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Kindergeld für EU-Ausländer kürzen heißt Lohnkürzung für alle

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Die Debatte über die Kindergeldzahlungen an Kinder von EU-Ausländern, die in Deutschland arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, ist neu entbrannt. Seit Jahren versucht die deutsche Regierung, die Zahlungen für die Kinder, die im Ausland leben zu reduzieren. Stets ist die öffentliche Auseinandersetzung mit Schreckensbildern von Roma und Sinti verbunden, die angeblich massenweise organisiert Sozialbetrug begehen würden. Der Oberbürgermeister von Duisburg, Sören Link (SPD), zeichnete das Bild von den vielen Roma, die dafür verantwortlich seien, dass es mehr Ratten gebe. Diese rassistische Hetze soll dafür sorgen, dass wir alle denken, man muss die Sozialleistungen für diese Menschen kürzen, dann würden unsere Lebensbedingungen verbessert. Das ist eine Falle. Anstatt unsere Lebensbedingungen zu verbessern, werden sie für einen Teil von uns sofort verschlechtert. Und die Menschen, die eh schon benachteiligt sind, werden zur Zielscheibe von Hass und nicht selten Gewalt. Nachhaltig wirken sich solche Maßnahmen als Lohnspirale nach unten aus. Das ist wohl das eigentliche Ziel, dass der Klassengegner, die Kapitalisten, damit verfolgen.

Aber zuerst zu den Fakten

Die allermeisten Arbeiter aus den EU-Ländern, die hier dauerhaft sind, leben mit ihren Kindern hier in Deutschland. Der kleinere Teil der Arbeiter kommt als Saisonarbeiter hierher oder pendelt. Es ist die Rede von etwa 268.000 Kindern, für die das Kindergeld gekürzt werden soll. Schauen wir uns das genauer an: zirka 31.000 Kinder sind von Deutschen, die im Ausland leben. Insgesamt wird an EU-Ausländer für zirka 1 Million Kinder Kindergeld bezahlt, von denen 236 000 im Ausland leben. Von rumänischen Arbeitern, die in Deutschland arbeiten, leben 138.000 Kinder in Deutschland, nur 19.000 im Ausland, bei Bulgaren leben 84.000 Kinder in Deutschland, nur 6700 leben im Ausland. Der größte Teil der im Ausland lebenden Kinder kommt mit etwa 117.000 aus Polen. Das kommt daher, dass polnische Arbeiter überwiegend pendeln oder Saisonarbeiter sind. Mit der Hetze gegen Roma und Sinti werden also eigentlich Polen getroffen. Mit der Kürzung des Kindergelds für diese Arbeiter wird die Armut in den Heimatländern verschärft und damit die soziale Lage eines nicht kleinen Teils der Arbeiterklasse dort und hier verschlechtert.

Warum kommen die Menschen hierher zum Arbeiten?

Die hohe Arbeitslosigkeit in den osteuropäischen Ländern, die schlechten Arbeitsbedingungen für die Arbeiter und die besonders schlechte Lage der Roma und Sinti, die als Elend zu bezeichnen ist, ist der Grund dafür, dass die Arbeiter gezwungen sind z.B. nach Deutschland zum Arbeiten zu kommen. Die deutschen Unternehmen profitieren nicht nur von den niedrigen Löhnen in Osteuropa, wo sie zu diesen schlechten Bedingungen Autos und andere Waren produzieren lassen, die sie dann teuer verkaufen. Der Profit fließt nach Wolfsburg oder in andere Konzernzentralen. Sie profitieren auch hier von den vielen migrantischen Arbeitern, die aufgrund ihrer schlechten Lage gezwungen sind, die niedrigen Löhne zu akzeptieren.

Kindergeld: staatlich geförderte Lohnsenkung

Kindergeld ist eine staatliche Leistung zur Versorgung und Betreuung von Kindern. Sie wird aus Steuergeldern bestritten, die zu über 70 Prozent von den Lohnabhängigen selbst erbracht werden. Die Versorgung und Betreuung ist aber eigentlich Bestandteil des Lohns, denn dieser bemisst sich daran, was die Arbeiter zum Leben brauchen und dazu gehört auch die Versorgung ihrer Kinder, genauso wie Miete, Lebensmittel, Mobilität und anderes. Ohne Kinder keine Arbeitskräfte in der Zukunft. Da die Unternehmen aber nicht bezahlen wollen, übernimmt das ihr Staat. Das ist nichts anderes als eine Art Kombilohn. Damit sparen die Unternehmen und können die Löhne niedrig halten. Für die Bevölkerung wird das als Leistung des Staates verkauft, aber eigentlich finanzieren zum großen Teil die Lohnabhängigen selbst das Kindergeld und die Kapitalisten sparen an Lohn. Das Geld, das durch die Kürzung des Kindergelds im Staatshaushalt eingespart werden würde, würde nicht der Arbeiterklasse zu Gute kommen, sondern für Bedürfnisse der Kapitalisten – Rüstung, Unternehmenssubventionen, etc. – ausgegeben werden.

Warum zahlen nicht die Kapitalisten?

Im Kapitalismus kommt es unweigerlich zu sinkenden Profitraten. Der Grund dafür ist, dass die Entwicklung der Produktion dazu führt, dass weniger Arbeitskraft nötig ist. Profite können aber nur aus der Ausbeutung der Arbeitskraft geschlagen werden. Große Produktionsanlagen für die viel Kapital aufgewendet werden muss, schaffen von sich aus keinen Mehrwert. Um dem entgegen zu steuern, streben die Kapitalisten danach, die Löhne ständig zu senken. Die durchschnittliche Lohnhöhe in Deutschland ist bereits so niedrig, dass ohne solche Extrazahlungen die Versorgung von Kindern nicht mehr bestreitbar wäre. Sogar mit Kindergeld ist das für viele ein großes Problem. Daran ist der faulende Charakter des Kapitalismus erkennbar, er ist nicht in der Lage, den Erhalt der Gesellschaft zu sichern. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das Kindergeld in Deutschland relativ hoch, was ein Zeichen für niedrige Löhne ist. Rund 25% aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten im Niedriglohnsektor, das heißt sie verdienen zwei Drittel oder weniger des mittleren Stundenlohns, der 2014 bei 16,70 Euro lag.

Kürzungen treffen die gesamte Arbeiterklasse

Für EU-Ausländer ist das Kindergeld ebenso wie für deutsche Arbeiter ein Lohnzusatz zur Deckung der Lebenshaltungskosten. Wenn also die Zahlungen gekürzt werden, wird das Einkommen von einem Teil der Arbeiterklasse gesenkt und damit Druck auf alle Löhne ausgeübt. Denn je schlechter die Einkommensverhältnisse eines Teils der Arbeiterklasse sind, desto mehr Arbeiter sind dazu gezwungen, zu niedrigen Löhnen zu arbeiten. Die Kapitalisten können dann mit Verweis auf diejenigen mit niedrigeren Lohnerwartungen auch die Löhne derjenigen senken, die bis dahin dachten, sie wären von Kürzungen verschont geblieben. Kürzungen sind also ein Angriff auf alle Arbeiter, denn die Konkurrenz unter den Arbeitern wird erhöht und davon profitiert nur die Kapitalistenklasse.

Was ist zu tun?

Wir müssen die Angriffe und die Hetze gerade gegen die gesellschaftlich schwachen Arbeiterinnen und Arbeiter abwehren und nicht zulassen, dass unsere Klasse gespalten wird. Die Kapitalistenklasse geht nach folgender Devise vor: spalte und herrsche. Nur wenn wir erkennen, dass jede Spaltung, jeder Angriff von oben sich gegen uns alle richtet, dann können wir der Lohnspirale und den Sozialkürzungen Einhalt gebieten. Damit wird das Gesamtproblem nicht gelöst, aber wir können die Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen etwas abwehren.

Die Aufgabe der Kommunisten ist es, ihre Erkenntnisse, Erfahrungen und Organisationen der Arbeiterklasse für diesen Kampf zur Verfügung zu stellen. Nur wenn wir den Zusammenhang zwischen der Lohnkürzung und der staatlichen Lohnsubvention – zum Beispiel durch das Kindergeld – benennen, können wir Vorhaben, wie jetzt die Angriffe auf das Kindergeld von EU-Ausländern, mit den richtigen Waffen bekämpfen.

Offener Brief an Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP

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Lieber Genosse Patrik,

beim Lesen deines Reiseberichts aus China1 Anfang Juli war ich durchaus erstaunt – ich hätte nicht erwartet, dass du und damit die Parteiführung der DKP so zügig nach dem Parteitag in dieser für die DKP heiklen Frage klare Position beziehst. Doch damit hast du einen Schritt getan, der meines Erachtens schon lange überfällig war. Du hast deine Vorstellungen klar auf den Tisch gelegt: China, ein Land „mit sozialistischer Orientierung“ mit einer führenden Kommunistischen Partei, die die Solidarität aller Kommunisten verdient. Als Kommunist muss ich dieser Aufforderung zur Solidarität eine entschiedene Absage erteilen – denn weder halte ich China für ein Land „mit sozialistischer Orientierung“, noch halte ich die KP Chinas tatsächlich für eine Kommunistische Partei im Leninschen Sinne. Einige Argumente für meine Position finden sich im Artikel von Thanasis Spanidis2 – selbstverständlich steht aber in Zukunft noch eine umfassendere Auseinandersetzung mit der Rolle Chinas im imperialistischen Weltsystem aus. Als KO wollen wir uns dieser Auseinandersetzung im Klärungsprozess widmen.

Bitte verstehe diesen Offenen Brief nicht als Angriff auf die DKP sondern als Diskussionsangebot. Ich nehme im Folgenden kein Blatt vor den Mund – das tue ich, damit mein Standpunkt und meine Kritik klar und offen zutage tritt. Denn ich meine, dass nur so in der Diskussion um den letztlich richtigen Standpunkt gerungen werden kann.

Solidarität mit wem?

Zweifelsohne gilt meine Solidarität jedoch der chinesischen Arbeiterklasse und allen Unterdrückten in China. Daher werde ich stutzig, wenn ich bei dir im ersten Teil des Reiseberichts lese: „Es war ungewohnt, dass dort [auf einer Konferenz] auch hochrangige Manager bzw. Besitzer privatkapitalistischer Konzerne auftraten – sicher mindestens vielfache Millionäre –, um zu betonen, wie wichtig die führende Rolle der kommunistischen Partei für ihr Business sei. Mein Eindruck: Die KP hat die führende Rolle und es gibt derzeit keine relevante gesellschaftliche Gruppe oder Klasse, die diese führende Rolle infrage stellt – auch nicht die existierende Kapitalistenklasse. Diese hat sich derzeit, so mein Eindruck, darauf eingelassen und damit arrangiert, nicht die herrschende Klasse zu sein. Natürlich tut sie das auch, weil sie ökonomisch von der derzeitigen Situation profitiert – im wahrsten Sinne des Wortes.“

Abgesehen davon, dass ich es nicht nur „ungewohnt“ fände auf einer Konferenz einer regierenden kommunistischen Partei den Klassenfeind höchstpersönlich als geladenen Redner und nicht auf der Anklagebank anzutreffen, fiel mir vor allem Folgendes auf: Du beschreibst, dass die zweifellos in China existierende Kapitalistenklasse von der Politik der KPChs profitieren würde und daher die führende Rolle der KPChs nicht infrage stellen würde. Ja warum sollte sie denn auch? Du bringst hier eigentlich selbst das wesentliche Argument, warum es sich bei China eben nicht um ein Land „mit sozialistischer Orientierung“3 handelt. Dass es sich bei der VR China um ein kapitalistisches Land handelt, dafür spricht die Teilnahme von hochrangigen Managern an Konferenzen ebenso, wie die Tatsache, dass hochrangige Parteifunktionäre selbst immenses Vermögen angehäuft haben und Vorstandsposten in den großen privaten chinesischen Konzernen innehaben. Deine Schlussfolgerung, dass die Kapitalistenklasse sich „darauf eingelassen und [damit] arrangiert hat, nicht die herrschende Klasse zu sein“, legt nahe, dass du keine tiefere Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse in China bemühst, sondern getreu der Selbstdarstellung der chinesischen KP folgst.

Diese Selbstdarstellung der KPCh basiert insbesondere auch auf der Behauptung, die Kontrolle über die Ausdehnung kapitalistischer Beziehungen in der Ökonomie wahren und damit langfristig Voraussetzungen für einen „entwickelten“ Sozialismus schaffen zu können. Statt den Sozialismus mit aller Macht durch die Ausweitung sozialistischer Beziehungen in der Ökonomie faktisch auf die Tagesordnung zu setzen, behauptet man eine „sozialistischen Orientierung“. Irgendwann wird man ihn wohl schon erreichen. Ohne Zweifel hält die KPCh die politische Macht in China in ihren Händen – das bedeutet aber keinen notwendigen Widerspruch zur Herrschaft des Kapitals in China.

Diktatur des Proletariats?

Genau diesen Widerspruch behauptest du aber, wenn du im zweiten Teil deines Berichts explizit schreibst: „Zum Kurs der Produktivitätserhöhung, der Armutsbekämpfung, der Verbesserung der Daseinsvorsorge für die Menschen, des Umweltschutzes gibt es, glaube ich, keine Alternative. Ebenso bin ich mir relativ sicher, dass dies ohne die Reform- und Öffnungspolitik nicht gegangen wäre. Aber: Natürlich lässt das Kapitalismus ins Land, natürlich stimmt es, dass Kapitalismus Kapitalismus produziert, und es hat sich eine Kapitalistenklasse gebildet, die natürlich auch ihr Bewusstsein produziert und reproduziert. Dem steht aus meiner Sicht die führende Rolle der kommunistischen Partei gegenüber. Das ist die derzeitige Form, in der die Arbeiterklasse die Macht ausübt.“

Leider führst du an keiner Stelle im Bericht die Argumente dafür an, warum es sich bei der führenden Rolle der KPCh um die Form der Diktatur des Proletariats handeln sollte. Es scheint, als genüge es dir im Wesentlichen, dass die KPCh sich selbst noch als „kommunistisch“ bezeichnet, überall Hammer & Sichel zu sehen ist und die Partei die „marxistische Weltanschauung“ verbreitet. Gerade bei diesem letzten Argument gerate ich ins Zweifeln: Was versteht die KPCh unter „marxistischer Weltanschauung“? Eine Weltanschauung, die im Statut der KPCh gleichwertig neben den „Mao-Zedong-Ideen“, der „Deng-Xiaoping-Theorie“, den Ideen des „Dreifachen Vertretens“ und nun auch den „Xi-Jinping-Gedanken“ steht? Es geht mir sicherlich nicht darum, mich über irgendeine dieser Formulierungen lustig zu machen. Überhaupt geht es mir nicht um die Formulierungen. Mir geht es um die Inhalte, von denen du nur sagst, dass du sie „als die Bestätigung der Linie der letzten beiden Parteitage, die das Festhalten an der Reform- und Öffnungspolitik stärker mit der Propagierung der marxistischen Weltanschauung verbindet“ interpretierst. Jedoch ist zB die Behauptung Deng Xiaopings, dass es im Grunde egal sei, „ob die Katze weiß oder schwarz ist, Hauptsache ist, sie fängt Mäuse“, d.h. ob die Ökonomie durch den zentralen Plan oder den Markt gesteuert wird, eine eindeutig revisionistische Vorstellung, die mit Marxismus-Leninismus nichts zu tun hat4. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den genannten Theorien ist noch zu leisten. Doch eins ist klar: Eine Kommunistische Partei wird nicht dadurch eine Kommunistische Partei, indem sie sich selbst so nennt oder ihre eigene Ideologie und Symbole verbreitet. Um eine kommunistische Partei handelt es sich dann, wenn sie sich streng nach den Leninschen Prinzipien organisiert, wenn sie die marxistisch-leninistische Weltanschauung zur Grundlage all ihres Handelns macht und damit in der Praxis die Rolle der Avantgarde des Proletariats einnimmt.

Es ist also eine revisionistische Vorstellung der Diktatur des Proletariats in China, die du in deinem Bericht formulierst. Doch mit dieser Vorstellung bist du innerhalb und außerhalb der DKP selbstverständlich nicht alleine5. Ich möchte dir an dieser Stelle die Frage stellen: Warum sollten die hochrangigen Funktionäre der KPCh (ZK-Mitglieder u.a.), die sich immense Privilegien gegenüber der chinesischen Arbeiterklasse gesichert haben, diese Privilegien je wieder aufgeben? Ich meine, dass es keine historisch-materialistische Betrachtungsweise ist, wenn man die Wirkmacht ökonomischer Tatsachen nicht benennt oder sie zweitrangig erscheinen lässt. Im Wesentlichen tust du aber genau das: Du stellst die politische Herrschaft der KPCh der ökonomischen Herrschaft der Kapitalistenklasse förmlich gegenüber, obwohl es sich genau umgekehrt verhält: Durch die Ausbreitung des Revisionismus innerhalb der KPCh und der faktischen Beerdigung sozialistischer Verhältnisse in der Wirtschaft durch die „Öffnungs- und Reformpolitik“ unter Deng Xiaoping hat sich die KPCh von der Avantgarde der Arbeiterklasse schrittweise zur „Avantgarde“ der chinesischen Kapitalistenklasse gewandelt. So scheint es beispielsweise nur konsequent, dass im Jahr 2002 auch die letzten Hürden für die Beteiligung an der politischen Macht durch die nun mögliche Parteimitgliedschaft für Kapitalisten niederzureißen.

Gab es zu der „Reform- und Öffnungspolitik“, wie du die Einführung kapitalistischer Verhältnisse beschönigend nennst, denn tatsächlich keine Alternative? Kann es sein, dass du da der bürgerlichen Propaganda von der Alternativlosigkeit des Kapitalismus aufgesessen bist? Gehen wir als Kommunisten nicht davon aus, dass der Sozialismus als Produktionsweise dem Kapitalismus grundsätzlich überlegen ist? Es gibt jedenfalls keinen sachlichen Grund, davon auszugehen, dass es zum kapitalistischen Entwicklungsweg in China „keine Alternative“ gab oder gibt. Trotz verschiedener Probleme entwickelten sich die Produktivkräfte in China zwischen 1949 und 1978 bereits sehr stark und die durchschnittliche Lebenserwartung konnte um mehrere Jahrzehnte (!) gesteigert werden. Eine Studie bürgerlicher Ökonomen von vor ein paar Jahren kam sogar zu der Einschätzung, dass die chinesische Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten bis 2050 fast ebenso schnell wachsen würde, wenn China eine Planwirtschaft wäre6. Es drängt sich der Eindruck auf, dass du hier eher einfach den Kurs der chinesischen „Schwesterpartei“ verteidigen willst, als wirklich der Frage nachzugehen, welche historischen Alternativen es gibt oder gegeben hätte.

Armutsbekämpfung und steigende Ausbeutung?

Da hilft es auch nicht, wenn du leise hinterher schiebst: „Viele Produktionsmittel sind in den Händen einer neuen Kapitalistenklasse, die Masse aber nach wie vor nicht. Die Produktion auch dieser Produktionsmittel wird in einem gesamtgesellschaftlichen Interesse gesteuert bzw. Kapitalisten werden gezwungen, einen Teil des Mehrwerts in die gesellschaftliche Entwicklung zu investieren. Ohne herrschende Kapitalistenklasse ist es kein Kapitalismus und ich glaube, dass unsere Formulierung von der VR China als einem Land mit sozialistischer Orientierung richtig ist.“ Was ist diese „Steuerung im gesamtgesellschaftlichen Interesse“? Was heißt es, „einen Teil des Mehrwerts in die gesellschaftliche Entwicklung zu investieren“? Diese Vorstellungen klingen doch sehr nach den alten revisionistischen Vorstellungen, dass eine Umverteilung durch Besteuerung bereits ein Instrument des Sozialismus sei. Denn dass ein „Teil des Mehrwerts“ über Steuern in den Staatshaushalt fließt, ist in jedem bürgerlichen Staat der Fall. Ohne Zweifel hat es die KPCh mit dieser Politik in den letzten 40 Jahren geschafft, die Armut in China massiv zu verringern. Jedoch erscheint es in deinem Reisebericht so, als wäre die absolute Verelendung für Kommunisten das Maß aller Dinge, an dem sich ein richtiger oder falscher Entwicklungsweg festmachen lässt. Sollte nicht vielmehr der Grad und die Entwicklung der Ausbeutung das Maß sein, das für uns Kommunisten die höchste Relevanz hat? Und du selbst schreibst dazu ja: „Armut wird beseitigt, gleichzeitig klafft die Schere zwischen Arm und Reich nicht weniger, sondern eher weiter auseinander.“ Neben dem Grad der Ausbeutung spielt die Ausweitung von kapitalistischen Eigentumsverhältnissen und Marktbeziehungen eine große Rolle. Dazu schreibst du, dass „viele Produktionsmittel (….) in den Händen einer neuen Kapitalistenklasse [sind], die Masse aber nach wie vor nicht“. Das ist eine außerordentlich vage Aussage bezüglich der Quantität der Produktionsmittel direkt in den Händen der Kapitalistenklasse. Die Frage der Qualität erscheint bei dir konkret in der Aussage, dass die Telekommunikation in den Händen von drei privatkapitalistischen Unternehmen sei, die mit Sicherheit eigene Interessen verfolgen würden. Fakt ist, dass sich der Anteil privatkapitalistischer Unternehmen in China in den letzten 10–15 Jahren stark erhöht hat und mittlerweile auch einige wichtige Monopolkonzerne betrifft7. Soviel zur Innenpolitik – wie sieht es jetzt mit der Außenpolitik der VR China aus?

Antiimperialistische Außenpolitik?

Du schreibst: „Ich meine, dass man feststellen kann, dass die VR China im Weltmaßstab mit ihrer Außenpolitik, mit ihren geostrategischen Überlegungen („Neue Seidenstraße“) im Großen wie im Kleinen eine antiimperialistische Außenpolitik betreibt.“ Was gehört nun zu einer antiimperialistischen Außenpolitik? Zuallererst ist festzustellen, dass eine antiimperialistische Außenpolitik darauf abzielen muss, den Kapitalismus überall auf der Welt zurückzudrängen – sie muss antikapitalistisch sein. Wie wird der Kapitalismus weltweit zurückgedrängt? Primär in dem die Einheit und Kampfkraft der internationalen Arbeiterklasse gestärkt wird, sodass die Arbeiterklasse in revolutionären Situationen stark genug ist, jeweils die Machtfrage zu stellen. Jetzt mag man als Unwissender die Einladung der Kommunistischen und Arbeiterparteien durch die KPCh als eine solche Stärkung verstehen. Doch verhält es sich umgekehrt, die Schwächung der Einheit und Kampfkraft der internationalen Arbeiterklasse durch die Politik der KPCh ist immens.

Das zeigt sich einerseits durch die Ausweitung der Beziehungen der KPCh mit opportunistischen Kräften wie SYRIZA. Die VR Chinas fällt dadurch faktisch der griechischen Arbeiterklasse und ihrer Partei, der KKE, direkt in den Rücken. Beispielsweise forderte der chinesische Konzern Cosco, mittlerweile Eigentümer großer Teile des Hafens von Piräus, die SYRIZA-Regierung auf, einen Streik der klassenbewussten Hafenarbeiter Piräus für illegal zu erklären.8 Es verwundert nicht, dass die griechische Regierung diesem Anliegen unmittelbar nach kam.

Vor allem zeigt es sich aber an der praktischen Umsetzung der chinesischen Außenpolitik. Du hältst sie für „antiimperialistisch“, ich halte sie für imperialistisch – und beide beziehen wir uns dabei auf die Leninsche Imperialismusdefinition. Eine ausführliche Analyse ist an dieser Stelle nicht möglich, daher beziehe ich mich nur auf den einen von dir genannten Aspekt: Die sogenannte „Neue Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative) ist ein geostrategisches Projekt der VR China, welches stark den chinesischen Kapitalexport befeuert und die Abhängigkeit verschiedener Staaten von der VR China9 erhöht. Es ist ein Projekt, welches die Position der VR China im Rahmen der Neuaufteilung der Welt unter die imperialistischen Hauptmächte zu verbessern sucht. Damit trägt es objektiv zur Verschärfung des Konflikts unter diesen Mächten bei und entspannt die internationale Lage keineswegs.

Ist das jetzt Sozialismus?

Zuletzt noch ein paar Worte zur Rolle deines Reiseberichts in der Debatte unter Kommunisten und speziell in der DKP. Dass du in dieser Debatte Dieter Süverkrüps großartiges Gedicht „Der Sozialismus, Genossen“ anbringst, ganz so, als ob er damals schon deine Position vertreten hätte, ist wirklich etwas absurd. Süverkrüps Gedicht wendet sich ja gerade gegen jene, die den Sozialismus in der Sowjetunion und der DDR endgültig begraben wollten – also indirekt damit auch gegen jene, die sich in China schon Jahre zuvor durchgesetzt hatten. Du führst es jedoch ins Feld gegen jene, die aktuell mit aller Kraft versuchen, die kommunistische Bewegung aus der Krise zu führen, indem sie nicht einfach Plattitüden von sich geben, sondern die realen politischen und ökonomischen Verhältnisse zu analysieren suchen. Weitestgehend verzichtest du in deinem Reisebericht auch auf tatsachenbasierte Argumente und umgehst bis zum Schluss die Frage, worum es sich in China denn jetzt handelt. Doch diese Frage ist beantwortbar: Anhand der Analyse der oben angerissenen Fragen nach den Produktions- und Eigentumsverhältnissen, nach dem Grad der Ausbeutung, nach der Ausdehnung des Marktes und weiteren ökonomischen Kategorien. Mir scheint du weißt das und sprichst daher lieber von „Land mit sozialistischer Orientierung“ statt von Kapitalismus oder Sozialismus. Doch zwischen beiden Produktionsweisen kann es keine weitere geben10.

Stattdessen stützt dich auf deine eigene Autorität, die Autorität der KPCh und schließlich auch Süverkrüps. Das Anliegen ist klar: Die Partei auf Linie bringen, denn diese hat ja sich ja auf dem letzten Parteitag nicht dazu durchringen können, den Antrag zur internationalen Arbeit der DKP anzunehmen. In diesem Antrag wollte die Parteiführung jedoch ganz klar die Kontakte zu China, Vietnam und Laos als Länder mit „sozialistischer Orientierung“ ausbauen. Dass die Parteiführung sich trotzdem dazu entschließt, den Parteivorsitzenden auf ein „Arbeitstreffen“ nach China zu schicken und damit den nichtbeschlossen Antrag einfach zur Realität werden lässt11, wirft die Frage auf, wie ernst es die Parteiführung eigentlich mit der Diskussion und Klärung zentraler Fragen meint.

Jakob Schulze, KO

3 Schon die Formulierung „Land mit sozialistischer Orientierung“ legt nahe, dass ein Land über einen längeren Zeitraum weder kapitalistisch, noch sozialistisch sein könne. Dieser Vorstellung muss ich als Materialist eine entschiedene Absage erteilen, denn zwischen Kapitalismus und Sozialismus kann es keine Produktionsweise geben.

4 Vgl. Spanidis: Die Diskussion um den Klassencharakter der VR China.

5 Vgl. zB die Beiträge von Richard Corell, Rolf Berthold und Eike Kopf in der Theorie&Praxis 39, März 2015

6 Vgl. Jamil Anderlini: What if Mao still ran China?, Financial Times 9.8.2015

10 Es wurde schon viel zu dieser Frage geschrieben. Zum Beispiel von Georgios Kolias: Für die antimonopolistische-antikapitalistische Ausrichtung unseres Kampfes. Einheit und Widerspruch Heft 3 Januar 2016

11 Günther Pohl, internationaler Sekretär der DKP hatte dies auch bereits in einem Interview kurze Zeit nach dem Parteitag am 25.05.2018 angekündigt: https://www.unsere-zeit.de/de/5021/internationale_politik/8534/Ohne-Länderkult-und-pauschale-Verdammungen.htm

Die Proteste in Nicaragua, die „sandinistische“ Regierung und der Imperialismus

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Seit Monaten kommt Nicaragua nicht mehr zur Ruhe. Die Proteste gegen die Regierung von Daniel Ortega halten an, ebenso wie die Repressionen gegen diese. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen haben bisher etwa 300–400 Menschen auf beiden Seiten das Leben gekostet. Fast täglich sterben mehr Menschen, es gibt Tausende Verletzte, Fälle von Folter, Morden, Plünderungen und viele „Verschwundene“. Wie konnte es dazu kommen?

Es gibt in Nicaragua bereits seit einigen Jahren Proteste aus Teilen der Bevölkerung gegen soziale Ungerechtigkeit und Intransparenz zum Beispiel der Wahlen. Diese Proteste werden von der Regierung Ortega mit Repression beantwortet. Angestoßen wurde die aktuelle Protestwelle durch eine Rentenreform der „linken“ Regierung, die angeblich zur weiteren Absicherung des Rentensystems notwendig gewesen sei. Die Sozialabgaben – die ähnlich wie in Deutschland zu ungleichen Teilen von „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ gezahlt werden – sollten für beide Seiten erhöht werden. Für Arbeiter von 6,25 % auf 7 % und für die Unternehmen von 19 % auf 22,5 %. Gleichzeitig sollte eine Senkung der Renten um 5 % durchgedrückt werden.

Das nicaraguanische Kapital verkündete seine Gegnerschaft gegen das Reformvorhaben, aber auch aus dem Volk kam es zu spontanen Protesten, die vor allem von Studenten an den großen Universitäten getragen wurden. Als die Polizei schnell scharf schoss und damit mehrere Studenten tötete, weitete sich der Protest zu riesigen Massendemonstrationen aus, an denen sich alle Bevölkerungsgruppen beteiligten. Die Proteste sind unübersichtlich, nicht einheitlich organisiert oder zusammengesetzt. In jeder Stadt sieht die Situation anders aus und unterschiedliche Kräfte spielen eine Rolle. Viele Menschen aus dem einfachen Volk beteiligen sich an den Protesten, da sie (zu Recht) die reaktionäre Politik der Regierung ablehnen. Gleichzeitig sind aber auch viele Kriminelle auf beiden Seiten involviert.

An den Protesten beteiligen sich auch reaktionäre Kräfte wie die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC), die von Unterstützern des Diktators Somoza gegründet wurde, NGOs, die direkt oder indirekt von US-amerikanischen Stiftungen finanziert werden, Unternehmerverbände und Teile des Kapitals wie die Chamorros. Violeta Chamorro, eine der reichsten Personen des Landes, versucht die Proteste für ihre Interessen zu nutzen und ihre Kandidatur bei den Wahlen zu stärken. Die katholische Kirche stellt sich selbst in einer vermittelnden Rolle dar. Sie hat eine gewisse Loyalität gegenüber der Regierung, nachdem diese große Zugeständnisse gemacht hatte (beispielsweise ein bedingungsloses Abtreibungsverbot) während militante oppositionelle Kräfte Regierungsaussagen zu folge Kirchen als Rückzugsort und Waffenlager gebrauchen konnten.

Das schnelle Einlenken der Regierung durch die Zurücknahme der Rentenreform konnte eine Ausweitung der Proteste nicht verhindern. Ende April waren die Forderungen der Studenten u.a. die Absetzung des Verwaltungsrates des Instituts für Sozialversicherung, die Freilassung der Gefangenen, die Wiederherstellung der Pressefreiheit – die Berichterstattung war in Nicaragua ganz zu Beginn im April mindestens für einen Monat fast komplett zensiert worden – eine Teilnahme am „Nationalen Dialog“ und die Untersuchung der Todesfälle. Mittlerweile ist der Rücktritt der Regierung Ortegas und die Abhaltung vorgezogener und transparenter Wahlen eine Hauptforderung. Mit dem „Nationalen Dialog“ soll zwischen den beiden Lagern vermittelt werden, aber momentan ist er pausiert.

Die vermeintliche „Linksregierung“

Während die bürgerliche Presse nicht müde wird, die nicaraguanische Regierung als terroristische Diktatur zu zeichnen, gilt sie für Teile der kommunistischen Bewegung als „links“, „fortschrittlich“ oder antiimperialistisch. Das ist allerdings eine Illusion. Diese Fehleinschätzung wird natürlich dadurch begünstigt, dass Ortega ehemaliger Guerillero ist und seine Partei formal gesehen immer noch die Kraft ist, die die „sandinistische Revolution“ erkämpft hat. Lange Zeit wurden und werden viele Nicaraguaner dadurch ebenfalls getäuscht. Ortega ist jedoch keineswegs ein Vertreter des Volkes, der Bauern und der Arbeiterklasse, sondern selbst ein Profiteur der Privatwirtschaft, bspw. Besitzer eines Tankstellenmonopols damit für die breiten Massen ein Klassengegner. Damit unterscheidet sich die „sandinistische“ Regierung nicht von den früheren, die ebenfalls von den reichsten Personen Nicaraguas geleitet wurden.

Nach dem Sieg der Sandinisten wurde Daniel Ortega Präsident. Das war schon damals eine Wahl, die von vielen aus der Partei kritisiert wurde. Dennoch konnte damals eine Verbesserung der Lage der Bevölkerung durch verbesserte Gesundheitsversorgung, Bildung usw. erreicht werden. Zerschlagen wurde die Revolution durch einen von den USA finanzierten, durch die faschistischen Contras ausgeführten Guerilla-Krieg, der das Land zerrüttet und die Regierung geschwächt hat, bis diese in bürgerlichen Wahlen abgewählt wurde. In der Folgezeit wurde der marxistische Teil in der FSLN nach und nach zurückgedrängt und bekämpft. Marxistische Ideen wurden verwässert und ersetzt durch revisionistische, dann sozialdemokratische, schließlich offen reaktionäre Ideen und Konzepte. Die Partei änderte ihre Ausrichtung und ihren Charakter. Schließlich wurde sie mit zahlreichen Versprechen wiedergewählt.

Entscheidend zur Beurteilung jedes Systems, jeder politischen Kraft und jeder Regierung ist die Eigentumsfrage. Der Kapitalismus, das Privateigentum an Produktionsmitteln wurde unter der Regierung nicht angetastet. Im Gegenteil nutzte der Ortega-Clan seine Macht, um sich massiv selbst zu bereichern.

Die sozialen Programme der Regierung konnten die Zuspitzung der kapitalistischen Widersprüche nicht verhindern. Die Armut ist auf dem Vormarsch, gefolgt von Arbeitslosigkeit, einem schlechter werdenden Bildungs- und Gesundheitssystem und wachsender Kriminalität. Es gab seit der erneuten Wiederwahl Ortegas keine Verbesserung. Alle nennenswerten Fortschritte der Revolution mussten wieder rückgängig gemacht werden, weil nie eine umfassende Vergesellschaftung an Produktionsmitteln stattgefunden hat.

Die Errungenschaften der Revolution, für die so viele Menschen ihr Leben gegeben hatten, wurden zuerst von der Konterrevolution und dann im Namen des „Sandinismus“ selbst wieder zunichtegemacht.

Externe Interessen

Die USA „verurteilen“ die Gewalt in Nicaragua und haben schon erste Sanktionen gegen Regierungsoffizielle ausgesprochen. Sie drohen mit Sanktionen gegen die Regierung. Auch die Bundesregierung verurteilt die Gewalt in Nicaragua.

Dies hat seine Ursache in der außenpolitischen Orientierung Nicaraguas. Ähnlich wie in anderen Ländern der von Venezuela und Kuba gegründeten Wirtschaftsunion ALBA, wird versucht, den Einfluss von US-amerikanischem Kapital zurückzudrängen. Ebenfalls in typischer ALBA Manier geschieht dies orientiert an den Bedürfnissen des nationalen Kapitals und häufig zugunsten von chinesischem oder russischem Kapital. Es ist also wenig überraschend, dass russische Medien eine deutlich andere Perspektive über die Situation in Nicaragua bieten.

Die verschiedenen imperialistischen Zentren erhoffen sich durch die Unruhen entweder Veränderungen in ihrem Sinne oder befürchten, dass rivalisierende Mächte dadurch mehr Einfluss erhalten könnten. Im Interesse des Volkes in Nicaragua handeln sie alle nicht.

Schlussfolgerungen

Die Tragödie der sandinistischen Revolution und Konterrevolution zeigt, wie wichtig es ist, dass eine Revolution von einer klaren marxistisch-leninistischen Partei geführt wird. Das war in Nicaragua von Anfang an nicht der Fall, da die FSLN ideologisch wesentlich breiter aufgestellt war und damit keine kommunistische Partei existierte, die die Revolution anführen konnte. Aufgrund dieser ideologischen Unklarheiten und unter Bedingungen der imperialistischen Einmischung konnte innerhalb kurzer Zeit aus einer revolutionären Kraft eine konterrevolutionäre Kraft werden.

Aber auch die jetzigen Proteste sind in hohem Maße diffus. Es gibt keine Kraft, die in der Lage wäre, ihnen eine Perspektive im Sinne der Werktätigen zu geben. Zahlreiche Beispiele, in jüngerer Vergangenheit z.B. die Proteste des „Arabischen Frühlings“, zeigen, dass diffuse Protestbewegungen ohne revolutionäre Führung leicht von imperialistischen Interessen manipuliert oder gar gekapert werden können. In Nicaragua spielen schon jetzt reaktionäre Kräfte eine zentrale Rolle bei den Protesten. Auch wenn die Arbeiterklasse nicht organisiert ist, das Kapital und der US-Imperialismus sind es und werden auf diesem Weg ihre Hegemonie durchsetzen können. Im schlimmsten Fall könnten die Unruhen dem US-Imperialismus ein weiteres Mal einen Vorwand liefern, um unter dem Deckmantel der „Menschenrechte“ militärisch zu intervenieren.

Auf der anderen Seite steht die Regierung, die ebenfalls die Interessen des Kapitals vertritt. Durch ihr „Anti-Terror-Gesetz“ und die Gewalt ihrer Paramilitärs schafft sie objektiv die Voraussetzungen, um zu einem späteren Zeitpunkt auch gegen fortschrittliche und revolutionäre Kräfte mit brutaler Gewalt vorzugehen.

Für die Arbeiter, Bauern und Studenten in Nicaragua gibt es weder auf der Seite der oppositionellen, noch mit der regierenden Kapitalfraktion etwas zu gewinnen. Ihre einzige Hoffnung besteht darin, sich im Kampf gegen beide Seiten als bewusste Klasse neu zu formieren, ihre eigenen Organisationen und ihre Partei aufzubauen, um beim nächsten Anlauf den Kapitalismus in Nicaragua ein für allemal zu beseitigen.

Worum geht es bei der Debatte um Mesut Özil?

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Und besonders wichtig: Mesut Özil bekennt sich nicht zu Werten wie Meinungsfreiheit oder Toleranz. Werte, für die Deutschland und der DFB stehen – aber der türkische Staatschef Erdogan nicht.“

So schrieb die BILD am vorletzten Sonntag (22.07.) über den gerade zurückgetretenen Nationalspieler. Das ist der Gleichklang der bürgerlichen Medien, seit am 14. Mai Bilder veröffentlicht wurden, die Mesut Özil und seinen Nationalmannschafts-Kameraden Ilkay Gündogan zusammen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan zeigen. Denn zwar reichen die Meinungen von Özil als „Paradebeispiel für gescheiterte Integration“ hin zu Özil als Opfer des DFB, aber in einem sind sich alle einig: Das Foto mit Erdogan hätte nicht sein dürfen und geht gegen „deutsche Werte“.

Das ist mehr als heuchlerisch. Bürgerlichen Medien wie BILD, FAZ und TAZ haben kein Problem, wenn die Bundesregierung mit der türkischen Regierung einen unmenschlichen „Flüchtlingsdeal“ schließt, der im Wesentlichen vorsieht, Flüchtlinge an den Grenzen aufzuhalten und über die Türkei zurück in Elend und Tod zu schicken. Bürgerliche Medien sehen auch kein großes Problem, wenn mal wieder für Millionen deutsche Waffen in die Türkei exportiert werden, sodass der türkische Staat seine aggressive Politik gegenüber der kurdischen, türkischen und syrischen Bevölkerung fortsetzen kann. Dieselben Waffen nutzt der türkische Staat, um im Wettrüsten mit dem griechischen Nachbarstaat nicht ins Hintertreffen zu geraten – und steigert damit die Kriegsgefahr in der Region.

Warum ist den bürgerlichen Medien ein Foto von Özil und Gündogan so ein Dorn im Auge? Es geht dabei weder um den Multimillionär Özil, noch eine ernsthafte Ablehnung der türkischen Regierung. Die Berichterstattung richtet sich vor allem gegen Muslime in Deutschland und viele von ihnen sind türkische Arbeiterfamilien. Sie werden zum Sündenbock gemacht, in Özils Fall vorgeschoben für die WM-Blamage der deutschen Mannschaft, aber letztlich generell für soziale Probleme in Deutschland. Muslime in Deutschland werden verantwortlich gemacht für sexuelle Übergriffe und Attentate, ihnen wird ein rückschrittliches Welt- und Menschenbild unterstellt und sie bilden angeblich gefährliche Parallelgesellschaften, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. In dem die bürgerlichen Medien durch die Bank dieses Bild von Muslimen propagieren, befördern sie eine gesellschaftliche Isolierung dieser Teile der Bevölkerung. Dass es sich bei Muslimen in Deutschland vor allem um Arbeiter handelt, wird totgeschwiegen – denn dann müssten die Medien ja eingestehen, dass es sich um Menschen handelt, die einen Gutteil des Reichtums in Deutschland erarbeiten, den sich letztlich eine winzige Minderheit von deutschen Eigentümern aneignet.

Wer bis jetzt von dem ‚Say no to racism‘ – Image des DFB eine ernste Kampfansage gegen Rassismus erwartet hat, muss sich spätestens jetzt von der Illusion verabschieden. Leider wird auch bei Fußballspielern mit zweierlei Maß gemessen, wenn es darum geht Fotos mit ausländischen Präsidenten zu machen. Während Lothar Matthäus mit Putin vor die Kamera treten kann, ohne dass es ein größeres Medienecho erzeugt, ist das den Nationalspielern aus türkischen Familien nicht vergönnt. Als sich die deutsche Nationalmannschaft vor ein paar Jahren mit Angela Merkel in der Kabine filmen ließ, gab es auch kaum kritische Stimmen – obwohl Kritik hier mindestens genauso angebracht gewesen wäre.

Die Kritik an Özils Foto mit Erdogan lautet so: Mit Diktatoren darf man sich nicht fotografieren lassen. Es wird genutzt, um zu behaupten, in Deutschland würden wir in einer Demokratie und einem Rechtsstaat leben. Besonders gerne wird das von Grünen und anderen liberalen Politikern vorgebracht, die alle Kriegseinsätze, Asylverschärfungen und Sozialabbau mittragen. Was von diesem „Rechtsstaat“ zu halten ist, hat erst vor kurzem die Haftentlassung des Nazi-Terroristen Ralf Wohlleben gezeigt. Aber wir erleben es auch täglich vor deutschen Sozial- und Arbeitsgerichten: Es ist der Rechtsstaat der Unternehmer und des Kapitals und der Unrechtsstaat für die Arbeiterklasse.

Wir wenden uns gegen das chauvinistische Abstempeln der Türken in Deutschland, die die Politik der Regierung Erdogan gut finden. Denn es ist blanker Chauvinismus, der in Gedichten wie dem von Jan Böhmermann und in der Darstellung vieler Medien zum Ausdruck kommt: Alle Türken, die beim Referendum mit ja gestimmt und nun Erdogan gewählt haben, seien dumme Diktatoren-Fans, die aber hier die Demokratie genießen wollen. Dabei gibt es auch Gründe, warum Deutsch-Türken sich von Erdogan vertreten fühlen. Gleichzeitig ist das auch Ausdruck davon, dass sich diese Menschen falsche Vorstellungen von der AKP-Regierung machen. Natürlich ist es nicht im Interesse türkischstämmiger Arbeiter in Deutschland, die Regierung Erdogan – wie jede andere bürgerliche Regierung – zu unterstützen. Aber hier geht es um etwas anderes, nämlich um ein chauvinistisches Überlegenheitsgefühl des „demokratischen Westens“ gegenüber der Türkei und der islamischen Welt allgemein. Dieser Chauvinismus dient zur weiteren Spaltung der Bevölkerung.

All das nützt dem vor allem dem deutschen Kapital und seinen Lakaien in den bürgerlichen Parteien von AfD bis Linkspartei. Indem die Debatte um Özils Foto so ausgebreitet wird, werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Spaltung zwischen muslimischen und deutschen Arbeitern wird verschärft und die Arbeiterklasse insgesamt wird daran gehindert zu erkennen, wer ihr wirklicher Feind ist und ihre realen Probleme zu verantworten hat: das deutsche Kapital und sein Staat.

Die scheinbaren Unterschiede zwischen AfD und anderen bürgerlichen Parteien werden dabei zunehmend kleiner. Lange Zeit war es noch üblich in den Medien Einzelbeispiele für eine gelungene Integration von Migranten heraus zu heben mit der verlogenen Botschaft: Wenn du dich nur ordentlich anstrengst und die „deutschen Werte“ akzeptierst, kannst du hier auch einen Platz bekommen. Das Beispiel vom Bambi-Integrationspreisgewinner Özil zeigt aber, dass es jetzt salonfähig ist, die Möglichkeit der Integration von Muslimen in Deutschland generell infrage zu stellen. Damit zeigt sich die ganze hässliche Fratze des deutschen Staates: Willkommen war eh immer nur der, der dem deutschen Kapital etwas bringt, sich dabei anpasst und bloß nicht aufmuckt. Es ging immer um eine Integration im Sinne einer Anpassung an das politische System, damit Staat und Unternehmen so frei und flexibel wie möglich über Arbeitskräfte verfügen können.

Wir haben es also mit einer Verschärfung des Tons in Deutschland zu tun, der seit einiger Zeit Hand in Hand mit einer Verschärfung körperlicher und psychischer Gewalt gegenüber Muslimen einhergeht. Stärkste Antreiber sind dabei weiterhin die AfD und ihre Fußtruppen aus Identitären und Antideutschen. Doch auch die anderen Partei treiben die Hetze gegenüber Muslimen voran, sei es durch das von Sahra Wagenknecht von der Linkspartei vertretene „Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“ oder den „Masterplan Migration“ von Innenminister Seehofer. Der Staat beweist damit täglich aufs Neue, dass er die Spaltung in der Arbeiterklasse und der gesamten Gesellschaft zwischen Deutschen und Migranten aktiv befördert um seine Kontrolle besser ausüben zu können.

Denn es ist klar: Wenn wir lernen, dass sich die Interessen von deutschen und muslimischen Arbeitern nicht widersprechen, sondern wir letztlich alle demselben Gegner gegenüberstehen, wird sich der Angstschweiß auf den Häuptern des Kapitals zeigen. Wenn wir lernen, dass unsere Ausbeuter und Unterdrücker in den Konzernzentralen und Ministerien sitzen und nicht in der nächsten Moschee, dann wird sich auch unsere ganze Macht zeigen. Es geht also nicht darum, den Multimillionär Özil und seine Illusionen in den bürgerlichen Staat zu verteidigen, sondern die Interessen der muslimischen Arbeiter in Deutschland. Denn der Angriff richtet sich letztlich gegen die gesamte Arbeiterklasse.

Spendenaufruf zur internationalen Solidarität mit den Opfern der Waldbrände in Griechenland

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Bei den katastrophalen Waldbränden in der Umgebung von Athen sind bereits über 80 Menschen gestorben. Die Zahl der Toten ist dieses Mal extrem hoch, weil einige dicht besiedelte Regionen östlich der Stadt direkt betroffen sind. Ganze Landstriche und Dörfer sind völlig verwüstet. Tausende Menschen sind verletzt und haben ihre Wohnung, oder – noch schlimmer – Freunde und Angehörige in den Flammen verloren.

In den bürgerlichen Medien werden die Brände als unkontrollierbare Naturgewalt und unvermeidliche Tragödie dargestellt. Diese Darstellung entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Griechenland ist ein wirtschaftlich entwickeltes Land. Es gäbe zahlreiche Möglichkeiten, die Entstehung und Ausbreitung solcher Brände zu verhindern, die betroffenen Menschen zu schützen und die Brände effektiv zu bekämpfen. Das Problem: All die Maßnahmen, die dafür notwendig wären, kosten den Staat Geld. Jeden Euro, den die Regierung für Brandschutzmaßnahmen und eine angemessene Ausrüstung und Personalausstattung der Feuerwehr ausgeben würde, müsste sie natürlich an anderer Stelle streichen. Die strategischen Prioritäten für die vermeintlich „linke“, in Wirklichkeit nur kapitalistische und sozialdemokratische Syriza-Regierung und alle Vorgängerregierungen liegen allerdings an ganz anderen Stellen: in der Bedienung der Schulden und Zinsen gegenüber den Banken und EU-Gläubigern, Steuererleichterungen für das griechische Kapital (z.B. die viele Milliarden schweren Reedereien) und Aufrüstungsprojekte im Rahmen der NATO. Wegen dieser strategischen Ausrichtung aller bürgerlichen Parteien an den Interessen des Kapitals fehlt es bei der Brandprävention und -bekämpfung seit Jahrzehnten an moderner Ausrüstung und Personal.

Griechische bürgerliche Politiker und Medien sprechen nun davon, dass es Indizien für Brandstiftung gebe. Das mag sein, dient den bürgerlichen Parteien aber auch dazu, die Schuld von sich abzuwälzen. In Wirklichkeit entbindet sie all das jedoch nicht von ihrer Verantwortung für die Katastrophe. Die Politik der Privatisierung der Waldgebiete in den 2000er Jahren hat die Natur zum Spekulationsobjekt gemacht und dadurch erst den Anreiz für Immobilienspekulanten geschaffen, durch Brandstiftung die Grundstückpreise zu drücken. Und auch im Fall von Brandstiftung hätte eine gut ausgestattete Feuerwehr das Schlimmste verhindern können.

Den sprichwörtlichen Vogel abgeschossen hat der Verteidigungsminister Panos Kammenos. In einem Interview machte er die Opfer der Brandkatastrophe für ihr eigenes Schicksal verantwortlich, denn „alle Wohnungen, die Mehrzahl davon, wurden ohne Genehmigung gebaut“. Jetzt sei der Augenblick gekommen, „dass sie verstehen, dass es für sie und ihre Familien gefährlich ist, die Gesetze und Regeln nicht zu befolgen“. Auf die Frage, ob es einen besseren Plan der Regierung hätte geben müssen, antwortete er: „Nein. Die Streitkräfte, die Polizei und die Behörden haben rechtzeitig (!) und geplant gehandelt.“ (902.gr 26.7.2018). Dreister hätte er die Opfer kaum verhöhnen und sich dabei selbst aus der Verantwortung ziehen können!

Die Brandkatastrophe in Griechenland ist also in jedem Fall keine unkontrollierbare Naturkatastrophe, sondern ein Produkt des kapitalistischen Systems und der Politik der Regierungen und der EU. In einer sozialistischen Gesellschaft, in der es nicht um Profite, sondern um die Bedürfnisse der Menschen geht, könnten die meisten, wenn nicht alle der Todesopfer jetzt noch am Leben sein.

Wir sprechen den Opfern der Katastrophe und insbesondere den Angehörigen und Freunden der Todesopfer unser tief empfundenes Beileid aus. Die beste Strafe für die politisch Verantwortlichen wäre es, wenn die Brandkatastrophe den Menschen die Augen dafür öffnet, dass die Ursachen dafür in der menschenfeindlichen Logik des kapitalistischen Systems liegen.

Wir wissen ebenso gut wie unsere Genossen in Griechenland, dass die Opfer der Brände vom bürgerlichen Staat nichts zu erwarten haben. Die stärkste Waffe der Arbeiterklasse und der Volksmassen ist ihre Solidarität – eine Solidarität, die keine nationalen Grenzen kennt.

Die griechische Arbeiterklasse, die Kleinbauern und kleinen Gewerbetreibenden wurden jahrelang ausgeblutet, nicht zuletzt um auch dem deutschen Kapital seine Profite und Zinszahlungen zu sichern. Die Arbeiterklasse in Deutschland hat von diesem Geld nie etwas gesehen, es ist auf den Konten der großen deutschen Konzerne gelandet. Trotzdem rufen wir die arbeitenden Menschen in Deutschland dazu auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch ihre Spende ihre Solidarität mit der griechischen Arbeiterklasse zu zeigen.

Eure Spende ist keine reine humanistische Wohltätigkeit, sondern ein politischer Akt. Das Geld geht an die Selbsthilfestrukturen der klassenkämpferischen Arbeiterbewegung in Griechenland, die damit Aktionen zur gegenseitigen Hilfe und Unterstützung finanzieren wird.

Spendet bitte an:
PAME HELLAS
IBAN: GR5401101460000014600166830
BIC: ETHNGRAA
Verwendungszweck: PYROPLIKTOI ATTIKIS

Israelisches Parlament verabschiedet rassistisches Nationalstaats-Gesetz

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Israel bombardierte in der vergangenen Woche den Gaza-Streifen und erschoss zahlreiche palästinensische Demonstranten. In den deutschen Medien wird es als Konflikt zwischen zwei gleichen Kräften dargestellt. Es ist aber die andauernde Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser und ihres Rechts auf Selbstbestimmung. Parallel zu den Angriffen verabschiedete das israelische Parlament das „Nationalstaatsgesetz“ mit dem Israel als „Staat des jüdischen Volkes“ definiert wird und welches den Rang eines „Grundgesetzes“ hat. Die kolonialistische Besatzung und Besiedlung Palästinas, die 1948 mit der Staatsgründung Israels ihren Anfang nahm, soll damit in eine weitere Gesetzesform gegossen werden.

Rassistische Definition des Staatsbürgerrechts

Das ist ein rassistisches Gesetz. Grundlage ist eine religionsgesetzliche Definition: Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat. Damit entscheidet eine religiöse Überzeugung, übertragen auf biologischem Weg, über die unterschiedlichen Rechte von Menschen, die in Israel leben: die einen sind jüdische Israelis und haben volle Rechte, die anderen sind arabischer Herkunft mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und aufgrund des puren Zufalls ihrer Geburt in ihrem Heimatland diskriminiert. Diese rassistische Definition des Staatsbürgerrechts zeigte sich auch bei den letzten Parlamentswahlen, als alle zur Wahl antretenden arabischen Parteien genötigt wurden, zuvor ein Bekenntnis zu Israel als jüdischem Staat abzulegen, mithin ihrer eigenen Diskriminierung aktiv zuzustimmen – als Zugangsbedingung für Wahlen.

Das Gesetz soll einen so weitgehend wie möglich ethnisch-religiös homogenen Nationalstaat herstellen und damit das ursprüngliche Ziel des zionistischen Siedlerkolonialismus. Das Ziel war und ist die Schaffung eines jüdischen Staats auf dem Gebiet des historischen Palästina und die Vertreibung dessen Bevölkerung in Form einer ethnischen Säuberung. Die rassistische Grundlage des Staatsrechts Israels wird von Faschisten, wie beispielsweise dem US-Amerikaner Richard Spencer folgerichtig als Vorbild gesehen.

Zionismus ist zum Scheitern verurteilt

Die zionistische Logik würde auch dann fortgesetzt, wenn die jüdische Bevölkerung in die Minderheit käme. Wie das Beispiel Apartheid-Südafrikas zeigte, konnte sich ein solcher Staat durchaus einige Jahrzehnte in einer Lage halten, in der eine rassistische weiße Minderheit und eine von Machtteilhabe und demokratischen Grundrechten ausgeschlossene schwarze Mehrheit gegenüberstanden. „Jüdische Demokratie“ und „jüdischer Staat“ werden absehbar in derselben Lage sein wie die „Demokratie“ der weißen Buren vor 1990 in Südafrika.

Um zur Mehrheit der Bevölkerung zu werden, wird der Siedlerkolonialismus betrieben: es ging und geht bis heute darum, möglichst viel Territorium mit zugleich möglichst wenigen nichtjüdischen Bewohnerinnen und Bewohnern zu kontrollieren. Die Zerstückelung der besetzen Gebiete und die rassistische Definition des Staates Israel gehen miteinander einher.

Ministerpräsident Netanyahu verkündet, das Gesetz sei ein „historischer Höhepunkt in der Geschichte des Zionismus“. Mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem gelang ihm ein zweiter Erfolg. Aber je mehr der Zionismus in die Offensive geht, desto mehr zeigt sich seine Schwäche, seine Unhaltbarkeit. Es ist auf Dauer nicht möglich, ein Volk zu vertreiben und sein Recht auf Selbstbestimmung zu negieren. Der Zionismus ist zum Scheitern verurteilt, er dient dem Imperialismus zur Spaltung und Beherrschung der Region. Je mehr er in die Offensive geht, desto aggressiver und offener rassistisch muss er auftreten.

Juden und Israel werden gleichgesetzt

Je mehr Israel sein Gesicht zeigt, desto mehr muss es von den imperialistischen Regierungen verteidigt werden. Kritik an Israel und Solidarität mit den Palästinensern soll mundtot gemacht werden, in dem sie als antisemitisch verunglimpft wird. Antisemitismus wird umdefiniert und „Israelkritik“ zu seinem wichtigsten Merkmal. Antisemitismus ist aber Hass auf Juden, weil sie Juden sind. Hass auf Israel und seine Unterdrückungspolitik und auf den Zionismus ist nicht antisemitisch. Die Gleichsetzung von Judentum und Zionismus ist rassistisch und hat nichts mit der Realität zu tun. Viele Juden, darunter auch viele Israelis, sind gegen den Zionismus und Israels Politik.

Insbesondere die Kampagne zum Boykott von in den besetzten Gebieten hergestellten Waren und für Sanktionen gegen Israel, BDS (Abkürzung für: Boycott, Divestment and Sanctions), wird als antisemitisch gebrandmarkt, obwohl sie sich eindeutig gegen die Besatzungspolitik Israels wendet und nicht gegen die Juden. Unter diesem Vorwand wird die Meinungsfreiheit beschnitten, Raumverbote ausgesprochen und das Demonstrationsrecht eingeschränkt. Es soll verboten werden, die Dinge beim Namen zu nennen und sich dagegen zu wenden. Wer Israel als Apartheidstaat bezeichnet, wer die Besatzung als Besatzung bezeichnet, sollen keinen Raum bekommen. Davon sind auch zahlreiche Juden betroffen, die den Staat Israel kritisieren.

Deutsche Staatsräson und Linkspartei

Die pro-israelische Politik ist Staatsräson und wird von der AfD bis zur Linkspartei durchgesetzt. Letztere hatte im April zusammen mit den Grünen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in der Israel Solidarität ausgesprochen und die Besatzung relativiert wird, in der sie die deutsche Staatsräson komplett übernimmt und den deutschen Staat reinwäscht. Der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch nahm eine symbolische Baumpflanzung in einer Besatzungs-Siedlung vor und stellte sich damit offen auf die Seite der Vertreibung und Unterdrückung der Palästinenser. Die sozialdemokratischen Parteien, wie Syriza und die PDL treiben die Unterstützung Israels voran und reden vom Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und von Frieden. Damit täuschen sie die Bevölkerung. Die reaktionären „Antideutschen“ und andere Teile der „Linken“ dienen dieser rassistischen Propaganda als Fußtruppen und stellen ihre „Freiräume“ zur Verfügung, wie jüngst das „Conne Island“ in Leipzig. Kampf gegen Antisemitismus wird vorgetäuscht, um die Solidarität mit Palästina zu unterdrücken und Araber zu stigmatisieren. Dies relativiert Antisemitismus, alte und neue Rechte und der deutsche Staat spielen sich als Schutzherren der Juden auf und fördern den anti-islamischen Rassismus.

Mit der Gleichsetzung von Juden und Israel soll jede Regung gegen die Politik Israels und jede Bewegung für die Palästinenser bekämpft werden. Der deutsche Imperialismus ist an einer Aufrüstung Israels und an der Eskalation seiner Spaltungspolitik interessiert, um mehr Einfluss in der Region zu bekommen. Ebenso wie der US-Imperialismus nutzt er den zionistischen Staat, um seine eigene Kriegspolitik voranzutreiben. Die Lieferung von deutschen U-Booten an Israel und das Training der Bundeswehr im Häuserkampf in Israel sind nur zwei Beispiele.

Solidarität mit Palästina in die Offensive bringen

Die Arbeiterklasse in Deutschland muss erkennen, dass die deutsche Kriegspolitik und die deutsche Politik der Solidarität mit Israel zusammenhängen. Mit der Unterstützung der israelischen Politik soll Rassismus und Besatzung gerechtfertigt werden. Der Kampf gegen Militarismus und der Kampf gegen die Unterdrückung der Palästinenser hängen eng zusammen. Ihr Recht auf Selbstbestimmung steht dem zionistischen Staat direkt entgegen. Unsere Devise ist deshalb: Solidarität mit Palästina und die Zurückweisung aller Angriffe auf die internationale Solidarität mit den Palästinensern.

Unser Ziel ist, die Solidarität mit Palästina in die Offensive zu bringen und Angebote zur Organisierung des politischen Kampfs der Palästinenser zu machen, sowie Aufklärung über die rassistische und militaristische Ideologie des Zionismus zu fördern und die Rolle des Imperialismus darin offen zu legen.

Der Völkermord im Jemen und die Verantwortung des Imperialismus

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Nach Angaben der UN leiden im Jemen aktuell fast 18 Millionen Menschen unter Lebensmittelknappheit, über 16 Millionen haben keinen ausreichenden Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung und 8,4 Millionen Menschen sind akut vom Hungertod bedroht (Stand: Mai 2018). Es wird befürchtet, dass diese Zahl bis Dezember auf 18,4 Millionen Menschen steigt (UN 2018). In diesem Jahr könnten also einige Millionen Menschen im Jemen am Hunger und seinen Folgeerscheinungen sterben. Mehr als eine Million sind von einer kriegsbedingten Choleraepidemie betroffen, in diesem Jahr verbreitete sich auch die tödliche Krankheit Diphtherie mit hoher Geschwindigkeit. Die meisten Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser mehr. Der Jemen gilt damit als die schwerste humanitäre Krise seit Jahrzehnten (Ausdruck April 2/2018). Diese Lage ist das direkte Ergebnis des Angriffskriegs, den Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Qatar, Ägypten und andere regionale Mächte seit 2015 in dem Land führen.

Das regionale Kriegsbündnis griff 2015 in den Bürgerkrieg ein, in dem auf der einen Seite die Truppen des Putschpräsidenten Hadi, südjemenitische Separatisten und Dschihadisten (Al Qaida und Islamischer Staat) standen und auf der anderen Seite ein brüchiges Bündnis der Ansar Allah (überwiegend zaiditischer Glaubensrichtung) und die Armee des Ex-Präsidenten Saleh. Das Ziel der ausländischen Aggressoren ist vor allem die Bekämpfung der Ansar Allah, die als Verbündete des Iran und damit als potenzielle Bedrohung für die Interessen Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten gesehen werden.

Das Kriegsbündnis hat in den vergangenen Jahren gezielt zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen, Märkte, Straßen, Brücken, Nahrungsmittellager, Flüchtlingslager und Nahrungsmittelbetriebe zerstört. Es wurden Streubomben über Wohngebieten eingesetzt. Seit März 2015 wurde von der Kriegsallianz zudem eine Land-, See- und Luftblockade gegen den Jemen verhängt, die auch die Lieferung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Hilfsgütern verhindert, obwohl der Jemen schon vor dem Krieg weitgehend auf Nahrungsimporte angewiesen war. Das zeigt, dass die verheerende Hungersnot gezielt als Kriegswaffe benutzt wird, um die gegnerische Kriegspartei in die Knie zu zwingen. Es handelt sich um einen Vernichtungskrieg, in dem die Auslöschung der Zivilbevölkerung im Feindgebiet als legitimes militärisches Ziel angesehen wird. Dieser Krieg hat damit den Charakter eines Völkermords.

Der Krieg im Jemen wird zwar vordergründig von den Regionalmächten am Persischen Golf und Roten Meer geführt, allerdings sind die führenden imperialistischen Staaten der NATO ebenfalls allesamt direkt oder indirekt beteiligt. Ohne ihre Unterstützung wäre das Morden im Jemen in diesem Ausmaß nicht möglich. Die USA sind durch zahlreiche Luftangriffe direkt an dem Krieg beteiligt und übermitteln zudem der saudischen Luftwaffe die Zielkoordinaten für ihre Luftschläge; sie liefern Waffen und Munition und betanken Bomber in der Luft und beteiligen sich mit ihrer Flotte an der Seeblockade. (junge Welt 10.10.2016).

Aber auch die BRD führt indirekt den Krieg mit: Allein 2015 und 2016 genehmigte die Bundesregierung sehr umfangreiche Rüstungsexporte in Höhe von 621 Millionen € nach Saudi-Arabien, 230 Mio. € an die VAE und 1,7 Milliarden € an Qatar. Die BRD unterstützt Saudi-Arabien zudem beim Aufbau einer eigenen Waffenindustrie, mit der es sich unabhängiger von Waffenimporten machen will (IMI Analyse 12/2017). Außenminister Steinmeier (SPD) machte schon zu Beginn des Angriffskriegs die Ansar Allah dafür verantwortlich und äußerte „Verständnis für das saudische Vorgehen“ (Interview mit Steinmeier, 27.3.2015). Die BRD liefert Saudi-Arabien auch einen Teil der Boote, mit denen die Hungerblockade gegen das jemenitische Volk errichtet wird. Die enge Beziehung des deutschen Imperialismus zu Saudi-Arabien besteht bereits seit Jahrzehnten und wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Saudi-Arabien spielt aus Sicht der Bundesregierung „mit seinem politischen Gewicht eine Schlüsselrolle für die Sicherheit und Stabilität in der gesamten Region“ und sei „ein unverzichtbarer Partner bei der Lösung der regionalen Krisen“ (Frankfurter Rundschau, 13.3.2017).

Auch die UNO stellt sich faktisch auf die Seite der Aggressoren. Als Voraussetzung für Friedensgespräche wurde 2015 vom UN-Sicherheitsrat die Umsetzung der saudischen Forderungen formuliert: Die Ansar Allah sollte sich aus ihren eroberten Gebieten zurückziehen und ihre Waffen abgeben, außerdem sollte der von Saudi-Arabien unterstützte Präsident Hadi anerkannt werden. Faktisch wurde damit die Kapitulation der gegnerischen Kriegspartei als Voraussetzung für Friedensverhandlungen gefordert (IMI Analyse 12/2017). Ein ernsthaftes Interesse an der Beendigung des Krieges besteht bei den westlichen Imperialisten also offensichtlich nicht.

All das beweist: Die Imperialisten in Washington, Paris, London und Berlin sind daran beteiligt, das jemenitische Volk zu ermorden. Das Blut von Zehntausenden, bald möglicherweise Millionen klebt an den Händen dieser Massenmörder und sie werden für ihre Verbrechen Rechenschaft ablegen müssen.

Der Krieg im Jemen ist Ausdruck der Gegensätze zwischen den verschiedenen führenden imperialistischen Staaten und regionalen Mächten. Aus Sicht der Golfstaaten und ihrer NATO-Verbündeten soll der Einfluss des Iran in der Region eingedämmt werden, auch wenn es bisher keine Belege für eine direkte iranische Beteiligung am Jemen-Krieg gibt. Der Kampf zur Eindämmung der Regionalmacht Iran spielt in den Strategien der USA und seiner lokalen Verbündeten (vor allem Israel und Saudi-Arabien) seit Jahren eine zentrale Rolle. Die „westlichen“ imperialistischen Staaten der USA und EU versuchen seit Jahrzehnten, ihre Vorherrschaft über die arabische Welt und die dort lagernden Ressourcenvorkommen zu errichten. Der Iran und seine regionalen Verbündeten (Irak, Syrien und Hisbollah) sind die einzige verbliebene Regionalmacht, die diesem Streben entgegensteht. Durch die Förderung des religiösen Sektierertums, also die Aufhetzung der verschiedenen ethnischen und konfessionellen Gruppierungen gegeneinander, versuchen die USA und andere imperialistische Mächte, ihre regionalen Rivalen zu schwächen. Die Eindämmung des Iran spielt auch deshalb eine zentrale Rolle in den Strategien der US-amerikanischen und europäischen Imperialisten, weil der Iran mit dem aufsteigenden imperialistischen Pol um Russland und China verbündet ist. In diesem zwischenimperialistischen Konflikt, der um die Neuaufteilung der Region geführt wird und in dem die USA und die NATO-Staaten der Hauptaggressor sind, ist der Jemen nur einer von mehreren Schauplätzen.

Der Krieg im Jemen bringt dennoch wie kaum ein anderer Konflikt der letzten Jahrzehnte den verbrecherischen, völkermörderischen Charakter der imperialistischen Weltordnung zum Ausdruck. Seit über einem Jahrhundert zieht der Imperialismus seine Blutspur durch die Geschichte, als direkte Fortsetzung der Verbrechen und Völkermorde des Kolonialismus. All die Behauptungen, wonach Kriege seltener, „moralischer“ und weniger tödlich geworden seien, stehen als lächerlich da, angesichts dessen, dass im Jemen Millionen Menschen mit Beteiligung des angeblich „demokratischen Westens“ absichtlich in den Tod getrieben werden.

Die Zivilbevölkerung im Jemen leidet am meisten unter dem Krieg. Sie wird durch Bomben, Hunger und Epidemien massenhaft ermordet. Die Flucht aus dem Kriegsgebiet ist nur schwer und unter größten Gefahren möglich, weil Saudi-Arabien und Oman die Landgrenzen geschlossen haben und die Seeroute nach Afrika durch Schiffe der Kriegsallianz kontrolliert wird. Trotzdem schaffen es immer wieder Menschen aus dem Jemen nach Europa, auch nach Deutschland.

Proletarischer Internationalismus bedeutet für uns zum einen die Solidarität mit unseren Klassenbrüdern und -schwestern aus den von den imperialistischen Kriegen zerstörten Gebieten, die praktische Unterstützung dieser Menschen und den gemeinsamen Kampf gegen rassistische Diskriminierung und Abschiebungen.

Ihr Feind, der Imperialismus, ist auch unser Feind. Vor allem bedeutet unser Internationalismus daher auch, dass wir mit aller Kraft gegen die imperialistischen Kriege kämpfen, die von unserem Land ausgeht und unterstützt werden, damit niemand mehr vor Krieg und Armut fliehen muss und die Betroffenen eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können. Gegen deutsche Waffenexporte, gegen die militärische Zusammenarbeit mit Mörderstaaten wie Saudi-Arabien, Qatar und den VAE! Für den Kampf gegen die imperialistische Ordnung, den Kapitalismus in Deutschland und schließlich weltweit!

Quellen:

Zum „Handelskrieg“ zwischen den USA und China

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In den vergangenen Tagen sind die bürgerlichen Medien voll von Meldungen über einen beginnenden Handelskrieg zwischen den USA und China. Was hat es damit auf sich?

Die US-Regierung hat chinesische Exporte in die USA mit Zöllen im Wert von 34 Mrd. US-Dollar (entspricht 29 Mrd. €) belegt. Zwei Wochen später will sie weitere Warengruppen mit Zöllen im Wert von 16 Mrd. US-Dollar belegen. Trump droht außerdem mit der Einführung drastischer Strafzölle von 200 oder 300 Milliarden US-Dollar.

Das chinesische Handelsministerium hat sofort reagiert und ebenfalls Zölle für US-amerikanische Exporte nach China im Wert von 34 Mrd. US-Dollar eingeführt. Ein Sprecher des Ministeriums wirft den USA vor, gerade „den größten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte“ begonnen zu haben. Das sei allerdings „das Letzte, was wir uns wünschen“ (Heise 6.7.2018; Die Zeit 6.7.2018).

Die USA haben auch gegen Mexiko, Kanada und die EU-Staaten Strafzölle erhoben. Trumps Begründung ist die Wahrung der „nationalen Sicherheit“. In Wirklichkeit geht es ihm darum, das Defizit des US-Außenhandels zu verringern. Dafür ist die US-Regierung auch bereit, die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu brechen, die solche Maßnahmen eigentlich verbietet. Trump droht ebenfalls damit, aus der WTO auszutreten (Die Zeit 6.7.2018).

Natürlich sind auch die deutschen Konzerne davon betroffen. Viele von ihnen produzieren in den USA, z.B. Autos, und exportieren sie von da aus nach China, wo die Nachfrage nach deutschen Autos ständig wächst. Die neuen Maßnahmen der USA und Chinas sind daher für die deutsche Regierung, die die Interessen des deutschen Kapitals vertritt, natürlich ein Grund zur Sorge. Das deutsche Kapital und seine Führungsrolle in Europa beruhen in allererster Linie auf den hohen Exporten in andere Länder, wobei gerade China und die USA beide in den letzten Jahren immer wichtigere Märkte geworden sind. Die Entfesselung eines Handelskonflikts durch die US-Regierung liegt daher nicht im Interesse des deutschen Kapitals, was die Spannungen zu den USA weiter verschärft, auch wenn das Bündnis mit den USA dadurch bisher noch nicht grundsätzlich infrage gestellt ist.

Der Handelskrieg ist Ausdruck von weltweit steigenden Spannungen und Gegensätzen zwischen den imperialistischen Zentren. Diese Gegensätze und die daraus entstehenden Konflikte sind im Zeitalter des Imperialismus, also der Herrschaft des Kapitals unter Führung des Monopolkapitals, ein notwendiges Ergebnis der kapitalistischen Entwicklung. Das Wachstum verläuft im Kapitalismus immer ungleichmäßig und geht mit explosiven Interessenkonflikten einher – nicht nur zwischen dem Kapital und der Arbeiterklasse, sondern auch zwischen den Konzernen und ihren Staaten. Die Konstellationen zwischen den Führungsmächten verändern sich immer wieder. Bündnisse sind nicht dauerhaft, sondern verändern sich immer wieder und werden durch die Interessengegensätze auf die Probe gestellt.

Die von den USA angeführte imperialistische Weltordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war, wurde in den folgenden Jahrzehnten einerseits durch die Existenz der sozialistischen Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder grundsätzlich infrage gestellt. Andrerseits wurde die Führungsrolle der USA aber auch durch andere kapitalistische Länder herausgefordert, insbesondere durch die BRD und Japan, deren Kapital den US-Konkurrenten erfolgreich Marktanteile streitig machen konnte. Mit der Zerschlagung des Sozialismus und Wiedereinführung des Kapitalismus in der ehemaligen Sowjetunion und in China konnte der US-Imperialismus seinen gefährlichsten Feind, den Sozialismus, zwar vorläufig besiegen – gleichzeitig entstanden aber neue kapitalistische Konkurrenten. Insbesondere China konnte in den letzten Jahrzehnten hohe Wachstumsraten verzeichnen und eine starke kapitalistische Wirtschaft aufbauen, deren Entwicklung vor allem durch umfangreiche Exporte getrieben ist. Dadurch hat sich das Gefüge in der imperialistischen Pyramide erneut verändert. Auch wenn die USA weiterhin die größte Ökonomie sind, im Finanzsystem und vor allem auch militärisch nach wie vor die führende Rolle spielen, wurde ihre industrielle Basis in den letzten Jahrzehnten immer schwächer. Die Ausweitung von „Fracking“, also extrem umweltschädlichen Methoden der Ölförderung, konnte diesen Trend etwas bremsen. Aber der grundlegende Konflikt zwischen dem Aufstieg Chinas und dem tendenziellen Abstieg der USA in der imperialistischen Pyramide hat das nicht aufgehoben. Die USA eskalieren diesen Konflikt, weil ihre weltweite Führungsrolle bedroht ist. Die chinesische Führung hingegen hat vorläufig kein Interesse daran, weil ihr Aufstieg im imperialistischen System mit „friedlichen“ ökonomischen Mitteln stattfindet und durch die wachsenden Feinseligkeiten gestört wird. Das Streben Chinas nach Austragung der Interessengegensätze mit ökonomischen, nicht-militärischen Mitteln läuft dementsprechend auch nicht auf einen friedlichen Kapitalismus hinaus, sondern versucht lediglich, einer militärischen Auseinandersetzung vorerst aus dem Weg zu gehen.

Mit der Wahl Donald Trumps sind in den USA die Teile des Kapitals stärker geworden, die auf eine Strategie der stärkeren Abschottung des nationalen Marktes setzen. Ein Kommentar in der bürgerlichen Presse schreibt dazu: „Das hier ist erst der Anfang. Denn es geht um mehr als nur um Handel und Urheberrechte. Zwischen den USA und China bricht eine lange schlummernde Rivalität auf. Es ist mehr als nur eine ökonomische, es ist auch eine militärische und vor allem eine geostrategische Rivalität. Es geht um die künftige Ordnung der Welt.“ (Süddeutsche Zeitung 6.7.2018). Diese Einschätzung ist grundsätzlich richtig, auch wenn der Autor aufgrund seiner bürgerlichen Weltsicht natürlich nicht versteht, dass der Hintergrund davon die rivalisierenden Herrschaftsstrategien der verschiedenen imperialistischen Zentren sind. Diese zunehmenden Rivalitäten zeigen, dass die liberalen Behauptungen, wonach durch die sogenannte „Globalisierung“ die Nationalstaaten ihre Bedeutung verlieren würden und große Konflikte zwischen den führenden kapitalistischen Staaten der Vergangenheit angehören, keine reale Basis haben. So lange der Imperialismus als weltweites System existiert, wird er von solchen Konflikten geprägt sein und die Staaten als Vertreter der Kapitalinteressen werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Umgekehrt wird der liberale Freihandel selbst auch wieder infrage gestellt, wenn dies den Interessen der kapitalistischen Staaten entspricht.

Mit der Zunahme solcher Konflikte, auch wenn sie momentan nur „Handelskriege“ sind und noch keine „richtigen“ Kriege, steigt die Gefahr großer militärischer Auseinandersetzungen bis hin zu Weltkriegen. Die zunehmenden Spannungen im Südchinesischen Meer in den letzten Jahren, die Verlagerung des Fokus der außenpolitischen Strategien der USA in Richtung Fernost, aber auch die Konfrontation mit Russland in Syrien und in der Ukraine sind Ausdruck einer neuen weltpolitischen Lage, in der sich die verschiedenen imperialistischen Bündnisse in wachsender Feindschaft gegenüberstehen.

Die Arbeiterklasse in Deutschland hat ebenso wie die in China oder den USA nichts zu gewinnen, wenn die Konflikte zwischen den Staaten weiter eskalieren. Handelskriege werden ebenso wie richtige Kriege geführt, um dem Kapital gesicherte Absatzmärkte und langfristige Profite zu sichern. Die Arbeiterklasse in Deutschland muss sich für die glänzenden Exporterfolge der deutschen Konzerne nur den Rücken krumm machen. Sie sollte sich weder für die Interessen „ihres“ Kapitals und des deutschen Staates einspannen lassen, noch, wie es manche fordern, zum Verbündeten der chinesischen oder russischen Kapitalisten werden, auch wenn diese momentan weniger aggressiv auftreten als der US-Imperialismus. Die Antwort für die Arbeiterklasse kann nur darin bestehen, sich zu organisieren und für ihre eigene Macht zu kämpfen. Dafür ist der Aufbau der kommunistischen Partei in Deutschland eine entscheidende Voraussetzung.

Alle reden von Frieden doch die Zeichen stehen auf Krieg

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Wer heutzutage Nachrichten verfolgt, fühlt sich wie in einem Karussell der Ereignisse: alte, scheinbar feste Bündnisse wie das sogenannte transatlantische Bündnis, aber auch die EU, zeigen Verfallstendenzen; Feinde schütteln sich die Hände, während sie im Hintergrund ihre Messer wetzen.

Das Treffen zwischen Trump und Putin, der NATO-Gipfel, das Treffen des US-amerikanischen Präsidenten mit dem höchsten Vertreter Nordkoreas Kim Jong Un, der sogenannte Handelskrieg zwischen EU-USA, China-USA, die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran.

Es überrascht nicht, dass die meisten Menschen das Gefühl haben, dass die Welt instabiler wird und ins Wanken gerät. Über Jahrzehnte hatten die imperialistischen Länder des Westens ein relativ stabiles Bündnis gegen Russland und China. Dieses Bündnis war aber schon immer wie ein Wolfsrudel, wo jeder stets um den ersten Rang kämpft und einen größeren Teil der Beute für sich sichern will.

Die USA waren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges der unangefochtene Führer dieses Bündnisses. Mit der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion und in anderen sozialistischen Ländern 1989/90, also mit dem Verschwinden eines starken, gemeinsamen Gegners, dem Sozialismus, nahmen und nehmen die Widersprüche zwischen den imperialistischen Ländern zu. Die ehemals sozialistischen Länder, jetzt kapitalistische Länder, sind mit eingestiegen im Kampf um die bessere Rendite für das eigene nationale Kapital, im Kampf um Rohstoffe und bessere Exportmöglichkeiten. Russland und China sind Wölfe unter Wölfen: ihre Ökonomie ist kapitalistisch, das Privateigentum an Produktionsmitteln und damit die Jagd nach mehr Profit ist die treibende Kraft der Ökonomie.

Die USA, bis dato stärkste Wirtschafts- und Militärmacht der Welt, fürchten um ihre Vormachtstellung. Deshalb wird jetzt Tacheles geredet: hatten sie bis jetzt ihren Bündnispartnern, wie der BRD im Gegenzug für politische Unterstützung z.B. ihrer Kriegspolitik, Zugeständnisse gemacht, sind sie heute dazu nicht mehr bereit. Bündnisse wie EU, aber auch die deutsche Russland- oder Iran-Politik, zeigen deutlich, dass in einer sogenannten multipolaren Weltordnung genauso viel Zündstoff liegt, wie vor der Niederlage des Sozialismus.

Jetzt kommt es darauf an, dass wir uns nicht durch einzelne Aspekte und Widersprüche der Entwicklungen beirren lassen. Der NATO-Gipfel z.B. scheint in krassem Gegensatz zum Treffen zwischen Trump und Putin zu stehen. Beim NATO-Gipfel argumentierte Trump noch so: „Keine Erhöhung der Rüstungsausgaben, kein Schutz vor Russland!“ Ein Tag vor seinem Treffen mit Putin hat er hingegen die EU, Russland und China allesamt als Gegner bezeichnet und dabei betont, dass das Verhältnis zur EU ihm am meisten Sorgen bereite. Wieso verspricht er zuerst Schutz vor Russland, wenn die Ausgaben für Verteidigung erhöht werden, um dann einen Tag später dem russischen Präsidenten, vor dem er andere zu schützen verspricht, die Hand zu schütteln und vorher vor der EU zu warnen?

Genauso verwirrend war die Politik gegenüber Nordkorea. Erst wurde das Land als die größte Gefahr für den Weltfrieden bezeichnet, um dann ein Treffen zu initiieren und den nordkoreanischen Präsidenten in den höchsten Tönen zu loben. Auch wenn das Verhalten der US-amerikanischen Führung zurzeit etwas widersprüchlich erscheint, müssen wir uns fragen, welchen Sinn diese Taktik hat. Denn nichts ist falscher, als der Glaube, dass wir es hier mit verrückten Menschen zu tun haben. Wir müssen davon ausgehen, dass jeder imperialistische Staat an seiner Führungsspitze die klügsten und kaltblütigsten Militaristen beschäftigt, die Taktiken für die Sicherung der Interessen ihrer Kapitalistenklasse entwickeln.

Welche Taktik könnte hinter der Politik Trumps stecken? Es sieht so aus, als wollte die USA in alle möglichen Bündnisse, die zwischen anderen imperialistischen Ländern schon bestehen oder entstehen könnten, hineingrätschen und diese kontrollieren. Die Handelszölle gegen die EU z.B. schwächen vor allem die deutsche Exportwirtschaft. Die anderen EU-Staaten, wie z.B. Frankreich, denen auch die deutsche Vormachtstellung in der EU ein Dorn im Auge ist, versuchen diese Gelegenheit zu nutzen, um die EU in ihre Richtung – mehr in Richtung einer „Haftungsunion“ – zu drücken. Diese Vorstöße Frankreichs hat Merkel aber klar abgewehrt. Das Auswärtige Amt zumindest erkennt ganz richtig, dass Trump mit seinen Attacken gegen die BRD die EU spalten möchte.

Die Politik der Zersetzung und Spaltung anderer Bündnisse macht die USA am besten, indem sie im Alleingang Verhandlungen mit den einzelnen Staaten führt. Dabei wird sie hier und da Zugeständnisse machen, um z.B. einen anderen Gegner wie die BRD zu schwächen. Dass Trump und Putin sich jetzt in Helsinki die Hand geschüttelt haben heißt nicht, dass es Hoffnung auf Frieden gibt. Im Gegenteil. Sie haben beide eine gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Man sollte diesen Vorstoß seitens der USA eher als Drohgebärde verstehen. Trump verfolgt, wie er offen zugibt, eine Politik der harten Hand. Das wird Putin beim Händedruck gespürt haben.

Bei allen Taktiken und Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Staaten ist das Ergebnis klar: Alle rüsten massiv auf, insbesondere die NATO-Staaten. Die Bundesregierung kann die Situation nutzen, um die Rüstungsausgaben auf neue Rekordhöhen zu treiben.

Für die internationale Arbeiterklasse stehen die Zeichen auf harte Zeiten. Sie muss aufmerksam die Entwicklungen verfolgen und im eigenen Klasseninteresse beantworten. Die kommunistischen und Arbeiterparteien weltweit tragen in dieser Situation eine besondere Verantwortung. Es ist ihre Aufgabe mit inhaltlicher Klarheit gegen die Illusion vorzugehen, dass ein friedlicher Kapitalismus möglich ist. Die Kapitalistenklasse wird ihr möglichstes tun, die Arbeiterinnen und Arbeiter für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Kapitalisten für ihre Kriegsmobilisierung die Sozialdemokratie brauchen. Die Aufgabe der Arbeiterklasse in Deutschland ist es, nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Die SPD führte uns schon in den Ersten Weltkrieg. Sie und andere sozialdemokratische Parteien schwächten und spalteten damit die deutsche und internationale Arbeiterbewegung.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, vor ziemlich genau hundert Jahren bewies die deutsche Arbeiterklasse, dass sie dazu in der Lage ist, durch Eigeninitiative und durch ihren Kampfgeist eine Revolution zustande zubringen. Diese Revolution konnte aber mithilfe der SPD zerschlagen werden, weil die deutsche Arbeiterklasse keine feste, eigenständige Kampforganisation besaß. Jetzt kommt es darauf an, weder auf eine alte, noch auf eine neue Sozialdemokratie – z.B. die Partei die Linke – hereinzufallen. Es gibt keinen kapitalistischen Krieg, der im Interesse der Arbeiterinnen und Arbeiter wäre. Die einzige Lösung ist, die eigenen Reihen zu schließen mit der Losung: keinen Cent und keinen Tropfen Blut für ihre Barbarei! Unsere Zukunft ist der Sozialismus/Kommunismus. Je fester heute schon unsere Organisierung in Betrieb, im Wohnviertel und je stärker unser Selbstschutz ist, umso besser werden wir jedem Angriff von oben standhalten können.

Solidarität mit den Streikenden bei Neue-Halberg-Guss!

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Am 14. Juni entschied sich die Belegschaft der Gießerei Neue-Halberg-Guss in Saarbrücken und Leipzig in den Streik zu treten. Damit protestieren sie gegen die geplante Schließung des Werks in Leipzig zum Ende des Jahres 2019 und die knappe Halbierung der Belegschaft am Saarbrückener Standort.

Das Ziel des Kapitals: Schneller und billiger produzieren

Im Januar dieses Jahres kaufte der Konzern PreVent die Neue-Halberg-Guss, die unter anderem Motorblöcke und Kurbelwellen für bedeutende Automobilkonzerne weltweit herstellen. PreVent hat bereits in anderen Zuliefererbereichen investiert und versucht, dort eine eigene Machtposition aufzubauen. Die Neue-Halberg-Guss war bereits in Schwierigkeiten und wurde zuvor von einem niederländischen Investor gekauft und wieder verkauft. Der Konzern PreVent übernahm und erhöhte die Preise um das zehnfache. VW weigerte sich, nachzugeben und wurde daraufhin wegen Vertragsbruch verklagt und musste zahlen. Anfang des Jahres kündigte PreVent fast beiläufig an, dass der Leipziger Standort von Neue-Halberg-Guss geschlossen werden soll und die Stellen am Saarbrückener Standort halbiert werden. PreVent schließt damit den Prozess der Insolvenz, der seit 2009 begonnen wurde, ab.

Das Ziel des Kapitals in diesem Bereich war von Anfang an die Produktion zu beschleunigen und preiswerter zu machen oder ganz zu verlagern. Die Form, in der das PreVent macht, ist als „Heuschrecke“ bekannt und wirkt besonders abrupt und skrupellos. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die vorherigen Eigentümer der Neue-Halberg-Guss dasselbe Ziel hatten und vor allem der Monopolkonzern VW dieses Ziel verfolgt. Er will permanent die Preise für Teile drücken. VW hat auch bereits eine Ersatzgießerei gefunden, die billiger produziert.

Auch wenn VW sich als Opfer einiger habgieriger Einzelner darstellt, sind es doch genau Konzerne wie VW, die durch ihre Monopolstellung auf dem Markt ein knallhartes Regiment führen können und den Zulieferbetrieben sagen, was sie zahlen. Alle Kapitalisten sind Raubtiere und unter ihnen ist VW der Löwe und PreVent die Hyäne. Es muss und darf VW, PreVent und Halberg nur um ihre eigenen Profite gehen. Sie verfahren dabei mit den Arbeitern wie mit Schachbrettfiguren. Weder das gesellschaftliche Bedürfnis, noch die Existenz der Arbeiter und ihrer Familien ist von Bedeutung.

Die Rolle des Streiks und der IG Metall

Als die Schließung bekannt wurde, begannen die Arbeiter zu streiken. Den Lieferausfall nutzte wiederum VW, um PreVent zu verklagen. Der Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen, aber klar ist, dass es ein Rechtsstreit unter Sklavenhändlern ist, die nur darum ringen, wer den ausgebeuteten Mehrwert einstreichen darf. Der Streik der Arbeiter war der wichtigste Schritt in diesem Kampf, er zeigt ihre Stärke und Möglichkeiten. Zugleich versucht VW den Streik zu nutzen, um PreVent weiter unter Druck zu setzen.

Das Ziel für die Arbeiter ist und muss sein, die Arbeitsplätze zu erhalten. Denn auch bei einer hohen Abfindung gilt: Ist der Arbeitsplatz erstmal weg, wird es sehr schwer, wieder einen neuen zu finden, erst recht in Ostdeutschland. Die IG Metall orientiert aber nur auf die Höhe der Abfindung und sie blendet die Rolle von VW völlig aus. O-Ton: „Was sollen wir denn machen. So funktioniert halt der Kapitalismus.“ Damit sollten sich die Arbeiter nicht abspeisen lassen. Was wäre, wenn die IG Metall ihre hohe Organisationsmacht bei VW einsetzen würde, um die Arbeiter bei Halberg zu unterstützen? Der Kampf gegen Arbeitsplatzabbau ist schwer, aber versucht werden muss es wenigstens.

Bei VW spielt der Betriebsrat der IG Metall eine sozialpartnerschaftliche Rolle. Er hilft also dabei, die Kapitalinteressen möglichst effizient umzusetzen. Das Ergebnis ist unter anderem der massenhafte Einsatz von Leiharbeitern bei VW. Diese Rolle der IG Metall bei VW – und nicht nur dort – steht im Widerspruch zu dem Kampf der Halberg-Arbeiter. Denn das ist ein Hindernis bei der Ausweitung des Streiks.

Erfolg und Forderungen der Halberg-Arbeiter

Ein Erfolg der Halberg-Arbeiter ist bereits jetzt, dass Arbeiter aus anderen Betrieben, die ähnliche Produkte herstellen wie Halberg auf ihren Kampf aufmerksam wurden und sich solidarisieren und sich nicht mehr in Konkurrenz zu den Kollegen setzen. Viele erkennen, dass ihnen das Schicksal der Halberg-Kollegen nicht nutzt, sondern ebenso schadet und sie betrifft. Auch wenn also VW hofft, den Streik für sich nutzen zu können, können auch die Arbeiter ihn für sich nutzen und ihr Anliegen und Interesse verbreiten.

Der Erhalt der Arbeitsplätze ist (noch) keine formelle Forderung. Bei der Urabstimmung wurden folgende Forderungen beschlossen: Eine 12-monatige Transfergesellschaft für die Belegschaft, Aus- und Weiterbildungen und eine Abfindung von 3,5 Monatsbruttolöhnen für jedes Jahr Betriebszugehörigkeit. Für diejenigen, die lange bei Halberg gearbeitet haben können das bis zu einer viertel Million Euro sein. Das hört sich viel an, ist aber nach Versteuerung schon deutlich weniger – erst recht für ältere Kollegen, die kaum mehr einen Job finden werden. Nach einer kurzen Übergangszeit drohen Frühverrentung, Arbeitslosigkeit und vielleicht Hartz IV. Was ist mit den Familien, die Kredite für ein Haus abbezahlen müssen oder das Studium der Kinder finanzieren wollen? Abfindung ist immer nur eine kurze Überbrückung, aber wenn die Brücke im Nichts endet, hilft sie wenig. Trotzdem müssen die Arbeiter in ihrem Kampf für Abfindungen unterstützt werden, das ist das mindeste. Denn zu dem elenden Spiel der Verhandlungen gehört, dass alle davon ausgehen, am Ende ohnehin nur die Hälfte zu bekommen.

Der Streik ist erst der Anfang

Diese Logik der Profitausbeute und der Gewinnmaximierung zu durchbrechen, scheint für die meisten Arbeiterinnen und Arbeiter utopisch. Klar ist, dass die Firmen und Konzerne nicht einfach die Fabriken, in denen wir arbeiten und den Mehrwert produzieren, den sie uns dann stehlen, überlassen werden. Klar ist auch, dass wir nicht durch einen einmaligen Streik die Bosse und Banken in die Knie zwingen werden. Dies alles wird ein langer und steiniger Weg, der nur begangen werden kann von entschlossenen und gut organisierten Arbeiterinnen und Arbeitern.

Doch das ist nicht alles nur utopisches Gewäsch. Die Belegschaft von Neue-Halberg-Guss hat gezeigt, dass es lohnt zu streiken und sich zu solidarisieren. Sie tun das Richtige und lassen sich nicht nach Standortlogik zwischen Leipzig und Saarbrücken spalten, sondern stehen unter den gleichen Forderungen zusammen. Doch wollen sie einen Erfolg erringen, müssen sie ihre wichtigste Forderung konsequent formulieren: „Keine Werksschließung!“ Um ihren Kampf zu unterstützen, müssen wir weiterdenken. Das Schicksal der Halberg-Arbeiter, hin- und her geschubst zu werden, teilen Millionen von Arbeitern. Die gesellschaftliche Spaltung zwischen Leiharbeitern, Arbeitslosen und den Stammbelegschaften muss überwunden werden – sie alle sind von demselben Gegner bedroht. Deshalb versuchen wir, den Streik der Halberg-Arbeiter in die Bevölkerung zu tragen, Unterstützung zu organisieren und das Bewusstsein für unsere gemeinsamen Interessen zu wecken.

Die wichtige Erfahrung der Halberg-Arbeiter wird verpuffen, wenn der Kampf zu Ende ist und jeder für sich bleibt. Unser Ziel ist deshalb, diese Erfahrung zu sichern und den Kollegen ein Angebot der Organisierung zu machen, sie mit anderen zusammen zu führen, die ähnliche Erfahrungen machen oder von ihnen lernen wollen. Helft mit, den Kampf der Halberg-Arbeiter zu verbreiten.