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Gesundheit im Sozialismus

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Die aktuelle Pandemie wirft große Fragen danach auf, wie wir unsere Gesellschaft organisieren wollen.Massive Einschränkungen wirken sich auf das Leben jedes Einzelnen aus und es wird deutlich, wie relevant die politischen und ökonomischen Fragen sind. Es wird die Frage gestellt: Was ist eigentlich wichtig? – Welche Berufe und Wirtschaftsbereiche sind für das Funktionieren einer Gesellschaft wichtig? Ganz besonders gerät dabei das Gesundheitswesen in den Blick. Wie können alle Teile der Wissenschaft, Produktion und der Gesundheitsversorgung zusammenwirken? Welche Rolle kann und sollte die Wirtschaft gegenüber der Gesundheit spielen? All das stellt die Grundfragen unserer Gesellschaft, die Art wie wir produzieren, wer in unserer Gesellschaft worüber Entscheidungen treffen kann. Wir wollen deshalb einen Blick auf den Sozialismus richten und zeigen, dass eine Gesellschaft mit anderen Produktionsverhältnissen, ohne Privateigentum an Produktionsmitteln, in der Lage ist, völlig andere Prioritäten zu setzen und tatsächlich die Gesundheit und die Bedürfnisse der Menschen überhaupt zum Zweck ihres Handelns zu machen.

Gesundheit in der DDR

Da sich das Gesundheitssystem der DDR in Volkseigentum befand, war es vom kapitalistischen Profitzwang befreit. Fallpauschalen, Wettbewerb und Insolvenz gab es nicht – Gesundheit war keine Ware mehr, und der Patient kein Klient.

Diese grundsätzlich anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen ermöglichten es der DDR ein Gesundheitssystem aufzubauen, das sich erstmals ausschließlich an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientierte. 

Trotz 30 Jahren massiver Anti-DDR-Propaganda und realen Problemen des DDR-Gesundheitssystems, wie der Abwanderung von Ärzten oder Engpässen bei modernen Importgeräten, bleibt es deshalb bei den ehemaligen DDR-Bürgern hoch angerechnet. 84 % davon halten die Krankenhäuser und Kliniken der DDR für eine Errungenschaft, die „hätte bewahrt werden sollen“, so das Ergebnis einer Studie der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.

Zum einen zeichnete das Gesundheitssystem der staatliche Charakter und die damit zusammenhängende Einheitlichkeit der Leitung und Planmäßigkeit der Arbeit aus. Gesundheit wurde als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und gestaltet. Das Ministerium für Gesundheitswesen besaß die Gesamtverantwortung und arbeitete dabei eng mit lokalen staatlichen Institutionen zusammen, die um die jeweiligen territorialen Besonderheiten wussten. Da alles zentral gesellschaftlich geplant und organisiert wurde, gab es keine entgegengesetzten Interessen mehr wie solche zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern oder generell zwischen Profit und Gesundheit. Die Monopole waren enteignet. Damit war die Gesellschaft nicht mehr dem Profitstreben einzelner untergeordnet, sondern konnte planmäßig an die Erfüllung der gesellschaftlichen Bedürfnisse herangehen.

Dadurch konnte auch eine Einheit von Wissenschaft und Praxis realisiert werden. Die Bedürfnisse aus dem Gesundheitssystem, wie z.B. nach neuen Medikamenten, wurden unmittelbar in den Wissenschaftsapparat getragen. An dem was benötigt wurde, wurde geforscht, nicht an dem was Geld brachte. Andersherum konnten neue wissenschaftliche Entdeckungen, neue Medikamente, usw. ungehindert in der Praxis angewandt werden. Die Frage der Rentabilität, die heute der Forschung und Anwendung immer wieder im Weg steht (wenn z.B. wegen geringer Profitaussicht kaum an HIV-Medikamenten geforscht wird) spielte keine entscheidende Rolle mehr.

Ein weiteres wichtiges Merkmal des DDR-Gesundheitssystems war die Kostenfreiheit und allgemeine Zugänglichkeit. Jegliche ärztlichen Beratungen, Medikamente, Hilfsmittel wie etwa Prothesen, Behandlungen, aufwendige Operationen, Zusatzuntersuchungen und Kuraufenthalte (auch prophylaktische Kuraufenthalte) waren in der DDR vollkommen kostenfrei. Alles wurde durch die Sozialversicherung übernommen, in die alle einzahlten. Somit hatte jeder DDR-Bürger auch gleichermaßen das Recht auf die kompliziertesten und modernsten Behandlungsverfahren – die Zwei-Klassen-Medizin war abgeschafft.

Mit einem umfassenden Netz von Landambulatorien, Gemeindeschwesternstationen und Röntgenfahrzeugen für die Prophylaxe auf dem Land, wurde in der DDR ein lückenloses Netz ärztlicher Betreuungseinrichtungen geschaffen. Die Regel war außerdem, dass die Betriebe eigene Ärzte oder sogar Polikliniken hatten, in denen sich umfassend medizinisch um die Arbeiter gekümmert wurde. Die maximale Entfernung zur nächsten Betreuungseinrichtung betrug in der DDR lediglich 20 Kilometer.

Kostenfreiheit, Zugänglichkeit und die prophylaktische Orientierung im DDR-Gesundheitswesen wirkten sich auch darauf aus, wie oft die DDR-Bürger zu Ärzten gegangen sind. Im Jahr 1980 ist der DDR-Bürger durchschnittlich neun Mal im Jahr zum Arzt gegangen – das ist etwa doppelt so oft wie in der BRD zur gleichen Zeit.

Die Polikliniken waren dabei sozusagen das Herzstück des DDR-Gesundheitssystems. Ihr Prinzip war die Einheit vorbeugender, kurativer, rehabilitativer und sozialer Maßnahmen. Mit ihnen wurde eine starke Bündelung der ärztlichen Versorgung realisiert, die für die Ärzte eine engere Zusammenarbeit, Koordination und Effizienz bedeuteten. Die Patienten hatten damit die komfortable Situation, dass i.d.R. alle notwendigen Fachbereiche für eine umfassende Untersuchung unter einem Dach vereint waren und nicht mit jeweils monatelanger Wartezeit unterschiedliche Praxen aufgesucht werden mussten. Die Kooperation der medizinischen Fachbereiche konnte sowohl einen prophylaktischen Ansatz, als auch aufsuchende Arbeit deutlich besser realisieren, den sozialen Belangen der Patienten besser nachgehen und kommunale Funktionen zu Gesundheitsfragen in ihrer Stadt erfüllen.

…und auf einmal kam der Profit

Nach der Konterrevolution von 1989/1990 und dem Ende der DDR veränderte sich das Gesundheitssystem natürlich massiv. 218 Polikliniken, 1032 Ambulatorien und 1625 staatliche Arztpraxen wurden abgewickelt, womit die Ärzte gezwungen waren sich privat niederzulassen – 25 000 Mediziner haben eine „freie“ Praxis gegründet, davon alleine 10 000 in der profitablen Zahnmedizin (Wolfgang Hoffmann: Schlechter und teurer, in: Zeit, 16.10.92.). 

Mit der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung wurde wieder eine Zwei-Klassen-Medizin eingeführt und eine Vielzahl von Behandlungen kostet nun wieder Geld, das nicht jeder hat. Die Zugänglichkeit wurde immer weiter eingeschränkt – Landambulatorien, Dorfschwestern usw. haben sich nicht mehr rentiert und wurden abgeschafft. Die Einheitlichkeit der Leitung und Planmäßigkeit der Arbeit wurde mit der Einführung des Kapitalismus durch die Selbstständigkeit der Gesundheitseinrichtungen ersetzt. Auch wenn eine Notaufnahme in einem Krankenhaus lebensrettend wäre, können sich jetzt z.B. private Krankenhäuser dazu entscheiden, keine Notaufnahme aufzumachen, da dort weniger Geld gemacht werden kann. Pflegemangel wurde zum Normalzustand, da pflegeintensive Stationen nach dem Prinzip der Fallpauschalen Gewinn machen müssen, dies aber oft aufgrund der „hohen“ Kosten für Personal und der geringen Krankenkassenzahlungen nur realisieren können, indem sie zu wenig Personal einstellen. Patienten werden dazu gedrängt, möglichst bald nach ihren Operationen die Station zu verlassen, egal ob sie nun schon voll genesen sind oder nicht. Medizinbereiche wie die Bestrahlungstherapie, die viel Geld einbringen, werden auf Kosten der Pflege und der anderen Stationen ausgebaut, obwohl in den anderen Stationen das Geld oft besser verwendet werden könnte. Vorsorgeuntersuchungen werden aufgrund des Profitinteresses nur sehr selten übernommen. Es werden profitable Operationen durchgeführt, die die Patienten gar nicht brauchen. Mit Sterbenden werden noch schnell einige unnötige Untersuchungen durchgeführt, mit denen aber Geld gemacht werden kann. Kinder bekommen immer öfter keine lebensrettende Organtransplantation mehr, da sich die Organspende für die Krankenhäuser nicht mehr rechnet. Schwerverletzte sterben, weil für sie in der unrentablen Notaufnahme kein Platz mehr ist. Die Liste an Beispielen kapitalistischer Widerwärtigkeiten im Gesundheitssystem der BRD ließe sich endlos weiterführen. Einige dieser Verwerfungen werden bspw. im Film „Der marktgerechte Patient“ (2018) anschaulich dargestellt. Der Profit steht seit 1990 wieder über dem Interesse nach Gesundheit. Niemanden wundert es mehr, dass Menschen wie Jens Spahn, ein Bankkaufmann und ex-Pharmalobbyist, in diesem System Gesundheitsminister werden.

Corona – Warum das Gesellschaftssystem für den Gesundheitsschutz entscheidend ist

Die Corona-Krise zeigt in aller Deutlichkeit die Unfähigkeit des Kapitalismus auf, den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung nachzukommen. Einerseits steht das privatisierte Gesundheitssystem einem planvollen Umgang mit der Krankheit diametral entgegen. Denn privat bedeutet ja gerade: eigenständig, also auch eigenständig gegenüber politischen Vorhaben. Über Gesetze, finanzielle Anreize oder, wie z.B. in Spanien, über Verstaatlichungen, wird deshalb versucht sich vorübergehend der (gerade weggeworfenen) Einheitlichkeit und Planmäßigkeit im Gesundheitssystem ein Stück weit anzunähern – da sie zum effektiven Schutz der Bevölkerung nun mal notwendig sind. 

Verstaatlichungen sind – besonders in der Daseinsvorsorge – wichtig, nicht nur um besser zu koordinieren und zu versorgen. Es bleibt zwar der kapitalistische Staat, der zum Eigentümer wird. In einer profitorientierten Wirtschaft werden auch nach einer Verstaatlichung weiterhin sich gegenüberstehende wirtschaftliche Interessen existieren. Die Arbeiterklasse kann dann jedoch besser politische Kämpfe für mehr Kontrolle, eine andere Verwendung der Gewinne usw. aufnehmen. Sie muss es, denn sonst wird das Gesundheitssystem desolat und unterfinanziert bleiben, da der Klassenstaat ohne gesellschaftlichen Druck seine Mittel hauptsächlich den Wirtschaftsmonopolen in die Tasche steckt.

Wenn die Arbeitskräfte, die ja eigentlich weiterhin den Mehrwert für die Unternehmen generieren sollen, Gefahr laufen „wegzufallen“, sind also auch kapitalistische Staaten dazu gezwungen, die Marktlogik im Gesundheitssektor zugunsten der allgemeinen Wirtschaftsinteressen zumindest einzudämmen. Die Unfähigkeit eines privatisierten, in sich konkurrierenden und profitgetriebenen Gesundheitssystems, die Gesundheit der breiten Bevölkerung zu schützen, ist in diesen Zeiten besonders offensichtlich. 

Die wichtigste Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie wäre jedoch, die Produktion nicht lebensnotwendiger Güter auf unbestimmte Zeit einzustellen. Denn die Eindämmungsversuche durch „social distancing“ – Verzicht der Bevölkerung auf Kultur und Zusammenleben – reichen nicht aus, wenn gleichzeitig Millionen Menschen morgens in überfüllten Bussen und Bahnen zur Arbeit fahren, wo sie dann mit unzureichendem Gesundheitsschutz in der Fabrikhalle zusammen acht Stunden arbeiten (oder bald sogar 12?). Inzwischen wurden zwar viele Betriebe vorerst geschlossen, doch auch das wird nicht von ausreichender Dauer sein. Die Stimmen des Kapitals, die nach einer Wiederkehr zum Normalbetrieb schreien, werden lauter. Das ist auch kein Wunder, denn der Stillstand bedeutet für kapitalistische Unternehmen riesige Gewinneinbußen und auf kurz oder lang wird er zum wirtschaftlichen Kollaps führen. Somit steht der Klassenstaat vor einem Dilemma. Als ideeller Gesamtkapitalist muss er absichern, dass das ansässige Kapital möglichst gute Akkumulationsbedingungen hat. Wenn zu viele Menschen gleichzeitig krank werden oder sterben (und dann nicht mehr ausgebeutet werden können), aber auch wenn sich Aufstände wegen einer vollkommenen Vernachlässigung der Gesundheit der Bevölkerung entwickeln, ist es ein Problem für das Kapital. Andersherum bringt genau die Verhütung dieses Problems, also die weitestgehende Stilllegung der Wirtschaft, das Kapital vor das gleiche Problem. Der Klassenstaat wird immer in diesem Widerspruch verharren müssen – er wird nie dazu in der Lage sein, das Interesse der Bevölkerung an Gesundheit wirklich zu vertreten. Für ihn sind die werktätigen Menschen nicht mehr als eine Variable in einer komplexen ökonomischen Kalkulation.

Der Sozialismus wäre hingegen dazu in der Lage in dieser Situation bedingungslos die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Allgemein gesagt, hätten die Werktätigen, die im Sozialismus die Macht haben, natürlich kein Interesse daran krank zu werden und zu sterben. Da es im Sozialismus keinen Profitzwang mehr gibt, könnte diesem Interesse aber auch die ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Wirtschaft wäre zentral nach den Interessen der Werktätigen organisiert und könnte sofort in den Dienst der Gesundheit gestellt werden. Das Gesundheitssystem wäre nicht kaputtgespart und hätte ausreichend Kapazitäten um erhöhte Krankheitsfälle zu behandeln. Fehlende Schutzmittel wie Desinfektionsmittel oder Masken würden sofort planmäßig in umfunktionierten Betrieben hergestellt werden. Auch die Verteilung würde sich schnell und planmäßig auf die neue Situation umstellen. An allen öffentlichen Orten würden unentgeltlich Masken und Desinfektionsmittel ausgegeben werden um die Bevölkerung flächendeckend mit Schutzmitteln zu versorgen. Medizinische Dienstleistungen würden nicht mehr nur in den Gesundheitseinrichtungen, sondern auch in den Wohnvierteln und Betrieben bereitgestellt werden.

All das wäre unter anderem möglich, weil das Gesundheitssystem im Sozialismus eine deutlich bessere Vorfinanzierung genießen würde. Im Kapitalismus wird so wenig wie möglich für Gesundheit ausgegeben – bezeichnend ist hierfür das „Rettungspaket“ mit 600 Milliarden für die großen Konzerne und lediglich 10 Milliarden (eigentlich sollten es nur 3 sein) für das Gesundheitssystem (siehe Stellungnahme). Ein sozialistischer Staat hätte kein Interesse, das 60-fache (bzw. das 200-fache!) der Gesundheitsausgaben an Wirtschaftsmonopole zu verteilen.
Trotz der deutlich besseren Voraussetzungen wären aber auch im Sozialismus einschneidende Maßnahmen geboten, wie etwa eine flächendeckende Isolation von Verdachtsfällen.
Eine besondere Rolle für die Katastrophenbekämpfung könnte dabei auch die Initiative der Arbeiterklasse, z.B. durch die Mobilisierung von Freiwilligen, einnehmen. Der Sozialismus baut im Vergleich zum Kapitalismus auf einer organisierten Arbeiterklasse auf. Diese könnte viel intensiver und systematischer z.B. in Krankenhäusern helfen und Aufklärung betreiben. Insgesamt könnte die gegenseitige Hilfe effektiver und zentral koordiniert werden. Statt einen kompensierenden Charakter gegenüber dem kapitalistischen Staat, der sich für Fragen der gegenseitigen Hilfe nicht verantwortlich fühlt, hätte diese Initiative einen ergänzenden Charakter zu den staatlichen Aktivitäten, die sich ohnehin schon an den gesellschaftlichen Bedürfnissen orientieren.

Die Wirtschaft könnte, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, in weiten Teilen langfristig auf Eis gelegt werden, ohne dass damit existentielle Probleme einhergehen würden. Natürlich entfallen im Sozialismus nicht alle ökonomischen Notwendigkeiten. Es braucht weiterhin Nahrungsmittel, Energie, frisches Wasser, einen funktionierenden Gesundheitssektor, usw., damit eine Gesellschaft überhaupt leben kann. In den lebensnotwendigen Wirtschaftsbereichen müsste also auch im Sozialismus weiter gearbeitet werden. Der absolute Großteil an Arbeiten könnte hingegen für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt werden. Das Einfrieren des wirtschaftlichen Betriebes würde – im Vergleich zum Kapitalismus – nicht zu existentiellen Nöten und herben Gewinneinbußen führen. Die notwendigen Güter würden planmäßig an die Bevölkerung verteilt, die vorübergehende Arbeitslosigkeit brächte den Menschen keine Nachteile mehr. Die Versorgung der Alten und Kranken würde von der Gesellschaft organisiert werden. Da die Betriebe in gesellschaftlichem Eigentum wären, könnten sie durch Stilllegung gar nicht Bankrott gehen. Es müsste zwar auf viele Güter verzichtet werden – der Lebensstandard würde natürlich sinken – doch die Stilllegung breiter Teile der Wirtschaft wäre ohne die konstanten Konkurrenzzwänge des Kapitalismus umsetzbar. Sie wird umso problemloser umsetzbar, je mehr der Kapitalismus von der Weltkarte gefegt wird. Wenn der Großteil des Auslandes noch kapitalistisch ist und der Sozialismus dazu gezwungen ist, mit Teilen des kapitalistischen Weltmarktes zu wirtschaften, würde er insofern noch in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Denn es wird natürlich schwieriger Produkte auf dem Weltmarkt loszuwerden, um zum Beispiel Rohstoffe zu denen man sonst keinen Zugang hat zu erwerben, wenn über einen längeren Zeitraum nicht exportiert oder innovativ geforscht wird. Dennoch ist das zwar ein Nachteil, aber nicht mehr unbedingt ein existenzieller Zwang. Je weiter der Kapitalismus international überwunden wird, desto freier kann auch die Ökonomie des Sozialismus nach den Bedürfnissen der Gesellschaft ausgerichtet werden.

Auch die soziale Lage wäre im Sozialismus eine vollkommen andere. Denn das Leben der Menschen wäre nicht mehr von Konkurrenz, sondern von Kooperation und gegenseitiger Hilfe geprägt. Auch – und gerade! – in solchen Krisenzeiten würde niemand alleine gelassen werden mit seinen Problemen. Wärme, Solidarität und Menschlichkeit würden auch unangenehme Maßnahmen für alle Menschen aushaltbar machen.

Viva Cuba Socialista!

Der Umgang Kubas mit dem Corona-Virus zeigt uns ganz praktisch auf, wie im Sozialismus die Gesundheit ungeteilt im Vordergrund steht. Schon vor den ersten bestätigten Fällen wurden an sämtlichen Flughäfen Wärmebildkameras aufgestellt und Fieberuntersuchungen durchgeführt. Nach Bekanntwerden der ersten Infektion wurde begonnen an etlichen Orten planmäßig Desinfektionsmittel auszugeben – inzwischen sind es 440 Ausgabestellen. Kurz darauf wurde die regelmäßige Verwendung von Desinfektionsmittel an öffentlichen Orten verpflichtend (und möglich, da der Staat hierfür die Voraussetzungen geschafft hat!). In der Öffentlichkeit müssen zudem Masken getragen werden – 151 Fabriken wurden kurzfristig zur Herstellung von Atemschutzmasken umfunktioniert. Neben Kinos, Theatern, Schulen und Unis wurden auch die großen Fabriken, in denen nicht lebenswichtige Güter hergestellt wurden, zügig geschlossen. Die stillgelegten staatlichen Betriebe sind nicht in Gefahr insolvent zu gehen, da sie sich in Volkseigentum befinden, die (ehemaligen) Arbeiter bekommen weiterhin genug Geld um zu leben und können nach der Krise sofort wieder arbeiten. Der Betrieb von Fernbussen und überregionalen Zügen wurde zügig eingestellt, inzwischen wurde sogar der gesamte ÖPNV stillgelegt. Derweil sind Familienärzte, Medizinstudenten und Vertreter von Massenorganisationen dazu angehalten, von Tür zu Tür zu gehen, die Menschen aufzuklären und Verdachtsfälle sofort zu isolieren. Besonders betroffene Gebiete wurden unter strikte Quarantäne gestellt – die Bewohner müssen ständig in ihren Wohnungen bleiben und werden über staatliche Massenorganisationen mit Lebensmitteln versorgt.

Auch medial wird versucht, die Bevölkerung optimal aufzuklären. Da im kubanischen Fernsehen keine Werbung läuft, wird die Zeit zwischen den Sendungen gerne dazu benutzt der Bevölkerung hilfreiche Informationen beizubringen, wie etwa „Wie verhalte ich mich bei einem Hurricane?“ oder in diesem Fall „Worauf muss ich während der Corona-Pandemie achten?“. Der staatliche Mobilfunkanbieter Etecsa nimmt seine Aufgabe zur umfassenden Information der Bevölkerung ebenfalls wahr und sendet regelmäßig SMS mit Informationen und Hinweisen. Zudem wurden drei weitere Apps entwickelt, die dauerhaft über Corona informieren. Unqualifizierte Klatsch-Presse-Informationen oder Verschwörungstheorien wie sie zurzeit in Deutschland grassieren, können auf Kuba keinen Einfluss auf die Gesellschaft entwickeln.

Mit einem stabilen, erfahrenen und sehr breit ausgebauten Gesundheitssystem steht Kuba außerdem nicht vor dem Problem, dass das Virus jeden Moment das Gesundheitssystem zum Kollabieren bringen könnte. Ganz im Gegenteil: Kuba schickt sogar Ärzte in stark betroffene Länder um dort zu helfen.

Kuba zeigt uns, wie ein Land die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft in den Dienst der Gesundheit stellen kann, wenn es das möchte. Wir sollten den kubanischen Umgang mit Covid-19 bekannt machen und herausstellen, warum es gerade die sozialistischen Eigentumsverhältnisse sind, die so ein Vorgehen ermöglichen.

Hinweise zum Weiterlesen:

Kleine Enzyklopädie Gesundheit, VEB Bibliographisches Institut Leipzig (DDR), 1980.

(Ausschnitt unter https://sascha313.wordpress.com/2015/10/08/das-gesundheitswesen-in-der-ddr/comment-page-1/)

Polikeit, Georg (1966): „Das Sozial- und Gesundheitswesen“, in: ders., Georg Polikeit (1966): Die sogenannte DDR. Zahlen, Daten, Realitäten. Eine Landeskunde über den anderen Teil Deutschlands, Dortmund: Weltkreis, S. 135-160.

berichteaushavanna.de

cubaheute.de

Zum 75. Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald

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Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.*

„Denn wir, zum Opfer für euch auserlesen,
Wir wollen hier nicht für ein Nichts verwesen.
Wir wollen unsrer Qualen Ziel und Sinn!
Wenn ihr nicht kämpft, da, wo wir kämpften, litten,
Wenn ihr euch beuget feiger Mörder Bitten –
Dann sterben wir zum zweiten Male hin!“

Aus: Die Opfer rufen von Karl Schnog

Nach acht Jahren der Existenz des KZ Buchenwald beendeten am 11. April 1945 bewaffnete Häftlinge die faschistische Schreckensherrschaft auf dem Ettersberg und befreiten sich und 21000 ihrer Kameraden selbst. Dieser Jahrestag steht unter besonderen Vorzeichen, liegt er doch mitten in der „Coronakrise“. Alle offiziellen Gedenkveranstaltungen wurden abgesagt, bzw. finden in einem den Ausgangsbeschränkungen angepassten Rahmen statt. Das Gedenken kann nicht in der gewohnten Form stattfinden. Jedoch ist die Erinnerung an die Geschehnisse, an den faschistischen Terror und an den antifaschistischen Widerstandskampf der Häftlinge wichtiger denn je.

Rechter Terror hat in diesem Land nicht erst seit Halle und Hanau eine neue Qualität angenommen. Schon stehen die Zeichen einer weltweiten Wirtschaftskrise in ungeahnten Ausmaßen am Horizont. Der Kapitalismus zeigt in dieser Krise, dass er nicht in der Lage ist die grundlegenden Probleme der Menschheit zu lösen. Das jahrzehntelange „Kaputtsparen“ der Gesundheitssysteme verschärft die Situation für weite Teile der Bevölkerung und hat viele Tote zu Folge. Die Geschichte hat gezeigt, wie die herrschende Klasse solche Krisen zu lösen gedenkt. Die Kosten werden schon jetzt auf die Arbeiterklasse abgewälzt und die Verelendung der werktätigen Massen wird beschleunigt. Der autoritäre Staatsumbau schreitet voran. Wir erleben hier, wie unter dem Vorzeichen der Bekämpfung der „Coronakrise“, die durch die Arbeiterklasse hart erkämpften Rechte geschliffen werden.

Die Häftlinge des KZ Buchenwald waren zu jeder Zeit ihrer Inhaftierung mit dem Tod bedroht. Entweder durch die prekären Lebensbedingungen im Lager oder durch den direkten Mord. Sie stellten diesem organisierten Terror ihre Solidarität und den organisierten Widerstand entgegen. Das Internationale Lagerkomitee bildete das Zentrum dieses Kampfes. Den organisierten Kern stellten vor allem Kommunisten. Die Aktionen von tausenden antifaschistischen Kämpfern aus dutzenden Nationen wurden koordiniert und vereint und auch die Vorbereitungen zur bewaffneten Selbstbefreiung wurden hier getroffen.

Von diesem Vorbild gilt es zu lernen. Nur organisiert kann die Arbeiterklasse die, im Zuge der „Coronakrise“ schon jetzt einsetzenden, Angriffe des Kapitals abwehren und gegen die reaktionären Tendenzen des Staates kämpfen.

Am 19. April, acht Tage nach der Selbstbefreiung leisteten die Überlebenden den Schwur von Buchenwald*. Noch ist der Schwur nicht verwirklicht. Wir erneuern ihn darum heute und wissen zugleich, dass er nur durch die grundlegende Veränderung dieser Gesellschaft zu verwirklichen ist.

Im Gedenken an die 56.000 von den Hitlerfaschisten in Buchenwald Gemordeten!

In Achtung vor den Leistungen des Häftlingswiderstands!

Ehre unseren gemordeten Genossen – Ihr Kampf ist unser Auftrag!

Gegen Kapitalismus, Krise und Krieg – Für den Sozialismus!

Stellungnahme der Kommunistischen Partei Schwedens

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In Politik und Medien nimmt die wahnwitzige Forderung nach einer baldigen Lockerung der Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft immer mehr Raum ein. Die Konsequenzen des Social Distancing treffen zwar in erster Linie die kleinen Selbstständigen, aber auch die Profite der Monopole. Wir nehmen das zum Anlass, eine Stellungnahme der Kommunistische Partei Schwedens (SKP) in deutscher Übersetzung zu veröffentlichen. Die schwedische Regierung hat versucht, die Pandemie weitgehend ohne Einschnitte in das öffentliche Leben, d.h. beispielsweise auch ohne die flächendeckende Schließung von Kindergärten und Schulen auszusitzen. Dieser „schwedische Sonderweg“, den auch in Deutschland einige für einen positiven Bezugspunkt halten, ist aber sicher nicht im Sinne des Schutzes der Bevölkerung.

Wir möchten an dieser Stelle der SKP herzlich für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung danken.

Klassenbündnis gegen den Staat der Monopole: Verurteilung der Maßnahmen des Staates bezüglich Covid-19 

Der Staat spielt mit Menschenleben 

Die staatlichen Behörden haben eine Taktik verabschiedet, die eine „kontrollierte Verbreitung“ beinhaltet. Diese Taktik wird so dargestellt, als ob sie unsere Gesundheit im Auge hätte, aber tatsächlich bedeutet „kontrolliert“ nichts anderes, als dass die Übertragungsgeschwindigkeit an die Gewinne der Großunternehmen angepasst wird, ohne Rücksicht auf menschliches Leben und Gesundheit. Während sich die wenigen verfügbaren Intensivstationen füllen, werden Operationen abgesagt und die Kranken gebeten, keine Behandlung einzufordern. Stattdessen werden sie auf medizinische Informationen verwiesen, auf die im Prinzip kein Zugriff möglich ist. Leben und Tod der unteren Schichten werden in den wirtschaftlichen Berechnungen des Staates nicht berücksichtigt, wenn es notwendig ist, die Gewinne der schwedischen Monopole zu retten.   

Ab dem 27. März gelten neue Prioritäten für die Gesundheitsversorgung, die sogenannten „Nationalen Grundsätze der Priorität auf der Intensivstation unter außergewöhnlichen Bedingungen“. Diese zeigen, dass der Staat kaltblütig damit rechnet, Menschen auch innerhalb der „Prioritätskategorie 1“ zu opfern, zu der auch diejenigen gehören, die sehr gute Überlebenschancen haben. Menschen, die ansonsten gesund sind, lässt man auch aufgrund eines „Mangels an Ressourcen“ sterben. Der Mangel an Ressourcen wird natürlich vom Kapital selbst geschaffen und sorgfältig aufrechterhalten, um seine kostbaren Gewinne nicht verschwenden zu müssen – Gewinne, die sie ausschließlich aus der Arbeit der Arbeiter ziehen. Die Menge an Ressourcen ist nicht von Natur aus vorgegeben, sondern eine Prioritätenfrage.

Der Staat riskiert die Gesundheit von Arbeitnehmern, armen Rentnern, Studenten sowie kleinen Selbstständigen und Familienunternehmen zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der schwedischen Monopolkapitalisten. Während der Staat zynisch einplant, Menschen mit sehr guten Überlebenschancen zu opfern, verschenkt er Milliarden an große Kapitalisten. Der Premierminister vergießt Krokodilstränen in seiner Fernsehansprache, während der Staatsapparat die Verantwortung für das Überleben des Menschen auf den Einzelnen abwälzt. Ein Leben ist in ihren wirtschaftlichen Berechnungen überhaupt nichts wert, aber die Gewinne sind heilig, denn wenn sie nicht ständig steigen, gerät ihr gesamtes System in eine Krise. Ihr System ist bankrott. 

Sie erwarten kaltblütig, dass die schwedische Arbeiterklasse, Studenten, Selbstständige und Rentner dies akzeptieren. Aber wir können das Unannehmbare nicht akzeptieren. Kein Mensch sollte mit seinem Leben und seiner Gesundheit bezahlen, um die Gewinne der Kapitalisten zu retten. Wir sagen daher: Im Gesundheitswesen darf niemand depriorisiert werden! 

Keine Illusionen über die Rolle des Staates während der Krise 

Covid-19 ist eine schreckliche Pandemie, wird aber auch von den kapitalistischen Staaten und ihren Medienkanälen genutzt, um die anhaltende Überproduktionskrise zu verbergen. Die Krisen des Kapitalismus, die immer häufiger auftreten, führen immer zu harten Angriffen auf die Arbeiterklasse und die anderen ausgebeuteten Schichten der Gesellschaft, und dieses Mal nutzt der Staat die Gelegenheit, um angesichts der Probleme so viele Subventionen und Gesetze wie möglich zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit des schwedischen Kapitals gegenüber dem Rest der Welt durchzusetzen. Dies wird zu mehr Arbeitslosigkeit, unsicherer Beschäftigung und schlechterer Pflege und Bildung für die Arbeiter und großen zukünftigen Dividenden für die Kapitalisten führen. 

  • Arbeiter, lass dich nicht täuschen, wir sitzen nicht im selben Boot wie unsere Chefs! Die Macht der Arbeiterklasse ist für uns die einzige Lösung.

Die Rolle des Staates besteht darin, dem Monopolkapital zu dienen, das den Staat zur Sicherung seiner Gewinne benötigt. Bisher wurden Unterstützungspakete in Höhe von 1300 Mrd. SEK zugesagt, die so konzipiert sind, dass sie fast immer den großen Monopolen zugutekommen. 

Der Staat behauptet, Selbständige und Familienunternehmen zu schützen, zeigt aber seinen wahren Charakter, indem er ihnen nicht hilft. Die Wirtschaftskrisen des Kapitalismus, die in regelmäßigen Abständen auftreten, treffen immer die Kleinen, während die Großen ihren Marktanteil übernehmen. Das versucht der Staat auch in dieser Krise zu verstärken. 

  • Kleine Selbstständige und Familienunternehmer, ihr müsst ihre Lügen durchschauen! Dieses Gesellschaftssystem taugt nicht für euch. Ihr müsst ein Bündnis mit der Arbeiterklasse schließen, um für unsere gemeinsamen Bedürfnisse zu kämpfen. 

Die Forderungen des Klassenbundes 

Die SKP fordert die Bildung eines Bündnisses zwischen Arbeitnehmern, Beamten, Studenten und Selbständigen, die darum kämpfen, die folgenden Forderungen durchzusetzen:

  • Alle Milliarden, die für Subventionen für die entgangenen Gewinne des Kapitals verwendet werden sollen, müssen für die Gesundheitsversorgung, Bildung und finanzielle Unterstützung von Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Rentnern sowie kleinen Selbstständigen und Familienunternehmern verwendet werden. Die großen Monopole haben bisher alle Ressourcen der Gesellschaft gestohlen.
  • Alle für die Gesellschaft nicht absolut notwendigen Arbeitsplätze müssen bei vollem Lohnausgleich geschlossen werden, um die Ausbreitung von Infektionen zu begrenzen. Die Arbeit zur Herstellung von Impfstoffen muss intensiviert werden, damit wir mit so wenig Verstorbenen wie möglich aus der Pandemie herauskommen können. 
  • Akzeptiert keine Kündigungen, die von den großen Unternehmen ausgesprochen werden. Ihr angehäuftes Kapital und Gewinne, an denen die Arbeiter jahrzehntelang gearbeitet haben, sind groß genug, um weiterhin Löhne ohne Produktion zu zahlen. 
  • Gezielte Unterstützung von Selbstständigen und Familienunternehmern durch Zahlung des Durchschnittsgehalts an sie während der Krise. Völliger Erlass der Schulden der gesamten arbeitenden Bevölkerung, einschließlich Selbstständige und Familienunternehmer gegenüber den Banken.
  • Diejenigen, die weiterhin in den sozial notwendigen Sektoren arbeiten müssen, müssen allen notwendigen Schutz in Form von Schutzausrüstungen und anderen Arbeitsumgebungen erhalten, die dem Risiko der Ausbreitung von Infektionen angepasst sind. Diese Arbeitnehmer müssen auch mit dauerhaften Gehaltserhöhungen von je 3000 SEK entschädigt und ihr Urlaub nach der Coronaepidemie verdoppelt werden. Die Abwesenheit infolge von Krankheit muss mit 100 % des Gehalts weiter entlohnt werden.
  • Für alle, die erwerbstätig bleiben müssen, sollten wöchentlich kontinuierliche Tests durchgeführt werden. Jeder mit Krankheitssymptomen sollte auch getestet werden, um isoliert zu werden. Der Umfang der Tests im Allgemeinen muss erheblich erweitert werden.
  • Die Anzahl der permanenten Intensivstationen muss um ein Mehrfaches erhöht werden. Die Gesundheitsversorgung muss sofort verbessert und entsprechend ausgerüstet werden, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. Keine Einsparungen in irgendeinem Bereich, weder während der Krise noch nach der Krise. Lasst die Kapitalisten für alles bezahlen!
  • Die Militärübung Aurora 20, die für Mai/Juni unter der Schirmherrschaft der NATO geplant ist, muss eingestellt werden. Die Unterbringung von 25 000 Soldaten, die für imperialistische Interventionen ausgebildet wurden, war schon vor Covid-19 inakzeptabel, ist es aber jetzt auch aus Ansteckungsgründen erst recht. 

Autoritärer Staatsumbau oder notwendiger Gesundheitsschutz?

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Versammlungsverbot, Kontaktsperre, geschlossene Grenzen, Einsatz der Bundeswehr im Innern, Polizeikontrollen im gesamten öffentlichen Raum und vieles weitere mehr. Noch gibt es große Unklarheiten darüber, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, wie lange diese Verordnungen in Kraft bleiben oder ob weitere Einschränkungen hinzukommen werden. Klar ist allerdings schon jetzt: Der Staat greift massiv ein und bekommt in Krisenzeiten wie diesen einiges mehr an Kompetenzen. 

Darüber und über die konkreten Maßnahmen wird sehr kontrovers diskutiert. Teile der Wirtschaft fordern schnellstmöglich zum Normalbetrieb zurückzukehren, Staatsrechtler und Datenschützer sehen die alltäglichen Freiheitsrechte der Marktgesellschaft in Gefahr und unter Antikapitalisten ist man sich uneins, wie diese Maßnahmen einzuordnen sind. Sind sie notwendig zum Schutz unserer Gesundheit oder bedeuten sie den Aufbau eines Polizeistaates? Dient das Corona-Virus gar nur als Vorwand, um eine ohnehin geplante Verschärfung der staatlichen Kontrolle durchzusetzen? Ein gutes Beispiel für die zuletzt genannte Position liefert Susan Bonath in einem Artikel vom 27. März auf rubikon: „Der epidemiologische Notstand ist beschlossen, ab jetzt diktiert das Gesundheitsministerium. Viele Grundrechte sind für ein Jahr passé, eine in Panik erstarrte Bevölkerung nimmt es hin. Möglich macht das eine gigantische mediale Angstmaschine um das umgehende Corona-Virus, begleitet von unseriös interpretierten Zahlen und willkürlich produzierten Horrorbildern. Und ein Blick in Jahre alte Regierungsdokumente legt nahe: Jetzige Szenarien wurden längst durchgespielt.“ Eine solche Positionen der Verharmlosung des Virus ist unverantwortlich angesichts der täglich tausenden Toten, die in Europa mittlerweile gezählt werden. Wir schätzen hingegen ein, dass die Gefahr für die Bevölkerung durch das Virus real und sehr relevant ist. Mehr zur Frage der wissenschaftlichen Einschätzung des Virus erscheint demnächst in einem gesonderten Artikel. Das Problem solcher Positionen ist zudem, dass sie genauso wie die Haltung einiger liberaler Bürgerrechtler eine Offenheit dafür bieten, letztlich in das gleiche Horn zu blasen wie die Vertreter der Wirtschaft und ihrer Medien wie bspw. Mathias Döpfner (Vorstandsvorsitzender bei Axel Springer und Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger), die sich ein schnelles Ende des Ausnahmezustands herbeisehnen. Die Positionen der Wirtschaft machen im Übrigen auch sehr deutlich, dass die aktuell gültigen Verordnungen auch dem Kapital ein Dorn im Auge sind und sie in ihrem Geschäft massiv behindern.

Die Einschränkungen der Grundrechte sollen dafür sorgen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Und insofern sind die Maßnahmen auch unbedingt richtig und notwendig. Das gilt umso mehr, da es zwei verschlimmernde Vorbedingungen gibt – einerseits ein kaputtgespartes Gesundheitswesen, mit zu wenig Personal und mangelhafter Ausstattung, und andererseits das sehr zögerliche, späte Ergreifen von Schutz- und Vorbeugungsmaßnahmen durch die Bundesregierung. Fest steht aber auch, die Maßnahmen sind widersprüchlich. Auf der einen Seite soll man Sozialkontakte vermeiden und zu Hause bleiben, auf der anderen Seite läuft der Betrieb – auch der nicht lebensnotwendigen Wirtschaft – weiter, inklusive den dabei nicht zu vermeidenden Kontakten auf dem Weg zum und an der Arbeitsstelle.

Grund zur Skepsis gegenüber den beschlossenen Maßnahmen und zum sehr genauen Hinschauen ist also allemal angebracht, immerhin verdeutlichen nicht zuletzt die Privatisierungs- und Sparpolitik im Gesundheitswesen der letzten Jahrzehnte, dass es den regierenden Parteien nicht vorrangig um die Gesundheit der hier lebenden Menschen geht. 

Angela Merkel betonte in ihrer Fernsehansprache am 18. März: „Für jemandem wie mich, für die Reise- und Bewegungsfreiheit ein schwer erkämpftes Recht waren, sind solche Einschränkungen nur in der absoluten Notwendigkeit zu rechtfertigen.“ Bezug nimmt sie natürlich auf die DDR. Das ist überaus verlogen. Nicht nur, weil die umfassende Gesundheitsversorgung und die gesamtgesellschaftliche Planung der DDR in diesen Zeiten für die Arbeiterbewegung wichtige Bezugspunkte sein könnten, sondern auch weil die Einschränkung der Bewegungsfreiheit zum Alltagsgeschäft der Bundesrepublik und der EU gehören. Der Umgang mit Schutzsuchenden an der europäischen Außengrenze, aber auch den Geflüchteten innerhalb Deutschlands belegen das schmerzhaft. Im Kapitalismus gehören die Freiheiten des Marktes immer auch mit einem repressiven Staat zusammen. Das eine funktioniert ohne das andere nicht. Wie sehr der kapitalistische Staat eingreifen muss, wird allein davon geleitet, wie sehr andererseits die Funktionsweise des Marktes gefährdet ist. Das gilt auch für den Umgang mit SARS-CoV-2.

Überblick über bisherige Maßnahmen

Um das Krisenmanagement bewerten zu können, reicht es nicht, allein die gesundheitliche Gefahr des Virus einzuschätzen, wir müssen uns die Verordnungen und ihre Entwicklung genauer anschauen. Zunächst soll eine kurze Auswahl und Chronik von vornehmlich innenpolitischen Maßnahmen zur Covid-19 Pandemie in Deutschland einen sehr groben Überblick verschaffen:


28. Januar         Der erste Coronavirus-Infizierte in Bayern wird registriert. Jens Spahn erklärt, dass Deutschland gut vorbereitet sei. 


26. Februar       Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW: „Wir haben die Lage unter Kontrolle.“ 


27. Februar       Das Bundesinnen- und Gesundheitsministerium richten einen gemeinsamen Krisenstab ein.


28. Februar Die internationale Reisemesse in Berlin wird abgesagt, die Leipziger Buchmesse und weitere Großveranstaltungen folgen nach und nach mit Absagen. 


4. März             Das Bundeswirtschaftsministerium untersagt die Ausfuhr von medizinischer Schutzausrüstung.


13. März             Zwölf Bundesländer verordnen die Schließung von Schulen und Kindergärten.


15. März            Das Bundesverteidigungsministerium sichert die Unterstützung der Bundeswehr zu.


18. März            Das Bundesinnenministerium setzt die Aufnahme von Geflüchteten für unbestimmte Zeit aus.


22. März             Die Maßnahmen einzelner Bundesländer und Kommunen werden vereinheitlicht. Bund und Länder beschließen „Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte mit einer Geltungsdauer bis mindestens zum 20. April. Versammlungen in der Öffentlichkeit werden auf die Mitglieder des Haushalts bzw. maximal zwei Personen beschränkt; Sicherheitsabstände („wo immer möglich“) sind einzuhalten, der Weg zur Arbeit „ist selbstverständlich weiter möglich“; in den Betrieben sollen Hygienemaßnahmen ergriffen werden. Durchgesetzt werden diese Maßnahmen von den lokalen Ordnungsämtern und der Polizei. 


25. März                Der Bundestag beschließt Änderung zum Infektionsschutzgesetz. Damit erhält das Bundesgesundheitsministerium, sofern der Bundestag eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellt, weitreichende Kompetenzen. Dabei geht es beispielsweise um die zentralisierte Logistik von Arzneimitteln, Schutzausrüstung und Gesundheitspersonal, aber auch um die Möglichkeit, Personen zwangsweise unter Quarantäne stellen zu können und das Betreten öffentlicher Plätze zu verbieten. (https://www.heise.de/newsticker/meldung/Corona-Krise-Bundestag-erweitert-Infektionsschutzgesetz-4690646.html) Die Beschlussbedingungen des Bundestags werden verändert. Mindestens ein Viertel der Abgeordneten müssen fortan zur Beschlussfassung anwesend sein, vorher lag die Quote bei 50 %.


Täglich kommen weitere Maßnahmen hinzu, die teilweise auch nur von einzelnen Kommunen oder Ländern beschlossen werden. Seit Mitte März werden außerdem Änderungen zum Grundgesetz diskutiert. Dabei geht es unter anderem darum, die Beschlussfähigkeit des Bundestags, ähnlich wie bereits für den Verteidigungsfall, zu regeln, und auch um die Ausweitung der Regelungen zum Einsatz der Bundeswehr im Innern, wie vom Reservistenverbandschef Patrick Sensburg gefordert. Die Bundeswehr wurde bereits an verschiedenen Stellen am Krisenmanagement beteiligt, bspw. zur zivilen Unterstützung in der Stadt Heinsberg oder an der polnischen Grenze zur Versorgung von LKW-Fahrern. Bis zum 3. April soll nun die volle Einsatzbereitschaft mit insgesamt 15.000 Soldaten hergestellt werden, um bei „Absicherung und Schutz“, zur „Unterstützung der Bevölkerung“, beim „Ordnungs- und Verkehrsdienst“, bei „Desinfektionsaufgaben“ und bei „Lagerung, Transport und Umschlag“ zu unterstützen.

Unter Datenschützern und Staatsrechtlern werden besonders die Vorstöße von Jens Spahn zur Handydatenauswertung kontrovers diskutiert. Im Kern geht es dabei um die Übersicht über Bewegungsdaten von infizierten Personen zur Ermittlung von Kontaktpersonen. Das Robert-Koch Institut wertet bereits seit dem 17. März anonymisierte Daten der Telekom aus, um die Bewegungsströme der Nutzer abzulesen. Diskutiert wird derzeit über den Einsatz einer freiwilligen App, die die Bewegungsprofile der Nutzer nicht anonymisiert weitergibt und Kontaktpersonen von Infizierten direkt informieren kann. 

Wie sind die Maßnahmen einzuschätzen?

Ein zentralisierter, organisierter und planmäßiger Umgang mit einer Pandemie ist richtig. Das Außerkraftsetzen des föderalen Systems, die staatlichen Eingriffe zur Beschaffung von Arzneimitteln, Schutzbekleidung und zur Schaffung von Intensivmedizinischen Kapazitäten sind notwendig und zeigen zugleich überdeutlich die Mängel des Marktes auf, mit einer solchen Krise umzugehen. Auch bei der Notwendigkeit, die Produktion in Industriebetrieben auf Gesundheitsgüter wie Masken und Atemgeräte umzustellen oder bei der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Alltagsgütern und Lebensmitteln, zeigt der Kapitalismus seine Grenzen. In Krisenzeiten zeigt sich noch deutlicher als sonst, dass die Marktlogik und die Ideologie des Individualismus nicht geeignet sind, um die Herausforderungen und Probleme unserer Zeit zu meistern. Gerade in der Krise ist es notwendig, geplant und koordiniert zu handeln. Das führt auch in einem kapitalistischen Staat zu Zentralisierung, Eingriffen in den Markt, Abschaffung des Föderalismus, Verstaatlichung und zur Not auch zur Kommandowirtschaft. Der Form nach kommt der Imperialismus dem Sozialismus schon sehr nahe – aber nur der Form und nicht dem Inhalt nach. Zwar werden Maßnahmen mit dem Ziel getroffen, das Virus einzudämmen, aber auf die sozialen Folgen wird keine oder kaum Rücksicht genommen.

Die Reduzierung der Sozialkontakte zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Virus ist richtig und einer umfassenderen Ausgangssperre unbedingt vorzuziehen. Die in der Regel bedrückend engen Wohnungen, in denen die Arbeiterklasse, besonders in den Großstädten lebt, verlangen nach der Möglichkeit, diese auch verlassen zu können. 

Es ist natürlich sinnvoll, dass die Kapazitäten der Bundeswehr genutzt werden, um mehr Krankenhausbetten zur Verfügung zu stellen und Kranke zu transportieren. Ein solcher Einsatz ist den Kriegseinsätzen der Bundeswehr in jedem Fall vorzuziehen. Dennoch hat ein Inlandseinsatz auch immer den Zweck, die Bevölkerung stärker an das Militär zu gewöhnen, auch um es zukünftig einfacher zur möglichen Aufstandsbekämpfung einzusetzen. Das gilt insbesondere, wenn die Bundeswehr nun auch „hoheitsstaatliche“ Aufgaben übernimmt, also auch bewaffnete Kontrollen im Inland durchführt. Auch eine Auswertung privater Handydaten zur effektiveren Eindämmung des Virus kann sinnvoll sein, wenngleich die Wirksamkeit der vorgeschlagenen App wohl angezweifelt werden kann. Es macht allerdings einen Unterschied, ob es ein kapitalistischer Staat, ein privater Konzern oder ein sozialistischer Staat ist, der Zugriff auf unsere Daten erhält. Bewertet werden muss die Sammlung und Nutzung der Informationen anhand der dahinterliegenden Interessen. 

Entscheidend ist die Frage danach, ob wir davon ausgehen, dass die beschlossenen Verordnungen auch nach der Pandemie noch Bestand haben werden. Bei der weiteren Aushöhlung des Arbeitsrechts wie der Reform des Kurzarbeitergeldes wird das mit Sicherheit auch so sein und bei den innenpolitischen Maßnahmen sollten wir ebenfalls ein sehr genaues Auge darauflegen. Die Frage wird dann sein, wie gut wir selbst aufgestellt sind, um den Staat dazu zu zwingen, diese Maßnahmen zurückzunehmen. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass bspw. die Einschränkungen zur Bewegungsfreiheit von großer Dauer sein werden, das zeigen nicht zuletzt die Forderungen aus Wirtschaftskreisen und auch Teilen der Politik zur schnellstmöglichen Lockerung.

Es gibt aber zwei zentrale Probleme auch mit diesen Maßnahmen. Das erste und wesentliche Problem ist, dass die Bundesregierung nicht genug tut und das Ziel des Gesundheitsschutzes eben nicht konsequent verfolgt, um so den Schaden für das Kapital so gering wie möglich zu halten. Es bleibt die Aufgabe der Arbeiterbewegung in Deutschland, allen voran der Gewerkschaften, ein Stopp aller nicht-lebensnotwendigen Produktion bei Lohnfortzahlung und deutlich mehr Geld für das Gesundheitssystem einzufordern. Das zweite Problem ist, dass sich der Charakter des Staates und seiner Organe natürlich nicht verändert haben. Es sind die gleichen Parteien und Regierungen, die gemeinsam mit dem Verfassungsschutz faschistische Gruppen aufgebaut und gewähren lassen haben. Es sind die Landesregierungen, die zuletzt massive Verschärfungen der Polizeigesetze verabschiedet haben. Die getroffenen Maßnahmen haben immer auch zwei Seiten. Zum einen können sie im Sinne des Gesundheitsschutzes sinnvoll sein, zum anderen werden sie gleichzeitig die staatliche Kontrolle über die Arbeiterklasse verstärken. Die Erfahrungen des Ausnahmezustands, der jetzt eine Ausbreitung des Virus verlangsamen soll, können zu einem anderen Zeitpunkt wichtig sein, um Proteste der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Und auch schon jetzt haben die Verordnungen diese doppelte Funktion. Es mehren sich Berichte über Polizeigewalt und rassistischen Kontrollen. In einzelnen Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg und NRW werden private Sicherheitsdienste eingesetzt, die Identitätsfeststellungen und Platzverweise verfügen dürfen. In Suhl wurde am 18. März eine Flüchtlingsunterkunft mit Wasserwerfern und Räumfahrzeug des SEK gestürmt, weil sich die Geflüchteten den Quarantänemaßnahmen widersetzt hätten. Demonstrationen, Kundgebungen und Streiks werden mit dem Argument des Ausnahmezustandes unterbunden. Ohne kreative Möglichkeiten zu entwickeln, schließt sich der DGB-Vorstand in vorauseilendem Gehorsam dieser Vorgabe an und sagt alle Aktivitäten zum 1. Mai ab. Dabei zeigen nicht nur die Arbeitskämpfe in Italien, Spanien, Griechenland und weiteren Ländern, was möglich wäre und auch in Deutschland nottut, um uns tatsächlich vor den gesundheitlichen Gefahren zu schützen.

Die Arbeiterklasse in Not!

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Der Staat wird alles tun, um das Kapital zu retten! Wir sollten alles tun, um uns vor der Pandemie, vor dem Kapital und seinem Staat zu schützen!


In rasantem Tempo sind große Teile der Arbeiterklasse durch die Corona-Pandemie in ökonomische und soziale Not geraten. Die Regierung hat bis jetzt nur halbherzige Maßnahmen für die Arbeiterklasse, für kleine Selbstständige und für die kleinen Bauern ergriffen. Die Kapitalseite aber wird aus den vollen Steuerkassen großzügig bedient. Die vollen Kassen, aus denen die Kapitalisten gierig schöpfen, wurden durch Sparmaßnahmen und Privatisierungen gefüllt – z. B. im Gesundheitssektor. Die Bevölkerung zahlt also doppelt und dreifach. Die Pandemie zeigt sehr deutlich, was es bedeutet, in einer Klassengesellschaft zu leben: das Leben und die Gesundheit der Mehrheit zählt nicht viel, die Profite einer kleinen Minderheit alles.


Innerhalb von zwei Wochen sind in Deutschland Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in ökonomische und soziale Unsicherheit geraten. Gerade in den Branchen, in denen Niedriglöhne die Normalität für Beschäftigte sind, schlägt die Pandemie voll ein: im Reinigungs-, Hotel- und Gastronomiegewerbe. Normal ist es hier, dass Beschäftigte nicht über einen Brutto-Vollzeitlohn von 2000 Euro kommen. Normal sind auch befristete Arbeitsverträge, die es den Arbeitgebern erleichtern, die Beschäftigten zu entlassen. Weiterhin ist die Rede von 7,5 Millionen Menschen, die Mini- und Midijobs haben und jetzt entweder schon nicht mehr arbeiten oder um ihren Job bangen. Die allermeisten Menschen sind auf diese, wenn auch geringen, Einnahmen existentiell angewiesen. Unzählige wurden und werden weiterhin in die Erwerbslosigkeit getrieben. Es heißt, dass die Bedingungen für den Erhalt von Leistungen zur Grundsicherung erleichtert werden sollen. Wie das tatsächlich in der Praxis sein wird, ist abzuwarten und aufgrund der Erfahrungen mit den Jobcentern und Arbeitsagenturen stark zu bezweifeln.

Weitere Millionen müssen trotz Ansteckungsgefahr arbeiten, teilweise unter erschwerten Bedingungen. Als erstes sind die Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zu nennen. Arbeiterinnen und Arbeiter in den Supermärkten, im Transport, im Lager, auf den Baustellen und in einigen großen Werken arbeiten weiter, größtenteils ohne besondere Schutzmaßnahmen. Der Grund dafür ist, dass die Unternehmen trotz Pandemie-Gefahr nicht bereit sind, ihre Tore zu schließen, weil sie Profiteinbußen fürchten. In Ländern wie Italien streiken Arbeiter. Sie sehen nicht, warum sie ihre Gesundheit für die Profite der Fabrikanten und Geschäftemacher aufs Spiel setzen sollen. Davon können wir hier in Deutschland nur lernen. Die Forderung, die wir hier aufstellen müssen, ist: sofortiger Stopp der Produktion in den nicht lebensnotwendigen Sektoren bei voller Lohnfortzahlung und Einführung von Arbeitsschutzmaßnahmen in den Produktions- und Dienstleistungsbranchen, die gesellschaftlich notwendig sind.

Die Bundesregierung rechnet für das Jahr 2020 mit etwa 2,35 Millionen Kurzarbeitern. Die Zahl kann natürlich noch steigen, je nachdem wie die Krise sich entwickelt. Für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die auf Kurzarbeit gesetzt werden, heißt es, mit etwa 60 bis 67 Prozent des ausgefallenen Gehaltes auskommen. Damit können einige gerade so ihre laufenden Kosten decken, – viele können nicht einmal das. Die Unternehmen sind dabei fein raus. Der Staat übernimmt die Kosten – also bezahlt real die Bevölkerung selbst dafür. Die Kapitalisten machen dabei keine Miese und die Arbeitskraft steht ihnen trotz des Stillstands im Betrieb weiterhin zur Verfügung. Für viele Arbeiter ist es natürlich besser, Kurzarbeitergeld zu bekommen, als entlassen zu werden. Es gibt aber keinen Grund für falsche Bescheidenheit: warum sollen nicht die Unternehmer dafür zahlen und warum soll das ausgefallene Gehalt um zirka 40 Prozent gekürzt werden? Die richtige Forderung ist also eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Verdi fordert die Erhöhung auf 90 Prozent, das ist eine gute Forderung. Jedoch spricht nichts dagegen, die Forderung auf 100 Prozent zu erhöhen, und im nächsten Schritt dafür zu kämpfen, dass die Kapitalseite die Löhne zahlt. Schließlich stehen den Unternehmen die Arbeiter weiterhin zur Verfügung.

Erschwerend für große Teile der Arbeiterklasse kommt hinzu, dass durch Schul- und Kitaschließungen die eh schon beengten Wohnverhältnisse zur psychosozialen Last für alle Familienmitglieder werden. Besonders für Alleinerziehende ist die Situation unerträglich. Hier unternimmt der Staat rein gar nichts, um die Versorgung, Bildung und Betreuung zu gewährleisten. Die Eltern, die Kinder und die Jugendlichen werden einfach sich selbst überlassen. Auch gesellschaftlich findet kaum eine Debatte darüber statt. Einzig die Digitalisierung der Bildung ist in aller Munde. Das mag für einen gewissen Teil der Familien infrage kommen. Ein Smartphone haben die Schüler wahrscheinlich alle, aber viele Arbeiterfamilien können sich einen oder bei mehreren Kindern sogar viele Computer gar nicht leisten. Was diese Maßnahmen betrifft, ist eine Sache jedenfalls klar: die Last fällt besonders hart auf die Schultern der Arbeiterfrau.

Von der Pandemie selbst sind etliche ältere Menschen und Menschen mit Immunschwäche betroffen. Sie sind jetzt gezwungen, in die freiwillige Selbstisolation zu gehen. Für viele Seniorinnen und Senioren, die alleine wohnen, bedeutet das, dass sie jetzt ganz auf sich gestellt sind und auf die Hilfe aus der Nachbarschaft hoffen müssen. Der Staat hält sich raus und übernimmt kaum Verantwortung für die Älteren.

Benachteiligte Menschen, wie Geflüchtete, Obdachlose und Tagelöhner, sind schutzlos der Ansteckungsgefahr, aber auch der Repression durch die Behörden ausgeliefert. Besonders Geflüchtete, die in Lagern festgehalten werden, können sich kaum gegen die Maßnahmen bzw. gegen fehlende Maßnahmen zur Wehr setzen. Besonders zynisch fällt der Spruch „Alle bleiben Zuhause“ gegenüber Menschen ohne Obdach aus. Anstatt die leerstehenden Hotels zu konfiszieren und eine menschenwürdige und ihre Gesundheit schützende Unterbringung und Versorgung zu gewährleisten, werden viele Menschen einfach der Straße und damit auch der Ansteckung durch das Virus überlassen.

Unternehmer, Kapitaleigner und ihre Interessenvertreter rufen jetzt nach einer Lockerung der Maßnahmen, obwohl Vertreter des Robert-Koch-Institutes davon ausgehen, dass die Infektionsraten erst um Ostern herum ihren Höhepunkt erreichen werden. Die Wirtschaft müsse wieder in Gang kommen, dafür braucht es den freien Verkehr von Arbeitern und Waren, heißt es. Aus ihrer Sicht soll der Staat jetzt dafür sorgen, dass die Produktion wieder anlaufen kann und der Markt normalisiert wird. Dafür müsse die Wirtschaft frei über die Arbeiterinnen und Arbeiter verfügen können. Die Corona-Krise bringt die Verachtung der Kapitalisten für die Arbeiterklasse klar zum Vorschein: die Gesundheit der Bevölkerung ist ihnen egal. Die Kassen sollen klirren. Wie viele Menschen dafür draufgehen, ist zweitrangig.

Der Staat hingegen kann nicht allzu offen und dreist die Interessen des Kapitals vertreten. Er muss die Maßnahmen so gestalten, dass die Bevölkerung das Gefühl hat, man kümmere sich um sie. Er muss aber auch dafür sorgen, dass die Gefahr so eingedämmt wird, dass die nötige Menge und Qualität der Arbeitskraft nicht Gefahr läuft, knapp zu werden, und dass der Unmut in der Gesellschaft nicht unnötig zunimmt. Die Maßnahmen, die bis jetzt verabschiedet wurden, sind auf der einen Seite dazu da, die Kapitalseite vor zu großen Verlusten zu schützen, und auf der anderen Seite, den gesundheitlichen Schaden so zu begrenzen, dass der Arbeitsmarkt nicht zusammenbricht. Schauen die Unternehmer jeweils auf ihre eigenen privaten Einzelinteressen, vertritt der Staat die Gesamtinteressen des Kapitals. Zu diesem Gesamtinteresse gehört, dass die Versorgung der Ausbeutungswirtschaft mit Arbeitskräften sichergestellt wird. Dafür muss ein Mindestmaß an Versorgung gewährleistet werden. Die Corona-Krise bringt den Staat in ein Dilemma: er muss gesamtgesellschaftliche Interessen (hier Gesundheit) kurzfristig über die ökonomischen Privatinteressen der Kapitalistenklasse stellen. Die Funktion des Staates im Kapitalismus ist es aber nicht, gesamtgesellschaftliche Interessen abzusichern, sondern die Herrschaft der Kapitalistenklasse. Angesichts seiner zögerlichen Haltung und den sehr widersprüchlichen Maßnahmen erkennt man, wie wenig er bereit ist, nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu handeln. Viel zu spät wurden Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, dienen dazu weiterhin die Abläufe in der Produktion nicht zu stören. Im Zweifelsfall, das ist jedenfalls klar, wird der Staat sich für die Kapitalseite entscheiden, zumal die Arbeiterklasse in Deutschland nicht gut organisiert ist und nicht mit einer Stimme spricht.

In Krisenzeiten wie diesen wird die Notwendigkeit der Überwindung der Klassengesellschaft deutlicher denn je: der Kapitalismus offenbart uns seine tödliche Fratze. In vielen Teilen der Welt tut er das schon lange und ununterbrochen. Hier zeigt sich wieder, dass die Arbeiterklasse überall die gleichen Lebensinteressen hat, die in krassem Gegensatz zu den Profitinteressen der Kapitalisten stehen.Dauerhaft aus dieser mörderischen Plage des Kapitalismus herauszukommen, ist nur durch den Sozialismus möglich, damit endlich die Lebensinteressen der Mehrheit zählen und nicht die Privatinteressen einer Minderheit. Wenn es nötig sein wird, sich gegen eine Pandemie zu schützen, dann wird im Sozialismus die gesamte Gesellschaft geschützt, indem die Produktion angehalten wird, die Kinder versorgt werden usw. Im Kapitalismus ist es nicht möglich, die Produktion einfach anzuhalten, weil die einzelnen Kapitalisten sich in der Konkurrenz auf dem Markt behaupten müssen. Wenn sie nicht produzieren, können sie kein Kapital akkumulieren und werden aus dem Markt gedrängt. Im Gegensatz zum Kapitalismus wird im Sozialismus nicht für den Profit produziert, sondern um die Gesellschaft zu versorgen.

Jetzt kommt es darauf an, die verschiedenen Teile der Arbeiterklasse unter gemeinsamen und klassenkämpferischen Forderungen zusammenzubringen. Es muss verhindert werden, dass die Kapitalistenklasse ihre Interessen in der Pandemie-Krise auf Kosten der Gesundheit und des Lebens der Bevölkerung durchsetzt.

Neue alte Konflikte in der EU um das Krisenmanagement

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Innerhalb eines Zeitraums von wenigen Wochen ist seit Beginn der Covid19-Pandemie und der Wirtschaftskrise der grundlegende Charakter der EU so deutlich zutage getreten wie schon lange nicht mehr. Das Gerede über „europäische Solidarität“, das in Wirklichkeit immer schon eine hohle Propagandaphrase war, um das imperialistische Staatenbündnis EU mit höheren Weihen zu segnen, hat angesichts des Verhaltens der einzelnen Mitgliedsstaaten ein weiteres Mal das ganze Ausmaß seiner Absurdität offenbart. In Italien und Spanien stapeln sich die Leichensäcke und die kapitalistisch zugerichteten Gesundheitssysteme dieser Länder waren angesichts der Wucht der anrollenden Pandemie so vollkommen überfordert, dass dem Krankenhauspersonal die grauenhafte Wahl aufgezwungen wurde zu entscheiden, welche Patienten behandelt werden und damit eine Überlebenschance bekommen sollten und welche zum Tode verurteilt werden. Hilfegesuche an die EU wurden in dieser Situation u. a. von Deutschland abgewiesen. Dieselbe Linie fährt die Bundesregierung auch in Bezug auf die Frage, ob die EU die am schwersten von der Krise betroffenen Länder mit finanziellen Nothilfen unterstützen soll. Das deutsche Kapital und seine politische Vertretung, die Regierung in Berlin, lehnen auch jetzt die von Italien und Spanien erbetenen Unterstützungsmaßnahmen ab.

Vor einer Videokonferenz der EU-Finanzminister am 24.3. hatte eine Gruppe von neun Ländern, darunter Frankreich, Belgien, Griechenland, Spanien und Italien, die Einführung sogenannter „Corona-Bonds“ gefordert. Damit sollten die am meisten belasteten Länder, also vor allem Italien und Spanien, finanziell entlastet werden: Durch gemeinsam herausgegebene Staatsanleihen der EU-Staaten würden die Renditen, die diese Länder für ihre steigende Staatsverschuldung zahlen müssen, nach unten gedrückt (siehe Kästen: Staatsanleihen & Gemeinschaftsanleihen, Eurobonds). Auch der aus Italien stammende EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni sprach sich dafür aus (Volksblatt: EU-Gipfel berät am Donnerstag zu Corona-Krise per Videocall, 25.3.2020; Björn Finke: Was die EU-Finanzminister gegen die Corona-Krise tun wollen, Süddeutsche Zeitung 24.3.2020). Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier lehnte den Vorschlag dagegen sofort ab und bezeichnete ihn als „Gespensterdebatte“. Auch den Vorschlag eines umfassenden gemeinsamen Investitionsprogramms, eines „neuen Marshallplans“, wie ihn der spanische Ministerpräsident Sánchez einbrachte, lehnte Altmaier ab (Interview mit Peter Altmaier im Handelsblatt, 24.3.2020). Der CDU-Wirtschaftsrat unterstützte die Position des Wirtschaftsministers: „Niemandem in Europa ist geholfen, wenn die Coronakrise missbraucht wird, ein System der Gemeinschaftshaftung zu etablieren“, hieß es. Selbst in Deutschland gibt es in den Reihen der Sprachrohre der herrschenden Klasse aber auch andere Stimmen: So beispielsweise das ehemalige Mitglied des Wirtschafts-Sachverständigenrates Peter Bofinger oder der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft Felbermayr, die Gemeinschaftsanleihen in begrenztem Maße befürworten. Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, sieht das so: „Andrerseits würden sich ja auch Länder, denen es jetzt sehr, sehr schlecht geht – und dafür können sie jetzt im Augenblick nichts, sie sind einfach befallen von dem Virus in einer ersten Phase ganz intensiv – fragen, wer denn helfen würde. Und wenn es am Ende nur die Chinesen sind oder vielleicht die Russen, dann wird der Zerfall der Europäischen Union nach meiner Einschätzung unaufhaltbar sein.“ (Interview mit Hüther: Ein Lackmustest für europäische Solidarität“, Deutschlandfunk 28.3.2020). Teile der deutschen herrschenden Klasse sehen hier also jetzt ihre Felle wegschwimmen und sind sogar zu Maßnahmen bereit, die in Deutschland einen Tabubruch darstellen, weil sie ansonsten einen massiven Einflusszuwachs der weltpolitischen Rivalen China und Russland in Europa befürchten.

Eine dritte Forderung Italiens und Spaniens, für die am schwersten betroffenen Länder Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM (siehe Kasten: „Euro-Rettungsschirm“: EFSF und ESM) ohne Bedingungen freizugeben, wurde in Deutschland ebenfalls negativ aufgenommen. In der letzten Krise wurden Kredite aus dem ESM immer nur nach Erfüllung umfassender Bedingungen zugesagt, die im Wesentlichen massive Angriffe auf den Lebensstandard des Volkes bedeuteten. Der CDU-Wirtschaftsrat äußerte dazu: „Sollte ein Euroland in Schwierigkeiten geraten, greift der ESM-Rettungsschirm mit seinen klaren Bedingungen“, diese dürfe man „auch unter dem Vorwand (!) der schlimmsten Krise der letzten Jahrzehnte“ nicht aufweichen (Michael Sauga: Bloß kein Geld für Italien, Der Spiegel 24.3.2020; Julia Groth: Corona-Bonds – alte Idee, neuer Name, Capital 26.3.2020).

Es kann einen zunächst sprachlos machen, mit welchem eiskalten und menschenverachtenden Zynismus auch angesichts von Tausenden Toten die deutsche Kapitalistenklasse und ihr politisches Personal sich strikt weigern, auch nur einen Millimeter ihrer Interessen preiszugeben. Wer jedoch ein bisschen in die Geschichte der EU zurückblickt, wird sehen: Anders als Sars-CoV-2 sind diese Konflikte in der EU und auch die Positionierung der deutschen Regierung darin alles andere als neu. Sie werden vielmehr bereits seit Jahrzehnten geführt. Seit den 80er Jahren stand für die deutsche Kapitalistenklasse bei der europäischen Integration die Frage im Vordergrund, wie man eine gemeinsame Währung umsetzen könnte, die einerseits dem deutschen Kapital durch den Wegfall der Wechselkursschwankungen in der Eurozone handfeste Vorteile bringt, andrerseits aber auch verhindert, dass andere Staaten die Stabilität dieser neuen Währung untergraben könnten. Denn die Einführung des Euro bedeutete für Frankreich und die südeuropäischen Länder, Zugriff auf eine wesentlich stabilere Währung mit geringerer Inflation zu bekommen und zu wesentlich günstigeren Bedingungen Schulden aufnehmen zu können – was aber wiederum diese Währung schwächen könnte. Mit anderen Worten ging es der BRD darum, eine gemeinsame Währung zu schaffen, die dem deutschen Kapital nur Vorteile, aber keine Nachteile bringt. Ende der 80er und Anfang der 90er waren erhebliche Teile des deutschen Kapitals noch sehr skeptisch, dass dies mit dem Euro gelingen würde, und es dauerte einige Jahre, bis die deutschen Konzerne mehrheitlich den Euro unterstützten.

Aus Sicht der französischen Kapitalisten und der herrschenden Klassen der südeuropäischen Länder stellte sich die Situation ganz anders da: In den Jahren zuvor waren in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Wechselkurse zwischen den Währungen fixiert worden, sodass größere Schwankungen verhindert wurden. Das führte aber durchgängig nur dazu, dass die Zentralbank mit der stärksten Währung, also die Deutsche Bundesbank, allen anderen Ländern die Währungspolitik diktieren konnte und diese alle Schritte der Bundesbank nachvollziehen mussten. Die Bundesbank richtete aber ihre Geldpolitik nur an den Interessen des deutschen Kapitals aus, das aufgrund seiner starken weltwirtschaftlichen Position weniger Inflation brauchte, als es die Unternehmen anderer Länder taten. Durch die Schaffung einer gemeinsamen Währung mit gemeinsamer Zentralbank, die nicht von einem einzelnen Staat abhängig wäre, erhofften die französischen, italienischen, spanischen oder griechischen Kapitalisten sich eine Geldpolitik, die besser ihren Interessen dient. Frankreich forderte zudem immer auch eine europäische „Wirtschaftsregierung“, also ein Gremium mit eigenem Gemeinschaftshaushalt, das Finanzmittel von den stärkeren zu den schwächeren Wirtschaften umverteilen können sollte, wobei auch Frankreich sich davon unterm Strich Vorteile erhoffte – was Deutschland wiederum immer ablehnte. Mit dem Maastrichter Vertrag (1993) wurde dann ein Kompromiss geschlossen, der auch das deutsche Kapital überzeugte, weil die Staaten mit den sogenannten Konvergenzkriterien dazu gezwungen wurden, vor der Einführung des Euro ihre Staatsverschuldung auf maximal 60% zu drücken und ihre jährliche Neuverschuldung auf höchstens 3%. 1997 wurde dann mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt diese Regel noch mal bekräftigt, sodass sie auch für die Zeit nach der Euro-Einführung weiterhin gelten sollte. Das Ergebnis war auch für die deutschen Konzerne sehr vorteilhaft: Eine Währung, die international akzeptiert wird, mit sehr niedriger Inflation und das Ende der Wechselkurse innerhalb der Eurozone.

In der Krise, die 2008/2009 den Euroraum erfasste, brach unter den herrschenden Klassen der EU eine Kontroverse um das Krisenmanagement aus, die nahtlos an den Konflikten der vorangegangenen Jahrzehnte anknüpfte. Wieder ging es letztlich darum, dass das französische Kapital mit seinen südeuropäischen Verbündeten versuchte, Finanztransfers von den stabileren europäischen Ökonomien in die mit größeren Problemen durchzusetzen, was damit begründet wurde, dass nur so die Eurozone gerettet werden könnte. Dabei ging es einerseits darum, dass ein gemeinsamer Fond gebildet werden sollte, aus dem Notkredite für Staaten, die sich der Zahlungsunfähigkeit näherten, bereitgestellt werden könnten (siehe Kasten: „Euro-Rettungsschirm“: EFSF und ESM). Ein anderer Streitpunkt drehte sich um sogenannte „Eurobonds“: Dabei sollte es sich, ganz wie bei den jetzigen „Coronabonds“, um gemeinsam herausgegebene Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten der Eurozone handeln (siehe Kasten: Gemeinschaftsanleihen, Eurobonds). Beide Vorschläge waren zwischen den EU-Staaten und ihren herrschenden Klassen stark umstritten: Der „Rettungsschirm“ wurde nur unter strengen Auflagen durchgesetzt, die „Eurobonds“ wurden dagegen von Deutschland verhindert.

Es zeigte sich, dass besonders in der Krise, wo es nicht mehr um die Verteilung von Gewinnen, sondern um die Verteilung von Verlusten geht, die Widersprüche zwischen den kapitalistischen Nationalstaaten und ihren Kapitalistenklassen eher zunehmen. Auch in der sogenannten „Eurokrise“ war von „europäischer Solidarität“ keine Spur zu erkennen – auch damals waren die Interessen des nationalen Kapitals allein entscheidend für die Politik der Regierungen. Dieses Muster wiederholt sich nun in noch dramatischerer Weise: Auch da, wo es unmittelbar um Leben und Tod geht, wählen die kapitalistischen Staaten kein gemeinsames Herangehen gegen die Pandemie, sondern versuchen, auf Kosten der anderen das Beste für sich, d. h. für ihr eigenes Kapital herauszuschlagen. Leidtragende sind die arbeitenden Menschen, die breiten Bevölkerungsschichten in allen betroffenen Staaten.

Die EU verbreitet bis heute in den Schulen und über die Medien das Märchen, wonach sie gegründet worden sei, um den Frieden in Europa zu sichern und die Völker Europas auf der Grundlage gemeinsamer Werte zu vereinen. In Wirklichkeit waren schon die ersten Schritte der europäischen Einigung ausschließlich von kapitalistischen Interessen getrieben: Es ging um die Absicherung des Kapitalismus in Westeuropa, um die Formierung eines Bündnisses gegen die Sowjetunion und die sozialistischen Länder. Die Gemeinsamkeit der Kapitalisten geht immer nur so weit, wie es gegen die Arbeiterklasse oder gegen rivalisierende kapitalistische Länder geht. Abgesehen davon verfolgen sie ihre eigenen Interessen, mal mit-, mal gegeneinander. Sie gehen zeitweilige Bündnisse ein und verlassen sie wieder, wie aktuell Großbritannien. Und in einer schweren Krise wie der jetzigen verhalten sie sich nicht nur wie feindliche Brüder, sondern eher wie eine Rotte wildgewordener Hunde, die für das kleinste Stückchen Fleisch übereinander herfallen.

Für die Völker Europas wird es von entscheidender Bedeutung sein zu erkennen, dass dieses Bündnis EU ein Bündnis ihrer Feinde ist, das diese zur besseren Ausbeutung der Werktätigen geschmiedet haben. Von der EU können wir keine Verbesserung erwarten. Wir können sie nur zerschlagen und ein wahres Bündnis der Völker an ihre Stelle setzen – nämlich dann, wenn die arbeitenden Menschen der verschiedenen Länder ihr Schicksal selbst in die Hand und die Betriebe und die Staatsmacht unter ihre Kontrolle nehmen: im Sozialismus.


Staatsanleihen Staaten finanzieren ihre Ausgaben zum Teil über die Staatseinnahmen, d. h. Steuern und andere Einnahmen. Allerdings reichen diese Einnahmen meistens nicht aus, um den ganzen Finanzbedarf zu decken. Um ihre Ausgaben trotzdem decken zu können, müssen Staaten sich verschulden. Das tun sie, indem sie Staatsanleihen ausgeben und verkaufen. Wer diese Schuldtitel kauft, erwirbt damit den Anspruch 1) auf eine Rendite, also eine Geldsumme, die regelmäßig wie ein Zins gezahlt wird, und 2) auf die Tilgung der Anleihe zu einem festgelegten Zeitpunkt, der variieren kann.Die Staatsanleihen können ähnlich wie andere Wertpapiere (z. B. Aktien, Unternehmensanleihen, Derivate) auf dem Finanzmarkt weiter verkauft werden. Angebot und Nachfrage nach diesen Staatspapieren bestimmen, wie hoch die Renditen sind, die der Staat zahlen muss, um seine Anleihen noch loszuwerden. Wenn die Gläubiger Zweifel haben, dass der Staat seine Anleihen in Zukunft zurückzahlen können wird, verlangen sie einen Risikoaufschlag auf die Rendite, d. h. es wird für den Staat teurer, seinen Staatshaushalt über Schulden zu finanzieren. Staatsanleihen sind meistens festverzinslich, d. h. es ändert sich bei einer bereits verkauften Anleihe meistens nichts mehr. Wenn diese aber abläuft, muss der Staat eine neue Anleihe verkaufen, um seine alten Schulden weiter bedienen zu können. In einer Situation, wo das immer teurer wird, kann ein Teufelskreis entstehen, der den Staat bis zur Erklärung der Zahlungsunfähigkeit (Staatsbankrott) treibt.

Gemeinschaftsanleihen, „Eurobonds“ Bei den „Eurobonds“ sollte es sich, ganz wie bei den jetzigen „Coronabonds“, um gemeinsam herausgegebene Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten der Eurozone handeln. Die besonders verschuldeten Länder mussten ab Ende 2009/ Anfang 2010 bereits sehr hohe Risikoaufschläge zahlen, um noch Staatsanleihen auf dem Finanzmarkt platzieren zu können. Weil das Risiko der „Eurobonds“ auf die gesamte Eurozone verteilt und damit auch von den Schultern der starken Volkswirtschaften wie Deutschland oder den Niederlanden getragen worden wäre, wäre es insgesamt kleiner gewesen. Davon erhofften sich die hochverschuldeten Staaten und besonders auch Frankreich eine Entlastung ihrer Staatshaushalte und günstigere Bedingungen bei der Ausgabe von Staatsanleihen. Auch aus den französischen Unternehmerverbänden wurde die Forderung nach Eurobonds erhoben. Aus genau demselben Grund, der Eurobonds für das französische Kapital attraktiv machte, sperrte Deutschland sich aber kategorisch gegen solche Gemeinschaftsanleihen: Das deutsche Kapital wollte unbedingt verhindern, dass andere Länder von seiner Stärke profitieren und durch ihre Schuldenprobleme den Euro insgesamt und damit die deutsche Wirtschaft belasten würden. Die Befürchtung der Herrschenden in Deutschland ist einerseits, dass der Euro durch Gemeinschaftsanleihen aller Euroländer an Stabilität verlieren könnte; andrerseits kritisieren sie, dass dadurch der Zwang auf die höher verschuldeten Länder zur Durchsetzung von „Reformen“, d. h. Senkungen der Löhne, Renten, Sozial- und Gesundheitsausgaben, Privatisierungen usw., sinken würde, von denen das deutsche Kapital jedoch profitiert.

Euro-Rettungsschirm“: EFSF und ESM In den Maastrichter Vertrag von 1993, mit dem die EU gegründet wurde, wurde auf Drängen der deutschen Regierung eine „Nichtbeistandsklausel“ aufgenommen, wonach es untersagt ist, dass die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten für die Staatsschulden eines einzelnen Staates haften können. Deutschland bestand darauf vor allem wegen seiner starken Industrie, die eine niedrige Staatsverschuldung möglich machte. Die herrschende Klasse Deutschlands befürchtete, dass andernfalls der deutsche Staat für die ökonomischen Lasten anderer Länder mit aufkommen müssen werde.In der Krise, die 2008/2009 begann, der bis dahin schwersten Krise der EU, war diese Regel in der Form aber nicht mehr haltbar. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten geriet an den Rand der Zahlungsunfähigkeit, also des Staatsbankrotts. Damit wären u. a. die Staatsanleihen im Besitz deutscher und französischer Großbanken entwertet worden. Um in den hochverschuldeten Ländern wie Griechenland oder Portugal einen solchen Staatsbankrott zu verhindern, wurde 2010 zunächst eine „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ (EFSF) gegründet, in die die Mitgliedsstaaten einzahlen und aus der dann Kredite für die „Krisenländer“ zur Verfügung gestellt werden sollten. Die EFSF war aber nur vorübergehend gedacht und wurde dann 2012/13 durch den dauerhaft eingerichteten „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (ESM) ersetzt. Kredite aus EFSF und ESM wurden dabei immer nur gegen schärfste Auflagen vergeben, also gegen die Zusicherung von tiefen Einschnitten in den Sozialsystemen, Angriffe auf die Gewerkschaften, Privatisierungen usw. Nur unter diesen Bedingungen waren das deutsche Kapital und seine Regierung bereit, der Einrichtung eines solchen Fonds zuzustimmen. Länder wie Griechenland, Portugal oder Irland mussten zuerst massiven Sparprogrammen auf Kosten der Arbeiterklasse und Volksschichten ihrer Länder zustimmen, was allerdings die Kapitalisten in diesen Ländern teilweise auch gerne taten, weil sie sich davon eine dauerhafte Umverteilung zugunsten des Kapitals und eine Schwächung der Gewerkschaften erhofften.

Schutz des Kapitals statt Schutz der Menschen

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Zum „Rettungspaket“ der Regierung

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Während in Europa mittlerweile jeden Tag über tausend Menschen an der Pandemie sterben und die Krankenhäuser in Deutschland vor einer Katastrophe stehen, scharren die Unternehmer und ihre Vertreter in der Politik mit den Hufen. Sie wollen so schnell wie möglich die Einschränkungen, die aufgrund der Pandemie notwendig sind, aufheben. Das fordern der FDP-Vorsitzende Lindner, der grüne Bürgermeister von Tübingen Palmer und der CDU-Politiker Linnemann. Auch die Thinktanks des Kapitals fordern eine schnelle Rückkehr zur Normalität. Der Wirtschaftsprofessor Thomas Straubhaar bevorzugt eine „kontrollierte Infizierung“ der gesamten Bevölkerung und sein Kollege Christoph Lütge meint, „über einen solchen Stillstand der Wirtschaft könnten nicht rein medizinische Gesichtspunkten entscheiden“ und: „Wir können nicht unser gesamtes Wirtschaftsleben an den Bedürfnissen von 75-Jährigen ausrichten.“ Obwohl Virologen vor einer Infizierung weiterer Teile der Bevölkerung und vielen Toten, die damit einhergehen, warnen: Das Kapital macht Druck. Noch hält die Regierung an den Maßnahmen bis zum 20. April fest –– verglichen mit China eine viel zu kurze Zeit.

Der „Gesundheitsminister“ Jens Spahn, der die Pandemie lange verharmlost und nur zögerlich Maßnahmen eingeleitet hat, verspricht bereits, dass zu Ostern der „Exit-Plan“ vorgelegt werden soll. Für das Kapital sind die Maßnahmen lästig und der internationale Konkurrenzdruck ist stark. US-Präsident Trump will auch so schnell wie möglich wieder die Profite sprudeln lassen, Ford hat bereits angekündigt, Anfang April die Produktion wieder aufzunehmen. Italien und Spanien mussten aufgrund der massiven Verbreitung des Virus weitergehende Produktionseinschränkungen beschließen, die allerdings durch die Unternehmerverbände ausgehöhlt werden.

Das „Rettungspaket“ der BRD

Das deutsche Kapital hat am Mittwoch die wichtigsten Maßnahmen vom Bundestag präsentiert bekommen: Das „Rettungspaket“. Im Eilverfahren durchgepeitscht, wie einst die Bankenrettung in der Weltwirtschaftskrise 2009.

Zum Rettungspaket sind folgende Punkte zentral:

  • Es zeigt, dass der Schutz des Kapitals im Vordergrund steht.
  • Es ist ein Rettungspaket für die Monopole.
  • Es ist eine enorme Umverteilung zugunsten des Kapitals und zu Lasten der Arbeiterklasse. 
  • Es zeigt die Verschärfung der Konkurrenz zwischen den imperialistischen Staaten.

Der Bundestag hat direkte Finanzspritzen und Kredite und Garantien für Unternehmen in nie dagewesener Höhe beschlossen. Ebenso wurden sozialstaatliche Maßnahmen verabschiedet, die aber ebenfalls am Interesse des Kapitals ausgerichtet sind. Die Maßnahmen zur Entlastung der Krankenhäuser sind weiterhin mangelhaft und wurden nur auf großen Druck hin verbessert.  

Für die Monopole

Die Maßnahmen sind im Kasten im Detail dargestellt. Der größte Teil geht mit 600 Milliarden Euro des neu gegründeten „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ an die großen Unternehmen. Hier sind die Monopole im Fokus. Die Stärkung ihrer Macht ist für den deutschen Imperialismus entscheidend. Der Fonds übernimmt Garantien für Kredite und kann Anteile an Unternehmen kaufen, um sie zu retten – sie also vorübergehend verstaatlichen. Der Fonds sieht zwar keine direkten Hilfen für Banken vor, sondern richtet sich an die „Realwirtschaft“. Allerdings sind Industrie- und Bankkapital miteinander verschmolzen und verflochten. Die Unterstützung der großen Industriebetriebe ist auch eine Sicherung der Banken und ihrer Beteiligungen. Die Absicherung der Kredite der Unternehmen ist zudem auch eine Absicherung der Rückzahlungen an die Banken.

Im Vergleich dazu sind die 50 Milliarden Euro für kleine Unternehmen und Solo-Selbständige mickrig. Sie sind zudem mit Auflagen verbunden, die viele Solo-Selbständige nicht erfüllen werden können. Die Summen für kleine Betriebe werden außerdem wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Umsatzausfälle zu kompensieren. Insgesamt dürfte es auch in dieser Krise zu einer verstärkten Konzentration und Zentralisierung des Kapitals kommen, also kleine und mittlere Unternehmen werden von den Monopolen entweder eingegliedert oder in direkte Abhängigkeit gebracht. 

Zu Ungunsten der Lohnabhängigen

Dass das Rettungspaket insgesamt im Interesse des Kapitals, insbesondere der Monopole ist, sieht man auch im Verhältnis zu den Maßnahmen für die lohnabhängige Bevölkerung. Nicht nur vom Umfang, sondern auch von der Ausrichtung der einzelnen Maßnahmen her. Der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld ist zwar auch für die Beschäftigten in dieser Situation eine bessere Variante als die Entlassung. Das ändert allerdings nichts daran, dass sie die Kompensation des Lohnverlusts aus ihrer eigenen Tasche bezahlen. Denn das Kurzarbeitergeld wird von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt. An sie fließen die Beiträge der Unternehmen und der Beschäftigten zur Arbeitslosenversicherung. Beide – auch die der Unternehmen – sind Bestandteile des Lohns. In der nun beschlossenen Variante müssen die Unternehmen keine Sozialversicherungsbeiträge mehr für das Kurzarbeitergeld bezahlen, sie sparen also nochmal Milliarden. Die Forderung des DGB, dass die Unternehmen deshalb das Kurzarbeitergeld aufstocken sollen, ist vollkommen richtig. Sie wird aber nur in einem gemeinsam organisierten Kampf erreicht werden können. Stattdessen sagt die Regierung nun, die Beschäftigten sollen Hartz IV beantragen. Das ist zum Vorteil für die Kapitalseite, weil Hartz IV durch Steuern finanziert wird, die zum großen Teil von den Lohnabhängigen aufgebracht werden.

Auch das Miet-Gesetz ist kein Schutz. Denn es gilt nur befristet, dass heißt die Nachwirkungen der Krise sind ausgenommen. Und man muss die Miete zurückzahlen, obwohl die Lohneinbußen nicht erstattet werden. Große Monopole, wie Adidas und H&M haben die Gelegenheit genutzt und Mietzahlungen eingestellt – bei prall gefüllten Kassen.

Die Entlastung der Krankenhäuser – das Wichtigste in dieser Pandemie – fällt auch nach Druck der Kliniken zu gering aus und behält das Problem der Fallpauschalen und des Personalmangels bei. Es sind also nicht nur die 10 Milliarden, die im Vergleich zum Gesamtpaket ausdrücken, wo die Regierung den Schwerpunkt legt, sondern auch, dass die konkreten Probleme der Gesundheitsversorgung nicht ernsthaft angegangen werden. 

Schwarze Null

Der Bundestag hat beschlossen, die Schuldenbremse außer Kraft zu setzen, um dieses Paket zu finanzieren. Damit ist die „Schwarze Null“ – also das Verbot von neuen Schulden – ausgesetzt. In dieser Situation zeigt sich, wofür diese Haushaltspolitik die ganze Zeit gedacht ist. Über viele Jahre wird am öffentlichen Dienst – dabei besonders im Gesundheitsbereich – massiv gespart. Dadurch häuft der Staat mehr Mittel an und steigert seine Kreditwürdigkeit auf den Finanzmärkten. Für den Fall, dass schnell viele Mittel für die Bedürfnisse des Kapitals locker gemacht werden müssen, ist er dann in der Lage schnell viele Schulden aufnehmen zu können und sie den Monopolen zur Verfügung zu stellen. Auch in dieser Pandemie bleibt das so: Das was jahrelang im Gesundheitswesen gespart wurde, wird nun den großen Konzernen in den Rachen geworfen. Das ist eine Umverteilung über den Staatshaushalt zu Gunsten der Monopole.

Internationale Konkurrenz

Alle imperialistischen Staaten greifen in der Krise zu Maßnahmen, um ihre Monopole im Konkurrenzkampf mit den anderen zu stärken. Dabei ist der Staat, der das meiste Pulver gehortet hat, in einer besseren Angriffsposition. In Europa hat kein Staat soviel Pulver zu verschießen, wie die BRD. Und sie setzt diese „Bazooka“ mit dem Wissen ein, dass Frankreich, Italien und andere Staaten in einer Krise sind und nicht in der Lage sein werden, ihr Kapital entsprechend aufzustellen. Das Ziel ist, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Hier kann kein ausführlicher Ländervergleich vorgenommen werden. Die USA haben ein ebenfalls sehr großes Paket mit 2 Billionen Dollar beschlossen. Die G20-Staaten wollen insgesamt 5 Billionen Dollar bereitstellen. Dennoch ist im Verhältnis zur Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl das Rettungspaket der BRD enorm groß. Je nachdem welche Summen man wie addiert reicht es mit 1,2 Billionen Euro an ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts von knapp vier Billionen Euro. Eine Besonderheit des deutschen Staats ist die Möglichkeit, mit dem Kurzarbeitergeld große Summen aus dem Fonds der Löhne zugunsten der Unternehmen zu nutzen, die die Arbeiter nicht entlassen müssen und somit schnell nach der Krise die Produktion hochfahren können.

Wie die Krise verlaufen wird und wie groß der Anteil der Pandemie daran ist (er ist nicht gering), können wir jetzt noch nicht vorhersehen. Aber mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Mächten danach neu sortiert sein. Sicher ist, dass die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung verschärft wird und die Konflikte zunehmen werden.


Zu den Maßnahmen im Einzelnen

Das Rettungspaket besteht aus:

  1. Wirtschaftsstabilisierungsfonds
  2. Unterstützung für kleine Firmen und Solo-Selbständige
  3. Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld
  4. Erleichterter Zugang zu Hartz IV
  5. Miet-Gesetz
  6. Entlastung der Krankenhäuser

1) Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Der größte Teil des Rettungspakets ist der Wirtschaftsstabilisierungsfonds. In ihn fließen 600 Milliarden Euro. Er ist vorgesehen für große Unternehmen, die eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro aufweisen, mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse und mehr als 249 Beschäftigte haben.   

Er besteht aus drei Elementen:

  • Das erste und größte ist ein Garantierahmen. Das heißt, dass der Staat für Unternehmen einspringt, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können und auch um neue Kredite aufzunehmen. Das nennt man „sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren“. Dafür sind 400 Milliarden Euro vorgesehen.
  • Das zweite Element besteht aus 100 Milliarden Euro, die dafür eingesetzt werden können, Anteile von Unternehmen aufzukaufen, sie also zum Teil zu verstaatlichen.
  • Das dritte Element besteht ebenfalls aus 100 Milliarden Euro und dient dazu die Sonderprogramme zu finanzieren, die die staatliche Bank „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) für Unternehmen auflegt und die vor allem in Krediten bestehen.

Um diesen Fonds zu finanzieren, nimmt der Staat 156 Milliarden Euro neue Schulden auf und übersteigt damit die Schuldenbremse um 100 Milliarden Euro.

→ Die Konzerne müssen nicht an ihre Kapitalrücklagen ran, sondern können sich durch die Garantien des Staats neu finanzieren. Damit haben sie vermutlich nach der Krise einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz, weil sie weiterhin über viel Kapital verfügen, zum Beispiel um Konkurrenten aufzukaufen oder um neu zu investieren und Marktanteile zu erobern.

2) Unterstützung für kleine Firmen und Solo-Selbständige

Dieser Teil umfasst 50 Milliarden Euro und dient als Zuschuss für Solo-Selbständige und kleine Unternehmen. Bei bis zu fünf Beschäftigten gibt es eine Einmalzahlung von bis zu 9.000 Euro, bei bis zu zehn Beschäftigten bis zu 15.000 Euro.

→ Die Summen reichen nicht aus. Viele kleine Unternehmen werden pleite gehen. Es wird eine neue Sortierung des Markts geben und vermutlich eine Konzentration und Monopolisierung in einigen Bereichen.

3) Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld

Bisher konnten Unternehmen nur Kurzarbeitergeld beantragen, wenn ein Drittel der Belegschaft nicht mehr ausreichend beschäftigt werden konnte. Nun reichen dafür 10% aus. Zudem können nun auch Leiharbeiter Kurzarbeitergeld erhalten. In der Kurzarbeit erhalten Beschäftigte 60% (bei Familien 67%) des Lohnanteils, der ihnen durch die kürzere Arbeitszeit verloren geht, durch die Bundesagentur für Arbeit. Neu ist nun, dass die Unternehmen keine Sozialversicherungsbeiträge mehr für das Kurzarbeitergeld bezahlen müssen. Dadurch sparen sie Milliarden ein.

→ Mit dem Kurzarbeitergeld können die Konzerne ihre Mitarbeiter halten und die Produktion sofort hochfahren, sobald es die Situation erfordert. Der Lohnausfall wird aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und damit aus Lohnbestandteilen finanziert, kostet die Konzerne also nichts. Zum Kurzarbeitergeld-Gesetz wird es einen separaten Artikel geben.

4) Erleichterter Zugang zu Hartz IV

Da viele Arbeiter in Kurzarbeit geschickt werden und bei vielen der Lohn nicht mehr ausreicht, um Miete und Lebenskosten zu decken, müssen sie zusätzliche Leistungen beantragen. Der Zugang zu Hartz IV soll nun erleichtert werden, indem die Vermögensprüfung und die Überprüfung der Kosten der Unterkunft vereinfacht werden sollen.

Außerdem soll die Antragstellung für den Kinderzuschlag vereinfacht werden – sie war allerdings bisher auch sehr kompliziert.

→ Wenn jetzt viele Arbeiter in die Grundsicherung rutschen, werden viele danach nicht so einfach rauskommen und sind dann den verschärften Bedingungen der Jobcenter unterworfen. Die Finanzierung über den Haushalt entlastet die Kapitalseite.

5) Miet-Gesetz

Mietern soll bei Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 nicht gekündigt werden dürfen, wenn sie glaubhaft machen, dass die Pandemie ursächlich für die Nichtzahlung ist. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt aber bestehen, sie muss nachgezahlt werden.

→ Es wird zu einer gesteigerten Verschuldung vieler Haushalte kommen. Je nachdem wie lange die Krise anhält, summieren sich schnell viele tausend Euro. Die Regelung, diese zurückzubezahlen ist ein Skandal. Während große Wohnkonzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen auf Milliarden sitzen, sollen die Mieter trotz fehlender Löhne die Miete zahlen. 

6) Entlastung der Krankenhäuser

Der ursprünglich von Spahn eingebrachte Gesetzentwurf sah lediglich eine Unterstützung der Krankenhäuser in Höhe von 3 Mrd. Euro vor. Erst nach massivem Protest der Kliniken und der Gewerkschaft verdi besserte der Minister nach. Nun sollen es bis zu 10 Milliarden Euro sein. Allerdings bleibt das Abrechnungssystem der Fallpauschalen erhalten. Zu diesem Gesetz soll eine separate Auswertung erstellt werden.

Klassenkampf in Zeiten der Pandemie

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Die Corona-Pandemie bedroht die Gesundheit der Völker und wirft die Arbeiter und anderen werktätigen Schichten in existenzielle Not. Sie zeigt mit aller Deutlichkeit, dass die herrschende Klasse bereit ist, über Leichen zu gehen und die Gesundheit der Menschen ihren Profitinteressen unterzuordnen. Die Kapitalisten erkennen zwar auch, dass eine zu große Katastrophe ihre Herrschaft gefährden könnte und sie deshalb bestimmte Maßnahmen ergreift, die auch Kapitalinteressen zuwider laufen können. Aber die Pandemie zeigt in grellem Licht, dass nur der Sozialismus in der Lage ist, die Gesundheit der Menschen zu schützen und mit einer vernünftig geplanten Wirtschaft den Lebensbedürfnissen der Gesellschaft gerecht zu werden.

Die anfängliche noch verbreitete Auffassung, dass die von SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung COVID-19 einfach nur eine Art saisonale Grippe, und die Ausbreitung des Virus daher ja nicht weiter problematisch sei war von Anfang an falsch. Fundierte exakte Prognosen, was passiert, wenn die Ausbreitung des Virus nicht zumindest verlangsamt, besser jedoch nach und nach komplett aufgehalten wird, sind zwar schwer zu treffen. Fest steht aber: Diese Pandemie ist eine große Gefahr für die Menschen und die Regierungen der kapitalistischen Staaten unternehmen viel zu wenig, um die Verbreitung zu stoppen und die Bevölkerung zu schützen.An den Beispielen Italiens, der USA und des Elsass lässt sich erkennen, dass die Gesundheitssysteme westlicher Industrieländer keineswegs den Belastungen gewachsen sind, die ansonsten drohen.

Mehr als 28.000 Menschen sind nun (Stand: 28. März 2020) bereits weltweit mit COVID-19 gestorben, und voraussichtlich werden es weit mehr werden. In Deutschland sind nach offiziellen Zahlen bisher vergleichsweise wenige Menschen um ihr Leben gekommen, aber auch hier steigen Infektionen und Todesfälle weiter an. Ob die Effekte der neuesten Ausgangsbeschränkungen bzw. des „umfassenden Kontaktverbots“ greifen müssen wir zwar noch abwarten. All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Regierung viel zu zögerlich gehandelt hat und dies auch weiterhin tut: ihr ist schlicht und ergreifend die nationale Industrieproduktion und die Sicherung deutscher Kapitalinteressen wichtiger als die Gesundheit und das Leben der arbeitenden Menschen.

Wofür wir kämpfen müssen

Die sogenannte „Coronakrise“ ist keine „Naturkatastrophe in Zeitlupe“. Sie ist ein Zeugnis der Unfähigkeit einer vom Kapital beherrschten Gesellschaft, den grundlegenden Bedürfnissen der Arbeiterklasse und anderer Volksschichten gerecht zu werden. Und sie betont die Notwendigkeit, im Rahmen einer sozialistischen Gesellschaft eine Gesundheits-versorgung sicherzustellen.

Dem inkonsequenten und damit tödlichen Handeln beziehungsweise Nichthandeln des deutschen Staates müssen wir uns entgegenstellen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bevölkerung weiterhin einer unnötig hohen Gefahr zukünftiger Infektionen ausgesetzt wird. Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen muss die Produktion in den Bereichen, die nicht lebensnotwendige Güter herstellen, eingestellt werden, und zwar sofort und bei Fortzahlung des Gehalts. Dies wird uns nicht geschenkt werden, aber Streiks wie in Italien zeigen, wie dies möglich gemacht werden kann. Den italienischen Arbeitern gilt unsere Solidarität. Insbesondere für die Risikogruppen, für Alte und Menschen mit unterdrücktem Immunsystem oder Grunderkrankungen ist es wichtig, die Pandemie in den Griff zu bekommen, und sie brauchen bessere Fürsorge. Ebenso wichtig ist es, dass das Pflegepersonal mit Schutzmitteln ausgestattet wird. China hat Hilfe angeboten, und auch in Deutschland sind Atemschutzmasken und Schutzkittel knapp – die Hilfe muss angenommen werden!

In den Kliniken schuften die Pfleger und die Ärzte so gut sie können. Was sie brauchen, ist kein Beifall und warme Worte von den Politikern, die bei Gesundheitssystem in erster Linie an Privatisierung, Ökonomisierung und Sparpolitik denken. Diese Politiker sind daran Schuld, dass die im Krankenhaus arbeitenden Menschen in dem jetzigen Ausmaß mit der Situation zu kämpfen haben. Aber auch von uns brauchen sie keinen Beifall, was sie brauchen ist ein gemeinsamer Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. Das bedeutet zum einen mehr Personal, es fehlen über 150.000 Stellen in den Krankenhäusern. Zum anderen bedeutet es, einen sehr grundlegenden Kampf aufzunehmen: Die Profitinteressen von privaten Klinikketten laufen einem am Menschen orientierten Gesundheitssystem zuwider. Die Krankenhäuser der Klinikkonzerne müssen wieder verstaatlicht werden. Gleichermaßen gehört das Fallpauschalensystem abgeschafft, das den Krankenhäusern eine betriebswirtschaftliche Orientierung aufzwingt, statt sich daran zu orientieren, was medizinisch sinnvoll ist.

Auch in anderen Bereichen zeigen sich jetzt schon Folgen: Hunderttausende Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen (Befristete, Leiharbeiter, Minijobber, Studenten) haben bereits ihren Job verloren. Millionen stehen vor der Kurzarbeit und damit vor krassen Lohneinbußen, in anderen Bereichen (Einzelhandel, Reinigung und Pflege) findet eine starke Mehrbelastung und Arbeitsintensivierung statt. Die Arbeitsrechte werden auch in nahezu jedem Betrieb angegriffen: Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte werden umgangen und Menschen in Zwangsurlaub geschickt oder ihre Arbeitsverträge unrechtmäßig abgeändert oder aufgekündigt.

Was tun in solchen Krisenzeiten?

An vielen Orten haben sich Initiativen gegründet um zum Beispiel Nachbarschaftshilfe zu leisten oder gegenseitige Hilfsangebote zu schaffen für Menschen, die jetzt in Kurzarbeit geschickt oder hinausgeschmissen werden sollen. Diese Initiativen sind prinzipiell gut, wir denken aber, dass ihre Stoßrichtung über das Karitative hinaus gehen und politischer werden muss.

Die Gewerkschaften müssen in die Arbeit miteinbezogen werden, und statt die Füße stillzuhalten müssen sie die Hilfe organisieren und zusammenführen. Die Alltagserfahrungen aus den Betrieben, dem Home-Office und den Stadtteilen müssen in den Gewerkschaften gesammelt und diskutiert werden. Auch wenn die Gewerkschaftsführungen schlechte Vereinbarungen mit dem Kapital treffen, die nicht im Sinne der Arbeiterklasse sind – an der Basis bewegt sich viel, viele sind bereit sich zu organisieren. Denn während die Regierung und das Kapital von Solidarität faseln, lassen sie breite Teile der Bevölkerung mit ihren Problemen maßgeblich alleine. Die Organisierung von echter Solidarität, nämlich Klassensolidarität, muss von der Gewerkschaften organisiert werden. Denn sie sind die einzigen Organisationen die mit starker Stimme für die Arbeiterklasse sprechen können.

Das gilt insbesondere, da die Corona-Pandemie tiefe Spuren hinterlassen und den Klassenkampf verschärfen wird. Einen Hinweis darauf geben die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen: In Norwegen hat sich die Arbeitslosigkeit innerhalb kürzester Zeit verfünffacht und in den USA haben 3.3 Millionen Menschen Erstanträge auf Arbeitslosengeld gestellt. Auch in Deutschland steigen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. Millionen Lohnabhängige werden in existenzielle Nöte geworfen. Die Maßnahmen der Regierung wie das Miet-Gesetz sind keine wirkliche Abhilfe, sondern Hohn.

Die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch die Unternehmen auf 100% und ein Miet-Moratorium, das Mietschulden nicht auf einen späteren Zeitpunkt verlegt, sondern ganz streicht, müssen Mindestforderungen sein.

Wir schließen uns der Stellungnahme der Kommunistischen und Arbeiterparteien an, die gemeinsam Sofortmaßnahmen gegen die Pandemie und für die Rechte der Bevölkerung und der Arbeiter im Gesundheitswesen fordern. Der Imperialismus zeigt die Brutalität der Konkurrenz und des Vormachtstrebens auch in der Pandemie. Staaten wetteifern darum, wer als Stärkster aus der Krise hervorgeht anstatt internationale Hilfe zu leisten. Sanktionen, die Tod und Leid bringen – gegen Syrien, Iran, Russland und andere Staaten – werden aufrecht erhalten.

Für uns Kommunisten ist internationale Solidarität das Wesen des Kampfs der Arbeiterklasse. Kuba zeigt mit großer Anstrengung trotz der Blockade was der Sozialismus kann: Ärzte schicken, Medikamente entwickeln und planmäßig und entschlossen gegen die Pandemie vorgehen! Kuba ist Vorbild und wir müssen seine Leistungen bekanntmachen und als Alternative zu dem Chaos und der Menschenverachtung des Imperialismus propagieren. Viva Cuba Socialista!

Wir werden in kommender Zeit verstärkt die Ereignisse und Maßnahmen rund um die Coronapandemie einordnen, analysiseren und kommentieren. Dabei wollen wir den Blick auf das deutsche Gesundheitssystem, die Rolle des deutschen Staates und der EU, auf die innen- und außenpolitischen Maßnahmen, auf die Gewerkschaften und auch auf internationale Themen richten. Wir wollen Kampferfahrungen teilen und zu einer weiteren Organisierung beitragen, wir wollen aufzeigen, warum der Sozialismus die einzige Alternative ist, in der eine Virus-Pandemie nicht im Interesse einer kleinen Minderheit, sondern im Interesse der Mehrheit der Menschen ernsthaft bekämpft werden kann.

Hoch die internationale Solidarität!

100 Jahre Kapp-Putsch – 100 Jahre Rote Ruhr-Armee

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Am 13.3.2020 jährt sich zum 100. Mal der Putschversuch der monarchistischen Konterrevolutionäre unter der Führung von Wolfgang Kapp und General von Lüttwitz, um nach den Erfahrungen der Novemberrevolution eine unverhüllte Diktatur der Monopolbourgeoisie in Deutschland zu errichten. Dieser Putsch wurde durch die einheitliche Aktion, nämlich durch Generalstreik und Bewaffnung der organisierten Arbeiterklasse in Deutschland verhindert. Die einheitliche Aktion mündete jedoch nicht in einer Entmachtung der Monopolbourgeoise, also der Errichtung der proletarischen Staatsgewalt. Damit wurde die ökonomische Basis dieses monarchistischen Putschversuches nicht beseitigt, weshalb diese 13 Jahre später erneut- und erfolgreich- die unverhüllte Diktatur des Kapitals in Form des Hitlerfaschismus errichten konnte. 

Für uns Grund genug, sich tiefer mit diesem Ereignis zu befassen. Dieser Artikel gibt zunächst einen Einblick in die politischen Hintergründe des Kapp-Putsches, benennt also Akteure und Interessenslagen. Er befasst sich dann mit dem organisierten proletarischen Widerstand, explizit mit dem organisierten Generalstreik und der Bildung der Roten Ruhrarmee. Anschließend soll der Nachgang mitsamt politischer Folgen für Deutschland und die Arbeiterklasse skizziert werden. Zuletzt soll ein Fazit gezogen werden: Welche Parallelen gibt es zu heute? Wie sieht antifaschistischer Widerstand in Deutschland 100 Jahre nach dem Putsch aus? Vor welchen Fragen und Aufgaben steht der proletarische Antifaschismus heute, wenn er ernsthaft Widerstand leisten will?

Politische Hintergründe des Kapp-Putsches 

Der Erste Weltkrieg endete 1918 mit der militärischen Niederlage Deutschlands. Er war der Versuch der deutschen Monopolbourgeoisie und ihres Staates, ihre Position im imperialistischen Weltsystem zu verbessern. Dieser gescheiterte Versuch brachte bereits während des noch laufenden Krieges immer deutlicher die Sinnlosigkeit des Krieges für die Arbeiterklasse zum Ausdruck. Der Unmut über die mörderische Profitmacherei mündete in der großen sozialistischen Oktoberrevolution in Russland und zum Ende der Monarchie in Deutschland- erzwungen durch die organisierte politische Aktion der Massen. 

Der Verrat der Sozialdemokratie, die zu späte Gründung einer konsequenten kommunistischen Arbeiterpartei, und die folglich mangelnde Führungsrolle der KPD führten zu einer Erstickung der Novemberrevolution im Blute der Arbeiter: Sie  wurde von den reaktionären Freikorpstruppen unter der Führung des Sozialdemokraten und Reichswehrministers Gustav Noske zerschlagen, ihre Führer ermordet.  Die Novemberrevolution konnte nicht in eine sozialistische hinüberwachsen.

Die herrschende Klasse war sich nach dieser turbulenten Zeit nicht einig über den Umgang mit der neuen bürgerlichen Republik und der neuen Rolle der Sozialdemokratie. Gleichzeitig war die organisierte Arbeiterbewegung, trotz verlorener Januarkämpfe 1919, eine große Bedrohung für die politische Macht der Bourgeoisie. Entsprechend traten Teile der Bourgeoisie für eine Integration der Arbeiterbewegung, organisiert über die Sozialdemokratie und Gewerkschaften ein. Andere Teile plädierten für Repression und Niederhaltung der Arbeiterbewegung. Die reaktionärsten Teile der zweiten Gruppe wollen die Bedingungen des Versailler Vertrages mitsamt seinen Reparationszahlungen und Gebietsabtretungen nicht akzeptieren. Ohne Umschweife sollte das deutsche Monopolkapital wieder in die Lage versetzt werden, im imperialistischen Weltsystem eine führende Position einzunehmen.

In diesen Kreisen gründete sich im Sommer 1919 unter der Führung des Hauptmanns Waldemar Pabst, der bereits an der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts beteiligt war, die sogenannte Nationale Vereinigung. Diese stand in direkter Verbindung zum Nationalklub, dem die Großindustriellen Ernst von Borsig, Emil Kirdorf, Hugo Stinnes, Albert Vögler und die militaristischen und reaktionären Politiker Erich Ludendorff, Karl Helfferich und Alfred Hugenberg angehörten. Die Nationale Vereinigung stützte sich auf die Reichswehr, die Freikorps und Teile der bürgerlichen „Einwohnerwehren“. 

General von Lüttwitz unterbreitete am 10.3.1920, nachdem zwei Marinebrigaden entsprechend des Versailler Vertrages aufgelöst wurden dem sozialdemokratischen Reichspräsidenten Ebert ein Ultimatum: Keine Verringerung der Reichswehr, keine Abgabe von Waffen und Munition an die Entente, Neuwahl der Nationalversammlung und des Reichspräsidenten. Der darauf folgende Haftbefehl der sozialdemokratischen Führung kam zu spät: Das Reichswehrministerium verweigerte sich, die Reichswehr gegen die Meuterer einzusetzen.

Im Zuge des in den frühen Morgenstunden des 13.3.1920 beginnenden Putsches zog die Marinebrigade Erhardt mit Hakenkreuzstahlhelmen durch Berlin, besetzte das Regierungsviertel und verhaftete, misshandelte und ermordete Arbeiter, vor allem Mitglieder und Funktionäre von KPD, USPD und SPD.

Innenpolitisch war der Kapp-Putsch der Versuch der monarchistischen Konterevolutionäre, eine unverhüllte Diktatur des Kapitals auch ohne sozialdemokratische Führer und Gewerkschaften durchführen zu können. Außenpolitisch richtete sich der Putsch gegen die junge Sowjetunion: Von Lüttwitz selbst erklärte, dass der Kampf gegen den Bolschewismus ein Hauptgrund der gesamten „Bewegung“ und forderte für dieses Ziel die Verstärkung der Reichswehr. 

Proletarischer Widerstand 

Sofort nach dem Putsch legten Millionen Arbeiter in Deutschland trotz politischer Spaltung kurz nach der Novemberrevolution die Arbeit nieder und bildeten stürmische Versammlungen und Demonstrationen:

„Millionen Arbeiter, Mitglieder der KPD, der USPD, der SPD und Parteilose, erkannten, dass dieser Angriff gegen die Interessen aller Teile der Arbeiterschaft, unabhängig von ihrer politischen Auffassung, gerichtet war. (…) Unter dem Eindruck der Gefahr, die von den Putschisten ausging, besann sich die durch die opportunistische Politik der Führung der SPD und rechter Führer gespaltene Arbeiterklasse auf ihre stärkste Waffe, auf ihre Einheit.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 3)

Die Führungen von KPD, SPD und USPD sowie der Gewerkschaften riefen noch am 13.3.20 zum sofortigen Generalstreik gegen die Putschisten auf. Einzelne KPD-Landes- und Bezirksgruppen riefen zur direkten Bewaffnung der Arbeiter und zum Kampf gegen die Putschisten auf. Kommunisten traten sofort in die an vielen Orten entstehenden Streikleitungen und Aktionsausschüsse und forderten offensive Kampfmaßnahmen gegen die Putschisten.

Am 15.3.1920 herrschte vollkommener Generalstreik: In ganz Deutschland ruhte die Arbeit. Am Generalstreik waren 12 Millionen Arbeiter und Angestellte beteiligt. Der Verkehr lag still und in den meisten größeren Städten fanden Massenkundgebungen und Protestversammlungen statt. Vielerorts kam es zu Abkommen zwischen Organisationen der KPD, USPD und SPD für ein einheitliches Handeln gegen die Putschisten. Es wurde in Berlin von Vertretern der Führungen von USPD, der Berliner Gewerkschaftskomminssion und der Zentrale der KPD eine Zentrale Streikleitung gebildet. Vollzugsräte übernahmen häufig die örtliche Gewalt, um die Lebensmittelversorgung der arbeitenden Bevölkerung zu sichern und die Konterrevolution abzusichern.

So wurden bspw. in Chemnitz am 15.3.1920 bereits Wahlen für Arbeiterräte durchgeführt, es wurde ein örtlicher Vollzugsrat gewählt und die Absicherung der Macht wurde durch die Besetzung von Rathaus, Telegrafenbüro und Bahnhof von 3000 bewaffneten Arbeitern realisiert. Reaktionäre Zeitfreiwilligeneinheiten und Einwohnerwehren wurden in einem Umkreis von 50km entwaffnet.

Die Forderung nach Entwaffnung der Konterrevolution und Bewaffnung der Arbeiter und Bildung von Arbeiterwehren kehrte immer wieder. Es sollte nicht nur der Kapp-Putsch, sondern die Konterrevolution der reaktionärsten Kreise des deutschen Imperialismus allgemein niedergeschlagen werden, indem die Macht der Arbeiterklasse gestärkt würde. Gegen den Willen großer Teile der SPD- und USPD-Führungen beschränkten sich Arbeiter vielerorts nicht nur auf den Generalstreik, sondern traten in den bewaffneten Kampf gegen die Putschisten. Es kam vielerorts zu direkten bewaffneten Kämpfen zwischen bewaffneten Arbeitertruppen und den reaktionären Putschisten. 

Dieser bewaffnete Kampf fand seinen Höhepunkt im Ruhrgebiet und mündete in der Bildung der Roten Ruhrarmee.

Die Bildung der Roten Ruhrarmee

Im wirtschaftlich bedeutenden Ruhrgebiet, in dem die USPD die stärkste der drei Arbeiterparteien war, waren die Arbeiter in ähnliche Kämpfe getreten. Die Reaktion folgte direkt und sie folgte aufgrund der für die Herrschenden so große wirtschaftliche Bedeutung erbarmungslos: Generalleutnant von Watter ordnete die direkte militärische Besetzung des Ruhrgebietes an. Im Kampf gegen Freikorps, Reichswehreinheiten und Polizei bildeten Kommunistien, USPD-Mitglieder, Sozialdemokraten und gewerkschaftlich organisierte Arbeiter die etwa 100.000 Personen starke Rote Ruhrarmee. Die hochorganisierten und in durch Entwaffnungen der Bürger- und Einwohnerwehren bewaffneten Truppen stürmten die Städte des Ruhrgebiets und kämpften gegen die reaktionären Besatzer. Die Arbeiter hatten aufgrund von Ortskenntnis in den Städten und Fabrikhallen den militärischen Vorteil. 

Ihr Kampf begann am 15.3.1920; acht Tage später, also bis zum 23.3.1920 war fast das gesamte Ruhrgebiet mit seinen Städten, Fabriken und Zechen von Putschisten gesäubert und in der Hand der Roten Ruhrarmee.

Neben den roten Kampfverbänden im Ruhrgebiet bildeten sich auch in anderen Teilen Deutschlands bewaffnete Formationen. So wurde etwa in Mitteldeutschland die Thüringer Volkswehrarmee oder im Norden die Rostocker Arbeiterwehr gegründet.

Die Niederlage der Putschisten 

Es zeigte sich bereits nach kürzester Zeit, dass im Lager der herrschenden Klasse die Furcht vor der einheitlichen Abwehraktion der organisierten Arbeiterklasse um sich griff. So ergriffen bspw. Teile der Großbourgeoisie, die in der Deutschen Volkspartei vertreten waren und anfangs für die Putschisten symphatisierten, nach kürzester Zeit nicht mehr Partei für diese. Andere Kreise des Monopolkapitals fürchteten sich vor einem weiteren Erstarken der Volksmassen durch die abenteuerliche Politik der Putschisten: So billigten die Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Chemie bereits am 15.3.1920 den Generalstreik als Abwehrmittel gegen die Putschisten und erklärten sich für die Beschwichtigung der Arbeiter sogar bereit, die Streiktage zu bezahlen. 

Am 17.3.1920 musste die Regierung Kapp nach nur vier Tagen „Amtszeit“ abdanken. Der Generalstreik und der bewaffnete Kampf der Arbeiter führten zu einem vollständigen Zusammenbruch des Putsches. 

Freilich bedeutete die Niederschlagung des Putsches nicht den endgültigen Sieg der Arbeiterklasse über das Monopolkapital.

Noch direkt am 17.3.1920 wurde General von Seeckt durch Friedrich Ebert als oberster Militärbefehlshaber eingesetzt. Im Namen der Regierung rief dieser, exakt wie die Kapp-Putschisten, zum „Kampf gegen den Bolschewismus“ auf. Auch Freikorps und Reichswehrverände, auch die, die den Kampf gegen die Kapp-Putschisten ablehnten, wurden von der Regierung für die Niederwerfung der Arbeiterklasse eingesetzt. Diesen Truppen wurde von der sozialdemokratischen Regierung weiterhin die von Kapp etablierte Zulage von sieben Mark am Tag gezahlt. Diese Truppen kämpften auf Weisung der Regierung gegen ebendie, die Tage zuvor unter Einsatz ihres Lebens den Kapp-Militärputsch verhindert haben. 

Genau zu diesem Zeitpunkt, am 18.3.1920 rief die Führung der SPD zum Abbruch des Generalstreiks auf.

Die Forderung großer Teile der Arbeiterklasse, durch Enteignung des Großgrundbesitzes echte Garantien gegen die Wiederholung eines solchen Putsches zu schaffen, fanden sich in abgeschwächter Form in einem sogenannten Neunpunkteprogramm des ADGB wider, in dem  die „Einflussnahme der Gewerkschaften auf die Regierungsbildung“ und „neue Sozialgesetze“, aber auch die Entwaffnung aller putschistischen Gruppen gefordert wurde. Darüber hinaus sollte die Verwaltung von konterevolutionären militärischen Organisationen gereinigt werden, neue Sozialgesetze, „Sozialisierung“ und Übernahme des Sicherheitsdienstes durch die Arbeiterschaft etabliert werden. Wie ernst dieses Programm genommen wurde, zeigt sich darin, dass es keine Garantien für eine Verwirklichung dieses Programms gab. Ganz im Gegenteil rückten die konterrevolutionären Truppen weiter gegen die revolutionären Truppen vor, während die Arbeiter entwaffnet wurden. Die sozialpolitischen Forderungen wurden im späteren Bielefelder Abkommen (siehe unten) wieder aufgenommen. Die Regierung nahm dieses Programm an, sodass am 22.3.1920 ADGB, SPD und USPD gemeinsam zum Abbruch des Generalstreiks aufriefen. Die KPD rief zur Weiterführung des Streiks bishin zur Bewaffnung der Arbeiterklasse, der vollständigen Entwaffnung der Reaktion und die Erweiterung der politischen Rechte der Arbeiter auf. 

Direkt nach Abbruch des Generalstreiks lud der sozialdemokratische Reichs- und Staatskommissar für Rheinland-Westfalen, Carl Severing zu einer Besprechung in Bielefeld zwischen den Stadtverwaltungen, Vollzugsausschüssen (s.o.), Vertretern der Arbeiterparteien und Vertretern der Deutschen Demokratischen Partei und Zentraumspartei ein, um das „Ruhrproblem“ zu „lösen“. Ergebnis war das sogenannte Bielefelder Abkommen vom 24.4.1920. Unter anderem verlangte es von der Arbeiterklasse, den Generalstreik sofort abzubrechen, die Waffen an die Behörden abzugeben, die Entwaffnung und Bestrafung der Putschisten, die Sozialisierung der „dazu reifen“ Wirtschaftszweige und ein Einflussrecht der Gewerkschaften bei der Neuregelung wirtschafts- und sozialpolitische Gesetze. Versprochen wurde, dass die Reichswehr nicht ins Ruhrgebiet einmarschieren werde. 

Teile der Arbeiterklasse im Ruhrgebiet vertrauten diesen Versprechungen und legten direkt die Waffen nieder, andere Teile weigerten sich, die Kämpfe einzustellen. Ab diesem Moment war die bis dahin einig kämpfende Klasse verwirrt und zersplittert. Entgegen der Versprechungen wurden direkt Reichswehrtruppen im Ruhrgebiet zusammengezogen, die Regierung gab keine Zusage, das Abkommen einzuhalten. 

Die KPD forderte angesichts des drohenden Einmarsches der Reichswehr, die einheitliche Front des Ruhrproletariats wiederherzustellen. In Essen wurde auf Vorschlag der KPD ein Zentralrat zur einheitlichen Leitung der Abwehrkämpfe gewählt. Der anwesende Wilhelm Pieck warnte nochmals ausdrücklich, dass die Regierung dem Bielefelder Abkommen noch nicht zugestimmt habe. Die einzige Garantie sei, die Waffen zu behalten, um erstens einen Einmarsch der Reichswehr zu verhindern und zweitens die Regierung durch die Kraft der Arbeiter zum Einhalten des Abkommens zu zwingen und die Truppen abzuziehen. Es wurde, um ein Blutbad zu vermeiden, auf ein Weiterführen der Kämpfe verzichtet, die errungenen Positionen aber nicht aufgegeben und im Falle eines Einmarsches der Reichswehr erneut aufzurufen. Die Regierung lehnte dieses Waffenstillstandsabkommen ab und stellte im Gegenzug unerfüllbare Aufforderungen zur direkten Entwaffnung der Arbeitertruppen. Diese Forderung war der Vorwand der Militaristen, unter allen Umständen ins Ruhrgebiet einmarschieren zu können.

Nachdem sich am 1.4.1920 die Vollversammlung der Vollzugsräte für die Anerkennung des Bielefelder Abkommens aussprach und den Generalstreik für beendet erklärte, tat die Rote Ruhrarmee alles, um den aussichtslos gewordenen bewaffneten Kampf abzubrechen. 

Auf ihrem Rückzug antworteten die Reichswehrverbände mit Sperrfeuer. Es begann ein brutaler Terrorfeldzug gegen die Arbeiter im Ruhrgebiet: Hunderte Arbeiter- Männer, Frauen und Jugendliche wurden von der reaktionären Soldateska ohne Verhör erschossen, misshandelt, zu Tode geprügelt und vergewaltigt. Die demokratische Weimarer Klassenjustiz zeigte ihr unverhülltes Gesicht: Tausende Arbeiter wurden in Gefängnisse geworfen, während die Kapp-Putschisten mit einer einzigen Ausnahme (Traugott von Jagow wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt) straffrei ausgingen.

Fazit

Die Massenkämpfe der deutschen Arbeiterklasse im März 1920 verhinderten als bis dahin bedeutendste proletarische Einheitsaktionen die Errichtung der offenen Militärdiktatur und verteidigten die demokratischen und sozialen Errungenschaften der Novemberrevolution. 

Der Sieg über den Kapp-Putsch zeigte, dass die einheitlich handelnde Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen werktätigen Massen eine gewaltige Kraft für die Erzwingung ihrer Interessen ist. Aufgrund der Aktionseinheit von Kommunisten, Gewerkschaftern, Parteilosen, einer Mehrheit der USPD-Mitglieder sowie sozialdemokratischen Arbeitern konnten die Arbeiterklasse, die Intelligenz, Angehörige der Mittelschichten sowie das demokratische Bürgertum für den Kampf einbezogen werden.

Dieser Sieg konnte jedoch nicht ausgebaut werden. Die offene Parteiergreifung der SPD für den Machterhalt der Bourgeoisie, die schwankende Haltung der USPD und die organisatorische Schwäche der KPD führten zur organisatorischen Schwäche der Arbeiterklasse. Der Kampf konnte so nicht bis zur völligen Absicherung gegen die Militärdiktatur, also bis zur politischen Entmachtung und ökonomischen Enteignung der Monopolbourgeoisie geführt werden.

Verlauf und Ergebnis der Kämpfe des Märzes 1920 führten also erneut zur Erkenntnis über die Bedeutung einer revolutionären Arbeiterpartei, die alle Werktätigen in den Kampf führen kann.

Der Bürgerkrieg, den die Herrschenden Deutschlands gegen die eigene Bevölkerung führten – sowohl im Zuge der Niederschlagung der Novemberrevolution, wie auch in den weiteren Kämpfen bis 1923 – wird bis heute verschwiegen, Kinder lernen darüber nichts in der Schule. Aus den Ereignissen geht hervor, mit welcher Brutalität und Skrupellosigkeit die deutsche Armee gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wurde.

Was lernen wir daraus für heute?

Der Generalstreik und der bewaffnete Kampf der Arbeiterklasse gegen den Kapp-Putsch zeigt uns, dass die Arbeiterbewegung unschlagbar ist, wenn sie einheitlich kämpft. Die verräterische Rolle der SPD-Führung und die schwankende Haltung der USPD-Führung schwächten diese Einheit. Dies nutzten die Herrschenden sofort aus und holten zum brutalen Gegenschlag aus. Die politische Führung der Arbeiterklasse lag noch nicht bei der KPD, die dafür noch nicht reif genug war. Dadurch konnte die zersetzende Funktion der Sozialdemokratie noch nicht für mehr Arbeiter erkennbar werden.

Der, aus Sicht der Bourgeoisie taktisch unkluge Putschversuch offenbarte die Einheit der Arbeiter und stellte sie spontan her. Wir können uns vorstellen, wie schwierig es für die Genossen war, in dem folgenden Kampf die richtige Linie zu finden und gestärkt daraus hervor zu gehen. In den konkreten Kämpfen zeigt sich, ob man organisiert handeln kann und den richtigen Kurs hat, ob es einem möglich ist, praktische Antworten zu finden und politisch die richtige Taktik. Die KPD kämpfte heldenhaft und in vorderster Reihe. Sie trat am konsequentesten für die Interessen der Arbeiterklasse ein. Auch wenn sie im Jahr 1920 die Einheit der Arbeiterklasse gegen die Spaltung der SPD-Führung noch nicht verteidigen konnte, versuchte sie aus der Situation zu lernen. 

Die Frage der Einheit der Arbeiterbewegung stand wenige Jahre später erneut und noch bedrohlicher auf der Tagesordnung. Gegen die faschistische Diktatur wäre ein Generalstreik der vereinten Arbeiterklasse das beste Mittel gewesen. Auch hier spielte die SPD-Führung eine fatale Rolle, in dem sie diese Einheit und den Streik gegen Hitler ablehnte. Sie war schon zu sehr Teil des Staates geworden, sie wollte ihn erhalten.

Wie sieht es heute aus? Die Widersprüche aktueller antifaschistischer Bewegungen treten deutlich zutage. Es ist weit geteilter Konsens, dass breite Organisationsbündnisse das Mittel der Wahl sind, um den Faschismus zu verhindern. Dabei stellen sich Organisationen und Parteien, die in Teilen oder gänzlich die arbeiterfeindliche Hartz-4-Politik und die verbrecherischen Kriegseinsätze von SPD und Grünen ablehnen, „in der Stunde der Not“ mit ihnen auf Demonstrationen gegen die AfD. Mit Großbündnissen wie „Aufstehen gegen Rassismus“ oder „Unteilbar“ und bundesweit mobilisierten Blockadeaktionen soll eine Rechtsentwicklung aufgehalten werden. Dies ist aus Sicht der Akteure mit einheitlichem Handeln gemeint. Kritik an der arbeiterfeindlichen Politik, die stets auch Nährboden faschistischer Demagogie ist, wird auf Kosten der Größe und Breite der Bündnisse aufgegeben. Gleichzeitig vermehren sich in Deutschland die Zahlen faschistischer Mordanschläge und die Verbindung organisierter faschistischer Strukturen mit dem Staat wird immer offenkundiger. 

Für uns stellt sich diese Frage heute also auch. Wie ist Einheit herzustellen ohne dabei eine falsche und verräterische Politik zu unterstützen? Wie kann die spalterische Politik von SPD- und Linksparteiführung zurückgedrängt werden und dennoch eine Aktionseinheit mit allen Kollegen hergestellt werden?

Noch können wir diese Fragen nicht beantworten. Wir können konstatieren, dass eine Zusammenarbeit mit den Parteiführungen der Sozialdemokratie falsch und auch nicht erreichbar ist. Wie wir die Einheit der Arbeiter herstellen, ist damit aber noch nicht beantwortet. Eignen wir uns diese Erkenntnisse an. Studieren wir die Ereignisse und die Dokumente der Partei. Versuchen wir weiter, Erfahrungen im Organisieren und Mobilisieren zu machen, um einen konkreten Weg aufzeigen zu können.

Die Tragödie von Lesbos – Ein weiteres Verbrechen der Europäischen Union

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Seit Jahren sind die griechischen Ägäis-Inseln Knotenpunkte für die Ankunft von Flüchtlingen, die aus der Türkei über das Meer in die Europäische Union einreisen wollen. Aktuell leben Zehntausende Menschen, nachdem sie unter großen Gefahren Griechenland erreicht haben, unter katastrophalen Bedingungen in den Flüchtlingslagern auf Lesbos und anderen Ägäis-Inseln und warten darauf, dass ihre Asylanträge bearbeitet werden. Dabei fehlt es den Asylbewerbern an fast allem: Die Lager sind nur für wenige Tausend Menschen ausgelegt, aber von Zehntausenden bewohnt. Die Behausungen sind menschenunwürdig, die medizinische Versorgung miserabel, es mangelt an sanitären Anlagen und nachts ist es besonders für Frauen und Kinder sehr unsicher. Durch den Ausbruch der Covid-19-Pandemie sind die Flüchtlinge in besonderem Maße gefährdet, da es in den Flüchtlingslagern schlicht unmöglich ist, selbst die grundlegendsten Hygiene- und Quarantäne-Maßnahmen einzuhalten. 

Zu einer weiteren Zuspitzung der schlimmen Situation kam es, nachdem die türkische Regierung Anfang des Jahres angekündigt hatte, Migranten, die in die EU ausreisen wollten, nicht mehr aufzuhalten. Hintergrund dafür war, dass die türkische Regierung von der EU Unterstützung für ihren Krieg in Syrien forderte, die die EU ihr verwehrte. Die Regierung Erdogans ermutigte daraufhin die in der Türkei lebenden Flüchtlinge, in die EU einzureisen, um damit politischen Druck auf die EU auszuüben. 

Doch die Hauptverantwortung für die Situation trägt die EU selbst. Indem die EU-Staaten jahrelang an den Kriegen in Afghanistan und weiteren Ländern beteiligt waren und sind, an der Destabilisierung Syriens mitgewirkt haben und die Kriege Israels, Saudi-Arabiens und anderer Länder unterstützt haben, haben sie Millionen Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen. Durch die Abschottung der EU-Grenzen und den „Flüchtlingsdeal“ mit der Türkei halten sie diese Menschen nun gewaltsam davon ab, nach Europa einzureisen. Dadurch sitzen Millionen Flüchtlinge in der Türkei fest, ohne irgendeine Gewissheit darüber, wie es nun mit ihnen weitergehen wird. Mit der Dublin-II-Verordnung der EU konnten zudem die mächtigsten EU-Länder wie Deutschland durchsetzen, dass Flüchtlinge in dem Land ihren Asylantrag stellen müssen, in dem sie zuerst ankommen. Damit ist es politisch gewollt, dass es vor allem in Griechenland, aber auch Italien oder Spanien zu einer massiven Ansammlung von Asylsuchenden kommt, während die mittel- und nordeuropäischen Länder sich aus der Verantwortung ziehen können. 

Das bedeutet natürlich nicht, dass die griechische Regierung ohne Schuld wäre. Denn sie akzeptiert nicht nur die verbrecherische Dublin-II-Regelung, sondern geht aktiv und mit großer Brutalität gegen die Flüchtlinge vor. Die Menschen werden in Griechenland von der Regierung in maßlos überfüllte Lager eingepfercht, ihre Asylanträge werden verschleppt, ihre Weiterreise in andere EU-Länder verhindert. 

EU-Kommissionschefin von der Leyen hat Anfang März Griechenland besucht und die griechische Regierung für ihr Vorgehen gelobt. Sie bezeichnete Griechenland als „europäischen Schild“, womit sie die Opfer der NATO-Kriegspolitik, die sie als ehemalige deutsche Verteidigungsministerin maßgeblich mitzuverantworten hat, behandelte wie eine militärische Bedrohung. Während die EU und speziell die deutsche Regierung noch vor wenigen Jahren nur gegen barbarische Kürzungen bereit war, Griechenland überhaupt Kredite zu gewähren, versprach von der Leyen nun kurzerhand 700 Millionen € Finanzhilfe für die griechische Regierung, um damit die Grenze noch rigoroser abschotten zu können. Sowohl die EU als auch die türkische Regierung spielen also ein schmutziges, menschenverachtendes Spiel auf Kosten der Flüchtlinge. Diese Menschen sind für sie nur Spielball ihrer Interessen, ihr Leben ist den Herrschenden nichts wert, egal ob in Brüssel, Berlin, Ankara oder Athen. 

Faschisten aus Griechenland, aber auch aus anderen Ländern Europas sind nun extra angereist, um die sogenannte „europäische Grenze“ zu „verteidigen“. Sie machen Jagd auf Flüchtlinge, Angehörige von Hilfsorganisationen und Antifaschisten. Nazis in Deutschland fordern auf einmal „Solidarität mit Griechenland“, nachdem ihnen jahrelang kein Wort der Solidarität über die Lippen kam, als zahllosen Griechen von der EU und der Regierung der Strom abgestellt, das Gesundheitswesen kaputtgespart und der Lohn unter das Existenzminimum gedrückt wurde. Was sie „Solidarität“ nennen, ist das Gegenteil davon: Die Spaltung der Arbeiterklasse, die Verbreitung von Hass auf die am meisten Unterdrückten. Doch der Faschismus ist nicht die Wurzel des Problems. Er ist lediglich die hässlichste Fratze des kapitalistischen Systems, das überall auf der Welt Krieg und Armut verursacht, Millionen Menschen zur Flucht zwingt und die Völker gegeneinander aufwiegelt. 

Doch es gibt nicht nur die, die Rassismus und Ausgrenzung propagieren. Aus der Bevölkerung Griechenlands und besonders auch der Ägäis-Inseln wie Samos oder Lesbos kam in den letzten Jahren auch viel praktische Solidarität für die Flüchtlinge. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) verurteilt die menschenverachtende Politik der Regierung und der EU, sie fordert die Aufkündigung des Dublin-II-Abkommens und den Rückzug griechischer Soldaten aus allen Auslandseinsätzen. Sie betont: „In Evros (dem Fluss an der Grenze zur Türkei, Anmerkung KO) und der Ägäis sind die Feinde des griechischen Volkes nicht die Opfer der kapitalistischen Barbarei, die durch die Kriege und Interventionen der USA, NATO und EU mit Unterstützung aller griechischen Regierungen, im Interesse des griechischen Kapitals entwurzelt werden. Der Feind ist die Politik, die auf der einen Seite imperialistische Kriege unterstützt, die Wellen der Flüchtlinge vermehrt und auf der anderen Seite Griechenland in einen Gefängnisstaat verwandelt, um die ‚Festung EU‘ zu schützen“ (https://inter.kke.gr/en/articles/ON-THE-DEVELOPMENTS-IN-THE-REFUGEE-SITUATION-AND-GOVERNMENT-MEASURES/ ). Die KKE fordert eine humanitäre Aufnahme der Flüchtlinge in offenen Aufnahmezentren und Schließung der Lager, eine schnelle Bearbeitung der Asylanträge und die Ermöglichung der Weiterreise in ihre Zielländer. Damit vertritt sie eine konsequent internationalistische Politik, die Flüchtlinge als Brüder und Schwestern der Arbeiterklasse begreift. 

Auch wir als Kommunisten in Deutschland sehen es als unsere Aufgabe, gegen jede Spaltung der Arbeiterklasse durch die Herrschenden anzukämpfen, den Rassismus zurückzudrängen und die Flüchtlinge als Klassengenossen und zukünftige Mitkämpfer der Arbeiterbewegung willkommen zu heißen. Doch die Parole „Refugees welcome“, wie sie auch von vielen bürgerlichen Gruppierungen vertreten wird, reicht nicht aus. Wir stehen nicht allein aus moralischen Gründen auf der Seite der Flüchtlinge, sondern weil sie Angehörige der Arbeiterklasse sind und weil ihr Feind – der Imperialismus – auch unser Feind ist. Unsere Solidarität äußert sich auch darin, dass wir konsequent gegen die imperialistischen Kriege und die Verelendung und Ausplünderung ganzer Länder ankämpfen. Uns geht es, anders als liberalen Vertretern, nicht um eine „Integration“ der Flüchtlinge in das kapitalistische Ausbeutersystem als gehorsame Arbeitskräfte, sondern um eine gemeinsame Organisierung für die gemeinsamen Interessen der Arbeiterklasse in Deutschland, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion. Darüber hinaus fordern wir, dass auch Deutschland das Dublin-II-Abkommen aufkündigt und eine Verteilung der Asylbewerber auf die verschiedenen EU-Länder akzeptieren muss.