentlich von dieser Devisenbeschaffung und damit stark vom politischen Willen der imperialistischen Hauptländer abhängig. Für diese Einbindung in die imperialistische Weltordnung entscheidet sich die bürgerliche russische Regierung. Die Widersprüche und Schwächen, die dies mit sich bringt, wird regelmäßig von den linken Kräften in Russland politisch angegriffen.

So wird Russland in der internationalen und v.a. russischen Politikwissenschaft als „halbperipherer Kapitalismus“ bezeichnet.

Diese Abhängigkeit ist ein Kriegsmittel der politischen Feinde Russlands: Teile der industriellen und kommerziellen Aktivitäten im Land befinden sich in der Hand von ausländischen Kapitalen, die in der Lage sind, diesem ihr Kapital zu entziehen und dass auch tun, wenn es die politische Agenda ihres jeweiligen Staates ist, z.B. 2022 der Rückzug von British Petrol aus Rosneft – Anteil bis dato 20 %.

Die überlegene Produktivität und viel investitionswilliges Kapital des Westens werden so zu strategischen Kampfstoffen gegen ein Russland, das auf solche Produkte und Kapitalimporte weiterhin schlecht oder gar nicht verzichten kann.

In der Konsequenz führen diese Maßnahmen zu weiteren Ausfällen in der wirtschaftlichen Reproduktion des Landes, was wiederum Arbeitslosigkeit und soziale Verwerfungen nach sich zieht. Diese Effekte werden vom Westen bewusst provoziert, um eine Spaltung zwischen dem russischen Volk und seiner Regierung herbeizuführen, die als materielle Grundlage für eine mögliche politische Destabilisierung dienen könnte. Ob und inwiefern sich Russland unter kapitalistischen Bedingungen durch die im letzten Kapitel kurz dargelegten Entkopplungsversuche von einer solchen Abhängigkeit und Unterlegenheit lösen kann – das wäre ein politisch interessante Gegenstand einer weiteren Arbeit.

Quellen

  • 1
    Im Folgenden kann nicht tiefer auf grundsätzlichere politische Orientierungen, z.B. die Bedeutung der „Friedlichen Koexistenz“, die zu solchen wirtschaftspolitischen Entscheidungen führten, eingegangen werden. Ziel dieses Kapitels ist es ausschließlich, die Abfolge von Entwicklungen logisch darzulegen, die zu einer Zerstörung der sowjetischen Volkswirtschaft und darauf folgenden Integration der neuen russischen Volkswirtschaft in den kapitalistischen Weltmarkt der imperialistischen Weltordnung führte.

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Kommentare

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    Im Folgenden kann nicht tiefer auf grundsätzlichere politische Orientierungen, z.B. die Bedeutung der „Friedlichen Koexistenz“, die zu solchen wirtschaftspolitischen Entscheidungen führten, eingegangen werden. Ziel dieses Kapitels ist es ausschließlich, die Abfolge von Entwicklungen logisch darzulegen, die zu einer Zerstörung der sowjetischen Volkswirtschaft und darauf folgenden Integration der neuen russischen Volkswirtschaft in den kapitalistischen Weltmarkt der imperialistischen Weltordnung führte.

Миграция, рабочий класс и империализм 

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Филипп Киссель, Коммунистическая Организация, ФРГ.

  1. ПОЧЕМУ МИГРАЦИЯ?
    Резервная армия промышленности и паразитизм богатых стран
    Иностранные рабочие, подневольные работники, гастарбайтеры
  2. ОГРАНИЧЕНИЕ И ПОДДЕРЖКА ОДНОВРЕМЕННО
    Запрос на ограничение миграции
    На темной стороне
    Произвол по умыслу

    Право на убежище не для жителей колоний
  3. ЧЬИ СОЦИАЛЬНЫЕ СИСТЕМЫ?
    Несправедливость как справедливость
    Бесплатное воспроизводство
  4. ИМПЕРИАЛИЗМ И ПРАВОЗАЩИТНАЯ ДЕЯТЕЛЬНОСТЬ
    Разжигание ненависти и раса господ
    Международный рабочий класс

Миграция – одна из главных тем текущих политических дебатов. Большинство «аргументов» не новы, а скорее являются повторением кампании 1990х годов под названием «Лодка переполнена». В левом движении существует, с одной стороны, либеральное течение, поддерживающее империалистическую стратегию миграции якобы правозащитными аргументами, и, с другой стороны, растущие настроения в пользу ограничения миграции и принятия многочисленных аргументов, которые выдвигает политический мейнстрим.

Здесь будут рассмотрены предпосылки миграции и дискурса об ее ограничении. Во-первых, мы проанализируем функцию миграции при капитализме и особенно при империализме. Во второй и третьей частях на этом фоне мы опишем меры и центральные моменты текущих дебатов. В четвертом разделе будет кратко обсуждаться позиция рабочего класса.

Допуск беженцев, миграции и одновременная травля мигрантов – это не противоречие, а выражение цели капитала: эксплуатация как можно большего числа шантажируемых и незащищенных дешевых рабочих. И притворная гуманность, и целенаправленные расистские кампании являются средствами достижения этих целей в обществе. Реакцией рабочего класса может быть только осознание себя как международного класса, отстаивание подлинной гуманности и классовой солидарности, совместная борьба за права и против империалистической политики войны и эксплуатации.

1 Почему миграция?

Причины бегства и миграции изначально очевидны: разрушение целых стран и экономик, продолжающееся угнетение значительных частей мира, навязанные им голод и отсталость. Однако миграция является не только следствием угнетательской политики империалистических стран, но и выполняет важную функцию для экономики этих стран. Приток дешевой и незащищенной рабочей силы элементарно необходим по разным причинам. Эту сторону миграции можно охарактеризовать как ограбление производственного потенциала слаборазвитых стран.

Резервная армия промышленности и паразитизм богатых стран

Возникновение капитализма связано с отделением труда от феодальных условий, снятием оков феодального правления и появлением множества «свободных» наемных рабочих, т.е. тех, кто был одновременно и свободен, и не владел средствами производства. Огромное количество работников либо насильно перевозили туда, где их должны были угнетать (работорговля), либо вынуждали эмигрировать по необходимости (европейцы в Америку), либо нанимали с помощью регулируемого контрактом принуждения и использовали в качестве крайне низкооплачиваемых наемных рабочих в широких масштабах (китайцы, без которых, например, американская железнодорожная система никогда бы не появилась). Для XIX века были характерны более масштабные волны миграции, чем сегодня.

На империалистической стадии капитализма миграция имеет центральное значение для поддержания империалистической системы эксплуатации. Она является «(…) характерным элементом государственно-монополистического развития. В соответствии со своими эксплуататорскими потребностями капитал разрушает национальные границы; он преодолевает барьеры роста населения в своей стране и создает трудовой потенциал, необходимый для его экономической экспансии, посредством «регулирования свободы передвижения» в рамках капиталистической интеграции и контролируемого государством найма рабочей силы из других стран“[1].

Ленин так сформулировал эпохальный характер этого «переселения народов особого рода»: «Как раз для империализма такая эксплуатация труда хуже оплачиваемых рабочих из отсталых стран особенно характерна. Как раз на ней основан, в известной степени, паразитизм империалистских, богатых стран, подкупающих и часть своих рабочих более высокой платой при безмерной и бесстыдной эксплуатации труда «Дешевых» иностранных рабочих. „(2).

Два фактора, связанные с растущим спросом на рабочую силу, имеют огромное значение для империалистических стран в их постоянном кризисе: стремление к количественному росту доступной массовой рабочей силы любой ценой и в той же степени желание повысить ее шантажируемость и незащищенность. Поэтому капиталу необходимо создать постоянное предложение дешевой рабочей силы, так называемую резервную армию промышленности. Она состоит из доступной рабочей силы, которая может быть как быстро брошена в процесс, так и снова изгнана. Ее функция – поддерживать давление на заработную плату, поддерживая постоянный высокий уровень предложения труда.[3] Эта резервная армия – прямой результат циклического процесса расширения и сжатия капитала. В фазах процветания спрос на труд увеличивается, а вместе с ним растет заработная плата – прибыль падает. В эти фазы актуально добиваться «коррекции» за счет большого количества рабочих вне производственного процесса, которые готовы согласиться на любую работу из-за своего бедственного положения. Во время кризиса резервная армия сильно возрастает.

С точки зрения капитала, резервная армия должна быть как можно более диверсифицированной, т.е. состоять как из более квалифицированных, так и из неквалифицированных работников. К мигрантам, составляющим резервную армию, различные законы и статусы пребывания относятся по-разному. В то время как иммиграция квалифицированной рабочей силы должна быть облегчена, иммиграция неквалифицированной рабочей силы должна быть усложнена. Однако квалифицированные работники не так охотно едут в Германию, поскольку заработная плата сравнительно низка (например, в области ухода за больными). В большинстве случаев именно неквалифицированные работники обречены бежать из своих стран, и на них следует оказывать давление. В резервную армию также входят немцы, которые (временно или надолго) остались без работы. Самые большие части резервной армии должны функционировать как буфер: В пиковые моменты они втягиваются в производственный процесс, а во время кризиса их снова вытесняют. Они должны быть всегда готовы, мобильны и доступны для шантажа. Тот факт, что они не в равной степени подвержены шантажу – немцы в меньшей степени, чем беженцы – с точки зрения капитала раздражает, но в этом есть и свои преимущества, поскольку их можно разыгрывать друг против друга, и немцам всегда можно сказать, что есть ведь те, кому еще хуже. Однако ухудшение условий труда мигрантов всегда направлено и против немецких рабочих, хотя и не всегда сразу и напрямую. Например, введение «общественных работ», мягкой версии принудительных работ, сначала было реализовано для беженцев, а затем распространилось на всех безработных с так называемыми «работами за 1 евро».

В связи с усилением эксплуатации труда следует упомянуть общий фон экономического кризиса. Он состоит не только из циклических кризисов, но и из постоянной тенденции падения нормы прибыли. В этом контексте снижение заработной платы имеет огромное значение, поскольку это один из способов противодействия тенденции к падению нормы прибыли. Снижение заработной платы при одновременном повышении производительности труда – постоянная задача капитала и государства. Поэтому инфляция, увеличение резервной армии и ухудшение существования всего рабочего класса не случайны, даже если их часто представляют как естественные явления.

Положение капитала нестабильно, поскольку проблема нормы прибыли уже приобрела такие масштабы, что становится ясно: правящий класс больше не в состоянии обеспечить существование угнетенного класса. Капитал уже давно не может сделать это «своими силами», а только за счет дополнительных выплат заработной платы со стороны государства (детские пособия, социальные выплаты различных видов) и, таким образом, из фонда воспроизводства самих рабочих. Это означает, что нормы прибыли больше не хватает для покрытия расходов на воспроизводство рабочей силы из-за перепроизводства и перенакопления. Одним из примеров является пособие на ребенка, де-факто дополнение к зарплате, выплачиваемое государством, поскольку затраты на воспроизводство рабочей силы должны включать уход за детьми. Без государственных детских пособий заработная плата должна была бы резко возрасти, что еще больше снизило бы норму прибыли.

Поэтому ухудшение условий труда иностранных работников имеет особое значение, и поэтому существует прямая связь между миграционной политикой и внешней политикой империалистов. С точки зрения империалистов, необходимо не допустить развития производительных сил в угнетенных странах. Ведь такое развитие ведет к увеличению стоимости рабочей силы, а также спроса на саму рабочую силу, которая в результате перестает эмигрировать. Военная политика – это, помимо прочего, политика закупки рабочей силы, и, наоборот, завоз рабочей силы является необходимым условием для активного развития оружейной промышленности.

Обречь многие страны на несчастье и регресс важно с точки зрения империалистических стран для того, чтобы иметь возможность эксплуатировать появившуюся дешевую рабочую силу и таким образом получать сверхприбыли. Это может быть достигнуто за счет эксплуатации в империалистических центрах, но также и в самих угнетенных странах.

Иностранные рабочие, подневольные работники, гастарбайтеры

Приток рабочей силы всегда был важным вопросом для немецкого капитала, чтобы расширять и поддерживать экспортную промышленность. При фашизме миллионы подневольных рабочих были депортированы и подвергались эксплуатации. После 1945 года стали привлекать «гастарбайтеров», а после 1990 года наблюдалось огромное привлечение и эксплуатация рабочей силы. Страны Восточной Европы, которые были деиндустриализованы контрреволюцией и имели хорошо подготовленную рабочую силу, которая теперь была полностью в их власти, стали жертвами немецких компаний, в дополнение к рабочим из аннексированной ГДР.

Ханнес Хофбауэр объясняет в своей в целом информативной, хотя и отчасти спорной книге «Критика миграции»: «Уровень заработной платы играет роль, которая неоднократно преуменьшается в западных СМИ, но на самом деле является решающей. Если в середине 1990-х годов средняя почасовая брутто-зарплата в западных землях Германии составляла 44 DM, а в восточной Германии – 26,50 DM, то в Польше, Венгрии, Словакии и Чехии она составляла от 3 до 4 DM, а в Румынии – 1,40 DM.“[4] В то же время сотни тысяч восточноевропейцев (и восточных немцев), выброшенных из производственного процесса, хлынули на немецкий рынок труда. Многие из них были нелегалами, поскольку страны их происхождения еще не входили в ЕС. Компании были рады смириться с этим, поскольку это позволяло им экономить на социальных расходах и платить чрезвычайно низкую заработную плату. Западногерманская строительная индустрия, бурно развивавшаяся после аннексии ГДР, никогда бы не смогла так сильно расшириться без этих нелегальных восточноевропейских рабочих.

В то время как право на убежище было де-факто отменено в 1993 году, чему предшествовала кампания «Лодка переполнена», корпорации с радостью принимали сотни тысяч нелегалов и других восточноевропейцев с неустойчивым статусом. Позже реформы Харц сыграли центральную роль в значительном ухудшении условий жизни резервной армии и низших слоев рабочего класса. Кроме того, центральную роль сыграло сокращение прав беженцев и одновременно увеличение трудовой мобильности внутри ЕС. Наплыв беженцев в 2015/16 гг. был полезен как для немецких монопольных корпораций в плане приобретения дешевой рабочей силы, так и для оказания дальнейшего давления на внешние государства ЕС с целью заставить их принять беженцев.

Возникает вопрос, следует ли, с точки зрения капитала, сокращать миграционную квоту, т.е. удерживать резервную армию в определенных рамках. Расширение капитала является барьером для размера резервной армии. Если наступит кризис и многие работники в любом случае будут сокращены, а часть резервной армии в обозримом будущем уже не сможет быть включена в производственный процесс, существует риск, что расходы на обеспечение средств к существованию этой части станут слишком высокими, поэтому уровень прожиточного минимума придется снизить и/или сократить количество получателей.

Большинство иностранных работников в Германии – выходцы из стран ЕС (4,9 млн. человек на конец 2019 года). Из них 863 000 приезжают из Польши, 748 000 – из Румынии, 415 000 – из Хорватии, 360 000 – из Болгарии и 212 000 – из Венгрии[5]. Это очень высокие цифры для этих стран, часть из которых невелика. Чистая иммиграция (иммиграция минус эмиграция) составила 662 964 человека в 2023 году. Это меньше, чем в 2022 году, когда было принято более миллиона украинцев. Но даже в 2022 году большинство иммигрантов (после Украины) приехали из Румынии и Польши, за которыми следовали Сирия и Болгария, еще одна страна ЕС. Наибольшая доля мигрантов, проживающих в Германии, имеет семейные связи с Турцией, за которой следуют Польша и Румыния.[6] В 2022 году 92 291 человек иммигрировали из Сирии и чуть более 68 000 – из Афганистана.

Наиболее важным источником рабочей силы для немецкого капитала является Восточная Европа, Юго-Восточная Европа и Турция. Рабочая сила из Африки и других стран, не входящих в ЕС, играет подчиненную, но немаловажную роль, в частности, потому, что они находятся в худшем правовом положении.

В общем и целом, это тот контекст, в который следует поместить текущие дебаты и ужесточение мер против миграции.

2.  Ограничение и поощрение одновременно

Дискуссия, разжигаемая СМИ и правительством, кажется противоречивой: с одной стороны, разворачивается кампания в пользу «ограничения» и вводятся соответствующие меры, а с другой стороны, миграция поощряется и стимулируется. Но здесь нет никакого противоречия, поскольку цель состоит в том, чтобы обеспечить предложение рабочей силы, из которой можно выжимать как можно больше. Необходимо принять меры, которые ухудшат условия жизни иммигрантов, и в то же время донести до других слоев рабочего класса, что это делается в их пользу, хотя и ухудшает их условия жизни. Для этого необходимо разделить, правильно сориентировать и провести пропагандистскую кампанию.

Расизм исходит от верхов общества. Это одна из самых важных, хотя и банальных истин, которую необходимо осознать. Особенно когда расистские взгляды широко распространены и среди рабочего класса, это необходимо подчеркнуть и выделить: расизм подпитывается правящим классом, его правительствами и средствами массовой информации и используется очень целенаправленно.

В то же время часть правящего класса выставляет себя космополитами и антирасистами. Бизнес стремится к «разнообразию», а крупные демонстрации («против расизма») проходят под знаменами партий, которые значительно ухудшили условия жизни мигрантов. Это методическое лицемерие. Потому что с одной стороны, нужно принудительное разделение и ухудшение условий, и в то же время приток дешевой рабочей силы должен сохраняться.

Кампания по легитимизации и требованию ужесточенных мер со стороны СМИ и общественности, особенно осенью прошлого года, была срежиссированной и спланированной – не AдГ (правая партия Альтернатива для Германии – прим. пер.), а правительством и СМИ. В течение нескольких недель только и разговоров было, что о перегруженных расходами муниципалитетах, мэриях, районных советах и неправительственных организациях. Они высказывали свои мнения во всех подробностях. Это напоминало кампанию «Лодка переполнена». Волна «Мы больше не можем» прокатилась по всей стране, и любого, кто ставил это под сомнение, изображали далеким от реальности или просто идиотом. При этом совершенно упускалось из виду, что это ложь: такая богатая страна, как Германия якобы страшно перегружена сравнительно небольшим количеством беженцев.

Жилья не хватает, бассейнов нет, школы старые и обветшалые – но это происходит без всяких беженцев. Однако если правительство заявляет, что эти проблемы не решаются из-за наплыва беженцев, оно может продолжать вливать деньги в военную промышленность и содержание чиновников. Простой Ганс должен верить душераздирающим историям о беженцах, которым якобы дают все – и в то же время этих самых беженцев лишают последней рубашки и ставят в безвыходные ситуации. Любой, кто серьезно изучит цифры нехватки жилья, поймет, что сотен тысяч домов не хватало еще до начала периода большой иммиграции (2015 г.), и что причина этого кроется в простой нерентабельности жилищного строительства.

Кампания была сосредоточена на одной цели – на кажущемся теперь неизбежным ужесточении: проверках документов на границах ЕС, ускорении депортации, усложнении воссоединения семей и использования платежных карт.

Требование ограничения миграции

Все партии призывают ограничить иммиграцию. Это лицемерно в двух отношениях: во-первых, потому что иммиграция уже и так ограничена и невозможна для сотен тысяч людей. Во-вторых, потому что это требование предполагает некое решение проблем.

Многие избиратели находят эту идею привлекательной: границы должны быть закрыты, тогда наша ситуация улучшится. Иллюзия на радость тем, кто ответственен за царящий здесь хаос. За все эти проблемы ответственны не беженцы или неконтролируемая миграция, а правительство, компании и их интересы.

Для капитала важен не только приток большого количества рабочих, но и тот факт, что они оказываются в беспомощности и в нестабильной ситуации. Главная цель мер по «сдерживанию» – создать такую ситуацию. Люди будут продолжать бежать от войны и разрушений или будут вынуждены покинуть свои страны, потому что там у них больше нет перспектив на будущее. Поэтому вряд ли удастся выполнить «обещание» по ограничению. На это можно возразить, что для достижения этой цели необходимо принять правильные меры, т.е. последовательно закрыть границы. В контексте империалистической агрессии, исходящей от Германии (как в политическом, так и в экономическом плане), это требование может означать только сохранение этих условий эксплуатации и, очевидно, является бесчеловечным.

С другой стороны, идеология «открытых границ» также служит интересам капитала. Это касается границ угнетенных стран, которые империалистические страны, естественно, хотят разрушить, чтобы они могли наводнить рынки, определять политику и захватывать землю и сырье. Вся концепция «открытого общества» – это империалистическая идеология. Но правда, то же самое можно сказать и о концепции «ограниченной и регулируемой миграции».

Таким образом, дебаты об ограничениях являются частью ухудшения положения рабочей силы, поскольку каждое препятствие для въезда и проживания увеличивает давление на этих и без того угнетенных людей. Отправившись в путешествие, они знают, что такое тяготы и муки. Они не будут делать ничего, что может поставить под угрозу их пребывание в новой стране, и они уже привыкли к тому, что им приходится терпеть суровые обстоятельства. Те, у кого нестабильное положение, согласятся на любую работу. Тот, кто получил эту работу, не сделает ничего, что могло бы поставить ее под угрозу. Они согласятся на любое ухудшение, потому что в противном случае семья в их родной стране будет страдать, так как сможет получать меньше доходов. Наверное, нет необходимости описывать ситуацию с беженцами дальше, чтобы понять, почему каждое усиление увеличивает давление и как это давление выгодно только капиталистам. Рабочие из Восточной Европы находятся в несколько лучшем положении, но их уязвимость перед шантажом также высока, поскольку в их странах нет никаких перспектив на улучшение ситуации. В рамках ЕС также существует множество возможностей ущемления прав и давления на этих работников. Они часто находятся за пределами правовых норм защиты и профсоюзных организаций. Забастовка восточноевропейских водителей грузовиков в Графенхаузене, Гессен, была впечатляющим примером этого. Хотя большинство из них приехали из стран, не входящих в ЕС, многие польские или румынские рабочие страдают от аналогичных ужасных условий.

На темной стороне

Здесь следует кратко остановиться на аргументации ССВ (Союз Сары Вагенкнехт – прим. пер), поскольку, будучи социал-демократической партией, она имеет отдельную аргументацию по миграции. Ее основная программа гласит: «Однако это (увеличение иммиграции – прим. Ф.К.) справедливо лишь до тех пор, пока приток остается ограниченным до уровня, не перегружающего нашу страну и ее инфраструктуру, и пока интеграция активно поощряется и успешно осуществляется. Мы знаем следующее: за усиление конкуренции за доступное жилье, за рабочие места с низкой зарплатой и за неудачную интеграцию платят, прежде всего, те, кто не находится на солнечной стороне жизни. Каждый, кто подвергается политическим преследованиям в своей стране, имеет право на убежище. Но миграция не является решением проблемы бедности в нашем мире. Вместо этого нам нужны справедливые глобальные экономические отношения и политика, которая стремится создать больше перспектив в родных странах».

Это правда, что цену за усиление конкуренции платят те, кто не находится на «солнечной стороне жизни». Если не задаваться вопросом, почему это не касается беженцев, то в этой логике ответом на усиление конкуренции является депортация и более строгие требования к проживанию. Таким образом, конкуренция должна быть ослаблена не путем общей борьбы за равные права всех тех, кто не находится на «солнечной стороне», а путем давления на некоторых из тех, кто находится на изнанке, на темной стороне жизни. А это, соответственно, усиливает конкуренцию. На самом деле это простой трюк, который можно признать глубоко нелогичным. Упоминание о «справедливых» глобальных экономических отношениях – пустая фраза, которая не имеет шансов воплотиться в жизнь. Напротив, ведь, согласно программе ССВ, Германия должна сохраняться и развиваться как центральный экономический субъект. Ухудшение положения значительной части рабочей силы оправдывается пустыми обещаниями.

Преднамеренный произвол

В дебатах доминирует идея о том, что существует «нелегальная» и «легальная» миграция и что с первой необходимо бороться. Это означает, что политически преследуемым людям предоставляется убежище, в то время как «экономические мигранты» не имеют права оставаться, разве что они остро востребованы на нашем рынке труда –  тогда им разрешается иммигрировать в качестве «квалифицированных работников». Это тот же аргумент, что и в начале 1990-х годов. Лишь очень небольшое число людей может претендовать на политическое убежище. Несколько большее число – это признанные военные беженцы, включая украинцев, до недавнего времени сирийцев и югославов в 1990-х годах. Афганцы, с другой стороны, таковыми не являются. Это произвольное решение Министерства внутренних дел, и оно больше связано с политическими соображениями. Если ФРГ хочет добиться влияния в стране, вынашивает планы по свержению правительства или создает и поддерживает политические силы, то правила въезда значительно смягчаются.

Когда люди бегут в Германию, просят убежища, их прошение отклоняется, и они получают вид на жительство после многих лет изнурительных процедур, это называется «нелегальной» миграцией. Это просто означает, что такие причины бегства, как голод, страдания и отсутствие перспектив, не учитываются. Эта система – часть плохих условий и шантажа.

Право на убежище не для жителей колоний

Включение права на убежище в Основной закон Германии стало результатом урока фашизма и преследования политических оппонентов и евреев. В то время очень немногие страны принимали еврейских беженцев из Германии, фактически обрекая их на попадание в лагеря смерти. Таким образом, европейская система предоставления убежища стала следствием уроков Второй мировой войны и, следовательно, достижением. Но она также была договором между колониальными державами и другими империалистическими государствами Западной Европы и Северной Америки, и поэтому никогда не предназначалась для колонизированных народов Африки, Азии и Латинской Америки. Тем не менее, прежде всего, именно миллионы людей из стран Триконтиненталя, были вынуждены отстаивать право на убежище и право на пребывание за последние 75 лет или около того – и боролись за это право против воли властей. Сотни тысяч людей заплатили за это своими жизнями[7].

Деление на «правильных» и «неправильных» беженцев служит для разжигания ненависти и не имеет ничего общего с «законностью». С точки зрения прав человека и международного рабочего движения, голод, безработица и несчастья – очевидные причины покинуть страну. Столь же очевидно бесчеловечной является политика пограничных заборов, оттеснений и лагерей, которая также является выражением той же власти, которая разрушает и угнетает страны и экономики. С точки зрения власть имущих, такая категоризация вполне целесообразна: «нелегалы» должны приезжать и оставаться «нелегалами», чтобы можно было оказывать еще большее давление на всех.

3.   Чьи социальные системы? 

Сверхэксплуатация рабочей силы угнетенных стран имеет другую сторону медали – подкуп части рабочего класса в империалистических центрах. Это обеспечивает политическое господство капитала и раскалывает рабочий класс в национальном и международном масштабе. Именно в связи с ростом сверхэксплуатации, а также борьбы против нее, подобный подкуп очень важен. И одновременно модель этого подкупа, похоже, оказалась в политическом и экономическом кризисе. Но хотя экономические возможности подкупа постепенно снижаются, он все же еще действует. Расизм, как и либеральные идеологии не только не исключают друг друга, но могут становиться частью социал-демократической интеграции определенных слоев рабочего класса. 

Именно для коммунистов центральным является вопрос, каким должно быть отношение рабочего класса империалистических центров к международному рабочему классу. 

Несправедливость, выданная за справедливость

Рассмотрим отношение более внимательно на примере: как ХСС (Христианско-социальный союз, правоцентристская партия, часть ХДС-ХСС – прим. пер), так и ССВ заявляют о своем стремлении «ограничить въезд мигрантов в наши социальные системы». Но что это, собственно говоря, значит? Значит ли это, что въезжать должны только полностью здоровые и хорошо функционирующие рабоче, которые не могут ни заболеть, ни состариться, ни потерять работу? Или только такие, которые платят больше налогов, чем получают социальных отчислений? Это очевидная чепуха, и ясно, что речь не об этом. Речь идет о том, чтобы сократить социальные выплаты мигрантам, а может быть, и вовсе их отменить. С мигрантами из стран ЕС так дело и обстоит, им довольно сложно получить при необходимости пособие по длительной безработице. Предлагают «ограничения», чтобы набрать очки в предвыборной гонке, эта идея – обычный лозунг, и кажется, что она апеллирует к чувству справедливости. Но если мы посмотрим более внимательно, она как раз чудовищно несправедлива: люди, которые бегут от войны и нищеты, довольно часто не сразу в состоянии бодро трудиться и нуждаются в определенных социальных вложениях. Конечно, с точки зрения капитала это довольно серьезный недостаток: как мы показали выше, количественная доля рабочей силы, необходимой для маневров при колебаниях рынка, не должна быть слишком велика. Поэтому ограничение социальных выплат должно, во-первых, поддерживать прожиточный минимум и, следовательно, нижнюю границу расходов на воспроизводство на низком уровне, а во-вторых, экономить расходы. 

Но есть и еще один аспект: трудящиеся, которые приезжают из угнетенных стран, уже оплатили «наши социальные системы», то есть богатство нашей страны, которая разграбила их собственные государства. Поэтому у них есть полное право на получение части этого богатства. Международный рабочий класс заинтересован в улучшении условий жизни и труда, то есть также увеличении социальных выплат для всех рабочих одинаково, за счет капитала. Наши братья и сестры по классу должны получать те же права, завоеванные здесь, и то же богатство, которое было выкачано из их народов. Ведь речь идет о правах, которые рабочий класс завоевал на международном уровне – вместе, солидарно, при участии рабочего движения империалистических центров, антиколониальных освободительных движений и социалистических стран. Эти виды борьбы тесно связаны друг с другом и вместе способны усилить натиск на империалистов. Взаимодействие и взаимное усиление этих движений в 1970-е годы для многих было очевидным. Но сегодня эта связь разодрана из-за идеологической лжи. 

Бесплатное воспроизводство рабочей силы

Когда мы рассматриваем иностранные части резервной армии труда, нужно упомянуть еще один аспект: обучение и воспитание, то есть воспроизводство рабочей силы при этом происходит, как правило, в другой стране, империалистический центр не несет при этом никаких расходов. Это позволяет еще более снизить зарплаты в империалистических центрах, поскольку оплачивать здесь на месте воспроизводство и обучение рабочей силы обходится дороже. 

Когда одна из депутатов парламента Тюрингии с гордостью заявляет, что «цифровая платежная карточка» должна предотвратить переводы денег беженцев своим родственникам на родину, это простая подлость, ведь легко представить, что это такое, когда семья живет далеко и в тяжелых условиях. Но это также выражает расчет капиталистов, которые не желают платить за воспроизводство этой угнетенной рабочей силы. Они желают, чтобы другие страны и семьи как-нибудь вырастили детей, обучили чему-то, а потом этих детей можно будет эксплуатировать здесь.  

4. Империализм и правозащитная деятельность. 

    В этой последней части мы коснемся ситуации в левом движении и сделаем необходимые выводы. В течение многих лет существует активное антирасистское движение, которое боролось против высылки мигрантов из страны, расизма и ухудшения законов об убежище. Это движение обладало определенными достоинствами, но у него было и множество недостатков.  

    Караван за права беженцев и мигрантов – организация политических беженцев – подчеркивала роль империализма и  выступала активно с позицией: мы здесь, потому что вы разрушаете наши страны! Караван протестовал против империалистической агрессии и эксплуатации, и это очень не нравилось и вызывало протесты многих либеральных антирасистов. Последние в начале 2000-х объявляли миграцию отчасти позитивным явлением, считали, что ее нужно поддерживать – в то время, как самостоятельно организованные беженцы и мигранты прямо обозначали бесчеловечную систему, стоящую за миграцией (при этом не имеются в виду подпольные «проводники», но правительства и предприятия, которые разрушают страны). Либеральная идеология и НКО во многом разрушили антиимпериалистические позции, хотя в последние годы они снова переживают подъем, пусть и противоречивый. 

    Борьба правозащитников была направлена как раз на то, чтобы исключить антиимпериалистический аспект и принимала логику империалистической миграции как должное. Угнетатели, эксплуататоры и система эксплуатации практически не упоминались, оставался лишь эмоциональный лозунг «человеческого достоинства», который власть имущие могли использовать даже для того, чтобы придать своим махинациям более привлекательный вид. Это видно по таким карьерным подъемам, как, например, у Каролы Ракете, которая поддерживала империалистическую военную политику, и при этом бороздила Средиземное море, прославившись как спасительница беженцев. В конце концов, поверхностная правозащитная риторика может оправдать даже создание лагерей беженцев на внешних границах ЕС, ведь это более гуманная мера, чем те, что предлагают правые. Это лживое и авторитаристское движение в итоге дискредитирует саму человечность и гуманизм. 

    К либеральной идеологии относится и легенда лживого мультикультурализма. За фасадом мульти-культи скрывается то, что мигранты нанимаются на тяжелые и низкооплачиваемые работы, что в школах их детей сознательно удерживают на низком уровне, чтобы они получили квалификацию, достаточную лишь для таких работ. Точно так же это относится и к немецким ученикам «гауптшуле» (низшей из возможных ступеней школьного образования – прим. пер) – их немецкая школьная система и общество так же «интегрирует», но мигрантов это касается особенно часто. 

    Средства массовой информации эксплуатируют человеческие катастрофы в своих политических целях. Кто-то реагирует, полностью отвергая любую человечность и солидарность. Это способствовало развитию определенного экономизма, который рассматривал в первую очередь экономические аспекты миграции и фокусировался на экономических недостатках для угнетенных стран. Некоторые противопоставляли политическому поощрению миграции и «открытых границ» понимание ограничений, утверждая, что это также лучше для людей в их родных странах. Позиция, которая в результате представляет собой элегантный переход к правому дискурсу. Гуманность и отказ от невежества были высмеяны и заклеймены как лицемерная «зеленая» политика. Закрытие границ, капсулирование здешнего уровня благосостояния, и таким образом полное завершение разделения международного рабочего класса теперь пропагандируется как «разумная политика». Но однако мировоззрение и позиция международного рабочего класса, разумеется, включает в себя гуманизм и солидарность, это сущностно важные составные части классовой борьбы. 

    Разжигание ненависти и раса господ

    Есть и еще один аспект дебатов о миграции, в особенности поддерживаемый АдГ, и классически также ХДС или либеральными партиями, как СвДП, хотя их риторика направлена к различным целевым группам. Для либеральных господ как раз вполне желателен приток закаленной испытаниями рабочей силы беженцев, которые будут трудиться на них, и притом совершенно безропотно. Социал-дарвинизм присущ и типичен для либерализма.

    Разжигание ненависти у местных жителей с помощью открытого обесценивания жизни рабочих и оправдания смертей на границах – это просто более открытый вариант той же идеологии расы господ. У населения вырабатываются установки в диапазоне от невежества до ненависти. Банды нацистов, созданные и финансируемые спецслужбами (например, Комитетом Защиты Конституции), создают нужную властям атмосферу страха. В контексте подготовки войны с Россией эту идеологическую накачку нельзя недооценивать. Если мы собираемся снова напасть на чужую страну, необходимо воссоздать самоощущение расы господ, при этом совершенно неважно, носят ли эти господа радужную униформу, зеленую или классически коричневую. 

    Международный рабочий класс

    Рабочий класс носит международный характер, пусть условия борьбы и определяются национальными особенностями. Это значит, что у рабочего класса есть единый противник – капиталистический класс, в особенности, это класс империалистических центров – и стратегия борьбы рабочего класса должна быть единой. Это также означает, что они находятся в общих отношениях экономической эксплуатации со стороны империалистов. Деградация одной части рабочего класса призвана служить подкупу другой части и в то же время усилению их общей эксплуатации.

    Мы вместе боремся против «брейн дрейн» (утечки мозгов), переманиванию или изгнанию рабочей силы из зависимых стран, и жестокой эксплуатации беженцев империалистами. Мы прекрасно понимаем, что эта миграция наносит вред зависимым странам. Но это не означает, что мы хотя бы на йоту верим демагогии «ограничения миграции». Наши братья и сестры по классу из угнетенных стран должны пользоваться упрощенными и хорошими условиями, а не жить в условиях незащищенности и беззастенчивого вымогательства. Вот почему мы выступаем против ужесточения, ограничения и лишения прав мигрантов, которые явно бесчеловечны и жестоки. 

    Наша задача – вести совместную борьбу против угнетения и вымогательства и добиться общей организации беженцев, мигрантов и немцев. При этом необходимо преодолеть множество трудностей. Нам нужно политически понять и осознать эту борьбу и соответственно, вести ее против господства и войн империалистических государств – США, ЕС и их союзников. Таким всегда был ответ революционного рабочего движения, которое уже очень давно выработало правильную позицию по вопросу закрытия границ и ограничений миграции. 

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    [1] Rüdiger Bech, Renate Faust, Die sogenannten Gastarbeiter, 1981, Verlag Marxistische Blätter, S. 12

    [2] В.И. Ленин, .ПСС, т. 34, с. 371

    [3]  Появление резервной армии труда в промышленности блестяще описывает Маркс в 23-ей главе первого тома Капитала.  К. Маркс, Ф. Энгельс, ПСС, т. 23, с. 676. 

    [4] Hannes Hofbauer: Kritik der Migration, Wien : Promedia Verlag,  2018, 113

    [5] https://www.bpb.de/themen/migration-integration/regionalprofile/deutschland/328520/osteuropaeische-arbeitskraefte-in-deutschland-vom-spaeten-19-jahrhundert-bis-in-die-gegenwart/#node-content-title-3

    [6] https://mediendienst-integration.de/migration/wer-kommt-wer-geht.html

    [7] https://kommunistische-organisation.de/stellungnahme/solidaritaet-mit-zaid-heisst-kampf-dem-imperialismus-und-dem-kolonialen-asylregime/

    Migration, die Arbeiterklasse und der Imperialismus

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    Von Philipp Kissel

    Als PDF

    1. WARUM MIGRATION?
      Industrielle Reservearmee und Parasitismus der reichen Länder
      Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter
    2. BEGRENZEN UND ANFEUERN ZUGLEICH
      Die Forderung der Begrenzung
      Auf der Schattenseite
      Mit Absicht willkürlich
      Asylrecht nicht für Kolonisierte
    3. WESSEN SOZIALSYSTEME?
      Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit
      Kostenlose Reproduktion
    4. IMPERIALISMUS UND MENSCHENRECHTS-AKTIVISMUS
      Verhetzung und Herrenrasse
      Internationale Arbeiterklasse 

    Migration ist eines der Hauptthemen in der aktuellen politischen Debatte. Die meisten „Argumente“ sind nicht neu, sondern eine Wiederauflage der „Das Boot ist voll“-Kampagne der 1990er Jahre. In der linken Bewegung gibt es auf der einen Seite eine liberale Strömung, die mit vermeintlich menschenrechtlicher Argumentation die imperialistische Strategie der Migration unterstützt und auf der anderen Seite eine zunehmende Stimmung, die für Begrenzung eintritt und zahlreiche Argumentationen der herrschenden Politik übernimmt.

    Hier soll dargelegt werden, was die Hintergründe der Migration und des Diskurses über Begrenzung sind. Zunächst wird herausgearbeitet, welche Funktion Migration im Kapitalismus und insbesondere im Imperialismus hat. Im zweiten und dritten Teil sollen vor diesem Hintergrund Maßnahmen und zentrale Punkte der aktuellen Debatte eingeordnet werden. Im vierten Teil soll kurz auf den Standpunkt der Arbeiterklasse eingegangen werden.

    Das Antreiben von Flucht und Migration und das gleichzeitige Unterdrucksetzen der Geflohenen ist kein Widerspruch, sondern Ausdruck des Ziels des Kapitals: die Ausbeutung von möglichst vielen erpressbaren und in Unsicherheit lebenden, billigen Arbeitskräften. Geheuchelte Humanität und gezielte rassistische Kampagnen sind jeweils Mittel, um diese Ziele in der Gesellschaft durchzusetzen. Die Antwort der Arbeiterklasse kann nur sein, sich als internationale Klasse zu verstehen, für wirkliche Humanität und Klassensolidarität einzustehen und gemeinsam für mehr Rechte und gegen die imperialistische Kriegs- und Ausbeutungspolitik zu kämpfen.

    1.   Warum Migration?

    Warum es Flucht und Migration gibt, ist zunächst offensichtlich: die Zerstörung ganzer Länder und Ökonomien, die anhaltende Unterdrückung großer Teile der Welt, ihre Fesselung an Hunger und Unterentwicklung. Migration ist aber nicht nur Folge der Unterdrückungspolitik der imperialistischen Länder, sondern hat auch eine wichtige Funktion für die Ökonomien dieser Länder. Der Zufluss von billigen und erpressbaren Arbeitskräften ist aus verschiedenen Gründen elementar. Diese Seite der Migration kann man als Raub an den Produktionspotentialen der unterentwickelten Ländern bezeichnen.

    Industrielle Reservearmee und Parasitismus der reichen Länder

    Mit der Entstehung des Kapitalismus ist die Lostrennung der Arbeitskraft von den feudalen Verhältnissen, den Fesseln der Feudalherrschaft und die Schaffung vieler „freier“, also sowohl frei verfügbarer und als auch frei von Produktionsmitteln existierender Lohnarbeiter, verbunden. Eine riesige Anzahl an Arbeitskräften wurde entweder durch rohe Gewalt dorthin transportiert, wo man sie auspressen wollte (Sklavenhandel), war durch Not gezwungen auszuwandern (Europäer nach Amerika) oder durch vertraglich geregelten Zwang angeworben und als extrem niedrig bezahlte Lohnarbeiter in großen Massen eingesetzt (Chinesen, ohne die beispielsweise das amerikanische Eisenbahnsystem niemals entstanden wäre). Das 19. Jahrhundert war von größeren Wanderungswellen geprägt als dies heute der Fall ist.

    Im imperialistischen Stadium des Kapitalismus hat die Migration eine zentrale Bedeutung für die Aufrechterhaltung des imperialistischen Ausbeutungssystems. Es handelt sich dabei um „(…) ein charakteristisches Element der staatsmonopolistischen Entwicklung. Seinen Verwertungsbedürfnissen entsprechend sprengt das Kapital die nationalen Grenzen; es durchbricht die Schranken der Bevölkerungszunahme im eigenen Land und schafft sich durch ‚Freizügigkeitsregelungen‘ im Rahmen der kapitalistischen Integration sowie durch staatlich gelenkte Anwerbung von Arbeitskräften aus anderen Ländern das für seine ökonomische Expansion notwendige Arbeitskräftepotenzial“.[1]

    Den Epochencharakter dieser „Völkerwanderung der besonderen Art“ hat Lenin so formuliert: „Gerade für den Imperialismus ist eine solche Ausbeutung der Arbeit schlecht bezahlter Arbeiter aus rückständigen Ländern besonders charakteristisch. Gerade darauf basiert in einem gewissen Grade der Parasitismus der reichen imperialistischen Länder, die auch einen Teil ihrer eigenen Arbeiter durch eine höhere Bezahlung bestechen, während sie gleichzeitig die Arbeit der billigen‘ ausländischen Arbeiter maßlos und schamlos ausbeuten.“[2]

    Zwei Faktoren haben eine große Bedeutung für die imperialistischen Länder in ihrer andauernden Krise: Die Zahl der verfügbaren Masse Arbeitskraft muss unbedingt erhöht werden und in gleichem Maße auch ihre Erpressbarkeit und Unsicherheit, was mit der gesteigerten Nachfrage nach Arbeitskraft zusammenhängt. So muss ein permanenter Nachschub von billigen Arbeitskräften stattfinden, der sogenannten industriellen Reservearmee. Diese setzt sich aus verfügbaren Arbeitskräften zusammen, die sowohl schnell in den Prozess geworfen als auch wieder ausgestoßen werden können. Sie hat die Funktion, den Druck auf die Löhne aufrechtzuerhalten, indem das Angebot an Arbeitskräften stets hoch gehalten wird.[3] Diese Reservearmee ist direktes Resultat der Expansion und Schrumpfung des Kapitals. In den Boomphasen steigt die Nachfrage nach Arbeitskräften und mit ihr die Löhne – die Profite gehen zurück. In diesen Phasen ist es relevant, eine „Korrektur“ durch eine große Anzahl außerhalb des Produktionsprozesses stehender Arbeiter zu erreichen, die aufgrund ihrer elenden Lage bereit sind, jede Arbeit anzunehmen. In Zeiten der Krise wächst die Reservearmee stark an.

    Die Reservearmee sollte aus Sicht des Kapitals möglichst diversifiziert sein, also sowohl aus besser qualifizierten als auch aus ungelernten Arbeitern bestehen. Der migrantische Teil der Reservearmee wird durch verschiedene Gesetze und Aufenthaltsstati unterschiedlich behandelt. Während die Zuwanderung von Fachkräften erleichtert werden soll, soll die von Ungelernten erschwert werden. Fachkräfte kommen jedoch nicht so gerne nach Deutschland, weil die Löhne beispielsweise im Pflegesektor vergleichsweise niedrig sind. Meistens sind es die Ungelernten, die dazu verdammt sind, zu fliehen und unter Druck gesetzt werden sollen. Zur Reservearmee zählen auch Deutsche, die (vorübergehend oder längerfristig) arbeitslos sind. Die größten Teile der Reservearmee sollen wie ein Puffer funktionieren: In Hochzeiten werden sie in den Produktionsprozess eingesogen, in Krisenzeiten wieder ausgestoßen. Sie sollten jederzeit bereit, beweglich und erpressbar sein. Dass sie nicht gleichermaßen erpressbar sind – Deutsche weniger als Flüchtlinge – ist aus Sicht des Kapitals teilweise ärgerlich, hat aber auch Vorteile, weil man sie gegeneinander ausspielen und den Deutschen stets vorhalten kann, dass es noch schlechtere Bedingungen gibt. Allerdings richtet sich eine Verschlechterung der Bedingungen der Migranten immer auch gegen deutsche Arbeiter, wenn auch nicht immer sofort und unmittelbar. So wurde die Einführung von „gemeinnütziger“ Arbeit, eine sanfte Variante des Arbeitsdienstes, beispielsweise zunächst bei Flüchtlingen durchgeführt und später bei allen Arbeitslosen mit den sogenannten „Ein-Euro-Jobs“ angewandt.

    In Zusammenhang mit der gesteigerten Ausbeutung der Arbeitskraft muss der allgemeine Hintergrund der ökonomischen Krise erwähnt werden. Diese besteht aus zyklischen Krisen, aber auch aus einer anhaltenden Tendenz der sinkenden Profitrate. In diesem Zusammenhang ist die Herabsenkung der Löhne von großer Bedeutung, da diese eine Möglichkeiten darstellt, der sinkenden Tendenz entgegen zu wirken. Die Senkung der Löhne bei Erhöhung der Produktivität ist dauerhafte Aufgabe für Kapital und Staat. Inflation, Aufstockung der Reservearmee sowie Verschlechterung der Existenz der gesamten Arbeiterklasse sind daher nicht zufällig, auch wenn sie gerne als Naturereignis dargestellt werden.

    Die Lage des Kapitals ist prekär, da die Profitraten-Problematik bereits Dimensionen angenommen hat, die verdeutlichen, dass die herrschende Klasse nicht mehr in der Lage ist, die Existenz der unterdrückten Klasse abzusichern. Das Kapital schafft das schon lange nicht mehr „allein“, sondern nur durch Zusatzlohnleistungen durch den Staat (Kindergeld, Kombilöhne verschiedenster Art) und damit aus dem Reproduktionsfonds der Arbeiter selbst. Das bedeutet, dass die Profitraten aufgrund von Überproduktion und Überakkumulation nicht mehr dazu ausreichen, die Reproduktionskosten der Arbeitskraft zu decken. Ein Beispiel ist das Kindergeld, eine de facto Lohnzusatzleistung des Staates, denn zu den Reproduktionskosten der Arbeitskraft gehört die Versorgung der Kinder dazu. Ohne staatliches Kindergeld müssten die Löhne stark ansteigen und damit die Profitrate weiter schmälern.

    Das Herabdrücken der Bedingungen der internationalen Reservearmee kommt daher eine besondere Bedeutung zu und so ergibt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Migrationspolitik und der imperialistischen Außenpolitik. Aus Sicht der Imperialisten muss verhindert werden, dass sich die Produktivkräfte in den unterdrückten Ländern entwickeln. Darunter fällt die Steigerung im Wert der Arbeitskraft sowie die eigene Nachfrage nach Arbeitskraft, die in der Folge nicht mehr abwandert. Kriegspolitik ist  u.a. Arbeitskräftebeschaffungspolitik und umgekehrt ist die Zufuhr von Arbeitskraft eine Voraussetzung für die starke Expansion der Rüstungsindustrie.

    Die Fesselung vieler Länder an Elend und Rückschritt ist aus Sicht der imperialistischen Länder wichtig, um die dadurch billig gehaltene Arbeitskraft ausbeuten zu können und so Extraprofite erzielen zu können. Das kann durch die Ausbeutung in den imperialistischen Zentren, aber auch in den unterdrückten Ländern selbst erzielt werden.

    Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter

    Für das deutsche Kapital war die Zufuhr von Arbeitskraft stets eine wichtige Frage, um die Exportindustrie expandieren und aufrechterhalten zu können. Im Faschismus wurden Millionen Zwangsarbeiter verschleppt und ausgebeutet. Nach 1945 wurden „Gastarbeiter“ angeworben und nach 1990 setzte eine enorme Anziehung und Auspressung von Arbeitskraft ein. Die osteuropäischen Länder, die durch die Konterrevolution deindustrialisiert wurden und über gut ausgebildete und nun völlig ausgelieferte Arbeitskräfte verfügten, fielen den deutschen Unternehmen zum Opfer, zusätzlich zu den Arbeitern aus der annektierten DDR.

    Hannes Hofbauer führt in seinem insgesamt informativen, wenn auch zum Teil kritikwürdigen Buch „Kritik der Migration“ aus: „Die Lohnhöhe spielt dabei eine in westlichen Medien immer wieder kleingeschriebene, in Wahrheit jedoch entscheidende Rolle. Während Mitte der 1990er-Jahre der durchschnittliche Bruttostundenlohn in den westlichen deutschen Bundesländern bei 44 DM und in Ostdeutschland bei 26,50 DM lag, betrug er in Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien zwischen 3 und 4 DM, in Rumänien 1,40 DM.“[4] Zugleich strömten hunderttausende aus dem Produktionsprozess geworfene Osteuropäer (und Ostdeutsche) auf den deutschen Arbeitsmarkt. Darunter waren viele Illegalisierte, da die Herkunftsländer noch nicht in der EU waren. Dies wurde von den Unternehmen gerne hingenommen, da man sich so Sozialausgaben sparte und extrem niedrige Löhne zahlen konnte. Die nach der Annexion der DDR boomende westdeutsche Bauindustrie hätte ohne diese illegalisierte osteuropäische Arbeitskräfte niemals so stark expandieren können.

    Während 1993 das Asylrecht de facto abgeschafft wurde und dem eine „Das Boot ist voll“-Kampagne vorausging, freuten sich die Konzerne über hunderttausende illegalisierte und weitere Osteuropäer mit prekärem Status. Im weiteren Verlauf waren sowohl die Hartz-Reformen zentral, um die Bedingungen der Reservearmee und unterer Teile der Beschäftigten massiv zu verschlechtern. Daneben war auch der Abbau der Rechte der Geflüchteten und zugleich die Erhöhung der Mobilität der Arbeitskraft innerhalb der EU zentral. Die Fluchtbewegungen von 2015/ 16 waren sowohl nützlich für die deutschen Monopolkonzerne zur Beschaffung billiger Arbeitskraft als auch zur weiteren Unterdrucksetzung der EU-Außenstaaten zur Flüchtlingsaufnahme.

    Es stellt sich die Frage, ob auch aus Sicht des Kapitals die Migrationsquote tatsächlich reduziert werden müsste, also die Reservearmee in einem bestimmten Rahmen gehalten werden soll. Die Expansion des Kapitals ist eine Schranke für die Größe der Reservearmee. Wenn es zur Krise kommt und damit ohnehin viele Arbeitskräfte freigesetzt werden sowie Teile der Reservearmee auf absehbare Zeit gar nicht mehr in den Produktionsprozess genommen werden können, besteht die Gefahr, dass die Kosten für die Existenzsicherung dieser Teile zu hoch werden und die Höhe des Existenzminimums deshalb abgesenkt und/ oder die Zahl der Empfänger reduziert werden muss.

    Die meisten ausländischen Arbeiter in Deutschland stammen mit Ende 2019 4,9 Millionen aus EU-Ländern. Davon kommen 863.000 Personen aus Polen, 748.000 aus Rumänien, 415.000 aus Kroatien, 360.000 aus Bulgarien und 212.000 aus Ungarn[5]. Das sind für die teils kleinen Länder sehr hohe Zahlen. Die Nettozuwanderung (Zuzüge abzüglich Wegzüge) betrug 2023 662.964 Personen. Sie lag damit niedriger als 2022, als mehr als eine Million Ukrainer aufgenommen wurden. Aber auch 2022 stammten (nach der Ukraine) die meisten Zuwanderer aus Rumänien und Polen, darauf folgte Syrien und mit Bulgarien wiederum ein EU-Land. Der größte Anteil von in Deutschland lebenden Migranten hat Familienbezüge in die Türkei, gefolgt von Polen und Rumänien.[6] Aus Syrien waren 2022 92.291 Personen eingewandert, aus Afghanistan knapp über 68.000.

    Das wichtigste Arbeitskräftereservoir für das deutsche Kapital ist Osteuropa, Südosteuropa und die Türkei. Arbeitskräfte aus afrikanischen oder anderen Nicht-EU-Ländern spielen eine zwar untergeordnete, aber ebenfalls nicht unwichtige Rolle, insbesondere weil sie rechtlich schlechter gestellt sind.

    Das ist – grob skizziert – der allgemeine Kontext, in den man die laufende Debatte und die verschärften Maßnahmen einordnen muss.

    2.   Begrenzen und anfeuern zugleich

    Die von Medien und Regierung angefeuerte Diskussion ist scheinbar widersprüchlich: Auf der einen Seite wird eine Kampagne für die „Begrenzung“ gestartet und entsprechende Maßnahmen eingeleitet, auf der anderen Seite wird Migration befördert und angetrieben. Doch darin besteht kein Widerspruch, da es darum geht, die Zufuhr möglichst erpressbarer Arbeitskräfte sicherzustellen. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die die Bedingungen der Einwanderer verschlechtern und zugleich den anderen Teilen der Arbeiterklasse vermitteln, dies geschehe zu ihren Gunsten, obwohl es ihre Lebensbedingungen ebenfalls verschlechtert. Dafür braucht es Spaltung, Irreführung und Kampagnen.

    Rassismus kommt von oben. Das ist eine der wichtigsten, wenn auch banalen Feststellungen, die man treffen muss. Gerade dann, wenn rassistische Einstellungen auch in der Arbeiterklasse verbreitet sind, muss man betonen und herausarbeiten: Rassismus wird von der herrschenden Klasse, ihren Regierungen und Medien geschürt und sehr zielgerichtet eingesetzt.

    Gleichzeitig geben sich Teile der herrschenden Klasse weltoffen und antirassistisch. Unternehmerverbände wollen „Vielfalt“ und große Demos laufen unter den Fahnen der Parteien, die gerade die Bedingungen für Migranten massiv verschlechtert haben. Es ist Heuchelei mit Methode. Denn die Spaltung und Verschlechterung soll durchgesetzt werden, während gleichzeitig der Zustrom an billiger Arbeitskraft aufrechterhalten werden soll.

    Die Kampagne, die v. a. im Herbst letzten Jahres zur Legitimation und Durchsetzung der verschärfenden Maßnahmen durch Medien und Öffentlichkeit lief, war eine orchestrierte und geplante Kampagne – und zwar nicht von der AfD, sondern von Regierung und Medien. Wochenlang war nur noch von völlig überforderten Kommunen, Bürgermeistern, Landräten und NGOs die Rede. Sie kamen ausführlich zu Wort. Das erinnerte an die „Das Boot ist voll“-Kampagne. Die „Wir können nicht mehr“-Welle ging durchs Land und wer das in Frage stellte, wurde als realitätsfremd oder abgehoben dargestellt. Völlig aus dem Blick geriet, dass es eine Lüge ist, dass ein reiches Land wie Deutschland mit der vergleichsweise geringen Zahl von Flüchtlingen überfordert sei.

    Wohnungen fehlen, Schwimmbäder fehlen, Schulen sind alt und marode – und das ganz ohne Flüchtlinge. Wenn die Regierung allerdings behaupten kann, das alles sei wegen der Flüchtlinge nicht stemmbar, kann sie das Geld weiter ins Militär und in die Unternehmenskassen stecken. Der deutsche Michel soll die Schauermärchen der Flüchtlinge, denen alles geschenkt werde, glauben – während gleichzeitig genau diesen das letzte Hemd abgenommen wird und sie in verzweifelte Situationen gebracht werden. Wer die Zahlen der fehlenden Wohnungen ernsthaft untersucht, wird feststellen, dass bereits vor den Jahren mit hoher Einwanderungsquote (2015) hunderttausende Wohnungen gefehlt haben und der Grund dafür ganz einfach die mangelnde Rentabilität des Wohnungsbaus ist.

    Die Kampagne lief auf ein Ziel, die nun unvermeidlich erscheinenden Verschärfungen,  hinaus: Asylprüfungen vor den EU-Grenzen, schnellere Abschiebung, erschwerter Familiennachzug und Bezahlkarte.

    Die Forderung der Begrenzung

    Alle Parteien fordern eine Begrenzung der Zuwanderung. Das ist in doppelter Hinsicht heuchlerisch: Zum einen weil die Zuwanderung bereits jetzt begrenzt ist und für hunderttausende Menschen nicht möglich ist. Zum anderen weil diese Forderung suggeriert, sie würde das Problem lösen.

    Viele Wähler finden das Bild attraktiv: Die Grenzen müssen geschlossen werden, dann verbessert sich unsere Situation. Eine Illusion zur Freude der Verantwortlichen für das hiesige Chaos. Für Verunsicherung der Lebensverhältnisse, Verarmung, Vernachlässigung der öffentlichen Infrastruktur, Kriegspolitik, Verrohung der öffentlichen Diskussion, der Medien und die anhaltende Entvölkerung in manchen Landesteilen, insbesondere im Osten – für all diese Missstände sind nicht Flüchtlinge oder eine außer Kontrolle geratene Migration verantwortlich, sondern Regierung, Unternehmen und deren Interessen.

    Für das Kapital ist nicht nur der Zustrom vieler Arbeitskräfte wichtig, sondern auch, dass diese sich in einer prekären und erpressbaren Lebenslage befinden. Der Hauptzweck der Maßnahmen der „Begrenzung“ ist, diesen Zustand herzustellen. Denn Menschen werden weiterhin vor Krieg und Zerstörung fliehen oder ihre Länder verlassen müssen, weil sie dort keine Zukunftsperspektive mehr haben. Das „Versprechen“ der Begrenzung wird daher kaum erfüllt werden können. Nun könnte man entgegnen, dass dafür eben die richtigen Maßnahmen getroffen werden müssten, also konsequentes Schließen der Grenze. Im Kontext der imperialistischen Aggression, die von Deutschland ausgeht (sowohl politisch als auch ökonomisch) kann diese Forderung nur eine Absicherung dieser Ausbeutungsverhältnisse bedeuten und ist offensichtlich unmenschlich.

    Die Ideologie der „offenen Grenzen“ auf der anderen Seite dient ebenfalls der Kapitalseite. Das gilt für die Grenzen der unterdrückten Länder, die die imperialistischen Länder natürlich einreißen wollen, damit sie Märkte fluten, Politik bestimmen und sich Land und Rohstoffe unter den Nagel reißen können. Das ganze Konzept von „offener Gesellschaft“ ist eine imperialistische Ideologie. Das Konzept der „begrenzten und geregelten Migration“ allerdings auch.

    Die Begrenzungsdebatte ist also Teil der Verschlechterung der Situation der Arbeitskräfte, denn jede Erschwernis bei Einreise und Aufenthalt erhöht den Druck auf diese bereits Bedrückten. Wer einmal den Weg geschafft hat, kennt Härten und Qualen. Er wird nichts tun, was den Aufenthalt gefährden könnte und er ist bereits daran gewöhnt, harte Umstände ertragen zu müssen. Wer einen prekären Aufenthalt hat, der nimmt jede Arbeit an. Wer diese Arbeit bekommen hat, wird nichts unternehmen, was sie gefährden könnte. Er wird jede Verschlechterung hinnehmen, denn sonst wird die Familie im Heimatland leiden, weil weniger Einkommen geschickt werden kann. Man muss wohl nicht weiter die Situation von Geflüchteten beschreiben, um zu verstehen, warum jede Verschärfung den Druck erhöht und wie dieser Druck einzig und allein den Kapitalisten nutzt. Arbeitskräfte aus Osteuropa sind zwar etwas besser gestellt, aber ihre Erpressbarkeit ist ebenfalls hoch, da keine Aussicht auf Besserung in ihren Ländern existiert. Innerhalb des EU-Rahmens gibt es zudem zahlreiche Angriffspunkte, die diese Arbeitskräfte stärker unter Druck setzen. Sie sind oftmals außerhalb der rechtlichen Schutzregelungen und gewerkschaftlichen Organisationen. Die Streiks der osteuropäischen LKW-Fahrer im hessischen Gräfenhausen war ein eindrückliches Beispiel dafür. Die meisten von ihnen kamen zwar aus Nicht-EU-Ländern, viele polnische oder rumänische Arbeiter leiden allerdings unter kaum weniger kriminellen Verhältnissen.

    Auf der Schattenseite

    Hier soll kurz auf die die Argumentation von BSW eingegangen werden, da sie als sozialdemokratische Partei eine gesonderte Argumentation zur Migration vertritt. Im Grundsatzprogramm heißt es: „Das (der Zugewinn von Zuwanderung, Anmerkung PK) gilt aber nur, solange der Zuzug auf eine Größenordnung begrenzt bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert, und sofern Integration aktiv gefördert wird und gelingt. Wir wissen: Den Preis für verschärfte Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum, um Jobs mit niedrigen Löhnen und für eine misslungene Integration zahlen in erster Linie diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wird, hat Anspruch auf Asyl. Aber Migration ist nicht die Lösung für das Problem der Armut auf unserer Welt. Stattdessen brauchen wir faire Weltwirtschaftsbeziehungen und eine Politik, die sich um mehr Perspektiven in den Heimatländern bemüht.“

    Richtig ist, dass der Preis für die verschärfte Konkurrenz von denen bezahlt wird, die nicht auf der „Sonnenseite des Lebens“ stehen. Abgesehen davon, warum dazu nicht auch die Geflüchteten zählen, ist in dieser Logik die Antwort auf die verschärfte Konkurrenz die Ausweisung und Verschärfung des Aufenthalts. Die Konkurrenz soll also nicht durch gemeinsamen Kampf aller nicht auf der Sonnenseite Stehenden für gemeinsame gleiche Rechte abgeschwächt werden, sondern durch die Unterdrucksetzung eines Teils der im Schatten stehenden und damit – durch die Verschärfung der Konkurrenz. Das ist eigentlich ein einfacher als zutiefst unlogisch erkennbarer Trick. Der Verweis auf „faire“ Weltwirtschaftsbeziehungen ist eine hohle Phrase, die nicht Gefahr läuft, einzutreten. Im Gegenteil, denn der Standort Deutschland soll laut Programm erhalten und gefördert werden. Die Verschlechterung der Lage großer Teile der Arbeitskraft wird mit einem leeren Versprechen begründet.

    Mit Absicht willkürlich

    Die Debatte ist davon bestimmt, dass es „irreguläre“ und „reguläre“ Migration gebe und die erstere bekämpft werden müsse. Damit ist gemeint: Asyl bekommen politisch Verfolgte, „Wirtschaftsflüchtlinge“ haben dagegen kein Anspruch auf Aufenthalt, außer sie entsprechen unseren Vorgaben des Arbeitsmarkts und dürfen dann als „Fachkräfte“ zuwandern. Das ist die identische Argumentation wie zu Beginn der 1990er Jahre. Politisches Asyl kann nur eine verschwindend kleine Zahl beanspruchen. Eine etwas größere Zahl sind anerkannte Kriegsflüchtlinge, dazu zählen Ukrainer, bis vor kurzem Syrer, in den 1990er Jahren Jugoslawen. Afghanen dagegen nicht. Es handelt sich dabei um eine willkürliche Entscheidung des Innenministeriums und hängt eher mit politischen Erwägungen zusammen. Wenn man in einem Land Einfluss gewinnen will, Umsturzpläne verfolgt oder politische Kräfte aufbauen und unterstützen will, dann werden die Einreisebestimmungen massiv erleichtert.

    Wenn Menschen nach Deutschland fliehen, Asyl beantragen, ihr Antrag abgelehnt wird und sie über langjährige zermürbende Verfahren zu einem Aufenthalt kommen, wird das „irreguläre“ Migration genannt. Damit wird nur zum Ausdruck gebracht, dass Fluchtgründe wie Hunger, Elend und Perspektivlosigkeit nicht zählen. Dieses System ist Teil der schlechten Bedingungen und Erpressbarkeit.

    Asylrecht nicht für Kolonisierte

    Die Aufnahme des Asylrechts in das Grundgesetz resultiert aus der Erfahrung des Faschismus und der Verfolgung von politisch Oppositionellen und der Juden. Diese wurden damals von den wenigsten Ländern aufgenommen und waren damit den Todeslagern ausgeliefert. Das europäische Asylsystem war also eine Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg und somit eine Errungenschaft. Aber es war auch ein Vertrag zwischen den Kolonialmächten und den anderen imperialistischen Staaten Westeuropas und Nordamerikas, und daher nie im Sinne der kolonisierten Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gedacht. Trotzdem sind es vor allem Millionen Menschen aus den Ländern des Trikonts, die das Recht auf Asyl und Bleiberecht in den letzten rund 75 Jahren in Anspruch nehmen mussten – und die es sich auch gegen den Willen der Herrschenden erkämpft haben. Dafür haben Hunderttausende mit ihrem Leben bezahlt.[7]

    Die Einteilung in „echte“ und „falsche“ Flüchtlinge dient der Aufhetzung und hat nichts mit „Rechtmäßigkeit“ zu tun. Aus Menschenrechtsperspektive und der Perspektive der internationalen Arbeiterbewegung sind Hunger, Arbeitslosigkeit und Elend offensichtlich Gründe, das Land zu verlassen. Ebenso offensichtlich unmenschlich ist die Politik von Grenzzäunen, Pushbacks und Lagern, die dabei auch Ausdruck der selben Macht ist, die Länder und Ökonomien zerstört und unterdrückt. Aus Sicht der Herrschenden dient diese Einteilung einem Zweck: Die „Irregulären“ sollen kommen und „irregulär“ bleiben, damit so  umso mehr Druck auf alle ausgeübt wird.

    3.   Wessen Sozialsysteme?

    Auf der anderen Seite der Ausplünderung der Arbeitskraft der unterdrückten Länder steht die Bestechung von Teilen der Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren. Diese soll die politische Herrschaft des Kapitals absichern sowie die nationale und internationale Arbeiterklasse spalten. Gerade angesichts der gesteigerten Ausplünderung und der zunehmenden Widerstände dagegen spielt diese Bestechung eine wichtige Rolle. Zugleich scheint dieses Modell der Bestechung in einer politischen und ökonomischen Krise zu stecken. Doch auch wenn das ökonomische Potential zur Bestechung langsam nachlässt, wirkt es noch. Der Rassismus ebenso wie liberale Ideologien schließen sich nicht nur nicht aus, sondern können Teil der sozialdemokratische Integration bestimmter Schichten der Arbeiterklasse sein.

    Gerade für Kommunisten ist die Frage zentral, in welches Verhältnis sich die Arbeiterklasse in den imperialistischen Zentren zur internationalen Arbeiterklasse stellen sollte.

    Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit

    An einem Beispiel soll dieses Verhältnis kurz genauer betrachtet werden: CSU wie BSW wollen die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ verhindern. Was soll das eigentlich heißen? Sollen nur voll funktionstüchtige Arbeiter, die nie krank, arbeitslos oder alt werden,  einwandern dürfen? Oder nur solche, die mehr einzahlen als sie selbst brauchen? Das ist offensichtlich Unsinn und daher kann es darum nicht gehen. Es geht allerdings darum, die Leistungen für die Eingewanderten zu kürzen oder teilweise ganz zu streichen. Das gilt bereits bei Einwanderern aus EU-Ländern, für die der Bezug von Arbeitslosengeld II erschwert ist. Die Losung der Begrenzung hat wahltaktische Gründe, sie ist plakativ und scheint dem Gerechtigkeitssinn zu entsprechen. Dabei ist sie bei genauerer Betrachtung klar ungerecht: Menschen, die vor Krieg und Elend fliehen sind oftmals nicht sofort arbeitsfähig und daher auf Sozialleistungen angewiesen. Aus Sicht des Kapitals ist das allerdings nicht unwichtig, denn wie oben angedeutet darf die Menge der manövrierbaren Masse Arbeitskraft nicht zu groß werden. Die Beschränkung der Sozialleistungen soll zum einen das Existenzminimum und damit das untere Limit der Reproduktionskosten niedrig halten, zum anderen die Kosten reduzieren.

    Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt: Die Arbeiter, die aus den unterdrückten Ländern hierherkommen, haben mit der Ausplünderung ihrer Länder schon viel für den Reichtum hierzulande bezahlt und haben einen Anspruch darauf, einen Teil dieses Reichtums zu bekommen. Im Interesse der internationalen Arbeiterklasse ist die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle und damit auch die Erhöhung der Sozialleistungen für alle Arbeiter und zwar auf Kosten des Kapitals. Unsere Klassengeschwister sollen an den hier erkämpften Rechten und an dem aus ihren Ländern und Völkern ausgepressten Reichtum teilhaben. Denn es handelt sich um gemeinsam erkämpfte Rechte – gemeinsam von der Arbeiterbewegung in den Zentren und von den antikolonialen Befreiungskämpfen in den unterdrückten Ländern und sozialistischen Ländern. Diese Kämpfe hängen zusammen und können gemeinsam den Druck auf die Imperialisten erhöhen. Die gegenseitige Stärkung dieser Bewegungen war in den 1970er Jahren vielen bewusst. Doch dieser Zusammenhang soll durch viele ideologische Lügen zerrissen werden.

    Kostenlose Reproduktion

    Es gibt einen weiteren ökonomischen Aspekt in der Betrachtung der ausländischen Teile der Reservearmee: Deren Ausbildung und Reproduktion findet meist in einem anderen Land statt und fällt daher nicht als Kosten an. Das ermöglicht eine weitere Lohnsenkung in den imperialistischen Zentren, denn die Bezahlung der dortigen Reproduktion und Ausbildung ist teurer.

    Wenn eine Thüringer Landrätin stolz verkündet, dass die Bezahlkarte verhindern soll, dass Asylbewerber ihre Sozialleistungen in die Heimat überweisen, ist das eine Überzeugung aus Gemeinheit, denn jeder Mensch kann sich denken, dass die Familien in schlechten Bedingungen leben müssen. Aber es drückt zugleich auch das Kalkül der Kapitalisten aus, eben nichts für die Reproduktion dieser bedrückten Arbeitskräfte zahlen zu wollen. Sie wollen, dass andere Länder und Familien Menschen großziehen, teilweise ausbilden und sie dann hier ausgebeutet werden können.

    4.   Imperialismus und Menschenrechts-Aktivismus

    Im letzten Teil soll kurz auf die Entwicklung der linken Bewegung in dieser Frage und notwendige Schlussfolgerungen eingegangen werden. Viele Jahre gab es eine aktive antirassistische Bewegung, die gegen Abschiebung, Asylverschärfung und Rassismus kämpfte. Sie hatte ihre Stärken, aber auch sehr viele Schwächen.

    Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten, ein Zusammenschluss von politischen Flüchtlingen, betonte die Rolle des Imperialismus und vertrat offensiv: Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört. Die Karawane wendete sich gegen die imperialistische Aggression und Unterdrückung und stieß dabei auf großen Widerstand und Unwillen seitens vieler liberaler Antirassisten. Anfang der 2000er wurde Migration von diesen zum Teil als etwas positives verklärt, was es zu fördern gelte, während die selbstorganisierten Flüchtlinge und Migranten das brutale System hinter der Migration (damit sind nicht „Schleuser“ gemeint, sondern die Regierungen und Unternehmen, die Länder zerstören) benannten. Die liberale Ideologie und NGOs haben weitestgehend antiimperialistische Positionen zersetzt, auch wenn diese in den letzten Jahren wieder einen Aufschwung erleben, der sich allerdings widersprüchlich äußert.

    Der Menschenrechts-Aktivismus wollte genau die antiimperialistischen Aspekte ausklammern und war bereit, die Logik der imperialistischen Migration zu akzeptieren. Ausbeuter, Unterdrücker und das System der Ausbeutung wurden immer weniger benannt, übrig blieb ein emotionaler Anschein von „Menschenwürde“, den die Herrschenden sogar nutzen konnten, um ihren Machenschaften einen besseren Anstrich zu verpassen. Das drücken Karrieren wie die von Carola Rackete aus, die die imperialistische Kriegspolitik befürwortend als Flüchtlingshelfer über das Mittelmeer fuhr. Letztlich konnte man mit der oberflächlichen Menschenrechtsrhetorik sogar die EU-Asyllager an den Außengrenzen rechtfertigen, denn sie seien ja eine humanere Maßnahme, als die die von Rechten gefordert werden. Diese verlogene und autoritäre Bewegung hat die Menschlichkeit verächtlich gemacht.

    Zu der liberalen Position gehört auch die Mär eines verlogenen Multikulturalismus. Die Fassade der „Multikulturalität“ soll verdecken, dass Migranten die schweren und schlecht bezahlten Arbeiten machen, dass sie gezielt in den Schulen auf niedrigem Niveau gehalten werden, damit sie nur für diese Arbeiten „qualifiziert“ sind. Das gilt für deutsche Hauptschüler ganz genau so – auch sie werden vom deutschen Schulsystem und gesellschaftlich entsprechend „integriert“, aber Migranten sind überdurchschnittlich davon betroffen.

    Die Medien schlachteten menschliche Katastrophen für ihre Politik aus. Manch einer reagierte mit einer allgemeinen Ablehnung von Menschlichkeit und Solidarität. So wurde ein gewisser Ökonomismus befördert, der vor allem die ökonomischen Aspekte der Migration sah und die ökonomischen Nachteile für die unterdrückten Länder in den Fokus rückte. Der identitätspolitischen Verklärung von Migration und „offenen Grenzen“ setzten einige Verständnis für die Begrenzung entgegen mit dem Argument, dass diese ja auch für die Menschen in den Heimatländern besser sei. Eine Position, die im Ergebnis eine scheinbar elegante Anbiederung an den rechten Diskurs darstellte.

    Humanität und Ablehnung von Ignoranz wurde lächerlich gemacht und als heuchlerische grüne Politik beschimpft. Eine Schließung der Grenzen, die Eingrenzung des hiesigen Wohlstands und damit die Vollstreckung der Spaltung der internationalen Arbeiterklasse wurde als vernünftig propagiert. Aber die Weltanschauung und der Standpunkt der internationalen Arbeiterklasse beinhaltet selbstverständlich Humanität und Solidarität, sie ist ein essenzieller Bestandteil im Klassenkampf.

    Verhetzung und Herrenrasse

    Es gibt einen weiteren Aspekt der „Migrationsdebatte“, der besonders von der AfD, klassischerweise auch von der CDU oder von liberalen Kräften wie der FDP befördert wird, wenn auch in unterschiedlicher Rhetorik angesichts verschiedener Zielgruppen. Liberale Herren sehen gerne die durch Flucht abgehärteten Arbeitskräfte für sie schuften – und zwar ohne Murren. Der Sozialdarwinismus ist dem Liberalismus innewohnend.

    Die Verhetzung der hier lebenden Menschen durch die offene Abwertung des Lebens Anderer und das Eintreten für den Tod an den Grenzen ist nur die offenere Variante desselben Herrenmenschentums. Die in der Bevölkerung bezweckten Einstellungen reichen von Ignoranz bis Hass. Die Nazi-Banden, von Verfassungsschutz und Co aufgebaut und finanziert, sorgen für die notwendige Portion Angst. Im Kontext der „Kriegsertüchtigung“ gegen Russland ist diese ideologische Ertüchtigung nicht zu unterschätzen. Wer andere Länder wieder überfallen soll, muss sich als Herrenmensch fühlen, ganz unabhängig davon, ob regenbogenfarben und grün oder eben in klassischem braun.

    Internationale Arbeiterklasse

    Die Arbeiterklasse ist eine internationale Klasse, auch wenn ihre Kampfbedingungen national bestimmt sind. Das heißt, dass sie einen gemeinsamen Gegner hat – die kapitalistische Klasse insbesondere der imperialistischen Zentren – und dass sie mit einer gemeinsamen Strategie kämpfen sollte. Das heißt auch, dass sie in einem gemeinsamen ökonomischen Ausbeutungsverhältnis durch die Imperialisten steht. Die Herabdrückung der einen soll der Bestechung der anderen und zugleich auch deren verschärfter Ausbeutung dienen.

    Wir kämpfen gemeinsam gegen den Brain Drain, die Abwerbung bzw. Vertreibung der Arbeitskräfte aus den abhängigen Ländern und die brutale Ausnutzung der Flucht durch die Imperialisten. Uns ist völlig klar, dass diese Migration zu Lasten der abhängigen Länder läuft. Das heißt aber nicht, dass wir nur einen Zentimeter ihrer „Begrenzungs-„Demagogie glauben. Unsere Klassengeschwister aus den unterdrückten Ländern sollen einfachere und bessere Bedingungen haben und nicht noch erpressbarer und unsicherer leben müssen. Deshalb sind wir gegen eine Verschärfung, Begrenzung und Entrechtung von Migranten, die offensichtlich unmenschlich und brutal sind.

    Aufgabe ist es, den Kampf gemeinsam gegen Ausbeutung und Erpressung zu führen und gemeinsame Organisierung von Flüchtlingen, Migranten und Deutschen zu erreichen. Dabei müssen viele Schwierigkeiten überwunden werden. Wir müssen diesen Kampf politisch  begreifen und ihn folglich gegen die Herrschaft und Kriege der imperialistischen Staaten, also der USA, der EU und ihrer Verbündeten, führen. Dies war auch stets die Antwort der revolutionären Arbeiterbewegung, die sich bereits vor langer Zeit mit der richtigen Position zu Grenzschließungen und Migrationsbegrenzung auseinander gesetzt hat.


    [1] Rüdiger Bech, Renate Faust, Die sogenannten Gastarbeiter, 1981, Verlag Marxistische Blätter, S. 12

    [2] Lenin, Werke, Band 26, S. 155

    [3] Die Entstehung der industriellen Reservearmee erklärt Marx glänzend im 23. Kapitel des ersten Bands des Kapital. Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 23, „Das Kapital“, Bd. I, Siebenter Abschnitt, S. 640 – 677, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968

    [4] Hannes Hofbauer: Kritik der Migration, Wien : Promedia Verlag,  2018, 113

    [5] https://www.bpb.de/themen/migration-integration/regionalprofile/deutschland/328520/osteuropaeische-arbeitskraefte-in-deutschland-vom-spaeten-19-jahrhundert-bis-in-die-gegenwart/#node-content-title-3

    [6] https://mediendienst-integration.de/migration/wer-kommt-wer-geht.html

    [7] https://kommunistische-organisation.de/stellungnahme/solidaritaet-mit-zaid-heisst-kampf-dem-imperialismus-und-dem-kolonialen-asylregime/

    Wenn Nazi-Unterstützer über Palästina-Solidarität und Antisemitismus schreiben

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    Stellungnahme zum Artikel des Verfassungsschutzes über Kommunisten in der Palästina-Bewegung

    Der Verfassungsschutz hat einen Artikel zu Kommunisten in der Palästina-Solidarität veröffentlicht. Wir werden darin als Kommunistische Organisation prominent benannt. Ziel dieser Veröffentlichung sind Einschüchterung, Selbstzensur und Abgrenzung. Denn Abgrenzung führt zu Spaltung. Spaltung führt zu Schwächung und Schwächung ist genau das, was der Staat erreichen will. Ziel kann aber auch sein, neue Organisationsverbote vorzubereiten. Dagegen müssen wir uns stellen.

    Seit über zehn Monaten verübt Israel Völkermord an den Palästinensern und Deutschland steht – trotz Anklage vor dem Internationalen Gerichtshof – bedingungslos an dessen Seite. Die seit Oktober aufflammende Palästina-Bewegung hat den deutschen Staat dazu genötigt, mit harten Repressionen vorzugehen: Demoverbote, Polizeigewalt, hunderte Anzeigen und Organisationsverbote. Nancy Faeser spricht im Verfassungsschutzbericht für 2023[1] davon, dass mit den Verboten extremistische und terroristische Strukturen zerschlagen worden seien. Sie verschweigt jedoch, dass die Palästina-Bewegung weiterhin laut und sichtbar ist, denn Widerstand gegen Völkermord und die deutsche Komplizenschaft kann nicht verboten werden.

    Seit der Fertigstellung des Verfassungsschutzberichts wurden mit Palästina Solidarität Duisburg und dem Islamischen Zentrum Hamburg zwei weitere Organisationen mit Verweis auf deren Palästina-Solidarität verboten. Schon vor Juni war ein Artikel mit dem Titel „Palästina-Solidarität im dogmatischen Linksextremismus“[2] auf der Homepage des Verfassungsschutzes prominent gesetzt und zum Teil auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht zitiert worden. Darin werden wir als Kommunistische Organisation hervorgehoben und wollen uns im Folgenden genauer mit dem Artikel auseinandersetzen.

    Denn die Veröffentlichung derartiger Texte ist kein Zufall, sondern verfolgt bestimmte Funktionen und Ziele. Der Staat will uns einschüchtern und die Palästina-Bewegung spalten. Darüber hinaus ist es möglich, dass neue Verbote vorbereitet und legitimiert werden sollen. Es handelt sich nicht um einen neutralen `Bericht`, sondern um eine politische Intervention des Staates. Viele Behauptungen in dem Text über die KO sind falsch. Es soll hier aber nicht darum gehen, alles zu widerlegen oder zu rechtfertigen, sondern eine politische Antwort zu finden.

    Einschüchterung, Selbstzensur und Spaltung – oder warum veröffentlicht der Verfassungsschutz seine Informationen?

    Ein wichtiges Ziel der Veröffentlichung ist die Einschüchterung. Allen Gruppen, die aufgeführt sind, wird signalisiert: Wir haben euch im Blick und beobachten genau, was ihr wann und mit wem macht. Dabei werden auch besonders kritische Aussagen wie z. B. die Frage nach dem Existenzrecht Israels hervorgehoben und soll uns dazu bewegen, zu diesen Fragen in Zukunft lieber zu schweigen. Wir sollen den Rahmen des Sagbaren selbst verengen. Neben der Selbstzensur ist auch die Abgrenzung und Isolation von als besonders kritisch eingestuften Organisationen ein Ziel. Denn Abgrenzung führt zu Spaltung. Spaltung führt zu Schwächung und Schwächung ist genau das, was der Staat erreichen will.

    Aber die Berichte sollen uns nicht nur einschüchtern, sondern auch die `zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit`, wie Medien, Nichtregierungsorganisationen oder auch Vereine, in die Repressionsmaschine einbinden. Diese bekommen politisch sorgfältig aufbereitete Informationen, die sie in mediale Hetzkampagnen, das Streichen von Fördergeldern oder Raumverbote gegen uns übersetzen können.

    Wir sehen in der Palästina-Bewegung die Chance und Fähigkeit, die Bewegung breiter und geeinter aufzustellen – im Kampf gegen den Völkermord und die anhaltende Besatzung. Dies hat auch der Staat erkannt, allerdings nicht als Chance, sondern als Gefahr: „Für die sonst eher zu Streit und Spaltung neigende dogmatische linksextremistische Szene wirken der Nahost-Konflikt und die Palästinasolidarität als verbindendes Element.“[3]  Diese Beobachtung ist Ausgangspunkt für eine weitere Funktion des Textes, nämlich die Spaltung und Schwächung der Palästina-Bewegung hauptsächlich anhand von zwei Linien: die Frage nach dem Palästinensischen Widerstand und nach der angeblichen Vereinnahmung von Kommunisten. Beide Spaltungslinien existieren in der Palästina-Bewegung durchaus und werden gerade deswegen vom Staat herausgegriffen.

    Die Gretchenfrage: Der palästinensische Widerstand und die Hamas

    „Obwohl sich nahezu jede dogmatische linksextremistische Organisation auf die Seite der Palästinenser stellte, unterschieden sie sich unter anderem hinsichtlich der Beurteilung der HAMAS und der propagierten Lösung des Konflikts. Beispielsweise verurteilte die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) die HAMAS als „faschistisch“, „antisemitisch“ und „antikommunistisch“, während die KO „allen Fraktionen des Widerstands“ ihre „volle Solidarität“ erklärte.“[4]

    So wie bei vielen politischen Bewegungen soll in gut und böse, in Vernünftige und Radikale, gespalten werden. Die Gretchen-Frage dabei ist die Frage des bewaffneten Widerstands und im speziellen der Hamas. Der Staat zeichnet das Bild der „Hardliner“, die sich hinter den bewaffneten Widerstand stellen und der „Gemäßigten“, die sich von Teilen des Widerstandes distanzieren. Diese Spaltungslinie begegnet uns nicht nur hier, sondern wird auch von Medien, Gerichten oder Behörden immer wieder angewendet: Sich über das Leid und Elend der Palästinenser zu empören ist annehmbar, Aussagen jedoch, die sich hinter das Recht der Palästinenser auf Widerstand und gegen das Existenzrecht Israels als Siedlerkolonie stellen, nicht. Dass die Haltung zum (bewaffneten) Widerstand keine neue Spaltungslinie ist, zeigt ein Blick in die Geschichte der anti-kolonialen Kämpfe: Damals waren die „Terroristen“ die südafrikanischen oder algerischen Kämpfer gegen Apartheid und Kolonialismus, heute sind es die Palästinenser.

    Die angebliche Vereinnahmung durch `autoritäre Kommunisten`

    „Dogmatische Linksextremisten wollen eine sozialistische/ kommunistische Gesellschaftsordnung in Deutschland revolutionär durchsetzen. Um diese errichten zu können, benötigen sie eine ausreichend große gesellschaftliche „Massenbasis“, die den angestrebten Umbau der Gesellschaft inhaltlich und personell durchführen kann. Für den Aufbau dieser „Massenbasis“ versuchen dogmatische Linksextremisten andere Organisationen, Bündnisse und Kampagnen zu infiltrieren und einen steuernden Einfluss auf diese auszuüben.“[5]

    Der Staat erschafft hier ein Narrativ, das Linken und Kommunisten eine Vereinnahmung und Unterwanderung der Palästina-Bewegung unterstellt. Es liest sich so, als würde es nicht um den Kampf für ein freies Palästina gehen, sondern um ein irgendwie unterstelltes Eigeninteresse. So soll Zwist zwischen kommunistischen und anderen Kräften in der Palästina-Solidarität gesät werden.

    Dass diese Spaltungslinie auch real auftritt, macht den Umgang damit nicht einfacher. In vielen Gruppen ist es durchaus immer wieder Thema, dass politische Akteure versuchen, die Palästina-Arbeit im Sinne ihrer eigenen Organisationslogik zu vereinnahmen und dieser ihr eigenes Logo aufzudrücken. So wird beispielsweise für die Außenwirkung Wert darauf gelegt, eigene Organisationsfahnen mitzutragen, wodurch das gemeinsame Anliegen Palästina in den Hintergrund rückt und im schlimmsten Fall auch optisch untergeht. Dies führt zu realen Auseinandersetzungen innerhalb der Palästina-Bewegung. Diese scheint der Staat zu kennen und an dieser Stelle bewusst als Spaltkeil einzusetzen.

    Im Bericht heißt es weiter: „Im Verlauf des Demonstrationsgeschehens wurde deutlich, dass dogmatische Linksextremisten in propalästinensischen Gruppierungen zum Teil die Rolle von Gründungsmitgliedern und ideologischen Vordenkern ausübten. Vor allem Angehörige der KO, aber auch andere dogmatische Linksextremisten meldeten Proteste und Demonstrationen für propalästinensische Gruppierungen an und traten zum Teil in der Öffentlichkeit als deren Sprecherinnen und Sprecher in Erscheinung.“[6]

    Wir sind als KO aktiv in verschiedenen Vereinen, Initiativen und Organisationen und beteiligen uns auch an der Gründung von neuen. Diese können sich auf das Thema Palästina beziehen, aber auch auf andere Bereiche. Wir bezeichnen unsere Aktivitäten in diesem Bereich als Massenarbeit im Unterschied zu unserer Tätigkeit in der KO. Wir haben uns viele Gedanken über unsere Massenarbeit gemacht, sowie deren Grundlinien und Prinzipien diskutiert. Diese können in unserem Beschluss zur Arbeit in den Massen nachgelesen werden. Die drei zentralen Prinzipien lauten: Aktivität, Unabhängigkeit und Klassensolidarität. Die Unabhängigkeit gilt sowohl gegenüber Staat und Kapital als auch gegenüber der KO. Das ist wichtig, weil die in Vereinen, Initiativen organisierten Menschen selbst entscheiden müssen. Wir bringen uns als Teil dieser ein, teilen unsere Erfahrungen und Ansichten und übernehmen Verantwortung.

    Natürlich kann in der Palästina-Arbeit eine Auseinandersetzung mit dem Problem der Vereinnahmung notwendig sein. Der Staat ist jedoch nicht um die Palästina-Bewegung besorgt, sondern möchte Teile von dieser isolieren. Dass er sich hierbei die kommunistischen Kräfte aussucht, ist kein Zufall und nicht das erste Mal in der Geschichte.

    „Mitschreiben bitte!“ – Zum Verfassungs“schutz“

    Der antidemokratische Charakter des Verfassungsschutzes sollte uns nicht überraschen. Er ist der Inlandsgeheimdienst eines Staates, der von Antikommunismus und reaktionären politischen Kräften geprägt ist. Er wurde von Nazis aufgebaut und in ihm waren viele Gestapo- und SA-Anhänger aktiv. Er spielte eine zentrale Rolle beim Verbot der KPD und bei den Berufsverboten, die insbesondere Mitglieder der DKP trafen. Der Inlandsgeheimdienst ist außerdem aktiv beim Aufbau und der Unterstützung von faschistischen Terrorgruppen, wie dem NSU in den 90er und 2000er Jahren, aber auch zu Beginn der BRD. Kommunisten haben immer gewusst, mit wem sie es beim Verfassungsschutz zu tun haben und haben mit politischer Standhaftigkeit, aber auch Souveränität reagiert, wenn beispielsweise bei Versammlungen die „Herren vom Verfassungsschutz“ begrüßt  und aufgefordert wurden, fleißig mitzuschreiben, damit sie noch etwas lernen können.

    Die Verbote werden nicht die letzten gewesen sein – was können wir jetzt tun?

    Die repressiven Verschärfungen und die Zunahme von Organisationsverboten lassen uns nicht unbedingt optimistisch in die Zukunft blicken. Vermutlich werden aktuell neue Verbote vorbereitet,  um die Bewegung zu schwächen, was zumindest der Verfassungsschutzbericht impliziert: „Durch die vom Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie die jeweiligen Landesinnenbehörden erlassenen Betätigungs- und Vereinsverbote können extremistische und terroristische Strukturen zerschlagen werden.“[7] Es stellt sich die Frage, was wir tun können

    Offen diskutieren

    Der Staat nutzt verschiedene Spaltungslinien, um uns zu spalten und zu schwächen. Dabei greift er auf reale Differenzen und Auseinandersetzungen zurück. Der Umgang damit in der praktischen Arbeit vor Ort ist nicht immer leicht und muss konkret bestimmt werden. Dies erfordert eine offene Diskussion und Debatte: Sei es die Frage des Widerstandes oder die Sorge um eine Vereinnahmung durch politische Akteure. Kritik sollte offen angesprochen und verhandelt werden – immer mit der Prämisse, möglichst wenig offene Flanken für eine reale Spaltung zu bieten. Die Palästina-Bewegung ist breit und setzt sich aus verschiedenen Kräften zusammen, was auch ein Grund für ihre Stärke ist. Sie kann und wird sich nicht in allen Fragen einigen. Wichtig ist die Klarheit in den wesentlichen Punkten, sowie das Bewusstsein für vorhandene Spaltungsmechanismen.

    Widersprüche nutzen

    Dennoch basiert die Agitation von Linksextremisten gegen den Staat Israel nicht auf antisemitischen Beweggründen und richtet sich nicht gegen Jüdinnen und Juden als solche. Sie ist vielmehr im antiimperialistischen Weltbild der meisten dogmatischen Linksextremisten begründet, wonach Israel „Kapitalismus“ und „Imperialismus“ zugeschrieben wird.“ [8]

    Diese Aussage im Artikel des Verfassungsschutzes ist bemerkenswert und sollte unbedingt von uns genutzt werden. Die öffentliche und mediale Hetze gegen die Palästina-Bewegung speist sich maßgeblich aus dem Antisemitismus-Vorwurf, den der Staat an dieser Stelle selbst zurückweist. Scheinbar soll der Text als halbwegs glaubwürdig erscheinen, deshalb werden offenkundig falsche Behauptungen vermieden. Gleichzeitig könnte auch hier eine Spaltungsabsicht zwischen linken und islamischen Kräften Ausdruck finden, denn letzteren wird ohne weitere Antisemitismus unterstellt.

    Ein Blick in den Verfassungsschutzbericht zeigt außerdem, dass der Staat selbst nicht genau weiß, welche Definition von Antisemitismus er anwenden soll: „Zum komplexen und vielschichtigen Begriff des Antisemitismus existiert weder in der Wissenschaft noch im politischen Raum eine allgemein anerkannte Definition. Die Bundesregierung empfiehlt die Nutzung der nachfolgenden Definition: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/ oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“[9] Der Staat konstruiert hier allein aus einer Nutzungsempfehlung die Grundlage für seine Repressionen. Dieser Missbrauch des Antisemitismus-Vorwurfs gegen die Palästina-Solidarität muss unbedingt zurückgedrängt werden. Denn dem Staat geht es nicht um Bekämpfung von Antisemitismus – in diesen Fällen müsste er gegen die Kräfte vorgehen, die er selbst unterstützt und aufbaut (siehe u. a. NSU) – sondern darum, Kritik an Kolonialismus, Besatzung und Apartheid zu unterdrücken.

    Nicht schweigen

    Vermutlich werden die vergangenen Vereinsverbote nicht die letzten gewesen sein. Es ist möglich, dass ein Verbot der KO oder anderer Organisationen mit solchen Artikeln wie diesen vorbereitet werden soll. Inwiefern es tatsächlich konkret und aktuell vorbereitet wird, ist schwer zu sagen. Klar ist jedoch, dass unser Umgang mit Verboten maßgeblich dazu beitragen wird, wie leicht und schnell zukünftige Verbote durchgesetzt werden können.

    Das wichtigste ist, zu den bisherigen Verboten und auch kommenden nicht zu schweigen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man sich durch Schweigen, der Repression entziehen könne. Im Gegenteil: Schweigen und Entsolidarisierung ist gerade das, was der Staat bewirken möchte.

    Wer heute zu den Verboten schweigt, in der Hoffnung diesen damit zukünftig zu entgehen, kann morgen der nächste sein. Es liegt nicht in unserer Hand, wer verboten wird. Aber es liegt sehr wohl in unserer Hand, wie wir mit den Verboten und Repressionen umgehen.


    [1]https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2024-06-18-verfassungsschutzbericht-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=14

    [2]https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/hintergruende/DE/linksextremismus/palaestina-solidaritaet-im-dogmatischen-linksextremismus.html

    [3]Ebd.

    [4]Ebd.

    [5]Ebd.

    [6]Ebd.

    [7]https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2024-06-18-verfassungsschutzbericht-2023-startseitenmodul.pdf?__blob=publicationFile&v=10, S. 52.

    [8]https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/hintergruende/DE/linksextremismus/palaestina-solidaritaet-im-dogmatischen-linksextremismus.html 

    [9]https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2024-06-18-verfassungsschutzbericht-2023-startseitenmodul.pdf?__blob=publicationFile&v=10, S. 50.

    „Das Andere Leben“ bei den UZ-Friedenstagen

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    Wir haben die Möglichkeit unsere Dokumentation „Das Andere Leben“ auf den Friedenstagen in Berlin, organisiert von der „Unsere Zeit“ (UZ) – die Wochenzeitung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), zu zeigen. Der Film wird Samstag 15:00 Uhr im Kultursalon FMP 1 vorgeführt,- anschließend stehen wir bereit für Gespräche und Fragen zum Film.  
     
    Über unsere Filmvorführung hinaus wollen wir natürlich die gesamte Veranstaltung bewerben. Die Friedenstage finden am nächsten Wochenende 23.-25.Mai in Berlin statt und bieten ein umfangreiches Programm mit verschiedenen Vorträgen, Lesungen, Podiumsdiskussionen und Konzerten. Das Programm widmet sich dem Kampf für Frieden und gegen Aufrüstung, der Armutsbekämpfung in China, den BRICS, dem Donbas, Palästina und vielem mehr, wie bspw. auch ganz konkreten Fragen und Kämpfen hier in Deutschland.  
     
    Im Episodenfilm DAS ANDERE LEBEN geben elf Interviewpartner aus der Sicht ihrer Lebensgeschichte Einblick in die Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik. Polytechnischer Unterricht, Gesundheitsversorgung, Mitbestimmung, Arbeitsbrigade und Kalter Krieg – Alltagsleben und Geschichte der DDR erscheinen in einem neuen Licht, angesichts einer ansonsten einseitigen, meist negativen Darstellung. Die Geschichte des ersten sozialistischen deutschen Staates ist voll von Erfahrungen, die auch Antworten auf die sozialen und ökonomischen Probleme der Gegenwart geben können. 
     
    Wir danken der DKP für die Möglichkeit unsere Dokumentation zeigen zu können und wünschen erfolgreiche Friedenstage! 
     
    Hier findet ihr den Trailer zu Dokumentation: DAS ANDERE LEBEN Trailer (2020) – YouTube 
    Und hier das Programm der UZ-Friedenstage: Programm – UZ-Friedenstage (unsere-zeit.de)