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Griechenland, Syriza und die deutsche Linke

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Eine Bilanz drei Jahre nach dem Tsipras-Memorandum

Vor drei Jahren unterschrieb die sogenannte „Linksregierung“ in Griechenland das dritte „Memorandum“ und sagte damit zu, die politische Linie der Massenverelendung, der Privatisierungen und der Angriffe auf die Gewerkschaften fortzusetzen. Dieses Versprechen, dass die angeblich „radikal linke“ Syriza dem griechischen und ausländischen Kapital gemacht hat, wurde bisher eingehalten – zum Schaden der Arbeiter, der kleinen Selbstständigen, der Kleinbauern und der Mehrheit der Jugendlichen in Griechenland.

Doch gehen wir einige Monate zurück, in den Januar 2015, wo die neue Regierung aus „linker“ Syriza und den rechten „Unabhängigen Griechen“ (ANEL) gebildet wurde:

Die Regierungsbildung gemeinsam mit den klerikalnationalistischen Ultrakonservativen unter Panos Kammenos war kein „Unfall“ und auch nicht einfach ein taktisches Manöver, das der Syriza von den Umständen aufgezwungen wurde. Nein, sie lag durchaus in der Logik der „Anti-Memorandums“-Linie der Syriza. Sicher, die weltanschaulichen Wurzeln beider Parteien liegen an sehr unterschiedlichen Punkten – einmal die rechtsopportunistische Abspaltung von den Kommunisten, auf der anderen Seite Teile der ehemaligen rechtskonservativen Opposition in der (konservativ-liberalen) Nea Dimokratia. Dennoch hatten beide Parteien vieles gemeinsam, vor allem ihr Programm zur Lösung der kapitalistischen Krise. Aus Sicht der „Linkspartei“ Syriza war Griechenland finsteren Kräften aus dem Ausland, nämlich den europäischen Neoliberalen unterworfen worden, seiner Souveränität beraubt und seiner Wirtschaft die Luft zum Atmen genommen. Die Syriza stellte sich entschieden auf den Standpunkt der griechischen „Wirtschaft“, das heißt der Bourgeoisie, deren Verhandlungsposition gegenüber den „europäischen Partnern“ (so nannte man in der Sprache der Syriza die Imperialistenführer der EU für gewöhnlich) man zu verbessern suchte. Die „Unabhängigen Griechen“ vertraten zu diesen Fragen im Wesentlichen denselben Standpunkt, allerdings nicht mit „linkspopulistischer“ sondern „rechtspopulistischer“ Färbung. Beide Parteien taten sich vor allem durch demagogische Parolen gegen das Establishment, ausländische Einmischung und die Memoranda mit der „Troika“ (EZB, EU und IWF) hervor. Ihre Zusammenarbeit begann daher auch nicht erst 2015, sondern spätestens im März 2013, als Kammenos von den „Unabhängigen Griechen“ sich mit Tsipras auf die Bildung einer „gesellschaftlichen patriotischen und demokratischen Front“ geeinigt hatten (Spanidis 2015a). Damit war die Bildung der Links-rechts-Regierung gut vorbereitet und man musste sich im Januar 2015 nur noch auf die Details einigen.

Obwohl eigentlich die Abneigung gegen Nationalismus und reaktionäre Familienvorstellungen, von denen die ANEL wahrlich genug zu bieten haben, am ehesten noch sowas wie der gemeinsame Nenner der deutschen Linken ist, hatte man kein besonders großes Problem mit der griechischen Querfrontregierung. Im Gegenteil: Die deutsche Linke war nach dem Syriza-Wahlsieg ganz aus dem Häuschen. Hatte sie schon jahrelang zuvor den Aufstieg der neu-sozialdemokratischen Partei mit steigender freudiger Erregung begleitet, konnte sie jetzt, da die Verwaltung des kapitalistischen Ausbeutungsgeschäfts nun endlich einem „Linken“ aufgetragen wurde, kaum noch an sich halten. Strömungen und Gruppierungen, die sich sonst feindlich bekämpfen und nichts füreinander übrig haben, waren sich nun auf einmal einig in der Syriza-Euphorie.

Um das ganze Ausmaß der Misere noch einmal vor Augen zu führen, hier noch mal ein Querschnitt durch einen Großteil der deutschen Linken zur Syriza-Frage:

Die deutsche Linke und Syriza

Dass die deutsche Linkspartei und ihre „Genossen“ in Europa (PCF in Frankreich, Podemos in Spanien usw.) loyal zur Syriza standen, dürfte niemanden verwundern, schließlich handelt es sich um die jeweiligen Schwesterparteien.

Tatsächlich ging die Syriza-Euphorie aber weit über dieses Spektrum hinaus und umfasste große Teile der „radikalen Linken“ Deutschlands.

Vorne mit dabei war selbstverständlich das „Blockupy“-Bündnis, das von vornherein um eine internationale Vernetzung mit der „Reformlinken“ der anderen europäischen Länder bemüht war. Die Syriza beteiligte sich mindestens seit 2014 an dem Bündnis (Koester 2014).

In der interventionistischen Linken, die ebenfalls Teil des Bündnisses war, waren die Syriza-Sympathien ebenfalls massiv. Anfang kündigt die iL hoffnungsvoll an: „In Griechenland wird am 25. Januar gewählt. Das linke Parteienbündnis Syriza hat die Chance, stärkste Kraft zu werden und der europäischen Krisenpolitik etwas entgegenzusetzen.“ (Interventionistische Linke 2015a). Und auch nachdem die Syriza-Regierung der Fortsetzung der Kürzungspolitik zugestimmt hatte (s.u.), gab man sich diesen Illusionen weiter hin. So beispielsweise in einem Interview mit zwei Aktivisten der iL: „Noch ist Syriza keine klassische Partei, die einer Repräsentationslogik folgt. Von Anfang an waren bzw. sind viele aus der Partei in den sozialen Bewegungen aktiv gewesen. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Syriza hat die realen Kämpfe der Menschen und ihre Forderungen in den Staat getragen.“ heißt es da unter anderem (Interventionistische Linke 2015b). Das ist einerseits eine Verzerrung der realen Beziehung zwischen Syriza und den „sozialen Bewegungen“. Denn in Wirklichkeit war Syriza weniger die „Partei der Bewegungen“ als deren Abtötung. Durch das systematische Verbreiten von Illusionen über den kapitalistischen Staat und die EU, ihr gewerkschaftsfeindliches Agieren, ihre antikommunistische Hetze bestand ihre Rolle objektiv darin, die Widerstandsbewegung gegen die Politik der Volksverarmung zu schwächen, ins System zu integrieren, ihr die Spitze abzubrechen (für weitere Details siehe Spanidis 2015b; Spanidis 2015c). Dass der Aufstieg von Syriza und die Schwächung der Bewegung auf der Straße beide etwa 2011/2012 begannen und ab da spiegelbildlich verliefen, ist kein Zufall.

Auch kein Zufall ist, dass die iL zu einer solchen Einschätzung kam. In dem gerade zitierten Interview wird schließlich ebenfalls festgestellt: „Revolutionäre Organisationen, die sich vor allem durch verbindliche ideologische Grundlagen anstatt durch gemeinsames Handeln definieren, sind ganz schön old-school. Deswegen gibt es in der IL auch kein einheitliches „Verhältnis zum Staat“, zumindest soweit damit Staatstheorien oder Vorstellungen von der Rolle des Staates im Übergang zum Kommunismus gemeint sind“ (s.o.). Das ist natürlich eine opportunistische Illusion. Nur weil man sich nicht bewusst ein theoretisches Verständnis über den bürgerlichen Staat erarbeitet, heißt das noch lange nicht, dass man keins hat. Die iL hat, wie sie durch ihre Lobeshymnen auf die Sozialdemokratie und sozialdemokratische Transformationsvorstellungen unter Beweis stellt, eben einen bürgerlichen Staatsbegriff und glaubte, durch das Mitmachen in der Regierung dessen Charakter als Klassenstaat verändern zu können. Umgekehrt ist die Syriza-Erfahrung aber nun auch abschreckendes Beispiel dafür, was die politischen Konsequenzen sein können, wenn man einfach so „theorielos“ oder pluralistisch-beliebig Politik machen will.

Auch das angeblich „kommunistische“ antinationale Bündnis „Um’s Ganze“ beeilte sich, sich als Fußvolk der Sozialdemokratie zu betätigen: Syriza habe „nicht die reformistische Lüge vom harmonischen Rüberwachsen in eine andere Gesellschaft aufgewärmt, sondern objektiv einen Raum eröffnet hat, den Bewegungen und radikale Linke füllen können, ja füllen müssen – weil er sonst schnell wieder geschlossen sein wird. (…) Alles wird auch weiterhin gegen den Staat und seine Schergen durchgesetzt werden müssen, aber dieser Staat dürfte ab sofort etwas wackliger auf den Beinen sein. Geben wir ihm einen Tritt“ (Um’s Ganze 2015). Marxisten wissen eigentlich spätestens seit 1918/19, dass die Sozialdemokratie ein ganz und gar unbrauchbares Instrument ist, um den Staat zum „wackeln“ zu bringen, sondern im Gegenteil oft genug dessen letzte Verteidigungslinie gegen die sozialistische Revolution dargestellt hat. Nicht so „Um’s Ganze“: „Wer jetzt aber nur frohlockt, dass Wahlen eh nichts verändern, muss sich fragen, ob die eigenen Überzeugungen noch etwas mit den realen Verhältnissen zu tun haben.“ (s.o.).

Der wohl am ehesten dem „antiautoritären“ Spektrum zuzurechnende Peter Schaber redete im Lower Class Magazine wenig um den heißen Brei herum und forderte direkt: „Linke in Deutschland, verteidige die Syriza-Regierung“ (Schaber 2015). Immerhin konnte in diesem Medium eine Debatte dazu geführt werden, sodass auch gegensätzliche Meinungen zu Wort kamen. Das traf sonst noch auf die junge Welt zu, deren Berichterstattung (meist durch Heike Schrader oder Hansgeorg Hermann) allerdings auch im Wesentlichen auf der Syriza-Welle ritt bzw. diese mit antrieb.

Wie sah es jenseits des pluralistischen und „antiautoritären“ Spektrums aus? Auch viele Organisationen mit „verbindlichen ideologischen Grundlagen“, also mit marxistischem Selbstverständnis, unterschieden sich kaum von den oben genannten Gruppierungen.

Die trotzkistische SAV hielt ihrer griechischen Geschwisterpartei Xekinima, die sich am Syriza-Bündnis beteiligt hatte, die Treue. „Endlich ist das Joch der Großen Koalition von Sozialräubern abgeschüttelt. Endlich ist ein Regierungswechsel möglich. Syriza ist stärkste Partei. Syriza muss die Chance nutzen“ frohlockte man auf der SAV-Website und schürte damit die Illusion, dass es unter der Sozialdemokratie nun einen Wechsel hin zum Fortschritt geben würde. Selbst „mit der sozialistischen Veränderung von Griechenland und Europa (!)“ könne man nun beginnen (Amm 2015).

Die MLPD stand ihr darin kaum nach: „Verstärkter Linkstrend – massive Absage an EU-Politik“ titelte sie nach dem Wahlergebnis. „Griechenland wird eine linke Regierung bekommen. An dem Bündnis sind auch revolutionäre Kräfte beteiligt“, freute man sich. Und: „Die größte Angst haben die EU-Mächtigen davor, dass der kämpferische Geist und die Ablehnung des EU-Diktat in allen ­europäischen Völkern Schule macht.“ Mit diesen „revolutionären Kräften“ ist wohl die KOE gemeint, die Teil des sozialdemokratischen Regierungsbündnisses ist und die Schwesterpartei der MLPD (MLPD 2015). Wo die MLPD im Wahlsieg einer sozialdemokratischen Partei, deren Pro-EU-Haltung und transatlantische Orientierung seit Jahrzehnten einen zentralen Eckpfeiler ihrer Identität ausmacht, eine „massive Absage an EU-Politik“ erkennen will, bleibt freilich ihr Geheimnis.

Zu einer einigermaßen realistischen Einschätzung der Syriza-Regierung, die marxistische Erkenntnisse berücksichtigte, statt sie sämtlich über Bord zu werfen, kam lediglich ein kleiner Teile der deutschen Linken wie z.B. die SDAJ, Teile der DKP und das Umfeld der Zeitschrift „offen-siv“. Der Teil der Linken hingegen, der der Sozialdemokratie, der sozialdemokratischen Staatsauffassung und ihrer reaktionären „Europa“-Ideologie auf den Leim ging (auch wenn einige sich bemühten, genau das gleichzeitig zu leugnen), war absolut hegemonial. Doch auch in der DKP gab es Teile, die hier massiv zur Verbreitung von Illusionen beitrugen. Der offen reformistische Flügel um Leo Mayer, Walter Listl usw. praktizierte auf seinem von der DKP entwendeten Onlineportal „kommunisten.de“ die Syriza-Solidarität ohne jede Hemmung. Daran hat sich auch nach dem Juli 2015 nichts geändert. Doch auch in der Mehrheitsströmung der Partei war die Haltung nicht völlig eindeutig: Einerseits solidarisierte sich die DKP mit der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und bezeichnete Syriza immerhin nicht als „Hoffnungsträgerin“. Andrerseits beruhte die Kritik an Syriza nicht auf einer geklärten Haltung der DKP gegenüber der Sozialdemokratie oder der Europäischen Linkspartei, deren Mitglied Syriza ist. Das bestätigt auch der internationale Sekretär der DKP Günter Pohl in einem Interview, in dem es um die 2016 beschlossene Beendigung des Beobachterstatus der DKP in der Europäischen Linkspartei ging: Diese werde „weder im Positiven noch im Negativen besonders weitreichende Auswirkungen haben“. Er selbst „könnte mit beiden Varianten leben“, also auch mit der Beibehaltung des Beobachterstatus. Die DKP schätzt auch „eurokommunistische“ Parteien, also offen antileninistische Kräfte, als „kommunistische Parteien“ ein. Sie will sich in den internationalen Auseinandersetzungen, die von den konsequenten kommunistischen Kräften gegen den Opportunismus geführt werden, „weder für die eine noch für die andere Seite vereinnahmen lassen“, d.h. nicht eindeutig positionieren (Unsere Zeit 19.2.2016). Insgesamt blieb die Haltung der DKP damit zentristisch, also schwankend zwischen einer marxistischen Einschätzung und der Aussöhnung mit der Sozialdemokratie.

Tatsächlich war die Haltung der deutschen Linken zur Syriza-Regierung einerseits Ausdruck eines grundlegenden theoretischen Versagens, das sich in illusorischen Vorstellungen vom bürgerlichen Staat und seinen Organen, einer vollkommen falschen Einordnung der Rolle der Sozialdemokratie im Klassenkampf sowie letztlich auch einer falschen Vorstellung von kapitalistischer Entwicklung überhaupt ausdrückte. Hinzu kam eine Ignoranz gegenüber den realen Machtverhältnissen in der EU und Eurozone sowie weitestgehende Geschichtslosigkeit. Denn wer glaubte, es sei möglich, mit einer sozialdemokratischen Partei einfach den kapitalistischen Staat zu übernehmen und ihn im Sinne einer fortschrittlichen Umgestaltung der Gesellschaft einzuspannen, aus der Krise auszusteigen, die Gläubiger und Großkapitalisten in der EU und dem IWF taktisch auszumanövrieren, bei alldem trotzdem im Euro und der EU zu bleiben und dann auch noch das Wunder zu vollbringen, einen kapitalistischen Wachstumspfad im Interesse der Arbeiterklasse einzuschlagen, der hat offensichtlich von den Erkenntnissen des Marxismus keine einzige ernst genommen und aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts und der Rolle der Sozialdemokratie seit 1914 ebenfalls nicht viel gelernt.

Die Haltung der Kommunisten

Diese Aufzählung zeigt, dass es nicht ausreicht, sich als „marxistisch“ zu verstehen und entsprechendes Vokabular zu benutzen, um schwerste Abweichungen und auch Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse und der Volksmassen zu vermeiden. Der Marxismus-Leninismus ist eine lebendige Wissenschaft, die das politische Handeln der Kommunisten anleitet, aber sie nicht davon entbindet, die konkrete Situation zu analysieren und konkrete politische Antworten zu entwickeln. Die bürgerliche Ideologie darf nicht nur abstrakt abgelehnt werden, sondern ihre Rolle muss genau analysiert und verstanden werden. Nur so kann dem Revisionismus, d.h. dem Eindringen der bürgerlichen Weltanschauung in das Denken und Handeln der Kommunisten, entgegengewirkt werden.

Der Marxismus-Leninismus ist, wenn er wissenschaftlich angewendet wird, eine mächtige Waffe einer kommunistischen Partei. Er befähigt sie zwar nicht dazu, in die Zukunft zu blicken, aber begründete Prognosen zu machen. Und selbst wenn man der griechischen Syriza-Regierung gute Intentionen unterstellt, die sie nicht hatten – dass dabei das herausgekommen ist, was nun einmal herausgekommen ist, hätte nun wirklich keine Überraschung sein müssen. Das hätte man auch vorher wissen können und die griechischen Kommunisten wussten es auch vorher. Sie warnten deshalb vor entsprechenden Illusionen und davor, dass jede Zusammenarbeit mit oder irgendwie „kritische“ Unterstützung dieser Regierung eine fatale Falle darstellen würde.

Die KKE hatte bereits Jahre vor dem Regierungsantritt von Syriza die Arbeiterklasse intensiv darauf vorbereitet, dass eine „linke Regierung“ den Angriff auf die erkämpften Rechte nicht stoppen würde. Nicht die Syriza, sondern die KKE und die klassenkämpferische Gewerkschaftsfront PAME haben die führende Rolle dabei gespielt, die Massen gegen die Verelendungspolitik der Regierung und der EU zu mobilisieren. Dass die Kommunisten zu dieser Führungsrolle innerhalb der Widerstandsbewegung in der Lage waren, war das Ergebnis jahrzehntelanger Anstrengungen zum Aufbau der Arbeiterbewegung und ihrer allseitigen Vorbereitung auf die sozialistische Revolution in Griechenland. Trotzdem stellte der Aufstieg von Syriza die Kommunisten vor große Herausforderungen. Viele Menschen, auch langjährige Sympathisanten der Partei, verstanden nicht, warum die KKE eine Zusammenarbeit mit Syriza und den Eintritt in eine „linke“ Regierung ablehnte. Trotz ihrer Rolle im Widerstand hatte es die KKE also noch nicht geschafft, einen entsprechenden Einfluss in der Arbeiterklasse aufzubauen, sodass diese Menschen dem ideologischen Druck des bürgerlichen Parlamentarismus hätten widerstehen können. Ein Teil von ihnen wandte sich von den Kommunisten ab. Doch die KKE blieb konsequent und verteidigte ihre Standpunkte auch ohne Rücksicht auf mögliche Verluste von Wählern oder Sympathisanten. Die Erfahrung hat ihr recht gegeben: Die Arbeiterbewegung wurde nicht zerschlagen, die kommunistische Partei nicht in das bürgerliche System integriert. Im Gegenteil spielte sie wiederum eine führende Rolle im Widerstand gegen die Syriza-Regierung. Wie sich an den Wahlergebnissen in den Gewerkschaften und an den Universitäten ablesen lässt, konnten die Kommunisten ihren Masseneinfluss in den letzten Jahren ausbauen. Auch in der Kleinbauernbewegung, die beispielsweise 2016 große Proteste gegen die bauernfeindlichen Maßnahmen und die rapide Monopolisierung des Agrarsektors organisierte, spielten die Kommunisten eine wichtige Rolle.

Die Aufgabe von Kommunisten oder anderen fortschrittlichen Menschen in Deutschland wäre es gewesen, sich klar hinter die griechischen Genossen zu stellen und ihre klare Haltung zu verteidigen. Auch wenn es damals die Kommunistische Organisation noch nicht gab, arbeiteten viele von uns zu diesem Thema, haben die Illusionen in Syriza bekämpft und für die Unterstützung der griechischen Kommunisten geworben. Der Großteil der linken Gruppen in Deutschland hat aber nicht nur das nicht getan, sondern sich unmissverständlich auf die Seite von Sozialdemokraten und Antikommunisten gestellt.

Winter is coming, während die Linke vom „griechischen Frühling“ phantasiert…

Doch selbst solchen Linken, die sich sozialdemokratischen Illusionen hingaben, hätte schnell aus der Regierungspraxis der Syriza klar werden können, wohin die Reise geht. Denn bereits am 20. Februar, nicht mal ein Monat nach Regierungsantritt, schloss die Links-rechts-Regierung mit den anderen Staaten der Eurozone ein Abkommen, das fast sämtliche Wahlversprechen über Bord warf. Die Tsipras-Regierung erklärte sich bereit, die Sparmaßnahmen, die ihre Vorgänger beschlossen hatten, ohne Abstriche weiter umzusetzen und keine eigenen Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch dazu stünden. Zudem erklärte man, ein eigenes Programm aus „Strukturreformen“ zur Massenverelendung ausarbeiten zu wollen und den „europäischen Partnern“ vorzulegen. Spätestens hier hätte jedem klar werden können, in welche Richtung der weitere Verlauf vorgezeichnet war und dass es eine irgendwie „fortschrittliche“ Lösung im Interesse der breiten Volksmassen nicht geben würde. Doch die Unterstützung der wortbrüchigen Syriza-Regierung durch die internationale Linke ging weiter. In den griechischen Medien wurde das Abkommen allen Ernstes vielfach mit dem Frieden von Brest-Litowsk verglichen, den 1918 die Sowjetregierung eingehen musste, um die Revolution zu retten…

Die Verhandlungen um die Details des volksfeindlichen Maßnahmenpakets, das die EU und der IWF im Gegenzug für neue Kredite einforderten, zogen sich noch ein paar Monate. Im Juni legte die griechische Regierung schließlich einen Vorschlag für umfassende Maßnahmen zur Verarmung der Arbeiterklasse durch Kürzung des staatlichen Haushaltsdefizits vor. Dieser ging dem deutschen Imperialismus allerdings nicht weit genug und er wurde nicht angenommen. Tsipras‘ Regierung muss spätestens an diesem Punkt klargeworden sein, dass die Chancen, gegenüber den anderen Eurostaaten ein Programm auszuhandeln, in dem die Wachstumserfordernisse der griechischen Wirtschaft besser berücksichtigt würden, gleich Null waren. Sie brauchte nun eine Option, um ohne Gesichtsverlust alle Forderungen annehmen zu können. Vor allem musste eine Lösung für das Problem gefunden werden, dass man jahrelang wider besseres Wissen dem griechischen Volk versprochen hatte, es aus der Armut und der Krise in eine bessere Zukunft zu führen oder zumindest die Leiden der armen Bevölkerung in der Krise abzumildern. Die Politiker der Syriza hatten allerdings langjährige Erfahrung mit demagogischer Massenmanipulation, auch wenn sie erst seit Kurzem wirklich die Massen damit erreichten.

Und so beschloss die Regierung eine Volksabstimmung, in der dem Volk ein erpresserisches Dilemma vorgesetzt wurde, es so zur Zustimmung für das neue Verarmungs-Memorandum gedrängt wurde und die Regierung somit ihre Hände in Unschuld waschen konnte. Die Bevölkerung sollte im Referendum nun mit Ja oder Nein abstimmen, ob sie die Annahme des neuen Memorandums wünschte. Wahrscheinlich wünschte sich die Regierung insgeheim, dass das Volk sich der Erpressung beugen und mit „Ja“ stimmen würde, damit man mit diesem Votum im Rücken die Sparauflagen annehmen könnte. Nicht nur ergibt sich diese Schlussfolgerung aus der Logik der Handlungen der Regierung, sondern sie wird auch vom ehemaligen Finanzminister der Tsipras-Regierung Yanis Varoufakis bestätigt. Nach seinem Abschied aus der Regierung legte er viele Informationen über die Verhandlungen in der Eurogruppe und in der griechischen Regierung offen – so auch die Gespräche, die vor und nach dem Referendum geführt wurden (Varoufakis 2017, S. 422). Nach seiner Darstellung wurde das Referendum als ein weiterer geschickter Schachzug zur Manipulierung der Massen geplant, mit dem Ziel, die Sparpolitik durchzusetzen. Dass die Regierung öffentlich erklärte, einen Sieg des „Nein“ zu wünschen, war Varoufakis zufolge eine weitere Lüge.

Also stellte man die Bevölkerung vor die Wahl, die Forderungen der anderen Eurostaaten anzunehmen oder abzulehnen. Man hoffte darauf, dass die (berechtigte) Angst vor den schlimmen Folgen einen Euro-Austritts für den Lebensstandard die Leute zur Zustimmung bewegen würde. In Wirklichkeit handelte es sich also hier ohnehin um eine Wahl zwischen Pest und Cholera: Auf der einen Seite stand das Syriza-Programm, das dem der Gläubiger ohnehin kaum nachstand, und die wahrscheinliche Option eines Euro-Austritts mit Abwertung der Währung, Entwertung der Ersparnisse und Verteuerung der Konsumgüterimporte, von denen die Bevölkerung so abhängig war. Auf der anderen Seite ein Verelendungsprogramm, das selbst die vorherigen in den Schatten stellte.

Die griechische Bevölkerung entschied sich bekanntlich mehrheitlich für die Ablehnung, wohl aus der verständlichen Kalkulation dass jedes Ergebnis besser sei als die Annahme eines weiteren Memorandums. Damit war das Kalkül der Regierung durchkreuzt. An ihrer bereits feststehenden Entscheidung änderte das natürlich nichts – innerhalb weniger Tage machte sie aus dem „Nein“ ein „Ja“ und unterschrieb das Memorandum. Dieses dritte Memorandum, das Tsipras-Memorandum, trug entscheidend zur weiteren Verarmung der Bevölkerung bei, intensivierte den Angriff auf die Gewerkschaften und die erkämpften Rechte der Arbeiterklasse und verkaufte die letzten rentablen Stücke Staatseigentum an das Finanzkapital. Damit stellte sich das vermeintlich kleinere Übel Syriza in Wirklichkeit als das größere heraus.

Es wäre sicher falsch, Syriza zu unterstellen, dass man das Ergebnis der Verhandlungen genauso gewollt hätte. Denn die „Atempause“ für die Wirtschaft, die sich ein Teil der griechischen Kapitalistenklasse gewünscht hatte, war wohl tatsächlich im Interesse eines Teils der griechischen Bourgeoisie und deshalb auch Teil der Programmatik der Syriza, die die Interessen dieses Teils des Kapitals ausdrückte. Das extreme Einschnüren des Binnenmarktes durch die Generaloffensive gegen den Lebensstandard der Bevölkerung schadete natürlich auch dem griechischen Kapital zum Teil. Hier gab es also einen taktischen Unterschied der Syriza-Regierung gegenüber der EU und den Vorgängerregierungen. Dieser taktische Unterschied war allerdings klar dem strategischen Ziel der Mehrheit der griechischen Bourgeoisie untergeordnet, in der Eurozone zu verbleiben. Da beide Ziele nicht zu haben waren, entschied die Syriza-Regierung sich folgerichtig und wie zu erwarten war für die Annahme des EU-Angebots.

Mit dem Memorandum war für die Syriza-Regierung endlich das Eis gebrochen. Man musste sich nun keine allzu große Mühe mehr geben, vor dem eigenen Volk und den eigenen naiven Anhängern im Ausland die Fassade aufrecht zu erhalten, denn die Karten lagen ja jetzt endgültig offen auf dem Tisch. Die Regierung machte sich nun ans Werk, den großen Raubzug gegen die Volksmassen vereinbarungsgemäß zu exekutieren, also: das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem weiter zu demontieren, bei den Löhnen und Renten zu kürzen, arme Familien aus ihren Wohnungen zu räumen, den Unternehmern bei Massenentlassungen zu assistieren usw. usf. Den Widerstand dagegen hatte man, wie oben erwähnt, ja zu großen Teilen bereits erfolgreich neutralisiert. Dennoch wollten sich die klassenbewussten Teile des Proletariats mit ihrem Schicksal nicht abfinden und setzten ihren Kampf fort. Die Syriza-Regierung antwortete darauf so wie alle ihre Vorgänger: mit harter Repression. Als 2017 die Regierung begann, die Häuser zahlungsunfähiger Familien öffentlich zu versteigern, kam es zu Protesten im Gerichtssaal. Hatte die Syriza-Presse vor 2015 schon den Einsatz von Tränengas auf der Straße scharf verurteilt, ließ die Syriza-Regierung das Gas nun selbst in geschlossenen Räumen gegen protestierende Menschen einsetzen. In einem anderen Fall protestierten die Angestellten einer insolventen Supermarktkette dagegen, dass sie monatelang keinen Lohn bekommen hatten und die Regierung nun per Gesetz die Begleichung der Schulden gegenüber dem Staat und anderen Unternehmen sowie Banken höher gewichtete als die Auszahlung der Löhne. Die Regierung ließ die Demonstranten nachts zu Hause von der Polizei verhaften.

Die Hochsicherheitsgefängnisse für politische Straftäter, die Anfang 2015 abgeschafft worden waren – eine der wenigen positiven Maßnahmen, die die Syriza-Regierung je getroffen hat – wurden inzwischen wieder eingeführt und massiv verschärft: Mehr Isolationshaft, Wiedereinführung von Leibesvisitationen, weitgehende Willkür der Gefängniswärter und polizeistaatliche Überwachung der Angehörigen und Freunde von Inhaftierten gehören zum neuen Arsenal der „linken“ Gefängnispolitik (Aswestopoulos 2017). Amnesty International berichtet in vielen Fällen über miserable Haftbedingungen und Misshandlung von Gefangenen (meistens Flüchtlinge, Migranten oder Roma) durch die Polizei, die in vielen Fällen straflos ausgeht. Da verwundert es nicht, dass auch körperliche Misshandlungen im Gewahrsam weiterhin berichtet werden. (Amnesty International: Griechenland 2017).

Die Syriza-Regierung setzt auch den Frontalangriff des kapitalistischen Staates auf ihren Hauptgegner, nämlich die klassenkämpferische Arbeiterbewegung, in vollem Umfang und verschärft fort. Anfang 2018 hat das Parlament ein Gesetzespaket angenommen, wonach das Streikrecht massiv eingeschränkt wird. In Zukunft soll ein Streik nur noch dann legal sein, wenn über die Hälfte der Gewerkschaftsmitglieder ihm zustimmen. Bisher brauchte man dafür nur 20% Zustimmung oder in manchen Fällen auch weniger (Frankfurter Rundschau, 16.1.2018). Die neuen Anti-Streik-Gesetze der Syriza-Regierung kamen inzwischen schon zur Anwendung gegen die klassenkämpferischen Teile der Arbeiterbewegung: Anfang Juni 2018 wurde der Streik der Hafenarbeiter gegen das chinesische Reedereimonopol COSCO vom Amtsgericht Piräus für illegal erklärt. Die Arbeiter setzten ihren Streik trotzdem fort, aber unter der ständigen Drohung von staatlichen Repressionen (902.gr 2018).

Griechenland unter Syriza als imperialistischer Akteur

Auch unter der „linken“ Regierung geht unterdessen das Sterben in der Ägäis weiter. Die Regierung führt im Einvernehmen mit der EU dieselbe barbarische Flüchtlingspolitik weiter, die zahllose Zivilisten, die vor Krieg und Armut fliehen, zum Tode verurteilt. Mit dem EU-Türkei-Abkommen vom März 2016, dem die Syriza-Regierung natürlich zugestimmt hat, werden alle nach bürgerlichem (Un-)Recht „illegalen“ Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, wieder in die Türkei zurückgeschickt. Sie haben ihr Leben und das ihrer Familien dann umsonst riskiert. Faktisch wurden von der Syriza-Regierung Zehntausende Flüchtlinge auch ohne gründliche Prüfung ihres Asylstatus kollektiv abgeschoben. Die Begründung: Die Türkei, die im Osten einen Bürgerkrieg führt und in der politische Verfolgungen bekanntlich an der Tagesordnung sind, sei ein „sicherer Drittstaat“ (Amnesty International: Griechenland 2017).

Doch nicht nur das – die Syriza-Regierung intensiviert im Zuge ihres Ankommens in der „westlichen Wertegemeinschaft“ auch ihre Bemühungen bei der Produktion von Fluchtursachen. Das ist an sich nichts Neues. Die transatlantische Ausrichtung der Syriza-Partei auf unbedingte Treue zum Verbündeten USA war seit langer Zeit bekannt und wurde auch nicht gerade verheimlicht. Bereits Anfang der 90er hatte der faktische Syriza-Vorgänger Synaspismos ja dem reaktionären Maastrichter Vertrag über die Gründung der EU zugestimmt und jede gegenteilige Meinung als nationalistisch gebrandmarkt. Im Jahr 2014, also lange vor der angeblichen „Wende“ seiner Partei, hatte Tsipras an seiner außenpolitischen Ausrichtung keine Zweifel gelassen: „Ich betone, und das sage ich mit all der Kraft meiner Stimme, dass das Land zum westlichen Lager, zur EU und zur NATO gehört, niemand stellt das infrage.“ (Interview bei ANT1, 14.5.2014). Und er hielt, was er versprach: War schon im ersten Halbjahr 2015, also während des „griechischen Frühlings“, die Administration Obama einer der Hauptverbündeten der Syriza-Regierung, ist diese nun auch um beste Beziehungen zur Trump-Administration sichtlich bemüht. „Trump und Tsipras überschütten einander mit Lob“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung anlässlich des USA-Besuchs des griechischen Premierministers im Oktober 2017. Der reaktionäre US-Präsident konnte Tsipras nicht nur für seine Wirtschaftspolitik vorbehaltlos unterstützen, sondern freute sich auch darüber, dass Athen den NATO-Verpflichtungen nachkommt, mindestens 2% seines BIP für Tötungsgeräte und Kriegseinsätze auszugeben (FAZ 17.10.2017).

Die politische Annäherung und militärische Zusammenarbeit mit dem israelischen Regime wurde in den letzten Jahren stark intensiviert, auch unter der „Linksregierung“. So ist Griechenland an der UNIFIL vor der libanesischen Küste beteiligt, wo es auch darum geht, die Hisbollah in Schach zu halten. Die herrschende Klasse Griechenlands baut gemeinsam mit Zypern und Israel ein strategisches regionales Bündnis auf. Die griechische und israelische Luftwaffe haben in den vergangenen Jahren verschiedene Manöver gemeinsam abgehalten, von denen das Militär beider Länder profitiert hat. In Kreta konnten z.B. israelische Kampfflugzeuge unter ähnlichen geografischen Bedingungen Angriffe auf die iranische Luftabwehr und nukleare Wiederaufbereitungsanlagen simulieren. Auch Luftangriffe im Golan, an der israelisch-libanesischen Grenze, Häuserkampf und Kampf gegen Tunnel, wie sie die Hisbollah und Hamas einsetzen, konnten in Griechenland und Zypern simuliert werden. Zu Netanjahu äußerte Tsipras, „wir teilen seine Besorgnis“ bezüglich des Iran. Die von der deutschen Linken gefeierte griechische Regierung ist somit direkt an den Kriegsvorbereitungen Israels beteiligt. Bei diesen Plänen geht es auch unmittelbar um die ökonomischen Interessen der Konzerne: Um die Ausbeutung von Offshore-Erdgaslagern vor Zypern und Israel und die militärische Absicherung der „EastMed“-Pipeline, die über Zypern nach Griechenland führen soll, sowie des Projekts „EuroAsia Interconnector“, das ein Elektrizitätsnetzwerk zwischen den drei Ländern schaffen soll (Rizospastis 19.11.2017; 9.5.2018).

Die Einigung der griechischen Regierung im jahrzehntelangen Streit um die Namensgebung des nördlichen Nachbarstaates (bisher offiziell „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“) im Juni erscheint auf den ersten Blick als Schritt zur Völkerverständigung und zur Eindämmung des gefährlichen Nationalismus in beiden Ländern. In Wirklichkeit ist sie das genaue Gegenteil: Mit der gefundenen Kompromisslösung („Republik Nordmazedonien“) soll vor allem der Weg des Landes in die EU und NATO frei gemacht werden, den Griechenland bisher immer blockiert hatte. Der NATO-Beitritt Nordmazedoniens soll bereits in den nächsten Monaten umgesetzt werden. Damit wird ein weiteres Land in die gefährlichen Kriegspläne des imperialistischen Bündnisses einbezogen. Diese „Lösung“ ist weder im Interesse des griechischen, noch des nordmazedonischen Volkes, noch generell der Völker der Balkanregion. Die Syriza-Regierung hat sich allerdings ein weiteres Mal als wichtiger Akteur der NATO-Pläne auf dem Balkan erwiesen.

Den Krieg der USA in Syrien unterstützt die griechische Regierung, indem sie Militärbasen zur Verfügung stellt, insbesondere den NATO-Stützpunkt in Souda (Kreta), von dem aus die US Air Force ihre Luftangriffe startet. Schließlich liefert die „Linksregierung“ auch weiterhin Waffen an Saudi-Arabien für dessen völkermörderischen Krieg im Jemen und befleckt ihre Hände mit dem Blut der Opfer. Die Rechtfertigung des Syriza-Fraktionsvorsitzenden im Parlament: Wenn Griechenland es nicht machen würde, würde es ein anderer machen (Aswestopoulos 2017).

Die Ziele der griechischen herrschenden Klasse, ihre regionale Rolle nach der Schwächung durch die Krise in ökonomischer, politischer und militärischer Hinsicht durch Kapitalexport in die Nachbarstaaten und Ausbau ihrer militärischen Fähigkeiten wieder zu stärken, werden von der Syriza-Regierung aktiv vorangetrieben. Die aktive Beteiligung Griechenlands an den imperialistischen Plänen in der Region, aber auch die steigende Aggressivität der türkischen Regierung gegenüber Griechenland erhöhen die Spannungen und machen einen größeren Krieg in der Region wahrscheinlicher. Die arbeitenden Menschen in den beteiligten Ländern hätten in einem solchen Krieg nichts zu gewinnen.

Die traurige Bilanz

Kurz und bündig kann man zusammenfassen: Die griechische Sozialdemokratie in Gestalt von Syriza, die für viele Menschen eine Quelle ihrer falschen, aber dennoch ehrlichen Hoffnungen auf eine Abkehr von der verbrecherischen Politik der EU war, hat sich als durch und durch reaktionäre Formation herausgestellt, die sich als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus betätigt und die Strategie des Kapitals gegen die Arbeiterklasse mit bisher nicht dagewesener Rücksichtslosigkeit durchsetzt. Selbst die bescheidene Hoffnung mancher Linker, dass wenn schon für die Arbeiterklasse nichts Positives dabei herauskommt, doch wenigstens eine Linksregierung dem weiteren Aufstieg des Faschismus im Weg stehen würde, ist ein gefährlicher Irrglaube. Gerade die Resignation der Massen, die Entwaffnung der Arbeiterbewegung, die Verschärfung des Elends, die Gewöhnung an das Elend, das Vorherrschen der Angst erweisen sich in der Krise als der beste Nährboden für die Rekrutierungsstrategien der Faschisten. Die Analysen der Kommunistischen Internationale zum Zusammenhang von Sozialdemokratie und Faschismus, die in den 20ern und frühen 30ern erarbeitet wurden (vgl. Palme Dutt 2009), sind der heutigen Linken offensichtlich völlig unbekannt oder werden ignoriert, obwohl sie sich im Wesentlichen ein weiteres Mal bestätigen. Den Faschismus kann man nur wirksam bekämpfen, wenn gleichzeitig der Kampf gegen den Kapitalismus organisiert wird.

Alle politischen Kräfte, die den Regierungsantritt der Syriza gefeiert haben, tragen eine schwere Verantwortung. Sie haben sich objektiv auf die Seite des Systems geschlagen, auch wenn das wohl meistens nicht ihre Absicht war. Sie sind der klassenkämpferischen Arbeiterbewegung Griechenlands in einer schweren Stunde in den Rücken gefallen und haben es stattdessen vorgezogen, im Konzert die ideologische Begleitmusik für ein bürgerliches Regierungs- und Herrschaftsprojekt zu spielen, das in ungekannter Verelendung für die Massen gemündet ist.

Leo Mayer, ehemals stellvertretender Vorsitzender der DKP, mittlerweile jedoch aus der Partei nach rechts ausgetreten, weiß selbst noch die reaktionärsten Reformen der Syriza-Regierung zu verteidigen: „Glaubst du wirklich, dass ein Streik geführt werden kann, wenn wie bisher im Gesetz vorgeschrieben nur 20% der Mitglieder zustimmen? Bei der IG Metall müssen es 75% sein. Ein Sturm im Wasserglas, Hauptsache gegen Syriza“, schreibt er auf Facebook. Die streikfeindliche, auf Klassenkollaboration ausgerichtete Linie der IG Metall-Führung wird von diesen „Linken“ also als Maßstab herangezogen, wenn der Staat den Kollegen in Griechenland das Streiken verbietet. Was Mayer und seine Anhänger damit eigentlich sagen: Streikt doch mal etwas weniger, liebe Griechen, und erfüllt die Maßgaben der Regierung doch einfach in vorauseilendem Gehorsam, dann braucht ihr euch auch über solche Gesetze nicht mehr zu beschweren.

Das Übergehen solcher Leute auf die Seite des Klassenfeindes ist mit solchen Äußerungen uneingeschränkt und vollendet. Damit haben die (Ex-)DKP-Rechten sich vollends als klassische Sozialdemokraten erwiesen und wie die Sozialdemokratie bekämpfen sie letzten Endes zuallererst die klassenkämpferische Arbeiterbewegung.

Jedes Kind, das in Griechenland unterernährt ist oder in einem Flüchtlingslager leben muss, jeder Rentner, der seine Wohnung im Winter nicht mehr heizen kann, jeder Arbeiter, dessen bescheidene Lebensträume in der Langzeitarbeitslosigkeit versandet sind und jeder Jugendliche, den die Perspektivlosigkeit in die Arme der Nazis treibt, geht mit auf das Konto der Regierung Tsipras. Und die deutsche Linke, die sich in ihrer großen Mehrheit zum Rädchen des Systems gemacht hat, muss vor der Arbeiterklasse Rechenschaft dafür ablegen, ihren Beitrag dazu geleistet zu haben.

Fehler zu machen ist normal und rechtfertigt keine Verurteilung bis in alle Ewigkeit. Verzeihlich sind sie nämlich dann, wenn man bereit ist, seine Fehler selbstkritisch aufzuarbeiten und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, um sie in Zukunft nicht zu wiederholen. Diejenigen, die 2015 mit ihren Illusionen auf die Nase gefallen sind, aber bereit dazu sind, selbstkritisch über ihre Rolle nachzudenken, um derart fatale Fehler nicht zu wiederholen, sind sicherlich mit Figuren wie Leo Mayer nicht in einen Topf zu werfen. Mit ihnen kann und sollte man im Dialog bleiben. Gerade diese Bereitschaft sucht man bei den betreffenden Teilen der deutschen Linken aber leider in den meisten Fällen vergeblich.

Der Reformismus, auch das zeigt die Geschichte der Sozialdemokratie, führt aus seiner inneren Logik heraus letztlich zur Reaktion, zur ideologischen, politischen und am Ende bewaffneten Verteidigung des Systems. Die Bekämpfung des Reformismus ist deshalb eine grundlegende Aufgabe der Kommunisten. Das desaströse Bild, das die deutsche Linke 2015, davor und danach in Bezug auf die Syriza-Affäre abgegeben hat, hat ein weiteres Mal die dringende Notwendigkeit des Aufbaus der kommunistischen Partei in Deutschland verdeutlicht.

Literatur:

902.gr 2018: Entschlossen setzen sie den Streik fort (auf griechisch), online: https://www.902.gr/eidisi/ergatiki-taxi/159986/me-apofasistikotita-synehizoyn-tin-apergia-toys-foto
Amm, Aron (2015): Jetzt mit dem Troika-Diktat brechen, online: https://www.sozialismus.info/2015/01/jetzt-mit-dem-troika-diktat-brechen/
Amnesty International: Griechenland (2017), https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/griechenland
Aswestopoulos, Wassilis (2017): Alexis Tsipras: Vom Revolutionär zum Konservativen, online: https://www.heise.de/tp/features/Alexis-Tsipras-Vom-Revolutionaer-zum-Konservativen-3907283.html?seite=all
FAZ: Trump und Tsipras überschütten einander mit Lob, FAZ 17.10.2017
Interventionistische Linke (2015a): Newsletter 1/2015, http://interventionistische-linke.org/interventionistische-linke-newsletter-12015
Interventionistische Linke (2015b): Interview zum Zwischenstandspapier der iL, online: http://www.interventionistische-linke.org/beitrag/interview-zum-zwischenstandspapier-der-il
Interview bei ANT1 (auf griechisch), 14.5.2014
Koester, Elsa: Europa von unten, junge Welt 14.5.2014
MLPD (2015): Griechenland: Verstärker Linkstrend – massive Absage an EU-Politik, online: https://www.mlpd.de/2015/kw05/griechenland-verstaerkter-linkstrend-massive-absage-an-eu-politik
Palme Dutt, Rajani (2009): Fascism and Social Revolution, Wildside Press LLC.
Rizospastis 2017: Griechenland-Israel. Militärzusammenarbeit im großen Maßstab (auf griechisch), Rizospastis 19.11.2017, online: https://www.rizospastis.gr/story.do?id=9593899
Rizospastis 2018: Trilateraler Gipfel Griechenland-Zypern-Israel. “Business” und Beteiligung an den neuen Kriegsplänen gehen Hand in Hand (auf griechisch), Rizospastis 9.5.2018, online: https://www.rizospastis.gr/story.do?id=9829941
Schaber, Peter (2015): Eine Chance für die Bewegung, http://lowerclassmag.com/2015/01/eine-chance-fuer-die-bewegung/
Spanidis, Thanasis (2015a): Die „Unabhängigen Griechen“, online: http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2015/01/die-unabhaengigen-griechen/
Spanidis, Thanasis (2015b): Jenseits der Eurolinken. Online: http://lowerclassmag.com/2015/07/jenseits-der-eurolinken-ein-gastbeitrag/
Spanidis, Thanasis (2015c): Fatale „Europhorie“, junge Welt vom 5.8.2015
Ums‘ Ganze (2015): Mit dem Aufhören anfangen. Warum wir am 18. März in Frankfurt auf die Straße gehen, https://umsganze.org/m18-ezb-aufruf/
Varoufakis, Yanis (2017): Adults in the room. My battle with Europe’s deep establishment, London.
„Wir lassen uns nicht vereinnahmen“, Interview mit Günter Pohl, Unsere Zeit 19.2.2016

Die Schuldigen waren nicht vor Gericht geladen

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Was brachten 5 Jahre Prozess?

Am Mittwoch ging nach 5 Jahren der NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht zu Ende. Beate Zschäpe wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, bei besonderer Schwere der Tat. Der Angeklagte Ralf Wohlleben erhielt 10 Jahre für Beihilfe in 10 Mordfällen. Das relativ hohe Strafmaß für Zschäpe täuscht darüber hinweg, dass die Nebenangeklagten lächerlich niedrige Strafen erhalten haben. Neben Wohlleben wurde André Eminger wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu lediglich zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das ist weniger als ein Mann erhielt, der im Januar wegen eines Flaschenwurfs bei G 20 zu 3 1/2 Jahren verurteilt wurde. Da Eminger ja bereits seit einigen Jahren in Untersuchungshaft sitzt, geht er nun als freier Mann aus dem Prozess. Kein Wunder also, dass die Verkündigung des Urteils zu spontanem Jubel bei den im Gerichtssaal anwenden Nazis führte.

Das eigentliche Ergebnis dieses „Jahrhundertprozesses“ ist aber ein anderes: 9 Zeugen sind tot, sie alle sind auf mysteriöse Weise gestorben. Bei den Angehörigen der Opfer hat sich eine Stimmung der Resignation und Ohnmacht breit gemacht, der jahrelange Prozess hat sie zermürbt. Ihre Hoffnungen auf Aufklärung und Gerechtigkeit sind in den Sälen des Münchener Oberlandesgerichts zunichte gemacht worden. Auch die Öffentlichkeit ist abgestumpft, die große Empörung von 2011 bei dem Auffliegen des NSU ist vorbei.

Der deutsche Staat jedoch geht als Gewinner aus dem Prozess. Seine eigene Rolle in dem NSU-Fall blieb vor Gericht weitestgehend im Dunklen. Dabei hätte er selbst auf der Anklagebank sitzen müssen, die Polizei, die Geheimdienste, das Bundeskanzleramt.

Es ging nie um Aufklärung. Der Staat hat diese Verbrechen organisiert, er hat die Spuren verwischt. Der Aufbau, die Bewaffnung und Deckung des Terrornetzwerk NSU war nicht ein Coup von „dunklen“ Teilen des Staatsapparats, sondern eine konzertierte Aktion, die ohne Koordination der Staatsspitze, insbesondere des Bundeskanzleramts, das die Geheimdienste koordiniert, nicht möglich gewesen wäre. Der von ihm selbst geschaffene Terror wurde genutzt, um die Trennung von Polizei und Geheimdiensten weiter zu schleifen, also um sich selbst noch mehr Möglichkeiten und Macht zu geben.

Die Schuldigen waren nicht vor Gericht geladen

Das Urteil im NSU-Prozess hat den Staat nicht nur freigesprochen, er war niemals angeklagt.

All denjenigen, die nun beklagen der Prozess habe nicht zur Aufklärung geführt, muss gesagt werden, dass es nie die Aufgabe der Bundesstaatsanwaltschaft war, für Aufklärung zu sorgen. Bereits vor Prozessbeginn 2013 wurde deutlich gemacht, welche Fragen nicht Gegenstand des Prozesses sein sollten: ob der NSU aus mehr als drei Personen bestanden habe, welche Rolle V-Männer im Umfeld des NSU gespielt haben und der Staat und seine Geheimdienste spielen. Das Prozessende soll auch das Ende des Kapitels „NSU“ sein. Und zwar für sehr lange Zeit – die NSU-Akten haben eine Sperrfrist bis ins Jahr 2134. Das Versprechen der Bundeskanzlerin, der Prozess werde restlos für Aufklärung sorgen, war von Beginn an ein schlechter Witz.

Die Ermittlungen vor und nach dem Auffliegen des NSU waren geprägt von Manipulation und Vernichtung des Beweismaterials. Obwohl Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bereits 1998 zur Fahndung ausgeschrieben waren, konnte der NSU 13 Jahre im Untergrund agieren und hat in dieser Zeit mindestens 10 Menschen ermordet.

Das ist kein Zufall, denn der NSU stand unter dem besonderen Schutz des Verfassungsschutzes. Seinen Ursprung hat er im „Thüringer Heimatschutz“, einer Verbindung von Kameradschaften in den 90ern, der von Mitarbeitern des Geheimdienstes aufgebaut wurde. Dem V-Mann Tino Brandt standen dafür 200.000 Mark zur Verfügung. Die Entstehung des NSU ist also maßgeblich auf die Initiative des Verfassungsschutzes zurückzuführen. Zwischen 1998 und 2011 waren bis zu 43 Spitzel deutscher Sicherheitsbehörden im näheren und weiteren Umfeld des NSU positioniert. Sie sorgten für die Ausrüstung mit Waffen und militärischen Sprengstoff, falschen Pässen, sicherten das Untertauchen der Nazis. V-Männer waren bei den Morden dabei, wenn nicht sogar direkt beteiligt. Den NSU hätte es ohne die Unterstützung des deutschen Staates nicht gegeben. Der „National-Sozialistische Untergrund“ war dabei mitnichten eine kleine Dreiergruppe, sondern ein bundesweites militantes Nazinetzwerk. Die Opfer der Anschläge wurden monatelang in Zusammenarbeit mit örtlichen Nazistrukturen ausgespäht und ausgewählt.

Alle politischen Parteien haben dazu beigetragen, die Rolle des Staates zu relativieren, indem sie das Märchen von den „Pannen“ und den „Ermittlungsfehlern“ des Verfassungsschutzes erzählt haben. Auch die politische Linke hat in großen Teilen in den Chor mit Teilen der deutschen Medien eingestimmt, die kritische Stimmen als „Verschwörungstheorien“ abstempeln.

Losungen wie „Das Problem heißt Rassismus“ beantworten uns keine Fragen. Sie machen falsches Bewusstsein für den Terror zuständig und nehmen den Staat aus dem Visier. Man kann einen rassistischen Mord so erklären, den institutionellen Schutz der Täter über Jahre hinweg aber nicht.

Das „Stay-Behind“-Netzwerk wurde nicht aufgelöst – Der NSU besteht weiter fort

Der NSU ist nicht die erste faschistische Terrorgruppe, die in Deutschland aufgebaut wurde. Nach der Niederlage des deutschen Faschismus im 2. Weltkrieg blieb der größte Gegner der Alliierten und der deutschen Kapitalistenklasse weiterhin der Sozialismus, verkörpert durch die DDR, die Sowjetunion und die deutsche Arbeiterbewegung. Sie brauchten eine Spezialistengruppe, die in der DDR im Kriegsfall militärisch kämpfen könnte und im Falle revolutionärer Kämpfe in Westdeutschland zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden könnte. Niemand war für diese Aufgabe besser geeignet als die ehemaligen Nazi-Kader, die überzeugte Antikommunisten waren. Sowohl Verfassungsschutz, als auch Bundesnachrichtendienst, wie auch der Militärgeheimdienst MAD, wurden von führenden Faschisten aufgebaut und besetzt. Sofort nach Kriegsende begannen sie eine Netzwerk von faschistischen Untergrundstrukturen aufzubauen, deren Waffenlager zum Teil bis heute bestehen.

Diese „Stay-Behind“ Organisationen wurden in mehreren Ländern Westeuropas unter NATO-Koordination aufgebaut. Erst 1990 sollten sie unter dem Stichwort „Gladio“ der Öffentlichkeit bekannt werden. Neben der Bekämpfung der revolutionären Arbeiterbewegung, sollte Gladio auch durch gezielte Attentate die Bevölkerung der jeweiligen Länder in eine Schockstarre versetzen, um den Abbau von Bürgerrechten und den Ausbau des Repressionsapparates zu legitimieren. Die bekannt gewordenen Gladio-Strukturen in der BRD waren z.B. der Bund Deutscher Jugend in den 50ern oder auch die Wehrsportgruppe Hoffmann in den 1970er Jahren. Nur wenige Jahre nach Bekanntwerden des Gladio-Netzwerks begann der Aufbau neuer Stay-Behind Strukturen: der Thüringer Heimatschutz.

Auch wenn der Sozialismus eine Niederlage erlitten hat, weiß die herrschende Klasse, dass ihre Ordnung auf Sand gebaut ist. Der Imperialismus bringt notwendigerweise regelmäßig Krisen hervor und die herrschende Klasse findet nur mit immer drastischeren Mitteln einen vorübergehenden Ausweg. Dadurch bedroht sie die Existenz der Masse der Bevölkerung. Auch wenn die deutsche Arbeiterklasse in diesem Moment unorganisiert und zersplittert ist, bereitet sich der deutsche Staat auf den Tag vor, an dem es vermehrt zu Widerstand kommen wird. Der Aufbau der faschistischen Terrorbanden dient dazu, eine Truppe zu schaffen, die im Ernstfall wichtige Figuren der Arbeiterbewegung gezielt zur Strecke bringen kann und Terror und Schrecken in der Masse verbreiten kann.

Aber auch jetzt schon braucht der Staat diese Strukturen. Die Terroranschläge des NSU die jahrelang den migrantischen Communities in die Schuhe geschoben wurden, schaffen ein Klima der Angst und der Ohnmacht. Der Schock führt zu Passivität, ja sogar zu Angst um das eigene Leben. Die Anschläge haben auch das Misstrauen zwischen Deutschen und Migranten verstärkt und so die Spaltung der Arbeiterklasse vorangetrieben.

Nicht zuletzt bietet der NSU einen Identifikationspunkt für die faschistische Szene in der BRD, die die verurteilten Nazis nun als Märtyrer feiern. Die NSU-Ermittlungen haben mitnichten zu einer Zerschlagung der Nazistrukturen geführt. Im Gegenteil, offiziell sind bundesweit weiterhin 500 Nazis als untergetaucht registriert, tausende bewaffnete „Reichsbürger“ stehen als paramilitärisches Potenzial bereit. Das Netzwerk, welches den NSU ermöglicht hat, besteht weiter. Durch die Verwischung von dessen Spuren hat der Verfassungsschutz sein Weiterbestehen garantiert.

Unser Schutz kann nur unsere Sache sein!

Wir können von den Gerichten der herrschenden Klasse keine Gerechtigkeit und keine Aufklärung erwarten. Wenn wir faschistischen Terror und Gewalt nicht weiter ausgeliefert sein wollen, müssen wir uns selber schützen. Wir dürfen keine Illusionen in einen „demokratischen“ Staat haben. Die Polizei und Geheimdienste stehen Seite an Seite mit den Faschisten. Der beste Schutz der Arbeiterklasse ist ihre Klassensolidarität, sie darf sich nicht spalten lassen. Sie muss Organisationen des antifaschistischen Selbstschutzes auf allen Ebenen schaffen, Aufklärung über den Staat betreiben und die Faschisten aus den Vierteln und Betrieben jagen.

Migration – "Schicksalsfrage" Europas?

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Der Streit in den letzten Wochen zwischen CDU und CSU und in der Großen Koalition erweckte den Eindruck, als sei die Regierung oder gar der Staat in Gefahr. Dabei handelte es sich um eine künstliche Auseinandersetzung. Die Spaltung der politischen Lager in „Anti-Merkel“ und „Pro-Merkel“ stellt nur unterschiedliche Taktiken der verschiedenen politischen Parteien für ein und dieselbe Sache dar – effiziente Ausbeutung und Abschiebung von Migranten, aber auch die Inszenierung innenpolitischer Auseinandersetzungen, um eine bessere Verhandlungsposition vor dem EU-Gipfel zu erlangen. Das Ergebnis ist die Verschärfung der bereits bestehenden Verhältnisse: Flüchtlinge sollen in Lagern aussortiert werden. Nur diejenigen, die gut ausgebeutet werden können, sollen rein. Die Konzerne wollen über möglichst viele Arbeitskräfte verfügen, die schnell ausgebeutet und schnell wieder abgestoßen werden können und wenig kosten. So soll Druck auf die Löhne entstehen. Dazu gehören Deutsche ebenso wie Flüchtlinge. Die Fluchtursachen liegen im Imperialismus selbst, in seinem Drang danach, die Löhne zu drücken und Kriege zu führen. An der Verschärfung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse sind alle Parteien – von der AfD bis zu Linkspartei beteiligt, sie sind verschiedene Optionen der Herrschaft für die Kapitalisten. Dem muss die Arbeiterklasse ihren gemeinsamem Kampf entgegenstellen – Deutsche, Migranten und Flüchtlinge zusammen.

Lager für billige Arbeitskräfte

Mit dem Vorgehen der CSU und der Darstellung der Migrationsfrage als „Schicksalsfrage Europas“ sollte der Druck auf die EU-Staaten erhöht werden, damit ein großer Teil der Lasten und Kosten bei den Grenz-Staaten bleibt und die BRD nur kleine Zugeständnisse machen muss. Italien ist nicht bereit, von Deutschland zurückgewiesene Flüchtlinge anzunehmen und will finanzielle Hilfe bei der Abriegelung des Mittelmeers. Mit den rassistischen Regierungen in Österreich und Italien werden nun Abkommen geschlossen und die Abwehr der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer organisiert. Sie sollen bereits in Afrika und in den südeuropäischen Staaten in Lager gesperrt werden, ebenso wie in Deutschland mit dem Grenzverfahren und der Errichtung von „Anker-Zentren“.

Die EU-Staaten wollen auf billige und willige Arbeitskräfte zugreifen können. Die „Konzentration“ in Lagern soll der besseren Auswahl dienen. Nur die jungen Arbeitsfähigen sollen kommen. Alle, die man aus Sicht des Kapitals „durchfüttern“ müsste, sollen draußen bleiben. Diejenigen, die man nicht mehr braucht, sollen abgeschoben werden. Dem dient sowohl die Hetze der AfD, als auch das von der SPD geforderte „Einwanderungsgesetz“. In der Linkspartei will ein Teil schärfere Regeln im Aufenthaltsrecht und Abschiebungen, der andere eine effizientere Arbeitsmigration ermöglichen – beides ist im Sinne der Konzerne.

Konkurrenz zwischen den Arbeitern wird verschärft

Migration und Flucht werden durch die imperialistische Politik und Wirtschaft erzwungen. Zugleich versuchen die Konzerne und Regierungen sie zur andauernden Aufrechterhaltung der industriellen Reservearmee auszunutzen. Das sind arbeitslose und unsicher beschäftigte Arbeitskräfte, die in Zeiten des Aufschwungs schnell einsetzbar und aufgrund ihrer unsicheren materiellen und rechtlichen Lage erpressbar sind. In Zeiten der Krise sollen sie schnell wieder abgestoßen werden können. Zu dieser Armee von verfügbaren Arbeitskräften gehören inländische Arbeitskräfte ebenso wie Arbeiter aus anderen Ländern.

Ihr Nutzen kommt für das Kapital an eine Grenze, wenn ihre Ernährung mehr kostet, als ihre Ausbeutung bringt. Die Verschärfung der Konkurrenz zwischen den Arbeitern um die wenigen Arbeitsplätze soll dazu genutzt werden, Druck auf die Löhne auszuüben. Die massenhafte Arbeitslosigkeit weltweit, insbesondere unter Jugendlichen in den nordafrikanischen und südeuropäischen Ländern, aber auch vieler Hunderttausender hierzulande ist ein Ausdruck der allgemeinen Krise des Kapitalismus. Eigentlich könnten viel mehr Menschen produktiv an der gesellschaftlichen Arbeit teilnehmen und die Arbeitszeit könnte für alle gesenkt werden. Jeder Kapitalist will und muss aber gegenüber den Konkurrenten stärker werden, mehr Maschinen kaufen, weniger Arbeiter einstellen, die Löhne senken und die Arbeitszeit verlängern.

Fluchtursache ist der Imperialismus

Die Phrase von der „Bekämpfung von Fluchtursachen“, die von CDU bis zur Linkspartei verbreitet wird, soll die Abschottungspolitik und Einmischung in Form von „Friedenseinsätzen“ rechtfertigen. Der Imperialismus selbst ist die Fluchtursache. Die Konzerne und die Regierung zerstören die Lebensbedingungen vieler Menschen durch Ausbeutung der Rohstoffe und wirtschaftliche Knebelverträge. Im Streit um ihre Einflusssphären müssen die imperialistischen Staaten Kriege führen, militärisch intervenieren und aufrüsten. Sie dazu aufzufordern, diese Ursachen zu bekämpfen, heißt den Bock zum Gärtner zu machen und Illusionen in den Staat zu fördern.

Die notwendige Antwort der Arbeiterklasse

Gegen die Verschärfung der Konkurrenz zwischen den Arbeitern hilft nur der gemeinsame Kampf von deutschen und migrantischen Arbeitern und Geflüchteten. Dafür braucht es eine gemeinsame und eigenständige Organisierung und Erfahrungen. Die Zusammenführung der verschiedenen Teile der Arbeiterklasse, Leiharbeiter und Stammbelegschaften, Beschäftigte und Arbeitslose, deutsche und ausländische Arbeiter, ist die einzige Lösung.

Wir haben gemeinsame Interessen: Gegen alle Hartz-Regeln und insbesondere die Leiharbeit. Gegen das niedrige Existenzminimum und den viel zu niedrigen Mindestlohn – beides zwingt viele von uns zu Arbeit, von der man nicht leben kann. Alle Ausnahmeregeln für Flüchtlinge und Migranten müssen weg, damit sie weniger erpressbar sind. Die Verschärfung der Asylgesetze und die Abschiebungen erhöhen ebenfalls den Druck auf die Flüchtlinge und damit auf die Löhne. Der Kampf gegen Abschiebungen und Entrechtung ist auch Kampf gegen den Druck auf unser aller Lebensbedingungen. Wir unterstützen deshalb die selbst organisierten Flüchtlinge, die gegen ihre Abschiebung und Entrechtung kämpfen!

Gestern Polizeiwillkür, heute Polizeigesetz

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Warum die Verschärfung der Polizeigesetze?

Der Staat bereitet sich vor: auf die nächste Krise, auf die nächsten Kriege und auf den zu erwartenden Widerstand dagegen. Die Polizeigesetze gehören zu diesen Vorbereitungen. Aus Sicht der Herrschenden sind sie notwendig, weil sie davon ausgehen, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zunehmen wird, wenn sich die Arbeits- und Lebensbedingungen in den nächsten Jahren verschlechtern. Mit dem Vorwand gegen „Terrorismus“ und „Extremismus“ vorzugehen, werden Justiz und Polizei so ausgestattet, dass Proteste und Aufstände unterdrückt werden können. Die Arbeiterklasse in Deutschland ist darauf im Moment schlecht vorbereitet. Sie verfügt weder über das Bewusstsein, dass sich diese Angriffe vor allem gegen sie richten, noch über eigenständige Massenorganisationen, die in der Lage wären, diese Angriffe abzuwehren. Unsere Aufgabe als Kommunisten ist es, dieses Bewusstsein wiederherzustellen und beim Aufbau von starken, unabhängigen Organisationen von Arbeiterinnen und Arbeitern und anderen Volksschichten unsere bestmögliche Unterstützung zu leisten.

Wem nützen die neuen Gesetze?

Vom Abbau demokratischer Rechte sind vor allem diejenigen betroffen, die in dieser Gesellschaft weder über Macht, noch über Reichtum verfügen. Die Kapitalisten und ihr Staat schicken die Polizei dann, wenn der allgemeine Arbeitsdruck und die mediale Stimmungsmache nicht mehr ausreichen, um den Deckel auf dem Kessel zu halten. Nämlich dann, wenn die Arbeiter, die Arbeitslosen und die an den Rand Gedrängten auf die Straße gehen, um zu demonstrieren, zu streiken oder sonst wie für ein besseres Leben einzutreten. Diese Proteste und Aufstände gab es, gibt es und wird es immer geben – bis wir zu unserem Recht kommen. Und bis dahin wird dieser Staat alles daran setzen, die Interessen der Ausbeuter gegen unsere Interessen durchzusetzen. Egal mit welchen Mitteln.

Die neuen Polizeigesetze dienen dazu, uns von vornherein einzuschüchtern, unter Druck zu setzen und wenn es sein muss, härtere Maßnahmen wie z.B. eine längere Inhaftierung, umzusetzen. Die Polizei soll auf Verdacht hin Hausdurchsuchungen, Abhörmaßnahmen und Verhaftungen vornehmen können. Was bis gestern Polizeiwillkür war, ist morgen Polizeigesetz. Die Repression soll also vereinfacht und ausgeweitet werden.

Was ist zu tun?

Demokratische Rechte wie Versammlungsfreiheit wurden in harten und teils blutigen Kämpfen von der Arbeiterbewegung erkämpft. Das war nur möglich, weil die Arbeiterklasse gut organisiert war. Wollen wir heute solche Gesetze wie das Polizeigesetz in NRW verhindern, kommen wir nicht drum herum, uns besser aufzustellen. Demonstrationen und Protestkundgebungen werden dann ihre Wirkung erzielen, wenn sie wirkliche Machtdemonstrationen sind. Eine Bedingung dafür, dass die Arbeiterklasse und die Volksmassen beginnen, sich auf die kommenden Angriffe vorzubereiten, ist es zu begreifen, dass es hier nicht um die Verteidigung von Demokratie, sondern um den Kampf für eine demokratische Gesellschaft, für den Sozialismus geht. Wir müssen jegliche Illusionen in eine demokratische Gesellschaft im Kapitalismus überwinden. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist unter den gegebenen Machtverhältnissen keine Demokratie zu haben. Wirkliche Demokratie wird es erst im Sozialismus geben, wenn diese Mehrheit des Volkes die Macht in den eigenen Händen hat.

Schluss mit der Illusion einer kapitalistischen Demokratie!

Der Staat im Kapitalismus ist das Instrument in den Händen der Kapitalistenklasse, um die Klasse der Arbeitenden, die Lohnabhängigen und die Abgehängten zu kontrollieren und unten zu halten. In guten Zeiten wird das System der Unterdrückung der Massen mit etwas Zuckerbrot versehen, in schlechten Zeiten wird die Peitsche ausgepackt. Der Kapitalismus aber ist ein System, in der eine Minderheit über eine Mehrheit herrscht. Diese Minderheit besitzt die wichtigsten Produktionsmittel und profitiert von der Arbeit der Mehrheit, die von ihr ausgebeutet wird. Das gesellschaftliche Wohl und die Bedürfnisse der Menschen interessieren diese Minderheit, die Kapitalistenklasse, nicht. Vielmehr interessieren sie nur ihre privaten Profite. Profite werden aber immer schmaler, weil die Konkurrenz und der technische Fortschritt große Investitionen notwendig machen und damit die Profitraten sinken lassen. Krisen und Kriege gehören im Kapitalismus zum System.

Organisiert euch!

Auf Dauer ist ein solches Gesellschaftssystem auf Sand gebaut, denn die Mehrheit der Menschen wird sich das nicht gefallen lassen. Das wissen die Kapitalisten und ihre Staatsdiener genauso gut wie wir. Sie bereiten sich vor.

Die Arbeiterbewegung war immer stark, wenn sie sich ihrer Lage und Interessen bewußt war. Die Kommunisten haben die Verantwortung, die Arbeiterklasse zu organisieren und für die kommenden Kämpfe vorzubereiten. Wir stellen uns dieser Verantwortung. Wende dich an uns, wir werden mit dir gemeinsam die Organisierung in deinem Betrieb, deinem Wohnviertel und überall wo es nötig ist, vorbereiten und aufbauen.

War die Sowjetunion „staatskapitalistisch“ und „sozialimperialistisch“?

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Diskussionsbeitrag– keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussion)

Von Thanasis Spanidis

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Einleitung

Über 70 Jahre lang war die Existenz der UdSSR eine der entscheidenden Rahmenbedingungen der Weltpolitik, d.h. des Klassenkampfes auf internationaler und nationaler Ebene und der Politik der kommunistischen Parteien. Die Zerschlagung der Sowjetunion und der mit ihr verbündeten Staaten ab 1989 kam sowohl für die Kommunisten, als auch für die westlichen Imperialisten unerwartet und stürzte die kommunistische Bewegung in eine tiefe Krise, von der sie erst begonnen hat, sich zu erholen. Bis heute ist die Frage, wie die Sowjetunion einzuschätzen ist, ob sie zu verteidigen oder gar zu bekämpfen ist, eine zentrale Frage für die kommunistische Bewegung.

Die Kommunistische Organisation (KO) gegründet!

Die Kommunistische Organisation (KO) gegründet!

Die Zeichen sind unübersehbar: Täglich spitzen sich die Widersprüche zwischen den führenden imperialistischen Staaten zu. Der beginnende Handelskrieg zwischen der USA und den EU-Staaten, der andauernde Krieg in Syrien, die Aufrüstung der NATO und die militärischen Drohgebärden im Südchinesischen Meer sind dafür nur einzelne Beispiele. Gleichzeitig werden die Stimmen lauter, die eine erneute ökonomische Krise kommen sehen. Die bürgerlichen Parteien, von der Alternative für Deutschland bis zur Partei die Linke, haben keinerlei Lösungen im Interesse der Arbeiterklasse für die sich zuspitzenden Widersprüche zu bieten. Es ist aktuell in Deutschland keine gesellschaftliche Kraft vorhanden, die eine ernsthafte Opposition gegen die Bourgeoisie und ihre politischen Handlanger darstellt.

Auch die kommunistische Bewegung in Deutschland ist von Unklarheit und Zersplitterung geprägt. In dieser Situation trafen wir, die Genossinnen und Genossen des „Wie weiter?“-Zusammenhangs, uns vom 01.06. bis zum 03.06. um uns nach einem dreiviertel Jahr der Vorbereitung schließlich eine Struktur zu geben: Wir haben die Kommunistische Organisation (KO) gegründet und damit die nächste Etappe im Kommunistischen Klärungs- und Aufbauprozess begonnen.

Der gemeinsame Wille zum Wiederaufbau der Arbeiterbewegung und der Kommunistischen Partei in Deutschland war in allen Diskussionen erkennbar. Wir haben solidarisch diskutiert, mit dem Ziel im Hintergrund, unseren Zusammenhang zu festigen und ihn ernsthaft handlungsfähig zu machen. Unter uns gab es dabei keine Zweifel: Die Einbeziehung und Verallgemeinerung aller Erfahrungen und schlagkräftiges Handeln ist nur auf der Grundlage der Prinzipien des Demokratischen Zentralismus möglich.

Nach fruchtbarer Diskussion haben wir die Programmatischen Grundlagen der KO, die Programmatischen Thesen, beschlossen. Offene Fragen des wissenschaftlichen Sozialismus und der Analyse der aktuellen imperialistischen Verhältnisse wurden als solche festgehalten und bilden somit gemeinsam mit Thesen selbst die Arbeits- und Diskussionsgrundlage der gesamten Organisation.

Die Klärung der offenen Fragen und die weitere wissenschaftliche Fundierung unserer Thesen wird in Zukunft von den sieben Arbeitsgruppen übernommen werden:

  1. Wissenschaft: Dialektischer und Historischer Materialismus

  2. Revolutionäre Arbeiterbewegung und Kommunistische Partei

  3. Politische Ökonomie des Imperialismus

  4. Bürgerlicher Staat, Sozialdemokratie und Faschismus

  5. Sozialistische Gesellschaft

  6. Klassenanalyse

  7. Deutscher Imperialismus

Dabei wird es nicht um eine akademische Forschung gehen, losgelöst von der Praxis der Ortsgruppen und der Lebensrealität der Arbeiterklasse.Vielmehr geht es um eine reale Klärung der Fragen durch die Analyse der Verhältnisse und der Anwendung und Prüfung der Ergebnisse in der Praxis selbst. Für uns steht dabei fest: Die Klärung der offen Fragen der Kommunistischen Bewegung ist kein Selbstzweck und wird nicht in der Isolation stattfinden. Die Arbeitsgruppen sollen Sammelpunkte für Kommunisten werden und die Diskussion all jene auch außerhalb unserer Reihen einbeziehen, die ein ernsthaftes Interesse am wissenschaftlichen Sozialismus haben.

Die Ortsgruppen werden in Zukunft mit aller Kraft den Wiederaufbau der Arbeiterbewegung in Deutschland angehen: Auf Basis der Programmatischen Thesen und der Unterstützung der Arbeitsgruppen geht es konkret darum, Formen der unabhängigen Organisierung der Arbeiterklasse zu entwickeln und explizit nicht darum, uns in fruchtlosen Organisationsbündnissen zu verstricken.

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den wissenschaftlichen Sozialismus und die Arbeiterbewegung wieder zusammenzuführen und damit die Grundlagen für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei in Deutschland zu schaffen. Es kann daher nur ein Klärungsprozess sein, in dem die wissenschaftliche Analyse und die praktische Anwendung Hand in Hand gehen. Ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben. Ohne revolutionäre Bewegung kann es keinen Sozialismus geben.

Die Flamme des Kommunismus brennt weiter!

12.06.2018 | Kommunistische Organisation

Einschätzung der Programmatik der MLPD

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Diskussionsbeitrag– keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussion)

von Philipp Kissel

Die MLPD hat uns einen Brief geschrieben, in dem sie ein Gesprächsangebot macht und „Schnittmengen“ aus der Austrittserklärung der 80 Genossen liest. Diese sieht sie vor allem in der Kritik an der „antimonopolistischen Demokratie“ und in der Imperialismusanalyse. Sie meint, die Prüfung bestehender Parteien und Organisationen auf ihren marxistisch-leninistischen Charakter hin sei eine Voraussetzung vor der Gründung einer neuen Organisation. Angesichts von Rechtsruck und des zunehmenden Schlagabtauschs der Imperialisten sei die Einheit der Revolutionäre gefordert.

Karl Marx feiern heißt die DDR feiern

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Diskussionsbeitrag– keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussion)

Ein paar Gedanken zum 200. Geburtstag von Karl Marx

von Philipp Kissel

Der 200. Geburtstag von Karl Marx ist begangen und es wurde viel dazu geschrieben und gesagt. Auffällig war, dass viele ihn plötzlich als Denker entdeckt haben und ihn würdigen. Es dürfte wohl auch Ausdruck davon sein, dass mehr Menschen bei Marx mal nachschauen und da will man ihn schon in die Richtung lenken, die am wenigsten schädlich ist für die bürgerliche Gesellschaft. Seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 und der Zuspitzung der Widersprüche nehmen mehr Menschen die Bücher von Marx in die Hand. Das ist gut und erfreulich, besser als die Zeiten, in denen man als völlig gestrig bezeichnet wurde, wenn man nur Marx oder Kapitalismus gesagt hat. Die  bürgerliche Öffentlichkeit hält den Zeitpunkt für gekommen, Marx zu „historisieren“, oder ihn „einzubalsamieren“, wie Georg Fülberth in der UZ richtig beschreibt. (https://unsere-zeit.de/de/5018/positionen/8376/Marx-Schwemme.htm)

Wie bei solchen Anlässen üblich, verrät uns das offizielle Gedenken mehr über den Stand der Gesellschaft, genauer der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Meinungsmacher als über das Geburtstagskind. Wie nicht anders zu erwarten, geht es um die Verfälschung und Verflachung seines Wirkens und vor allem seine Trennung vom real existierenden Sozialismus.

Der BRD-Imperialismus unter Druck!

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Die geistige Mobilmachung läuft an, mittels Instrumentalisierung des Holocaust.

Von Klara Bina

Die deutsche Bourgeoisie instrumentalisiert auf perfide Weise die deutsche Geschichte für die eigenen Kriegs- und Ausbeutungsziele. Die Partei Die Linke (PDL) folgt gefügig, um sich dem Vorhaben anzudienen. Aus den Tätern, den Verantwortlichen für den Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg, der deutschen Kapitalistenklasse, werden Beschützer der Demokratie, Kämpfer gegen Antisemitismus und Friedenstauben konstruiert. Nichts Neues in Deutschland! Das stimmt und trotzdem scheint die Wiederauflage dieser „Taktik der Umdrehung“, dieser falsche Fuffziger zu funktionieren.

Die sogenannten „Stalinschen Säuberungen“

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Mythos, historische Realität und Hintergründe

von Thanasis Spanidis

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In den Jahren 1937-38 brach in der Sowjetunion eine Welle der Gewalt aus, wie es sie seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gegeben hatte. Über 680.000 Menschen wurden während dieser zwei Jahre hingerichtet und die Zahl der Insassen der Straflager erreichte 1938 mit knapp 1,9 Mio. einen bisherigen Höchststand (Getty /Rittersporn/Zemskov 1993, S. 1023).

Diese Ereignisse bieten dem Antikommunismus bis heute eine beliebte Vorlage, um die von Stalin mitgeprägte Periode des sozialistischen Aufbaus oder gar die Sowjetunion und die kommunistische Idee überhaupt als verbrecherisch und mörderisch zu brandmarken. Doch auch innerhalb der kommunistischen Bewegung ist nach wie vor die Interpretation verbreitet, wonach die Repressionen einfach eine Folge von Stalins Machtstreben waren, wobei bestenfalls auf den Kontext der internationalen Bedrohung in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg hingewiesen wird. So etwa der verstorbene Robert Steigerwald (DKP), der tendenziell davon ausgeht, dass alle Verurteilten der Moskauer Prozesse, der Tuchatschewski-Affäre und der Massenrepressionen unschuldig waren. Eine „fünfte Kolonne“ (d.h. eine konterrevolutionäre Verschwörung im Angesicht der drohenden feindlichen Invasion) habe es nicht gegeben, sie „existierte in erfolterten ‚Geständnissen‘. Mehr gab es nicht“ (Steigerwald 2018). Die junge Welt veröffentlichte am 29.7.2017 einen Artikel von Reinhard Lauterbach mit demselben Tenor. Auch darin wurde suggeriert, Stalin habe systematisch seine Rivalen ermorden lassen und einen gezielten Massenterror gegen die Gesellschaft entfesselt. Dafür habe er sogar „Quoten“ für Verhaftungen und Erschießungen ausgegeben, die von der Geheimpolizei zu erfüllen gewesen seien (Lauterbach 2017).