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Die Kommunistische Organisation beim Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Wochenende 2020

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Als Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum Jahreswechsel 1918/1919 maßgeblich an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands mitwirkten, war dies nicht nur ihr endgültiger Bruch mit der Sozialdemokratie, sondern auch die Tat, für die sie bis heute im kollektiven Gedächtnis der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung erhalten bleiben sollten. 101 Jahre ist es nun her, dass sie dafür – wie auch für ihre konsequente Haltung gegen den Krieg, für die Revolution, für die Macht der Arbeiterklasse – von reaktionären Freikorps mit Unterstützung der Führung der SPD ermordet wurden. Ihnen jährlich rund um den 15. Januar, den Tag ihrer Ermordung, in Berlin zu gedenken, ist in der deutschen kommunistischen Bewegung zur Tradition geworden. 

Als Kommunistische Organisation beteiligten wir uns am Gedenken mit einem eigenen Programm. Unser Fokus lag dabei auf der Konterrevolution in der DDR, die sich 1990 mit der sogenannten „Wiedervereinigung“ 2020 zum 30. Mal jährt. Nicht zuletzt im Rahmen des Klärungsprozesses und der damit verbundenen Frage nach den Ursachen der Konterrevolution, also der Niederlagenanalyse werden wir uns diesem Thema im Jahr 2020 besonders widmen. 

Des Weiteren stellen wir uns auf ein Jahr neuer imperialistischer Aggression ein, wie sie gerade aktuell wieder in erschreckendem Umfang in Westasien von Seiten der NATO an den Tag gelegt wird. Dies und auch die zu erwartenden neuen Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse in diesem Land – mit der großen Koalition, aber auch den auf Regierungsbeteiligung spekulierenden Oppositionsparteien – machen die Organisierung eben jener Klasse umso dringlicher. Unsere letztes Jahr im Beschluss „Zur Arbeit in den Massen“ vorgelegten Vorstellungen und Ziele dazu, werden wir im Aufbau unserer Massenarbeit weiter umsetzen und reflektieren. Wir wollen nun einen kleinen Einblick in den Ablauf des zurückliegenden Wochenendes geben.

Unser Programm am Samstag

Gegen Mittag begannen wir unser Programm mit zwei parallel stattfindenden Veranstaltungen: ein Teil der Besucher machte sich auf den Weg zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin Friedrichsfelde. Dort setzten sie sich mit der Geschichte des Monuments – seiner Gründung durch die KPD, der Schändung im Faschismus und schließlich seinem Wiederaufbau im befreiten Deutschland – auseinander, ebenso wie mit den zahlreichen Kommunisten und anderen Kämpfern der deutschen Arbeiterbewegung, die neben Luxemburg und Liebknecht dort beerdigt liegen. 

Seminar zur Entwicklung des Arbeitsrecht mit Rolf Geffken

Zur gleichen Zeit nahmen viele Besucher am Workshop „Modernisierung oder Konterrevolution? Die Zerstörung von Arbeiterrechten in Deutschland“ teil, in dem Rolf Geffken anhand seines Buches „Umgang mit dem Arbeitsrecht“ zur Entwicklung von Arbeiterrechten und Arbeitsbedingungen seit der Konterrevolution referierte. In seinem Vortrag wie auch in der anschließenden Diskussion wurde klar: das Ende der DDR hatte verheerende Auswirkungen auf die Situation der Arbeiterklasse in Ost und West. Mit der Konterrevolution begannen die massiven Angriffe auf Löhne, feste Arbeitsverhältnisse, die Rechte von Werktätigen wie Erwerbslosen. Die Frage, welche Strategie die Kommunisten dahingehend besonders in Bezug auf die Gewerkschaften verfolgen müssen, wurde von den Teilnehmern lebhaft diskutiert. Im Rahmen des Klärungsprozesses werden wir dieser Frage nachgehen – wir laden alle Interessierten, die wie im Workshop ihre Erfahrungen einfließen lassen wollen, zum Mitmachen in unseren Arbeitsgruppen ein!

Der Politische Sekretär derJeunes Communistes Lyon mit einem Grußwort

Als die Gruppe, die die Gedenkstätte besucht hatte, zurückgekehrt war, fanden wir uns alle gemeinsam zum weiteren Programm zusammen. Torsten Schöwitz, Vorsitzender der KPD, hielt ein Grußwort im Namen seiner Partei, in dem er betont hat, dass auch in diesem Jahr die gemeinsame Diskussion und Zusammenarbeit weitergehen sollte. Als internationaler Gast berichtete der politische Sekretär der Jeunes Communistes Lyon von der dortigen Massenarbeit und den Entwicklungen der kommunistischen Bewegung in Frankreich. Außerdem gab es filmische und vorgelesene Beiträge, die starke Eindrücke zur Konterrevolution in der DDR lieferten.

Torsten Schöwitz (KPD) mit einem Grußwort
Einführung zur Podiumsdiskussion

Den Abschluss des Tages bildete das Podium mit dem Titel „30 Jahre Konterrevolution – Bilanz und Ausblick“. Leider konnten krankheitsbedingt nicht alle angekündigten Redner auftreten, dafür wurde die Diskussion geöffnet und von Anfang an war das Publikum aktiver Teil der Debatte, die in mehrere Themenblöcke gegliedert war: die DDR und die Konterrevolution, das „Sektierertum“ der Linken – also ihr Verhältnis zu den Massen und schließlich die Fragen nach Bündnissen und was es für den heutigen Kampf braucht. Neben der Arbeit in den Massen, dem Umgang mit Rassismus und der Spaltung der Arbeiterklasse ging es vor allem um die Frage der Partei. Wolfgang Schmidt, konnte als ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit Zahlen und Hintergrundinformationen zur Lage der Opposition in der DDR einbringen. Wie stand es vor dem Ende der DDR um die Führung der SED gegenüber der Bevölkerung? Welchen Einfluss hatte die Lähmung in der Parteiführung auf den Erfolg der Konterrevolution? Wie lief der Ausschluss von Kommunisten aus der PDS ab und warum gab es – scheinbar oder tatsächlich – so wenige, die dem wissenschaftlichen Sozialismus in Wort und Tat treu blieben? Es wurde betont, dass es eine drängende Aufgabe der Kommunisten in Deutschland ist, verstärkt an der Verbindung der Kommunisten aus der ehemaligen DDR und jungen Kommunisten aus Westdeutschland zu arbeiten. Außerdem drehten sich einige Beiträge und Fragen um die historische wie aktuelle zersetzende Rolle der sogenannten „Antideutschen“ und „Antinationalen“. Es gab eine Vielzahl von Redebeiträgen, Fragen, Statements und Kritik aus den Reihen des Publikums, die noch einmal vor Augen führt, wie dringend notwendig ein Klärungsprozess in der kommunistischen Bewegung unter anderem zu genau diesen Fragen ist. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei unseren Gästen auf dem Podium und bei allen Teilnehmern der Veranstaltung für die spannende Diskussion und hoffen sehr, dass wir sie in Zukunft gemeinsam weiterführen!

Podiumsdiskussion: 30 Jahre Konterrevolution Bilanz und Ausblick

Ebenfalls vertreten waren wir mit einem Infotisch auf der Rosa Luxemburg Konferenz der jungenWelt. Hier konnten wir einige kontroverse Diskussionen führen und für die Beteiligung an dem von uns angestoßenen Klärungsprozess werben.

Die Demonstration am Sonntag

Am Sonntag Morgen versammelten wir uns zur Teilnahme an der traditionellen Luxemburg-Liebknecht-Demonstration, dem Gedenkmarsch zur Grabstätte in Friedrichsfelde. Gemeinsam mit der KPD reihten wir uns mit einem eigenen Demonstrationsblock ein. Die Spitze unseres Blocks in geordneten Reihen, diszipliniert und lautstark beteiligten wir uns am Gedenkzug. Mit Sprechchören wie „Karl und Rosa das war Mord – Widerstand an jedem Ort!“ oder „Die DDR war unser Staat – alle Macht dem Proletariat!“ brachten wir unseren Bezug zur Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung zum Ausdruck. Aber auch aktuelle Klassenkämpfe und nicht zuletzt den proletarischen Internationalismus thematisierten wir in Parolen wie „Klassenkampf und Massenstreik – gegen Kurz- und Leiharbeit!“ oder „Die BRD geht über Leichen – im Jemen und im Gaza-Streifen!“. Wir trugen viele rote Fahnen sowie Fahnen der DDR, der Sowjetunion, Kubas und Palästinas bei uns. Ohne Zwischenfälle erreichten wir die Gedenkstätte in Friedrichsfelde und stimmten zum Abschluss der Demonstration noch die Internationale an. Wie im letzten Jahr schritten wir zu den Gedenktafeln und tauschten uns in kleinen Redebeiträgen, die die Ortsgruppen vorbereitet hatten, über einige auf dem Friedhof beerdigte Genossen aus. Neu war, dass wir einen eigenen, gut besuchten Stand auf dem Gelände hatten. Gegen 14 Uhr beendeten wir die gemeinsame Aktion. Ein erfolgreiches Wochenende ging für uns zu Ende und mit ihm ein gelungener, kämpferischer Start in das Jahr 2020! 

LLL-Demo 2020

Zur Lage in Westasien

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Der staatsterroristische Mord am bedeutenden iranischen General Qassem Soleimani, sowie einem der führenden Befehlshaber der irakischen Brigaden Abu-Mahdi Al-Muhandis und ihren Begleitern läutet eine neue Zeit in der Region und international ein. Kommunistinnen und Kommunisten haben die Aufgabe, mit aller Kraft und Aufmerksamkeit die Lage im Sinne des proletarischen Internationalismus zu analysieren und damit die Richtung für den revolutionären Kampf des internationalen Proletariats zu weisen. Symbolische Bekundungen gegen Krieg und für den Frieden sind nicht ausreichend.

Die internationale Situation

Wir befinden uns in einer historischen Phase der Verschärfung der innerimperialistischen Widersprüche und der Neuordnung des internationalen Machtgefüges, eine Phase also der grundlegenden Neuaufteilung der Welt, die mit einem heftigen Aufeinanderprallen der imperialistischen Staaten einhergeht. Im Zuge dieses Prozesses bilden sich neue Bündnisse und alte Blöcke werden umgebildet: auf der einen Seite stehen die alten Mächte, die ihre hegemoniale Stellung infrage gestellt sehen – das ist zurzeit vor allem die Weltmacht Nummer eins USA, aber auch die alten europäischen Imperialisten Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien. Auf der anderen Seite stehen die aufstrebenden imperialistischen Länder: China, Russland und andere. Im gesamten imperialistischen Weltsystem findet eine Bündnisbildung entsprechend dieser Frontstellung statt: auf allen Kontinenten ordnen sich in einem schwierigen Prozess der Abspaltung und des Zusammenschlusses regionale Mächte diesen Blöcken zu, alte Bündniskonstellationen werden infrage gestellt. Die sich gegenüber stehenden Blöcke sind wiederum selbst voller einander entgegenstehender Interessenlagen. Die europäischen Mächte untereinander, aber auch in ihrem Verhältnis zu den USA, befinden sich in einem ständigen Gezerre um die Durchsetzung ihrer gegensätzlichen Interessen.

Die Region Westasien

Die Region Westasien, die sich im Osten von Afghanistan bis nach Libanon und Palästina, also zum Mittelmeer als den westlichsten Punkt Asiens, im Norden von der Türkei bis in den Süden nach Yemen erstreckt, ist durch seine geografische Lage und seine Energiereserven geostrategisch betrachtet von höchster Brisanz. Die Frontstellung in dieser Region zwischen den alten und den neuen Imperialisten drückt sich real in einer Frontstellung zwischen Spaltung und Einheit der Völker aus. Die USA und ihre internationalen und regionalen Verbündeten sind dazu gezwungen, ihre Macht durch Spaltung und Destabilisierung zu behaupten, wohingegen ihre internationalen und regionalen Gegner sich gegen sie nur durch Einheit und Stabilität verteidigen können. Die Konfessionalisierung, die Förderung nationaler Sonderinteressen, das Gegeneinander aufhetzen verschiedener Volksgruppen sind eine mittlerweile abgewetzte Waffe in den Händen der alten Imperialisten, allen voran den USA. Die ihnen entgegenstehenden Kräfte haben gar keine andere Option, als die Karte der Einheit der Nation und Einheit der Völker der Region auszuspielen.

Insbesondere ein Vielvölkerstaat wie der Iran ist aus seiner objektiven Lage heraus – schon nur zur Aufrechterhaltung der eigenen nationalen Einheit – regelrecht dazu gezwungen, die Parole der Einheit herauszugeben. Des Weiteren wird der Iran durch die von den USA forcierte Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten dazu gezwungen, auch in der gesamten Region – quasi als Verteidigungslinie – gegen die konfessionelle Spaltung Position zu beziehen. Das wiederum heißt nicht, dass der Iran Gelegenheiten zur Stärkung der eigenen Truppen entlang konfessioneller Linien nicht nutzt, so wie das im Irak geschehen ist. Wenn man aber die Haupttendenz der Entwicklung herausarbeitet – und nur darum geht es hier – ist festzustellen, dass in der Region eine Frontstellung zwischen den Kräften der Spaltung und Zerstörung (Fremdherrschaft / Besatzung) auf der einen Seite und den Kräften der Einheit und der Souveränität (Selbstbestimmung) entstanden ist.

Durch das staatsterroristische Attentat auf General Soleimani ist dieser Gegensatz in einer besonderen Schärfe zum Ausdruck gekommen. General Soleimani war die Verkörperung der Front der Einheit, sowohl im Iran als auch in der Region. Er war der Architekt einer einheitlichen Widerstandsfront von Palästina über Jemen, über Irak bis nach Afghanistan. Die Hoffnung der USA, dass durch die Beseitigung seiner Person eine verstärkte Spaltung in der Region forciert werden kann, hat sich in den letzten Tagen als historischer Trugschluss erwiesen: Die Front der Einheit in der Region hat durch den Mord an Soleimani eine neue Qualität erhalten. Diese Front richtet sich nun explizit gegen den Hauptaggressor USA und fordert seinen Abzug aus der gesamten Region. Das irakische Parlament hat beschlossen, dass alle fremden Truppen aus dem Land abziehen sollen. Die Frage der nächsten Zeit aus der Perspektive der Front der Einheit und für das gesellschaftliche Bündnis gegen die Fremdherrschaft werden sein, wie es gelingt, diese Front zu erweitern: die Türkei weiter aus dem Bündnis mit den USA herauszubrechen und in diese regionale Front einzubetten, genauso die sunnitische Basis im Irak, nicht unbedingt ihre politischen Vertreter, auf Grundlage ihrer feindlichen Haltung gegenüber den USA in das Bündnis der Einheit hineinzuholen, Teile der kurdischen Fraktionen aus der tödlichen Umarmung der USA und der Besatzungsmacht Israel herauszulösen und in die gemeinsame Front zu holen. Des Weiteren gehört es zu den großen Herausforderungen das schon sehr poröse Bündnis der Golfstaaten aufzulösen und Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien sowie Oman mindestens in eine neutrale Position zu bringen.

Ein grundlegender Fehler ist es jetzt, diese Frontstellung als in irgendeiner Weise z.B. als „objektiv“ antiimperialistisch zu bezeichnen. Wir haben es real mit einem Tauziehen zwischen imperialistischen Staaten auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen zu tun. Eine Verklärung der staatlichen Vertreter der nationalen Kapitalistenklasse zu Antiimperialisten führt nur dazu, dass die Interessen der Arbeiterklasse in diesem Kampf nicht erkannt und im schlechtesten Fall den Interessen der nationalen Bourgeoisien untergeordnet werden.

Ebenso ist es ein grundlegender Fehler, aus der richtigen Erkenntnis, z.B. dass Russland und Iran kapitalistische Länder sind, die falsche Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Frontstellung in der Region für das internationale Proletariat keine praktische Bedeutung hätte, also eine äquidistante Haltung einzunehmen, nach dem Motto „Was interessiert uns der zwischenimperialistische Krieg, wir müssen den Arbeiterkampf in den Ländern unterstützen.“ Diese Haltung drückt die Arbeiterklasse herunter auf rein ökonomische und soziale Kämpfe und spielt den Aggressoren indirekt in die Hände. Große Teile des Proletariats aber haben schon erkannt, dass ihre existentiellen Belange mit dem Kampf um Frieden in der Region verknüpft sind.

Für die Völker der Region, die von Besatzung, Krieg, Ausbeutung und Fremdbestimmung gebeutelt sind, ist diese Frontstellung eine große Chance, um einen weiteren Schritt Richtung Selbstbestimmung zu gehen. Unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten ist es die Aufgabe der bewussten Teile des Proletariats im Zuge des Kampfes für Selbstbestimmung das Bestmögliche für die Arbeiterklasse herauszuholen, indem sie, wo es geht Arbeiterrechte und demokratische Forderungen nach Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit erkämpfen, indem sie Organisationen und mindestens Komitees der Arbeiterinnen und Arbeiter aufbauen und soweit wie möglich die politische Führung der Massen übernehmen. Zweifelsfrei wird das von Land zu Land unterschiedliche Formen annehmen müssen, je nach Entwicklungsstand des nationalen Proletariats, seines Bewusstseinsstandes und seiner Organisationen.

Die Bedeutung der Frontstellung in Westasien für das iranische Proletariat

Die Islamische Republik Iran ist eine kapitalistische Gesellschaft. Eine Kapitalistenklasse steht, – wie in allen anderen kapitalistischen Ländern – einer immens gewachsenen Arbeiterklasse gegenüber. Um aber die Situation der iranischen Arbeiterklasse zu begreifen, reicht es nicht, auf einer solchen allgemeinen Ebene zu bleiben. Die nationalen Besonderheiten müssen herangezogen werden. Zu diesen nationalen Besonderheiten gehören die revolutionäre Erfahrung von 1979, die auf Basis der Revolution entstandene besondere Konstellation des gesellschaftlichen Machtgefüges, zu der die organisierten Massen gehören. Die iranische Kapitalistenklasse steht in einem vielschichtigen widersprüchlichen Verhältnis zu dieser Ordnung: einerseits ist die Massenbasis ein Garant für die Behauptung der eigenen Macht gegenüber einer Opposition, die die gesamte Ordnung infrage stellt und auch gegen die Gefahren von Außen, auf der anderen Seite ist diese Basis die ständige Infragestellung ihrer kapitalistischen Bestrebungen, die faktisch im Gegensatz zum revolutionären Erbe, z.B. in Form der verfassungsmäßigen Grundsätze der Gesellschaft durchgesetzt werden muss. Dazu gehören unter anderem die in der Verfassung festgelegten Ziele der gesellschaftlichen Produktion, die sehr konkret die ökonomische und soziale Versorgung der Massen, das Recht auf Arbeit für alle Erwerbsfähigen, die Versorgung mit Wohnung und Bildung auf der einen Seite und auf der anderen Seite die vorgeschriebene Eigentumsordnung, die auf einem großen Teil auf staatlichem Eigentum an Produktionsmittel beruht, zu einem anderen Teil genossenschaftliches und privates Eigentum erlaubt.

Die iranische Arbeiterklasse ist einerseits ein unverzichtbarer Faktor in der Verteidigung der nationalen Souveränität des Landes und kann sich andererseits im Kampf gegen die Kapitalistenklasse auf die verfassungsmäßigen Errungenschaften der Revolution berufen. Diese Situation in ihrem eigenen Sinne auszunutzen, ist die Aufgabe der revolutionären Kräfte im Proletariat. Ein großer historischer Fehler ist es aber, stattdessen hauptsächlich auf den Sturz der Islamischen Republik zu orientieren, im schlimmsten Fall gar im Bündnis mit den imperialistischen Aggressoren, und damit den Bewusstseinsstand der Arbeiterklasse zu ignorieren. Wer noch eines Beweises dafür bedarf, dass ein Großteil der iranischen Bevölkerung hinter dieser Ordnung steht, die nach 1979 errichtet wurde, hat sie spätestens jetzt bei den Trauerfeierlichkeiten für General Soleimani, Al-Muhandis und ihre Weggefährten bekommen. Dutzende Millionen Iraner aus allen Schichten der Bevölkerung waren auf den Straßen, um ihre Trauer und Kampfbereitschaft zu zeigen. Die Kapitalistenklasse im Land muss gleichzeitig vor diesen Massen zittern: die Forderung nach einer ‚harten Rache‘ beinhaltet zuallererst die Vertreibung der Besatzung und Fremdherrschaft in der Region und die Herstellung von Einheit und Frieden. Die Kraft der Massen beinhaltet aber auch eine Besinnung auf die Stärke der Massen in der Revolution und verweist auf die Möglichkeit ihres Einsatzes, um an den historischen Erfahrungen der Revolution anzuknüpfen und ihre Errungenschaften zu verteidigen und zu vertiefen.

Eine Kapitalistenklasse, die bereit war das Atomabkommen mit ihren Feinden auszuhandeln, um ausländische Investitionen ins Land zu ziehen und den Weg für weitere Privatisierungen freizumachen, wird in den heutigen Tagen das Fürchten gelernt haben. Die zwischenimperialistischen Widersprüche jedoch führten dazu, dass dem Machtstreben der iranischen Bourgeoisie durch die USA ein Riegel vorgeschoben wurde, zuallererst um die Konkurrenten auszuschalten. Frankreich z.B. hatten einen großen Gas-Deal mit Iran auf dem Plan, der durch den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen durchkreuzt wurde. Aus dieser Situation kommt die iranische Kapitalistenklasse nur heraus, wenn sie sich der Kraft, Standhaftigkeit und Ausdauer der Massen bedient, sonst droht ihr womöglich ein ähnliches Szenario wie Syrien oder Irak. Für die iranische Arbeiterklasse und ihre besten Köpfe heißt das: jetzt die verfassungsmäßigen Rechte der Arbeiter auf den Plan rufen, jetzt zu fordern, die illegalen Privatisierungen des Staatseigentums zurückzunehmen, sozusagen bis an die Grenzen der durch die Revolution errungenen Arbeiterrechte den Kampf zur Verbesserung der Lage vorantreiben. Das entsprechende Bewusstsein für diesen Kampf ist gegeben und für alle spürbar. Das wiederum heißt nicht, dass das Ziel Sozialismus nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Das ist natürlich, wie überall sonst, auch im Iran der Fall. Die Bedingung dafür ist die Schaffung einer revolutionären Arbeiterpartei, die im Iran ihre Arbeit aufnimmt.

Alle Bestrebungen aber, die versuchen in einem instrumentellen Verhältnis zur Arbeiterklasse, ohne Berücksichtigung des vorherrschenden Bewusstseinsstandes und der realen äußeren Bedrohung primär den Sturz der Islamischen Republik in den Fokus zu rücken, wofür es in den Reihen der Arbeiterklasse offensichtlich kaum Bereitschaft gibt, werden faktisch die Arbeiterklasse spalten. Zweitens werden sie die Arbeiterbewegung schwächen, weil die hauptsächlichen Kämpfe, die jetzt geführt werden müssen, die Verteidigung der nationalen Souveränität einerseits und das Zurückdrängen der kapitalistischen Reformen durch die iranische Bourgeoisie andrerseits sind. Davon aber lenkt die einseitige Frontstellung gegen die Islamische Republik nur ab.

Die Bedeutung der Frontstellung in Westasien für das internationale Proletariat

Für das internationale Proletariat ist die Frontstellung in Westasien ein Weckruf, den Kampf in den eigenen Ländern entsprechend aufzunehmen: Kampf gegen die eigene Bourgeoisie und ihre Kriegspläne in Westasien, Schaffung einer einheitlichen Front im eigenen Land für die Unterstützung der Front gegen die Besatzungsmächte in der Region. Dieser Kampf beinhaltet folgende Aspekte:

  • Kampf gegen jegliche Form der Spaltung, sei es durch Konfessionalisierung, durch vorgeschobene und falsche Religionskritik, sei es durch eine äquidistante Menschenrechtsrhetorik
  • Entlarvung, Abgrenzung und Distanzierung von allen Kräften, die explizit oder implizit die Front der Aggression und Spaltung unterstützen. Dazu gehören alle Kräfte, die die Kriegsgefahr herunterspielen und auch all diejenigen Kräfte, die meinen durch die Ausnutzung der Macht des Stärkeren (USA und ihre Verbündeten) eine ‚Demokratisierung‘ der Region herbeiführen zu können.
  • Unterstützung der Arbeiterklasse in allen Ländern in Westasien in ihrem je national spezifischen Kampf für mehr politische und ökonomische Rechte und um die Verbesserung ihrer ökonomischen und sozialen Lage und für die Schaffung von eigenständigen, klassenbewussten Organisationen, um den Kampf für den Sozialismus führen zu können.

Für eine Diskussion ohne „heilige Kühe“

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Diskussionsbeitrag– keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussion)

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Eine Erwiderung auf Richard Corell zur Einschätzung des VII. Weltkongresses der Komintern

Ein Beitrag von Thanasis Spanidis

Vor etwa zweieinhalb Jahren, im Jahr 2017 hatte ich einen Diskussionsbeitrag unter dem Titel „Der VII. Weltkongress der Komintern und seine Folgen. Für eine kritische Neubewertung der antifaschistischen Politik der Komintern“ verfasst und auf der damaligen Website „wieweiter.net“ veröffentlicht. Nun hat der Genosse Richard Corell in den Ausgaben 367 und Ausgabe 368 der „Kommunistischen Arbeiterzeitung“ (KAZ) eine zweiteilige Erwiderung auf diesen Text geschrieben. Auch wenn sein Ton dabei über weite Strecken unangemessen ist, ist das erfreulich und verdient Anerkennung. Denn die Diskussionskultur ist in der heutigen kommunistischen Bewegung immer noch unterentwickelt. Die Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Standpunkten kann sogar dann eine gute Sache sein, wenn sie, wie bei Corell, in überspitzter und polemischer Form vorgetragen wird.

Bevor ich mich mit den Argumenten des Genossen Corell beschäftigen werde, sind dennoch einige Worte zu seiner grundlegenden Haltung der Diskussion gegenüber zu verlieren. Sein zweiteiliger Text ist eine einzige, vor Wut schäumende Polemik gegen ein vermeintliches Linkssektierertum. Möglicherweise liegt das daran, dass er die Intention meines Diskussionsbeitrages von 2017 völlig missverstanden hat – Er war eben als Diskussionsbeitrag, als Aufschlag zur Diskussion, als erste Infragestellung von bisher weitgehend unhinterfragten Standpunkten in der deutschen kommunistischen Bewegung gedacht. Er war nicht das Ergebnis jahre- oder jahrzehntelanger kollektiver Forschung. Er beanspruchte nicht, fertige Schlussfolgerungen zu präsentieren, an denen nicht mehr gerüttelt werden darf – ganz im Gegenteil zur Intention Corells, für den es offenbar keinen Zweifel an irgendeiner Aussage Dimitroffs geben darf. Das ist der rote Faden von Corells Antwortartikel: Jede Kritik, jede Infragestellung von Standpunkten, die jahrzehntelang in der kommunistischen Weltbewegung fest zum Kern der strategischen Ausrichtung und politischen Identität gehört haben, ist ein Sakrileg und darf nicht sein. Auf dieser Grundlage wird sich eine Diskussion nur schwer führen und eine Klärung nur schwer herbeiführen lassen. Versuchen wollen wir es trotzdem.

Ich werde im Folgenden versuchen, mich kurz zu halten und auf ein paar wesentliche Aspekte zu beschränken. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Fragen, die durch den VII. Weltkongress berührt werden, wird im Rahmen des kommunistischen Klärungsprozesses eine kollektive Aufgabe für die Zukunft sein. Dafür hat die Kommunistische Organisation sieben thematische AGs aufgestellt, in denen auch Außenstehende sich konstruktiv einbringen können, um zur Klärung der umstrittenen Fragen beizutragen. Die bisherigen Ergebnisse lassen sich auf der Plattform BolscheWiki nachlesen (wiki.kommunistische.org).

Richtigerweise hebt Corell die aktuelle Bedeutung der Diskussion um den VII. Weltkongress hervor:

Es geht aber um einige zentrale Fragen kommunistischer Politik und um z.T. sehr aktuelle Probleme: Wie kommt die Arbeiterklasse an die Revolution heran? Sind auf dem Weg zur Revolution „Übergänge“, Übergangsetappen, Übergangsstadien zu berücksichtigen? Welche Bedeutung haben dabei die Tageskämpfe um Arbeit und Lohn, gegen Faschismus und Krieg, die Kämpfe um Reformen? Mit wem kann und muss sich die Arbeiterklasse verbünden, mit wem die Kommunisten?“

KAZ Ausgabe 367

Gerade diese Fragen sind es, in denen Corell und ich zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Entscheidend für meine Sichtweise auf den VII. Weltkongress und überhaupt kommunistische Geschichte ist, dass wir aus heutiger Sicht, im Lichte der Erfahrungen vergangener Jahrzehnte zu anderen Erkenntnissen kommen können, als es den Genossen zur damaligen Zeit möglich war. Denn politische Einschätzungen entstehen nie im historischen Vakuum, sondern immer durch die Verarbeitung bestimmter Erfahrungen. Dies bedeutet ausdrücklich auch, dass die heutige kritische Sichtweise auf einige Beschlüsse des VII. Weltkongresses oder andere Fehlentwicklungen nicht den Charakter einer Abrechnung, einer Entsorgung der eigenen Geschichte haben darf. Eben weil wir betonen, dass es sich um unsere Geschichte handelt, müssen wir analysieren, zu welchen späteren Entwicklungen bestimmte Entscheidungen geführt haben. Dabei kann es vorkommen, dass auch mal über das Ziel hinausgeschossen wird. Wenn dies bei meinen Ausführungen irgendwo der Fall war, bin ich dankbar für jede konstruktive Kritik.

Die Diskussion um die Staatstheorie

Die Diskussion um die Analyse des bürgerlichen Staates führen wir im Rahmen der AG „Formen bürgerlicher Herrschaft“. Dabei geht es auch um solche Fragen wie die Einschätzung der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, das Verhältnis von Monopolkapital und Staat oder die Analyse des faschistischen Staates.

Hat Dimitroff zu diesen Fragen fragwürdige Einschätzungen getroffen? Seine Bestimmung des Faschismus als „offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ stellt zwar einerseits richtigerweise heraus, dass nicht die gesamte Bourgeoisie die Machtübergabe an den Faschismus aktiv unterstützt hat und danach auch nicht alle Gruppen des Kapitals im gleichen Maße mit dem faschistischen Staat verwoben waren. Auf der anderen Seite legt diese Definition aber auch nahe, es wäre möglich, dass der faschistische Staat ausschließlich die Herrschaft einer begrenzten Gruppe des Finanzkapitals repräsentieren würde. Das würde bedeuten, dass die sonstigen Monopole und sowieso die nichtmonopolistische Bourgeoisie in keiner Weise an der Herrschaft beteiligt wären; dass ihre Interessen in keiner Weise in der staatlichen Politik zum Ausdruck kämen; dass die staatlichen Institutionen diesen Fraktionen des Kapitals in keiner Weise zur Organisierung ihrer Herrschaft, zur Formulierung und Durchsetzung ihrer Strategie gedient hätten. Teile des Kapitals würden demnach zu den Beherrschten gehören, denn in einer antagonistischen Klassengesellschaft gibt es nur herrschende und beherrschte Klassen. War das im Faschismus der Fall? Das denke ich nicht. Möglicherweise hat Dimitroff diese Formulierung anders gemeint, eher in dem Sinne, dass er auf die primären gesellschaftlichen Träger des Faschismus hinweisen wollte. Dennoch ist es so, dass seine Aussage oft anders interpretiert wurde, nämlich so, dass der Faschismus als Herrschaft nur eines Teils der Bourgeoisie verstanden wurde, womit es nahelag, andere Teile als potenzielle Bündnispartner im antifaschistischen Kampf zu sehen.

Ich möchte hier erneut darauf hinweisen, dass Dimitroff an anderer Stelle den Charakter des faschistischen Staates allgemeiner bestimmte, als „Diktatur der Großbourgeoisie“. Streng genommen ist auch diese Bestimmung unzureichend, da die nichtmonopolistische Bourgeoisie im Monopolkapitalismus immer noch zur herrschenden Klasse gehört, also nie völlig von der Herrschaft ausgeschlossen ist. Dass ich diese Formulierung in meinem Artikel als „fehlerhaft“ charakterisiert habe, war aber möglicherweise übertrieben: Denn auch wenn der imperialistische Staat nicht ausschließlich die Herrschaft des Finanzkapitals ist, so ist er doch vornehmlich die Herrschaft dieser dominierenden Gruppe innerhalb der Bourgeoisie. Die Einbeziehung der anderen Teile der Bourgeoisie in die politische Herrschaft findet statt, aber eben unter der Führung der großen Monopole aus Industrie und Banksektor.

Ebenfalls interessant ist die Frage, ob der Faschismus eine grundsätzlich andere Staatsform darstellte als die bürgerliche Demokratie. In der Darstellung des Faschismus als „bloße Variante des bürgerlichen Staates“ sieht Corell die „Wurzel von Spanidis‘ Weg in den Sumpf“. Aber habe ich wirklich geleugnet, dass es zwischen beiden Varianten kapitalistischer Herrschaft qualitative Unterschiede gibt? Nein. Sicherlich ist es ein qualitativer Unterschied, ob die Bourgeoisie ihre Differenzen z.B. über ein Mehrparteiensystem austragen kann oder nicht; ob auf das Betreiben einer illegalen Druckerei die Todesstrafe steht oder nicht usw. Die Bestimmung des Faschismus als offen terroristische Diktatur, während die bürgerliche Demokratie eher eine verdeckte Diktatur darstellt, ist sicherlich korrekt. Doch was bedeutet es, wenn man wie Dimitroff den Faschismus als eine grundsätzlich andere Staatsform bestimmt? Trägt das wirklich zum Verständnis dessen bei, was der Faschismus ist? Ich glaube nicht. Ich denke vielmehr, dass die marxistische Sichtweise auf den Faschismus stark von der deutschen Erfahrung geprägt war, in der der Übergang zur offen terroristischen Diktatur rasant, innerhalb weniger Wochen mit der Annullierung sämtlicher noch verbliebener bürgerlicher Freiheitsrechte von statten ging. Doch diese Sichtweise ist irreführend: Zum einen unterschlägt sie die vorausgegangene langsame Faschisierung in Form der Präsidialkabinette. Zum anderen ignoriert sie, dass in anderen Ländern die Herausbildung der faschistischen Herrschaft viel gradueller und über längere Zeiträume stattfand. In den osteuropäischen Ländern verlief die Schaffung der faschistischen Diktaturen teilweise schrittweise über ansteigende Repressionen, Personalaustausch innerhalb bereits reaktionärer Regierungen usw – so z.B. in Rumänien mit der Etablierung der Königsdiktatur 1938, aus der 1940 die faschistische Diktatur von Ion Antonescu hervorging. Oder in Ungarn während der langen Regierungszeit von Miklos Horthy. Auch in Italien verlief dieser Übergang sehr viel langsamer als in Deutschland, in einem Prozess über einige Jahre.

Und gibt es überhaupt Elemente des Faschismus, die nicht auch von bürgerlich-„demokratischen“ Staaten massenweise angewandt wurden? Systematischer Massenmord, Vernichtungskrieg, die Ausrottung ganzer Nationen, die Internierung politischer Gegner, die Terrorisierung der Arbeiterbewegung, all das finden wir auch in der Geschichte der liberalen „Demokratien“: Von den Kongogräueln mit ihren vielen Millionen Todesopfern, über das Abschlachten Zehntausender Zivilisten im Koreakrieg durch die US-Armee, das Ausradieren ganzer Dörfer im Algerienkrieg (wohlgemerkt zählte Frankreich Algerien damals zu seinem Staatsgebiet) oder das Massakrieren Hunderter Demonstranten in Paris am 17. Oktober 1961 bis hin zur Organisierung faschistischer Terroranschläge durch NATO-Geheimdienste im Rahmen der „Strategie der Spannung“. Waren das nicht Elemente des Faschismus innerhalb von formal „demokratischen“ Staaten? Wo ist also die saubere Grenze, die den Faschismus rasiermesserscharf von der bürgerlichen Demokratie unterscheidet? Ich denke, es gibt sie nicht. Es handelt sich, wie schon gesagt, um Varianten (!) der bürgerlichen Herrschaft, die wechselseitig ineinander übergehen können. Wie Rajani Palme Dutt, einer der wichtigsten Theoretiker der Komintern in den 1930ern, schreibt: „Der Faschismus ist tatsächlich keine besondere, unabhängige Doktrin und System in Opposition zur bestehenden kapitalistischen Gesellschaft. Der Faschismus ist im Gegenteil die vollständigste und konsistenteste Auswirkung – unter bestimmten Bedingungen des extremen Verfalls – der typischsten Tendenzen und Politiken des modernen Kapitalismus“ (Rajani Palme Dutt 1934: Fascism and Social Revolution, Wildside Press, S. 92).

Aus diesem Grunde ist es auch falsch, zur Verteidigung der bürgerlichen Demokratie aufzurufen. Dies war die Linie der Komintern seit dem VII. Weltkongress und Corell bezieht sich zustimmend darauf. Doch so richtig es auch ist, erkämpfte demokratische Rechte wie das Versammlungsrecht, die Koalitionsfreiheit, die Tarifautonomie, die Pressefreiheit usw. gegen die Angriffe der Bourgeoisie zu verteidigen – es ist etwas ganz anderes, sich auf die bürgerliche Demokratie an sich, auf den kapitalistischen Ausbeuterstaat hinter seiner „freiheitlichen“ Maske zu berufen. Eine solche Orientierung führt in die Irre. Historisch hat sie eindeutig eine programmatische Rechtsentwicklung der kommunistischen Bewegung gefördert: Die bürgerliche Demokratie wurde zunehmend nicht mehr als grundsätzlicher Gegensatz zur sozialistischen Demokratie gesehen, sondern als Vehikel, um von der einen in die andere Form überzugehen. Viele kommunistische Parteien, nicht nur die „eurokommunistischen“, die offenen Verrat am Marxismus begangen haben, entwickelten Sozialismusvorstellungen, wonach der Sozialismus alle Charakteristika der bürgerlichen Demokratie beibehalten, aber diese im Sinne des Volkes anwenden und mit staatlichem Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln verbinden würde. Es waren eben solche Unklarheiten, die, da sie nicht korrigiert wurden, die Entwicklung zum Reformismus begünstigt haben.

Bündnisse mit der Sozialdemokratie?

Die Bündnisfrage ist die zweite Frage, anhand derer Corell mir vorwirft, ins Linkssektierertum abzugleiten. Damit kritisiert er indirekt auch eine Vielzahl kommunistischer Parteien als „sektiererisch“, die heutzutage Bündnisse mit sozialdemokratischen und anderen bürgerlichen Kräften ablehnen. Dafür, dass Corell sich hier weit aus dem Fenster lehnt, führt er leider nicht sehr viele Argumente an, warum Bündnisse mit sozialdemokratischen Parteien denn richtig sein sollten.

  • Indirekt kann man aus einem Dimitroff-Zitat herauslesen, dass er wohl meint, dass die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Parteien in keinem Widerspruch dazu stehe, einen „unversöhnlichen Kampf gegen den Sozialdemokratismus als Ideologie und Praxis des Kompromisses mit der Bourgeoisie“ zu führen.
  • Ebenso kann man herauslesen, dass er wohl der Ansicht ist, die Sozialdemokratie wäre im Betrieb und den Gewerkschaften so stark, dass man die Massen nicht gegen sie in Bewegung bringen könne.
  • Im zweiten Teil seines Artikels stellt er den Maßstab auf, wonach jede Bewegung danach zu beurteilen sei, inwieweit sie zum Aufbau der KP beiträgt.

Der dritte Punkt ist unstrittig, allerdings auch nicht sehr aussagekräftig. Denn gerade hier kommen Kommunisten ja zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen in der Frage, welche Bewegungen zum Aufbau der Partei beitragen und welche dem eher entgegenstehen.

Den ersten und zweiten Punkt halte ich für schwerwiegende politische Irrtümer. Wenn wir mit der Sozialdemokratie in Bündnissen zusammenarbeiten, entsteht selbstverständlich ein grundsätzlicher Widerspruch zwischen dem Ziel, einerseits das Bündnis aufrecht zu erhalten und andrerseits die Sozialdemokratie zu bekämpfen, ihre Ideologie und Politik zu entlarven, ihre Massenbasis ihrem Einfluss zu entziehen. Tun wir letzteres erfolgreich, dann entziehen wir der Sozialdemokratie den Boden unter den Füßen, woraufhin sie das Bündnis eher früher als später aufkündigen wird. Noch stärker fällt aber ins Gewicht, dass die Agitation und Propaganda der Kommunisten zur Entlarvung der Sozialdemokratie als Feind der Arbeiterklasse, als Urheber von Kriegen, arbeiterfeindlichen Gesetzen usw. kaum glaubwürdig werden kann, wenn wir mit genau diesen Feinden der Klasse überall in Bündnissen sitzen. Das bezieht sich selbstredend nicht auf einzelne ehrliche Vertreter, sondern auf die Sozialdemokratie als solche und ihre Führung. Allgemein gilt, dass es eins der größten Hindernisse für die Entstehung von Klassenbewusstsein ist, dass den Menschen der Unterschied, ja der Gegensatz zwischen Kommunisten und reformistischen „Linken“ nicht klar ist, dass sie uns nur für eine Variante der „Linken“ halten, die in ihren Augen bereits abgewirtschaftet hat.

Wenn man Corells zweiten Punkt teilt, wonach es ohne und gegen die Sozialdemokratie schlicht unmöglich wäre, die Arbeiterklasse zu mobilisieren und zu organisieren, dann kann man vielleicht der Ansicht sein, dieser gravierende Widerspruch müsse einfach „ausgehalten“ werden. Doch auch diese Annahme ist grundfalsch. Sowohl unsere Erfahrungen im Betrieb oder im Stadtteil als auch die Erfahrungen der kommunistischen Parteien anderer Länder zeigen das Gegenteil: Nicht nur ist es möglich, in der Gewerkschaft, im Betrieb, im Wohnviertel die Kollegen, Nachbarn und Klassengenossen in Kämpfe für konkrete Verbesserungen ihrer Lebenslage einzubinden, sie dadurch zu organisieren und zu politisieren. Es ist sogar so, dass dieser Kampf immer an den Punkt kommt, wo der Einfluss der Sozialdemokratie oder ähnlich wirkender bürgerlicher Kräfte zum Hindernis wird, das sich nur überwinden lässt, indem ein Bewusstsein über die Rolle und den Charakter dieser Kräfte entsteht und die Arbeiter den Bruch mit ihnen vollziehen. Damit die Arbeiterklasse diesen Bruch vollziehen kann, ist es richtig und wichtig, mit sozialdemokratischen oder sozialdemokratisch beeinflussten Arbeitern zusammenzuarbeiten. Die „Einheitsfront von unten“, also die gemeinsame Aktion der Arbeiterklasse über ideologische und Parteigrenzen hinweg war und ist richtig. Bündnisse mit den politischen Führungen der Sozialdemokratie sind etwas anderes, insbesondere dann, wenn die Sozialdemokratie in ihnen die ideologische Führung hat. Ob eine solche Form der Einheitsfront jemals erfolgreich war und wenn ja, unter welchen besonderen Bedingungen, müsste konkret historisch ausgewertet werden, statt es einfach anzunehmen.

Wir haben uns im vergangenen Jahr ausführlich kollektiv damit auseinandergesetzt, wie die Arbeiterklasse für den Klassenkampf organisiert werden kann. Wir haben dazu ein umfassendes Dokument beschlossen (Beschluss zur Arbeit in den Massen). Vielleicht ist Corell dieser Beitrag entgangen. Daher möchte ich ihn an dieser Stelle dazu einladen, sich ausführlich mit unseren Vorstellungen zur Massenarbeit zu befassen und uns seine Kritik daran zukommen zu lassen.

Fazit

Corell versucht, den VII. Weltkongress der KI gegen jede Kritik in Schutz zu nehmen. Das gelingt ihm nicht. Auf zentrale Kritikpunkte meines Artikels am Kongress, die meine Einschätzung als „Rechtsruck in der kommunistischen Weltbewegung“ begründeten, wie z.B. die Forderung, die kommunistischen Parteien mit den sozialdemokratischen zu verschmelzen oder in nichtkommunistischen Parteien aufzugehen. Wir können nur spekulieren, warum. Ist er der Ansicht, dass die eigenständige Existenz der kommunistischen Partei nicht um jeden Preis gewahrt werden muss? Auch hier gibt es wohl Ausnahmen: So war die Vereinigung von KPD und SPD unter den besonderen Bedingungen in der SBZ vermutlich richtig und auch alternativlos. Darauf habe ich auch in meinem Referat auf der wissenschaftlich-strategischen Konferenz der KPD zum 70. Jahrestag der DDR hingewiesen, das sich in dem mittlerweile veröffentlichen Konferenzband nachlesen lässt. Im Allgemeinen halte ich eine solche Orientierung jedoch für fatal.

Vor allem aber beruht seine Argumentation darauf, die seit 1935 gemachten historischen Erfahrungen der kommunistischen Weltbewegung weitgehend zu ignorieren. Diese Erfahrungen hatte ich in meinem Artikel jedoch zumindest oberflächlich auszuwerten versucht: Vom verhängnisvollen Versagen der KPen Italiens und Griechenlands dabei, den bewaffneten antifaschistischen und nationalen Befreiungskampf in einen Kampf um die Macht und den Sozialismus umzuwandeln über die problematischen Übergangsvorstellungen, in denen die Wiedererrichtung der bürgerlichen Demokratie als strategische Zwischenetappe auf dem Weg zum Sozialismus formuliert wurde, bis hin zum „Eurokommunismus“, der den Marxismus-Leninismus endgültig verwarf. Indem er diesen Pfeiler meiner Argumentation ignoriert, kann er auch nur daran scheitern, die Argumentation insgesamt zu kritisieren.

Ungeachtet dessen: Hoffen wir auf weitere Diskussionsbeiträge zur Politik der Komintern, zu den Fragen der Volks- und Einheitsfront, der Bündnispolitik, der Übergänge, der Staatstheorie und weiteren Aspekten. Sie werden uns dabei helfen, unsere Analyse zu schärfen, Einseitigkeiten zu korrigieren und schließlich die programmatische Grundlage für den Wiederaufbau der kommunistischen Bewegung in Deutschland zu schaffen.

LLL 2020: Das Programm der KO

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Wir laden euch herzlich zum Luxemburg-Liebknecht-Lenin Wochenende am 11.01.-12.01.2020 in Berlin ein!

Dieses Jahr werden wir am Samstag 11.01.2020 in Berlin drei Veranstaltungen machen, die jeweils am im ND-Haus, Franz-Mehring-Platz 1 starten:

Um 12:30 Uhr ein Vortrag/Workshop mit Rolf Geffken zum Thema „Modernisierung oder Konterrevolution? – Die neoliberale Zerstörung von Arbeiterrechten in Deutschland“

Fast parallel dazu findet ein Rundgang zur Geschichte der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde statt.

Start: 12:00 Uhr Gemeinsame Sammlung am ND-Gebäude und gemeinsame Anreise zum Friedhof. Für warme Getränke ist gesorgt.

Um 18:00 Uhr eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „30 Jahre Konterrevolution – Bilanz & Ausblick“

Am Sonntag 12.01.2020 geht es dann um 10:00 Uhr zur Frankfurter Tor zur alljährlichen LLL-Gedenkdemonstration

Hier könnt ihr euch ein Bild über das LLL-Wochenende 2019 machen.

Lasst uns über die Katastrophe reden!

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Beitrag zur Diskussionstribüne Klima&Kapitalismus – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)

Der Text als pdf

Ein Beitrag von Klara Bina

Ich möchte den Stab dort aufnehmen, wo Genosse Thanasis seinen Artikel beendet, nämlich bei dem Versuch die Debatte zu fokussieren. Er stellt vier Fragen in den Raum, die seiner Ansicht nach die wichtigen Fragen sind, auf die wir uns konzentrieren sollten. Er schreibt, dass es um vier Fragen gehen soll: um die Ursachen der Erwärmung, ihren Folgen, darum unter welchen Bedingungen das Problem gelöst werden kann und darum wie die Kommunisten die Klimafrage in ihre Strategie und Taktik einbetten sollen.

Meiner Ansicht nach sollten wir noch einen Schritt zurückgehen und fragen, welche Vorstellungen es von den kommenden Veränderungen gibt. Geht es darum, dass der Klimawandel das Leben auf der Erde erschweren oder fast unmöglich machen wird? Geht es also darum, dass wir es mit einer kommenden Katastrophe zu tun haben oder reiht sich die so genannte Klimakrise in die vielen anderen Verschlechterungen und Gefahren ein, die der Kapitalismus mit sich bringt. Wenn wir diese Frage nicht geklärt haben, dann werden wir in dieser Debatte aneinander vorbeidiskutieren. Und das sollten wir nicht tun.

Über einen anderen gedanklichen Weg, ist auch schon Genosse Thanasis selbst darauf gekommen, dass es die „entscheidende Frage“ ist:

„Es ist nun sehr problematisch, wenn die drei Genossen das Hauptproblem in der Panikmache ausmachen, ohne sich die Frage zu stellen, ob diese Panik sich vielleicht auf einen realen Kern bezieht, ob also katastrophale Veränderungen der Lebensbedingungen der Menschheit tatsächlich bevorstehen, oder ob das alles nur ein großer Schwindel ist. Das wäre aber die entscheidende Frage, mit der man sich zuerst beschäftigen müsste, bevor man sich ein Urteil darüber anmaßt, wie der sogenannte ‚Alarmismus‘ einzuschätzen ist.“ Liegt es an uns, dass wir den Elefanten im Raum nicht sehen? Möglich ist es. Vielleicht weil wir Angst vor der Panik haben? Umso mehr sollte man uns durch Konkretisierung des Faktischen überzeugen. Im vorliegenden Text werde ich zeigen, dass das aber bisher nicht geleistet wurde.

Vorab: worum es in der Debatte nicht geht!

Die Diskussion ist bis jetzt unter anderem deshalb diffus, weil es zu einer Vermengung sehr unterschiedlicher Fragen gekommen ist. Erstens wird das sehr konkrete Thema „Klima“ mit der allgemeinen Umweltfrage vermengt. Die Frage danach wie der Kapitalismus die Umwelt des Menschen zerstört und wir Kommunisten dagegen vorgehen sollten, ist eine wichtige Frage. Dazu nur ein paar Worte.

Selbstverständlich gibt es Umweltzerstörung im Kapitalismus. Der Kapitalismus beutet Mensch und Natur ohne Rücksicht auf Verluste aus und zerstört beide. Er wird es immer weiter tun. Erst im Sozialismus/Kommunismus werden wir für den Menschen produzieren und dazu gehört unsere Umwelt nicht zu zerstören. Wir haben aber keine Debatte zum Thema Umweltzerstörung im Kapitalismus eröffnet, sondern eine Klima-Debatte! Und dieses Thema hat eine ganz besondere Eigenschaft: es geht in ihr um eine Katastrophe, die nahe bevorstehen soll. Diese Debatte ist von einer diffusen Angststimmung geprägt und hat immense Folgen auf das Bewusstsein. Hier wird es vor allem wichtig sein den ideologischen Kampf zu führen.

Wohingegen der Kampf gegen Luft- und Wasserverschmutzung und so weiter von Anbeginn ein Teil des Kampfes der Arbeiterbewegung für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitssituation waren und immer noch sind. Kommunisten haben hier die Aufgabe sich – wie in allen anderen Kämpfen – mit all ihrem Wissen und ihrer Kraft einzubringen.

Warum ist die Frage nach der „Katastrophe“ so wichtig?

Diese Frage ist deshalb so wichtig, weil sie überhaupt den Anlass zur Eröffnung der Diskussionstribüne gibt. Wir eröffnen ja nicht solche Tribünen beliebig für alle Themen. Das wäre auch absurd. Es ist doch so: Genossen haben aufgrund der ‚Dringlichkeit‘ (die Klimakrise sei zeitkritisch) vehement darauf gepocht, dass wir jetzt diskutieren müssen, weil es um überlebenswichtige Fragen ginge. Wenn keine Katastrophe erwartet wird, dann ist die Frage, warum diese Hektik?

Wir haben mit unserem Artikel auf diese Stimmung reagiert. Wir haben versucht uns weitestgehend mit der vorherrschenden gesellschaftlichen Stimmung und den Interessenlagen zu befassen und diese auf ihre Begriffe hin anzudiskutieren und nicht so sehr mit dem von den Genossen formulierten Aussagen. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn die Genossen, die die Gefahren der kommenden klimatischen Katastrophe sehen, einen Aufschlag gemacht hätten. So hätten wir mit einer Kritik unmittelbar auf ihre Argumente eingehen können. Wir hätten dann mit den oben genannten Fragen beginnen sollen, um erst einmal die Positionen im Klartext auf den Tisch zu bekommen. Nun ist es nicht mehr ganz klar, worum es eigentlich in der Debatte geht. Philosophische, strategische, gesellschaftspolitische und naturwissenschaftliche Fragen werden je nach Belieben aufgegriffen und sich mit ihnen auseinandergesetzt. Was aber ist eigentlich der Kern der Debatte, was ihre Dringlichkeit begründet?

Im ersten Artikel der Genossen TJEH (Thanasi/Jakob/Ernesto/Hans-Christoph) heisst es dazu:

„Leider kann es keine ernsthaften Zweifel mehr daran geben, dass die menschliche Zivilisation in der nahen Zukunft auf katastrophale klimatische Veränderungen im globalen Maßstab zusteuert und dass diese Bedrohung von den Emissionen an Treibhausgasen verursacht wird.“ Das ist der Anlass für die Debatte. Es ist die Feststellung, dass wir uns kurz vor einer Katastrophe befinden. Ich habe mir die Mühe gemacht und in den bisherigen Artikeln versucht mehr über diese kommende Katastrophe zu erfahren. Dazu gleich mehr.

Bevor wir uns die Aussagen anschauen, sollten wir uns drüber im Klaren sein, was wir denn überhaupt mit einer Katastrophe meinen. Denn vielleicht reden wir auch deshalb aneinander vorbei, weil die einen lediglich eine „graduelle Veränderung“, die anderen aber eine schicksalhafte Wende verstehen.

Das Wort Katastrophe kommt aus dem Griechischen und bedeutet Wendung. In Tragödien sind Katastrophen der Punkt, an dem sich das Schicksal des Helden entscheidet. Daraus entwickelte sich die heute verwendete Bedeutung: es ist das Ereignis, an dem sich das Schicksal eines Menschen oder gar eines Volkes (in unserem Fall vielleicht sogar einer Gattung) entscheidet. Diese Definition setze ich hier als die Bedeutung von Katastrophe, so wie ich ihn verstehe voraus und bitte die anderen Genossen ihr Verständnis auch offen zu legen.

Unter den vier verschiedenen Autoren TJEH mag es darüber vielleicht keine Verständigung gegeben haben, aber ein Autor, nämlich Hans-Christoph Stoodt scheint tatsächlich auch die hier vorgestellte Definition zu teilen, wenn er in einem Artikel auf seinem Blog folgendes schreibt:

„Vielleicht, wer weiß! Die Wissenschaftler von „Science for Future“, die Aktivist*innen von „Fridays for Future“ oder „Ende Gelände“ sind keine Schwarzmaler und Spaßverderber. Im Gegenteil. Sie stellen klar: wir haben noch eine Chance. Ein Zeitfenster von einigen Jahren. Wir müssen es nutzen, um alles zu verändern, damit wir weiter glücklich sein und leben können. Nutzen wir den Spielraum, den uns die Worte „Vielleicht“ und „Wer weiß“ geben – im Vertrauen darauf, dass wir Menschen Gott zu schade sind, um gnadenlos uns selbst vernichten zu sollen – und mit uns die Schöpfung.“ (Hans-Christoph Stoodt, Sommer 2019, https://wurfbude.wordpress.com/2019/07/01/vielleicht-die-welt-im-zeichen-des-jona/)

Ich werde nicht auf die Einzelheiten in diesem Zitat eingehen, sondern nur festhalten, dass hier offensichtlich eine Katastrophe in „einigen Jahren“ erwartet wird, bei der es möglich ist, dass wir Menschen „gnadenlos“ uns selbst und „die Schöpfung“ vernichten.

Halten wir also fest, es ist die Katastrophenstimmung, die uns veranlasst hat den Artikel mit dem Titel „Wir werden nicht in Panik geraten“ zu schreiben. Wir halten auch fest, dass im Artikel von TJEH eine Art Katastrophe erwartet wird und mindestens ein Autor auch das gleiche Verständnis von einer Katastrophe hat, die auch hier vorgeschlagen wird. Schauen wir uns nun an, was in den vorgelegten Artikeln zur kommenden Katastrophe konkret gesagt wird.

Genosse Thanasis schreibt, dass wir es „mit einer graduellen, wenn auch vermutlich exponentiell ansteigenden Verschlimmerung der Lage zu tun haben, je mehr sich das Klima erwärmt.“, was noch nicht besonders konkret ist und auch noch nicht dem Anliegen eine kommenden Katastrophe zu beschreiben gerecht wird.

Er schätzt die Prognosen des IPCC als zu optimistisch ein. Es gäbe aber zugleich keinen Anlass zur Annahme, dass „wir in den nächsten Jahrzehnten mit dem ‚Weltuntergang‘, also dem Aussterben der Menschheit aufgrund von steigenden Temperaturen rechnen müssen.“ Einerseits könnte man aus der Aussage, das IPCC wäre zu optimistisch schließen, dass es ja viel schlimmer sein wird als erwartet und als öffentlich behauptet wird, – kurzum also doch eine Katastrophe zu erwarten sei. Andererseits hat man den Eindruck, dass Genosse Thanasis selbst vor einer Vorstellung, dass es eine Katastrophe geben könnte, zurückschreckt. Jedoch reicht es nicht zu sagen, es werde schon kein „Weltuntergang“ geben. Es würde ja reichen zu sagen, dass z.B. „die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit“ so sehr zerstört werden, dass die Menschheit oder ein Großteil der Menschheit nicht mehr wird überleben können. Jedenfalls bleibt an dieser Stelle Genosse Thanasis Zahlen und Fakten schuldig, warum wir nicht von einer katastrophalen Situation ausgehen müssen.

Dann wird Genosse Thanasis etwas ‚genauer‘, als es ihm darum geht, die Bedrohungslage im Vergleich zu einem Weltkrieg zu beschreiben: „Während aber der genaue Beginn eines Weltkrieges sich nicht voraussagen lässt, haben wir es bei der ‚befürchteten Klimakatastrophe‘ mit einem gut erforschten Phänomen zu tun, das sich graduell anbahnt und dem wir gerade sozusagen zusehen. Warum ist also die Kriegsangst begründeter als die Angst vor dem Klimawandel?“

Es werden also zwei Phänomene gegenüber gestellt: beim Weltkrieg könne man den genauen Beginn nicht voraussagen, bei der „befürchteten Katastrophe“ (die Anführungszeichen von Genossen Thanasis erschließen sich mir im Zitat nicht!) hätten wir es aber mit einem gut erforschten Phänomen zu tun. Heisst das, dass man den genauen Beginn der Klimakatastrophe also voraussagen kann? Ist das so? Warum schreibt der Genosse denn nicht mehr über diese Fragen? Wann genau wird das sein? Ein ungefährer Zeitraum wäre auch hilfreich.

Im Artikel von TJEH lesen wir dazu: „Setzen sich die aktuellen Tendenzen fort, wird die globale Erwärmung wahrscheinlich bereits irgendwann zwischen 2030 und 2052 die Schwelle von 1,5 °C überschreiten.“ Es wäre an dieser Stelle gut gewesen zu sagen, ob das dann schon die Katastrophe ist oder nicht. Dann werden ein paar Zeilen lang Aussagen über die Geschwindigkeit der Erwärmung getroffen, um zu schlussfolgern: „Diese Geschwindigkeit ist viele Tausend Male zu hoch, als dass sich die Evolution der Arten auf der Erde daran anpassen könnte.“ Und das hört sich erst einmal alarmierend an, bleibt aber völlig unklar, ob das jetzt einfach nur schade ist oder ob es die totale Vernichtung der Arten bedeutet. Hier bedarf es sicherlich einer Konkretisierung. Schon die Formulierung „viele Tausend Male“ unterstellt etwas sehr Krasses und der Leser wird erst einmal stocken. Was aber heisst es genau, dass die Evolution der Arten sich nicht wird an diese Geschwindigkeit anpassen können? Gerade weil der Artikel nicht genauer ausführt, was das denn nun heisst, könnte man auch verstehen, dass die Gattung Mensch damit gemeint sein könnte? Geht es um alle Arten? Und was heisst „nicht anpassen“?

Jedoch wird im gleichen Artikel auch folgendes geschrieben: „Wir wollen an dieser Stelle nicht die unterschiedlichen Prognosen diskutieren, die von einem Zusammenbrechen der Zivilisation in einigen Jahrzehnten ausgehen. Es liegt in der Natur solcher Prognosen, dass sie mit hoher Unsicherheit operieren, was die naturwissenschaftlichen Daten angeht.“ Und: „Entscheidend ist aber, dass es nicht die eine Schwelle gibt (z.B. 1,5 oder 2°C), bis zu der der Klimawandel noch beherrschbar wäre und nach deren Überschreitung die Menschheit alle Hoffnung fahren lassen müsste. Solche Vorstellungen, die teilweise in den Medien verbreitet werden, sind grober Unsinn. Vielmehr haben die negativen Folgen des Klimawandels längst begonnen und werden ja auch jetzt schon, vor Erreichen des 1,5-Grad-Zieles, immer spürbarer.“

An dieser Stelle mag der Leser vielleicht schon vergessen haben, dass am Anfang desselben Artikels (siehe das Zitat oben im vorliegenden Text) gesagt wurde, dass es „keine ernsthaften Zweifel mehr daran geben (kann), dass die menschliche Zivilisation in der nahen Zukunft auf katastrophale klimatische Veränderungen im globalen Maßstab zusteuert und dass diese Bedrohung von den Emissionen an Treibhausgasen verursacht wird.“ Hieran wird deutlich, dass die Autoren sich selbst nicht ganz klar darüber sind, was sie eigentlich meinen. Es wäre für die Debatte jedenfalls sehr hilfreich, wenn hier von den Autoren etwas mehr Klarheit geschaffen werden würde.

Was die Auswirkungen der Klimaveränderungen angeht, gehen die Genossen in diesem Aufschlagsartikel auf ein paar Punkte ein: Steigerung des Meeresspiegels, extreme Wetterereignisse, also „Hitze- und Kältewellen, Überschwemmungen, Tornados, Dürren, Waldbrände etc.“, Flora und Fauna werden verändert, manche Tier- und Pflanzenarten werden damit womöglich nicht zurecht kommen, werden aussterben oder in andere Regionen wandern, tropische und subtropische Krankheiten werden sich ausbreiten. Im Artikel werden vor allem Katastrophen benannt, die schon passiert sind und im Zusammenhang mit diesen genannten Prognosen werden im Artikel Opferzahlen von vergangenen Fällen von Naturereignissen vorgestellt. Es wird damit unterstellt, dass diese Menschen aufgrund der Naturereignisse ums Leben gekommen sind und nicht aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit. Das ist leider falsch. Kein Mensch würde oder sagen wir besser nicht so viele Menschen würden Naturereignissen zum Opfer fallen, wenn wir nicht in einer Klassengesellschaft leben würden. Schon nur Vergleiche zwischen Ländern wie Kuba und Haiti zeigen, welchen Unterschied es macht, wie mit den Naturereignissen gesellschaftlich verfahren wird. All diese tatsächlichen menschlichen Katastrophen sind jetzt schon real und sie haben nichts bzw. nur oberflächlich etwas mit dem Klima zu tun. Wäre der Kapitalismus weltweit überwunden, dann würden sicherlich keine Menschen durch Hunger, Krankheit, Krieg und Naturkatastrophen massenweise sterben müssen.

Über 800 Millionen Menschen waren im Jahre 2017 von Hunger betroffen, nur in zwei Kriegen (Irakkrieg und dem so genannten „Krieg gegen den Terror“) kamen zirka 2 Millionen Menschen ums Leben. Bei den 10 größten Naturkatastrophen zwischen 1980 und 2016, also in fast 40 Jahren kamen zirka 1 Million Menschen ums Leben. Nur Kurzsichtige und Apologetiker des Kapitalismus würden die letztgenannten Opfer als Opfer von Naturkatastrophen bezeichnen. Sie sind aber in der Realität Opfer von Armut und imperialistischer Ausbeutung. Es reicht also nicht die Opferzahlen von Hitzewellen oder Tornados zu nennen, um daraus zu folgern, wie schrecklich die Zukunft sein wird. Dafür müsste man erstens konkrete Aussagen darüber treffen, wann mit welchen Verschlimmerungen konkret zu rechnen ist, um dann zu sagen, welche Maßnahmen notwendig sind, um diese so glimpflich wie möglich für die Betroffenen zu überwinden. Aber die Genossen haben ja selbst festgestellt, dass es mit den Prognosen so eine Sache ist. Ich habe weder die Expertise, noch die Zeit mich in das Thema zu vertiefen, welche Aussagen welcher Organisationen, Institute und Forschungseinrichtungen zuverlässig sind, also welche Methoden angewendet werden und wie die Daten ausgewertet werden, auf welchen Modellen ihre Aussagen beruhen usw., geschweige denn ein Urteil darüber zu fällen, wie diese Aussagen dann in der Vermittlung verarbeitet und – davon sollten wir ausgehen – je nach Interesse so oder so gesellschaftspolitisch zum Einsatz kommen, aber ich kann ja mal anhand eines einzigen Beispiels die Schwierigkeiten aufzeigen:

Die World Meteorological Organization (WMO) hat 2006 die Behauptung aufgestellt, dass es keine Anhaltspunkte dafür findet, dass auch nur ein einzelner Wirbelsturm mit dem Klimawandel in Verbindung stünde. Oder schaut man sich die Forschungen zu den Prognosen bezüglich der Möglichkeit der Ergrünung der Sahara als Folge des Klimawandels an, dann sind dort gänzlich widersprechende Aussagen zu hören. Das ist ja auch vollkommen in Ordnung, denn wir haben es ja offensichtlich mit besonders komplexen Fragestellungen zu tun, die auch die Naturwissenschaftler vor großen Aufgaben und vor allem vor sehr vielen Fragen stellt.

Die Art aber wie die Genossen mit ihrem Artikel sich dieses komplexe Thema aneignen, wird der Sache nicht gerecht. Hier könnte man zwar das Fass darüber aufmachen, ob wir nun alle kurzerhand zu Experten in diesen Fragen werden können, aber ich werde dieses Fass an dieser Stelle bewusst nicht öffnen.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine – etwas traurige – Leseempfehlung geben. Traurig deshalb, weil die Ausgabe des Kursbuch, um die es geht, aus dem Jahre 1973 ist. In ihrer Ausgabe 33 mit dem Titel Ökologie und Politik oder Die Zukunft der Industrialisierung schreibt Hans Magnus Enzensberger:

„Daß eine bis vor kurzem noch marginale Wissenschaft (gemeint ist damit die ‚Humanökologie’, Anm. Der Autorin) innerhalb weniger Jahre in den Mittelpunkt erbitterter Auseinandersetzungen gerückt ist, läßt sich durch Schneeballwirkung der Massenmedien allein nicht erklären. Es hängt mit der zentralen Aussage zusammen, die in der heutigen Humanökologie gemacht wird: einer Aussage, die sich auf die Zukunft bezieht, die also zugleich prognostischer und hypothetischer Art ist. Von dieser Aussage ist einerseits jeder betroffen, weil sie sich auf die Existenz der Gattung bezieht, andererseits kann niemand ein sicheres und abschließendes Urteil über sie fällen, weil sie sich letzten Endes erst in der Zukunft verifizieren oder falsifizieren läßt. Diese Hypothese läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die industrialisierten Gesellschaften der Erde produzieren ökologische Widersprüche, die in absehbarer Zeit zu ihrem eigenen Zusammenbruch führen müssen.“ (Enzensberger, Hans Magnus: Zur Kritik der politischen Ökologie, in: Kursbuch 33, Ökologie und Politik, Oktober 1973)

So traurig es ist zu sehen, dass wir uns 46 Jahre später in dieser Frage auf der Bewusstseinsebene eher zurück- als vorwärts bewegt haben, so erfreulich ist doch die Tatsache, dass trotz damals schon konstatierter Absehbarkeit der Katastrophe sie noch nicht eingetreten ist: die Gattung Mensch hat es überlebt. Was nicht heisst, dass wir trotzdem zig menschliche Katastrophen haben durchleben müssen.

Welches Fazit ziehen wir bisher aus den Katastrophen-Vorstellungen der Genossen?

Ich stelle fest, dass alle Genossen, die zurzeit eine kommende Klima-Katastrophe prognostizieren in allen Fragen konkrete Antworten schuldig geblieben sind:

Erstens in der Frage, mit welchem Zeitraum wir nun zu rechnen haben. Zweitens in der Frage, worin diese Katastrophe nun bestehen soll, außer in dem im ersten Artikel sehr kurzen Aufzählung von Ereignissen und ihren schon vorhandenen Folgen (also z.B. Hitzewelle von 2019: soundsoviele Tote). Denn wenn das die kommende Katastrophe sein soll, dann sind wir ja schon mittendrin und das Thema Klima kann sich einreihen unter all die anderen Fragen, die die kapitalistische Zerstörung mit sich bringt. Es wird in den Artikeln viel geschrieben über Dinge, die passieren könnten oder schon passieren, aber das macht noch keine Katastrophe aus. Auch die Dringlichkeit wird nicht herausgearbeitet und es erschließt sich mir nicht, mit welcher Begründung eine solche Gewichtung vorgenommen wird, nämlich dass wir es hier mit einem besonders relevanten Thema zu tun hätten und von der Einschätzung dieser Fragen gar der Aufbau einer KP abhängen würde, aber dazu später mehr.

Gesetzt den Fall: die Katastrophe kommt!

Was machen dann die Kommunisten? Das ist tatsächlich eine sehr wichtige Frage. Warum? Erstens weil an den Lösungsvorschlägen derjenigen, die von einer Katastrophe ausgehen einiges über ihre Ernsthaftigkeit in der Frage, ob es ihrer Meinung nach eine Katastrophe geben wird oder nicht, erkannt werden kann. Zweitens weil wir daran unsere Sozialismus- und Klassenkampfvorstellungen schärfen können.

Schauen wir uns also an, welche Lösungen die Genossen unterbreiten. Diese sind zugegebenermaßen nicht nur rar, sondern widersprüchlich. Im Artikel von TJEH wird dazu folgendes geschrieben:

„Und auch wenn die 2 °C einmal überschritten sind, wozu es aller Wahrscheinlichkeit nach kommen wird, da die sozialistische Weltrevolution wohl kaum in den nächsten Jahren bevorsteht, wird der Kampf gegen jedes weitere Zehntelgrad Erwärmung umso notwendiger sein, eben weil jedes weitere Zehntelgrad den Planeten ein Stückchen lebensfeindlicher macht, mehr Verlust an Menschenleben und mehr irreparable ökologische Schäden bedeutet und es für die Zukunft schwieriger macht, entgegenzusteuern. Auch im Kapitalismus muss also zumindest für eine Verlangsamung der globalen Erwärmung gekämpft werden, und sei es nur, um der Menschheit Zeit zu verschaffen, sich den Kapitalismus vom Hals zu schaffen.“

Das hört sich nun danach an, als gäbe es doch wenigstens eine Art Abmilderungsmöglichkeit für die es sich im Kapitalismus zu kämpfen lohnt. Wo aber bleibt hier das zeitkritische und die Aussage, dass es unmöglich sei das Problem im Kapitalismus anzugehen? Oder geht es den Genossen nur darum, dass es im Sozialismus ‚endgültig’ gelöst wird. Wenn es so ist, wie es hier steht, also wenn der Kampf um jedes Zehntelgrad geführt werden kann, ohne dass wir einer Katastrophe entgegensteuern, stellt sich die Frage umso mehr, warum wir dieser Frage so einen besonderen Stellenwert vor den vielen anderen Fragen einräumen müssen. Verhält es sich nicht etwa mit allen anderen Kampffeldern so? Schließlich wurde ja mit „besonderer Dringlichkeit“ und so weiter argumentiert. Wenn aber an der Aussage festgehalten wird, dass wir vor einer Katastrophe stehen, dann mutet der Vorschlag Kämpfen um jedes Zehntelgrad als eine Beruhigungspille an. Man könnte dann eigentlich gleich sagen kämpfend werden wir alle untergehen.

Nimmt man nichtsdestotrotz den Vorschlag ernst, stellt sich des Weiteren die Frage, wie dieser Kampf denn konkret aussehen soll. Kampf für bzw. gegen Zehntelgrade? Wie genau? Wo setzen Kommunisten an? Schaut man sich die globale Verteilung der CO2-Produktion an, sind doch China und Indien die größten ‚Sünder‘. Werden dann die ‚deutschen‘ oder ‚europäischen‘ Zehntelgrade nicht ganz schnell Hundertstelgrade? Wie verhalten wir uns konkret zu den Forderungen von FFF? Wie zum Klimapaket der Bundesregierung?

Zunächst einmal stelle ich fest: so geht man nicht im Katastrophenfall vor. Die Genossen müssen sich entscheiden: entweder haben wir es in „naher Zukunft“ mit „katastrophalen klimatischen Veränderungen“ zu tun oder nicht. Wenn ja, dann kann man nicht mit Zehntelgraden kommen. Wenn nein, dann können wir über die Richtigkeit (Klassenperspektive) der Forderungen und eine kommunistische Strategie im Katastrophenfall diskutieren. Hieran sehen wir wieder wie wichtig es ist, dass die Genossen erst einmal für sich klären, wie das nun mit der Katastrophe ist. Wenn es so sein sollte, wie Stoodt unterstellt, dann wäre es absurd nicht „jetzt umzukehren“, weil wir sonst nicht überleben werden.

Im gleichen Artikel der Genossen TJEH wird hauptsächlich argumentiert, dass die letztendliche Lösung der Klimafrage nur im Sozialismus möglich sein wird, was unter uns ja insofern eine Art Konsens ist, da wir davon ausgehen, dass durch Planwirtschaft viele Probleme der Menschheit gelöst werden.

Genosse Thanasis geht in seinem neuen Artikel nicht wirklich auf die Frage ein, wie jetzt mit der Klimafrage umgegangen werden soll. Er verweist auf die Darlegung im ersten Artikel. Er flüchtet sich in allgemeinen Ausführungen über Sozialismus und was da Alles möglich war und sein wird. Auch geht er allgemein auf die Frage des Reformkampfes ein, was aber an dieser Stelle wenig mit der Debatte zu tun hat.

Was aber hat das mit der jetzigen Klima-Diskussion zu tun? Haben wir diese Plattform eingerichtet, um darüber zu diskutieren, wie wir im Sozialismus Umweltprobleme lösen? Nein! Haben wir die Diskussion um einen allgemeinen Kampf gegen Umweltzerstörung eröffnet? Nein! Die Debatte wurde eröffnet, weil Genossen die Klima-Frage als eine strategisch besonders wichtige, ja brennende Frage unserer Zeit bezeichnen und auf die Dringlichkeit pochen. Genosse Thanasis schreibt das explizit in seinem Artikel: „Für den Aufbau einer kommunistischen Partei ist eine Klärung in diesen Fragen eine notwendige Bedingung, denn es wird nicht möglich sein, sich zu diesem wichtigen Politikfeld auf Dauer ‚neutral‘ zu verhalten oder dazu zu schweigen.“ Mir zumindest erschließt sich aus der Lektüre der 20 Seiten nicht, wie der Genosse darauf kommt. Deshalb die Bitte, das doch mal kurz und knapp zu erklären. Erwarten wir eine Katastrophe? Wenn ja, wann? Wenn ja, welche Auswirkungen wird es haben? Wenn ja, wie können wir die Katastrophe verhindern?

Warum wir diese Debatte führen müssen!

Und wenn wir zu dem Schluss kommen sollten, dass das Klima-Thema sich einreihen kann unter all die anderen wichtigen Themen, die wir behandeln müssen, sollten wir über die grassierende Angst bezüglich einer nahenden Klimakatastrophe weiterhin sprechen, ganz egal, ob sie wirklich naht oder nicht. Wir müssen darüber sprechen, um die Vernebelungen zu lösen und Ablenkungen beiseite zu schieben und um die Arbeiterklasse auf die kommenden Kämpfe vorzubereiten. Eine Arbeiterklasse, die aufgrund von diffusen Ängsten entweder zu autoritären, massenfeindlichen Kompromissen bereit ist oder zum Hedonismus und zur Verrohung neigt, wird ihre historische Rolle – den Umsturz der kapitalistischen Barbarei – nicht wahrnehmen können.

Ökonomie der Zeit. Kommunistische Strategie im Horizont der kapitalistischen Klimakatastrophe

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Beitrag zur Diskussionstribüne Klima&Kapitalismus – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)

Der Text als pdf

Ein Gastbeitrag von Hans Christoph Stoodt

1. Zum Stand der Diskussion

Nehm’n wir mal an, die Proleten in Russland
hätten gesagt: „die Revolution –
machen wir erst wenn der Krieg vorbei ist,
und auch dann erst nach gründlicher Diskussion!“
Nein, sie fingen sofort damit an
und zur rechten Zeit war’n sie bereit.
Denn sie kannten das Gesetz des Klassenkampfs:
die Ökonomie der Zeit.

Dieser Vers aus einem bekannten Lied des DDR-Sängers Reinhold Andert1 trifft es gut und passt genau auf die gegenwärtige Situation. Mit dem folgenden Diskussionsbeitrag möchte ich nicht umfassend auf alle Seiten der Diskussionstribüne „Klima & Kapitalismus“ der Kommunistischen Organisation eingehen. Diese Diskussion umfasst inzwischen viele Facetten und Aspekte. Meine eigene Position dazu findet sich in dem von Spanidis, anderen und mir als Aufschlag der Debatte veröffentlichten Text „Kapitalismus, ökologische Zerstörung und kommunistische Strategie2, eine Gegenposition bezogen Kissel u.a. in „Wir werden nicht in Panik geraten3, weitere Positionen wurden von Oskar4 sowie Michael Kubi5 beigesteuert, der zur selben Frage im vergangenen Sommer auch einen Artikel in offen-siv veröffentlicht hat6. Eine besondere Stellung aus einer trotzkistischen Position bezieht Jan Müller in „Diskussionsbeitrag zum Klimawandel7. Thanassis Spanidis hat in einem aktuellen Text aus meiner Sicht sehr gut die Wissenschaftsfeindlichkeit jeder Position charakterisiert, die den von Menschen gemachten, richtiger: den kapitalistischen Klimawandel leugnet.8

In der zeitgleich laufenden Diskussion zum Leitantrag der 2. Vollversammlung der KO „Zur Arbeit unter den Massen“ hatte ich weitere Anmerkungen zur Klimafrage und ihrer Bedeutung für das Konzept kommunistischer Massenarbeit gemacht: „… bis zu einem gewissen Grade mit den Massen zu verschmelzen“ (Lenin) – noch einmal zu Inhalt und Form kommunistischer Massenarbeit heute 9. Ich melde mich mit den folgenden Zeilen noch einmal zu Wort, weil mich einige Aspekte dieser wichtigen Debatte besonders herausfordern, und um einen bislang wenig oder gar nicht beachteten Aspekt der Debatte zu betonen: die Ökonomie der Zeit im Kontext des Klassenkampfs um die Frage des Klimawandels, des Kampfs um das Überleben der uns bekannten menschlichen Zivilisation.

2. Ausgangspunkt jeder Strategie: Gegenwartsbestimmung

Ende Oktober 2019 erschien in der naturwissenschaftlichen Zeitschrift „Nature“ ein Artikel, der darauf hinwies: aufgrund neuer und genauerer Vermessungen besonders von Überflutung bedrohter Küstenregionen der Erde muss man von einer dreimal höheren Verwundbarkeit solcher Gebiete durch den klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels ausgehen als bisher angenommen. Karten zeigen zB. die zu erwartende Überflutung der norddeutschen Tiefebene im Jahr 2100 für den unwahrscheinlich günstigen Fall, daß das 2-Grad-Ziel erreicht wird. Hamburg, Bremerhaven, Cuxhaven, Bremen, weite Teile Schleswig-Holsteins, Dänemarks und der Niederlande werden dann ganz oder zeitweilig unter Wasser stehen.10 Ähnliche Perspektiven haben viele weitere Küstenstriche der Welt. Betroffen sein werden nach heutigen Schätzungen global etwa 360 Millionen Menschen.
Bereits heute müssen große Anstrengungen unternommen werden, die 25-Millionen-Metropole Jakarta, Hauptstadt Indonesiens, komplett umzusiedeln, weil sie aufgrund des klimabedingt steigenden Seewasserspiegels im Begriff ist, zu versinken11.
Vor wenigen Tagen veröffentlichten 11000 Naturwissenschaftler*innen einen weiteren dramatischen Appell „World Scientist’s Warning of a Climate Emergency“, in dem sie auf die vergangenen 40 Jahre weitgehender Untätigkeit gegen den Anstieg der Treibhausgasemissionen seit der ersten internationalen Konferenz zu diesem Problem (Genf 1979) hinwiesen. Sie prognostizieren bereits für die mittlere Zukunft unermessliches menschliches Leid, wenn es nicht gelingen sollte, in kürzester Zeit diejenigen Trends der globalen Entwicklung umzukehren, die die angebrochene Klimakatastrophe vorantreiben.12 Sie bestätigen und verschärfen damit die Positionen der Zehntausende „scientists for future“ des deutschsprachigen Raums, die bereits im Frühjahr 2019 ähnlich argumentierten13.
David Wallace-Wells fasst diese Lage in seinem aktuellen Aufsatz „Ausblick auf das Höllen-jahrhundert. Warum wir im Kampf gegen die Klimakrise keine Sekunde mehr verlieren dürfen14 zusammen, ein Text, der mit den Worten beginnt: „Es ist schlimmer, viel schlimmer, als Sie denken. Das langsame Voranschreiten des Klimawandels ist ein Märchen, das vielleicht ebenso viel Schaden anrichtet wie die Behauptung, es gäbe ihn gar nicht.

Um es klar zu sagen: wer es anders sieht, wer ernsthaft behauptet, das alles wisse man doch nicht so genau, der trägt die Beweislast, anhand eigener Daten oder einer grundstürzend neuen Interpretation der vorliegenden empirischen Fakten vorzutragen, weshalb es keinen durch menschliches Handeln, vor allem den steilen Anstieg des Ausstoß der Treibhausgase CO2, CH4 und anderen seit Beginn der Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise ca. 1850 verursachten Klimawandel geben soll.

Das ist nicht so, weil das irgendjemand dekretiert oder in den politischen Kram irgendeiner Agenda passt. Sondern das folgt aus der unumstößlichen Tatsache, daß Zehntausende professionelle Naturwissenschaftler*innen praktisch aller Staaten der Erde mit ihren einander widerstrebenden politischen Interessen, quer über alle denkbaren Fronten wissenschaftlicher oder politischer Debatten hinweg in diesem Punkt seit Jahrzehnten wieder und wieder zu diesem Ergebnis kommen. Der zuletzt gemessene Grad des Konsenses der globalen klimatologischen Forschung dazu beträgt über 99% 15. Das besagt die von J.L. Powell erstellte Metastudie auf der Basis von über 54.000 zwischen 1991 und 2015 weltweit zur Frage des Klimawandels veröffentlichten wissenschaftlichen Aufsätzen, die vor ihrer Publikation nach der Methode der „peer reviews“ von FachkollegInnen gegengelesen und als veröffentlichungsreif eingestuft worden waren16. Rahmstorf und Schellnhuber schildern in ihrem Buch „Der Klimawandel“ vernünftig nachvollziehbare Gründe dafür, weshalb es äußerst unwahrscheinlich ist, daß dieser Konsens, wie er zB. in den bislang vorliegenden Berichten des UN – International Panel on Climate Change (IPCC) seit 1990 immer wieder dokumentiert ist, einfach auf Irrtum, interessegeleiteter Manipulation, politischer Einflussnahme, einseitiger Betrachtungsweise oder ähnlichen Fehlern basiert17.
Im Gegenteil. Wer heute mit vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen auf der Basis überprüfbarer Fakten nachweisen könnte, daß der aktuelle, größer als 99%ige Konsens auf Irrtum oder gar Manipulation beruht, wäre sofort reif für den Nobelpreis und sich der jubelnden Unterstützung sämtlicher internationalen Monopole der kohlenstoffbasierten Energie-, KFZ- usw. -Industrie gewiß, könnte sich vor Drittmitteln kaum retten. Es gäbe also ein sehr starkes Motiv für Forschungsteams, genau an diesem Ziel zu arbeiten. Aber solche Erkenntnisse, die auf allgemein akzeptierten Standards wissenschaftlicher Forschung beruhen, gibt es seit Jahrzehnten schlicht und einfach nicht – genauer: es gibt sie in einem Ausmaß, der weitaus weniger als ein Prozent der wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausmacht.

Um das Problem noch komplexer zu machen: ähnliche Alarmrufe wie die Klimatologen erheben seit längerer Zeit die Biodiversitätsforscher*innen, aber auch andere NaturwissenschaftlerInnen, die sich mit den sogenannten Planetaren Grenzen der Ökologie beschäftigen18. Die Konsequenzen zB. der Überdüngung mit stickstoffhaltigen Substanzen in der globalen Landwirtschaft, werden heute so diskutiert, daß es hier zu einem nach derzeitigem Wissensstand nicht auflösbaren Zielkonflikt kommen wird: entweder massenhaften Hunger durch Beendigung der Stickstoffdüngung wie bisher oder durch nachhaltige Ruinierung der Böden und Gewässer durch eine Fortsetzung der landwirtschaftsbedingten Stickstoffbelastung. Von beiden Varianten werden Milliarden Menschen betroffen sein. Zugleich sind durch den Prozess der Stickstoffdüngung in die Atmosphäre gelangende Substanzen stark klimaaktiv, verstärken also den Treibhausgaseffekt19.

Wer sich also mit der Frage beschäftigt: in welcher Welt leben wir hier und heute, steht objektiv vor einem nicht vom eigenen Wollen oder Meinen einfach so beeinflussbaren Szenario der kapitalistischen Klimakatastrophe, ist schon vor Beginn seiner Überlegungen deren Bestandteil. Das erst einmal anzuerkennen ist der Anfang jeder weiteren ernstzunehmenden Beschäftigung mit der uns umgebenden Natur und der mit ihr in Wechselwirkung stehenden menschlichen Gesellschaft. Wer heute gar eine politische Strategie zur Überwindung dieser höchst bedrohlichen Szenarien und ihrer weltweiten Ursachen formulieren will, muss sich zuallererst diesen Tatsachen stellen – es sei denn sie oder er hätte den nobelpreisverdächtigen Beweis, daß der globale Konsens der Naturwissenschaften zu dieser Frage auf Irrtum oder Manipulation beruht.

Was den Zeithorizont angeht, der bleibt, um das bevorstehenden Erreichen und Überschreiten jener Kipp-Punkte der Entwicklung zu vermeiden, jenseits deren menschliches Tun oder Lassen welcher Absicht auch immer etwas an den unwiderruflichen, katastrophalen und die bisherige menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen in Frage stellenden Welt etwas ändern kann, sind sich die damit Beschäftigten auch weitgehend einig: es handelt sich um allenfalls wenige Jahrzehnte.

Daß bestimmte komplexe Problemstellungen immer auch zeitkritisch sind, ist keine originelle Erkenntnis. Die gegenwärtige Lage aber zwingt uns, anzuerkennen, daß das heute in einem qualitativ neuen, auch für die revolutionäre Bewegung neuen und zugleich weltweiten Ausmaß der Fall ist. Dafür das einfachste Beispiel: das Erreichen des 1,5- oder des 2 Grad-Ziels hängt berechenbar davon ab, wieviel CO2 aufgrund der Nutzung fossiler, kohlenstoffhaltiger Primärenergieträger noch in die Atmosphäre gelangen. Die Grenze für die Erreichbarkeit des 1,5 Grad-Erwärmung liegt bei 480 Gigatonnen CO2. Jenseits dessen beginnt ein Bereich, in dem Kipp-Punkte der atmosphärischen Entwicklung überschritten werden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können und das globale Klima ein für alle Mal im Sinne der bei Wallace-Wells und anderen Forschern beschrieben Entwicklung prägen werden (vgl. unten). Derzeit produziert die Menschheit insgesamt 41 Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr. Es bleiben beim gegenwärtigen Stand der Dinge also etwa 10 Jahre, in denen der Ausstieg aus der gegenwärtigen kohlenstoffbasierten Technologie der globalen, ganz wesentlich kapitalistisch bestimmten Energieerzeugung, Industrie und Mobilität erreicht sein muß 20. Je länger es dauert, vom gegenwärtigen Level drastisch herunterzukommen, desto steiler muß die Ausstiegskurve sein21, und desto schwerer ist sie politisch vermittel- und durchsetzbar.

Genau hier entstehen objektiv die konkreten Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer kommunistischen, einer revolutionären Strategie für heute und morgen, die einerseits die nach wie vor objektiv richtigen Instrumentarien des Marxismus-Leninismus in Analyse und Aktion enthalten, andererseits auf eine Umgebung reagieren muß, die sich seit den 1920er, 1950er oder 1970er Jahren massiv verändert hat – zusätzlich zu den Einbrüchen, die mit dem Sieg der Konterrevolution 1989 erfolgten.

Diese Aufgabe ist radikal neu und riesig. Sie dreht sich um die Frage: wie müssen wir eine marxistisch-leninistische Strategie für die sozialistische Revolution formulieren, die dem heutigen Rahmen der gegebenen Ökonomie der Zeit gerecht wird?

Aus diesem Grund muss man sich, wenn man strategische Konzepte für die Überwindung des Kapitalismus/Imperialismus diskutiert, wenigstens mit den wahrscheinlichen Zeitverläufen des Klimawandels in der mittleren Zukunft aktiv auseinandersetzen. D. Wallace-Wells referiert die Szenarien, die es derzeit dazu gibt, vor dem Hintergrund der Erkenntnis: tendenziell haben sich in den vergangenen Jahrzehnten alle Annahmen im Nachhinein als zu optimistisch erwiesen. Seiner Ansicht nach ist das im Pariser Klimaschutz-Abkommen von Paris für verbindlich erklärte Ziel einer maximalen Erwärmung der Erdatmosphäre um 2 Grad C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter bis 2100 nach heutigem Kenntnisstand kaum zu erreichen – realistisch ist von ca. 4 Grad auszugehen:
„… das ist der Pfad, den wir heute so unbekümmert beschreiten – hin zu einer Erwärmung um mehr als vier Grad bis 2100… Laut einigen Schätzungen würde das bedeuten, dass große Gebiete in Afrika, Australien und den Vereinigten Staaten, die Teile von Südamerika, die nördlich von Patagonien liegen, und ganz Asien südlich von Sibirien durch Hitze, Verwüstung und Überschwemmungen unbewohnbar wären… Ganz sicher wären sie und viele weitere Regionen unwirtlich. So sieht unser Fahrplan für die Zukunft aus, zumindest sind das die Eckpunkte…22

Aber gehen wir davon aus, daß es so schlimm nicht werden wird, unterstellen wir, das 2 Grad – Ziel werde bis 2100 erreicht. Wie hat man sich das dann vorzustellen? „Bei zwei Grad begännen die Eisschilde zu verschwinden, … 400 Millionen Menschen würden an Wassermangel leiden, die Großstädte rund um den Äquator würden unbewohnbar und selbst in den nördlichen Breitengraden würden Hitzewellen jeden Sommer Tausende Menschen das Leben kosten… Es gäbe 32 Mal so viele extreme Hitzeperioden in Indien wie heute, von denen jede einzelne fünfmal so lange andauern würde und die insgesamt 93 Mal so viele Menschen beträfen… Das ist das Best-Case-Szenario.23

Allerdings ist das eher unwahrscheinlich, denn:
Besonders beunruhigend sind jüngste Untersuchungen der weit in der Vergangenheit liegenden Erdgeschichte, die nahelegen, dass unsere aktuellen Klimamodelle das Ausmaß der Erwärmung, das bis 2100 erreicht sein wird, um etwa die Hälfte unterschätzt haben.“24

Deshalb ist es einfach nur realistisch, sich die Perspektiven auf eine Welt in 80 Jahren vorführen zu lassen, die das 2 Grad – Ziel nicht erreicht:

„Bei drei Grad würde Südeuropa dauerhaft verdorren, während die durchschnittliche Trockenzeit in Mittelamerika 19 Monate und in der Karibik 21 Monate länger andauern würde. In Nordafrika wären es 60 Monate mehr – fünf Jahre. Im Mittelmeerraum würde doppelt so viel Fläche Waldbränden zum Opfer fallen, in den USA sechsmal so viel oder noch mehr.
Bei einer Erwärmung um vier Grad gäbe es allein in Lateinamerika jährlich acht Millionen mehr Denguefieber-Fälle und fast jährlich eine globale Nahrungsmittelkrise… Die Anzahl der hitzebedingten Todesfälle könnte um 9 Prozent steigen… Die Schäden durch über die Ufer tretende Flüsse würden sich in Bangladesch verdreißigfachen, in Indien verzwanzigfachen und in Großbritannien sogar versechzigfachen. An manchen Orten wäre es möglich, dass sechs klimabedingte Naturkatastrophen gleichzeitig auftreten, und die Schäden könnten weltweit über 600 Billionen Dollar betragen – das übersteigt das gesamte Vermögen, das es heute auf der ganzen Welt gibt. Die Anzahl der Kriege und Konflikte könnte sich verdoppeln.
Selbst wenn wir es doch noch schaffen sollten, die Erwärmung bis 2100 auf unter zwei Grad zu begrenzen, enthält die Atmosphäre dann 500 ppm Kohlendioxid – vielleicht mehr. Das letzte Mal, als das der Fall war, vor 16 Millionen Jahren, war die Erde nicht zwei, sondern zwischen fünf und acht Grad wärmer, was zu einem Anstieg des Meeresspiegels um knapp 40 Meter führte … Einige dieser Prozesse laufen über Jahrtausende ab, aber sie sind unumkehrbar und daher dauerhaft. Niemand sollte sich daher der Hoffnung hingeben, den Klimawandel wäre einfach rückgängig zu machen. Das geht nicht. Er wird uns davonlaufen.“ 25

Damit nicht nur arithmetisch, sondern auch vom Gefühl her klar ist, wovon wir hier reden: über den Zeitraum in achtzig Jahren. Vor kurzem haben wir gemeinsam den 100. Jahrestag der Novemberrevolution gefeiert.

Ich erspare den Lesenden die Aussichten auf die Szenarien bei Temperaturanstiegen zwischen 4 bis 8 Grad C bis 2100. Wallace-Wells referiert sie kurz. Er selbst geht von einer Entwicklung aus, die bei vier bis sechs Grad Temperaturanstieg liegt. Das allerdings wäre das ökologische Ende der uns bekannten Zivilisation.

Sicher wäre es nicht das Ende allen menschlichen Lebens. Aber das sähe dann vermutlich völlig anders aus, als wir es uns heute, wenige Jahrzehnte davor, auch nur annähernd vorstellen können. Hinzu kommt, daß die Entwicklung ja nicht im Jahre 2100 endet, sondern sich aufgrund von Rückkopplungsschleifen eher beschleunigen wird, was dazu Forschende vom 22. jetzt schon als vom „Höllenjahrhundert“ sprechen lässt.26 Am pronociertesten fasst das derzeit der australische Klimatologe Will Steffen zusammen, nach dessen Analyse die kommenden Jahre darüber entscheiden, ob die Menschheit das Erdzeitalter des Holozäns verlässt und die Erde zu einem „hot-house“ wird27. Steffen schlägt deshalb seit mehreren Jahren bereits für die das Holozän ablösende Epoche der Erdgeschichte den Begriff des „Anthropozäns“ vor28 und rechnet in einem relativ kurzen Zeitraum mit dem Zeitpunkt der Entscheidung, ob es gelingt, die Erde in einem uns bekannten bewohnbaren Zustand zu halten oder nicht.

Der Verfasser des vorliegenden Textes kann aus eigenem Erleben berichten: wer auch immer diese oder ähnliche in der zuständigen Fachwissenschaft konsensuellen Aussagen als interessierter Laie referiert, läuft nicht nur unter reaktionären und wissenschaftsfeindlichen Gestalten wie der AfD, sondern auch unter Linken und Kommunistinnen und Kommunisten durchaus Gefahr, als Apokalyptiker, Hysteriker, Alarmist, Weltuntergangsprophet bezeichnet zu werden.

Darum hier erneut die Einladung an alle, die das so sehen, darzulegen, was an den wissenschaftsbasierten Perspektiven auf die nächsten Jahrzehnte falsch sein soll, wie und aufgrund wovon sie selber den globalen klimatologischen Konsens einordnen und welche Zukunftsperspektiven sie generell und insbesondere für die politische Arbeit daraus ableiten.

Angesichts dessen darf es sich niemand auch nur einen Tag länger so leicht machen, gegen diese gesicherten Erkenntnisse locker zu erklären:

„Keiner weiß, ob das alles stimmt.“
„Ich bin kein Naturwissenschaftler, das kann ich alles nicht beurteilen. Mich interessieren eher die politischen Fragen…“
„Ja klar, vielleicht gibt es einen Klimawandel, aber ob der wirklich mit menschlichem Handeln zu tun hat, das ist doch wissenschaftlich sehr umstritten.“
„Sowas hat es doch in der Erdgeschichte immer wieder gegeben.“
„Das hat doch eher was mit der Sonnenstrahlung zu tun.“
„Diese ganze Geschichte mit dem Klimawandel ist doch nur eine Erfindung der Chinesen
(so Trump) oder der „grünen“ Fraktionen des Monopolkapitals (so manche Linken).

Oder auch als bereits recht defensive Auffangposition:

„naja, vielleicht ist das ja so, aber gerade wenn es so ist, dann können wir daran ja sowieso nichts ändern“;

was nichts anderes ist als die fatalistische Variante der etwas optimistischeren Auffassung:

„selbst wenn das alles so kommt, dann werden wir uns eben etwas einfallen lassen, uns an die neuen Gegebenheiten anpassen…“

Jede/r hat solche und ähnliche Reaktionen schon selber gehört oder auch selber gedacht. Wohlgemerkt: es ist meines Erachtens weder „verboten“ noch irgendwie moralisch „schlecht“, solche aus meiner Sicht wissenschaftlich und politisch zweifellos unhaltbaren Positionen zu vertreten – und ich rede hier, damit das auch klar ist, nicht von den in aller Regel komplett falschen politischen Schlußfolgerungen der referierten naturwissenschaftlichen Forschung, sondern von deren fachlichen Ergebnissen, die nicht in einen Topf mit daraus bisweilen abgeleiteten politischen Vorstellungen zu werfen sind29.

Aber es kann da keine unterschiedlichen Standards geben: wer auch immer so redet, denkt, fühlt, dementsprechend handelt, schon gar als Kommunist/in, hat die Verpflichtung sich selbst und allen Gesprächspartner*innen oder Genossinnen und Genossen gegenüber, nachvollziehbare und rationale Gründe für eine solche Haltung darzulegen – eine Haltung, die im eklatanten Widerspruch zu buchstäblich zehntausenden mit der hier diskutierten Problematik beruflich befassten Naturwissenschaftler*innen steht, die in einer solchen Attitüde einfach ignoriert werden, als ginge es dabei bloß um unverbindliche „Meinungen“.

Es geht nicht um Meinungen. Es geht um harte Fakten und das, was daraus folgt. Mit Naturgesetzen können wir nicht „verhandeln“, ebensowenig wie mit den gesetzmäßigen Prozessen in der Gesellschaft. Wir können versuchen sie zu erkennen, zu verstehen, sie für unsere Zwecke wirken lassen, sie anwenden – aber ändern, aus der Welt schaffen können wir sie nicht. Wenn wir sie oder ihre Ergebnisse ignorieren werden wir ihnen nur umso härter unterworfen sein.Bei allen Unterschieden: gemeinsam ist den oben schlagwortartig anklingenden wissenschaftsfernen Positionen eine Verweigerung, die heute als solche erkennbaren Realität anzuerkennen, und, daraus resultierend: die Weigerung, die daraus folgenden Überlegungen in aktives, revolutionäres Handeln einzubeziehen. Dazu gehört auch die Argumentation der GenossInnen Kissel / Bina / Mayer, sie wollten sich, da sie keine Naturwissenschaftler*innen seien, nicht zu den naturwissenschaftlichen Fragen des Klimawandels äußern, wobei sie gleichwohl aus ihrer Skepsis an der Realität der kapitalistischen Klimakrise keinen Hehl machen 30.

Eine solche Argumentation ist meines Erachtens grundsätzlich falsch. Hätten Marx, Engels und Lenin sich auf diese Form des Arbeitens zurückgezogen – „Das Kapital“, die „Dialektik der Natur“, „Der Ursprung der Familie“, „Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland“, „Materialismus und Empiriokritizismus“ sowie viele weitere grundlegende Texte des Marxismus wären nie geschrieben worden – denn die Klassiker waren bekanntlich von Haus aus weder Fachwissenschaftler als Nationalökonomen, Ethnologen, Historiker, Naturwissenschaftler oder ähnliches.

Darum noch deutlicher gesagt: solche „klimaskeptischen“ Positionen sind meines Erachtens mit einer materialistischen Auffassung von Natur und Gesellschaft nicht vereinbar und können nach meiner Auffassung deshalb in keiner kommunistischen Organisation geduldet werden. Sie weichen der Wirklichkeit, so, wie wir sie heute erkennen können, opportunistisch aus. Noch viel weniger sind sie ein irgendwie geeigneter Ausgangspunkt für eine den Prinzipien des wissenschaftlichen Sozialismus entsprechende politische Strategie für die sozialistische Revolution und die Perspektive der klassenlosen Gesellschaft.

Für Marx, Engels, Lenin und andere herausragende Revolutionäre der Arbeiterklasse war die Frage der zutreffenden Gegenwartsbestimmung für alle strategischen und taktischen Überlegungen grundlegend, was hier nicht umfassend ausgeführt werden kann und auch nicht muß, denn es ergibt sich von selbst aus dem Anspruch, politisches, erst recht revolutionäres Handeln nicht einfach aus dem eigenen Kopf der vorfindlichen Welt überstülpen zu wollen, sondern umgekehrt: die erkennbaren gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen und Herrschaftsverhältnisse einschließlich ihrer natürlichen Grundlagen zum Ausgangspunkt einer wissenschaftlich verantworteten Strategie für eine Gesellschaft zu wählen, die den Sprung aus der Vorgeschichte zur Geschichte der Menschheit vollziehen kann.

Die Aufgabenstellung der Gegenwart für Kommunistinnen und Kommunisten lautet daher: in Furchtlosigkeit und Klarheit vor dem Szenario der bereits beginnenden kapitalistischen Klimakatastrophe für hier und heute eine revolutionäre Strategie zu formulieren, die diese Menschheitsbedrohung als Ausdruck des menschenverachtenden Kapitalismus / Imperialismus erkennt, in Propaganda und Agitation benennt, Arbeiterklasse und Volksmassen darüber aufklärt, alle Illusionen über einen „grünen“ Kapitalismus ebenso unerbittlich bekämpft wie alle Erscheinungsformen der Wirklichkeitsverleugnung durch reaktionäre oder auch „linke“ sogenannte Klimaskeptiker, und den revolutionären Kampf für den Sozialismus heute schon so führt, daß grundlegende Fragen zur Bekämpfung der Klimakatastrophe nicht reformistisch, sondern revolutionär, das heißt vom Sozialismus aus gedacht und angegangen werden.

Das strategische Ziel dabei muß so gestellt werden, daß die sozialistische Gesellschaft wenigstens die gröbsten Katastrophen aufzufangen in der Lage ist und schon vorher plausibel gemacht werden kann, daß nur sie dazu fähig sein wird, daß hingegen die anstehenden ökologischen Probleme, die die Grundlagen nicht nur, aber auch des menschlichen Lebens bedrohen, im Rahmen des Kapitalismus nicht gelöst werden können31. Hierzu bedarf es einer Debatte zur künftigen politischen Ökonomie des Sozialismus, die sich den Fragen stellt, die sich hieraus ergeben.32

3. Imperialismus und Irrationalismus

So bedrohlich auch die bereits begonnene Klimakatastrophe aussieht, sie ist nicht das einzige bedrohlich Szenario, vor dem wir stehen, wenn wir heute als Kommunistinnen und Kommunisten arbeiten wollen. Daß allein schon die ökologische Krise vielgestaltig ist wurde oben kurz am Zusammenhang von Biodiversität, Stickstoffkreislauf und unterschiedlichen Treibhausgasemissionen angerissen. Der Zusammenhang dieser und vieler weiterer sich überlagernden und gegenseitig beeinflussenden Probleme muss genauer untersucht werden, was hier nicht Gegenstand sein kann. In notwendigerweise groben Umrissen wurde dies im oben zitierten Beitrag von Spanidis u.a. geleistet33.

David Wallace-Wells weist in seinem Text darauf hin, daß sich in der zu erwartenden Klimakatastrophe Hunderte Millionen Menschen auf den Weg machen werden, um unerträglichen Lebensbedingungen zu entfliehen. Wenn in den heute tropischen Zonen rund um den Erdball aufgrund hoher Temperaturen und Dürre keine Landwirtschaft mehr möglich sein wird und sogar Südeuropa von chronischer Dürre heimgesucht sein sollte – wohin sollen die Menschen, die jetzt dort leben fliehen? Um sich die öffentlich diskutierte Dimension des Problems vor Augen zu führen: die Weltbank rechnet bis 2050 mit weltweit 140 Millionen Klimaflüchtlingen34, Greenpeace nimmt bereits 2014 200 Millionen Fliehende bis 2050 als realistisch an35 und der World Migration Report 2018 geht von ca. 400 Millionen Klimaflüchtlingen bis 2100 aus36. Es wäre naiv, zu vermuten, solche riesigen Migrationsbewegungen würden ohne jede Form von Gewalt und massiven gesellschaftlichen Umbrüchen in den Herkunfts-, Transit- wie in den Zielländern der Flucht verlaufen. Auch deshalb rechnet Wallace-Wells mit einer globalen Verdopplung der Zahl bewaffneter Konflikte bis zum Ende des Jahrhunderts.37

Rasch schwindende Lebensmöglichkeiten für Hunderte von Millionen Menschen, alte und neue staatliche Unterdrückungsmechanismen zu ihrer Kontrolle und Unterdrückung, daraus resultierende Aufstände und Kriege, Hunger, Wasserknappheit und weitere katastrophale Entwicklungen dieser Art haben in der heutigen Welt einen gemeinsamen Ursprung, ohne den sie immer nur oberflächlich und auf kurze Sicht, aber nicht grundsätzlich bekämpft werden können: den Imperialismus. Unter diesem Begriff ist nicht, wie in der bürgerlichen Geschichtswissenschaft oder dem umgangssprachlichen Gebrauch eine irgendwie expansive oder militärisch geprägte Außenpolitik beliebiger Staaten zu verstehen. Imperialismus ist die höchste und letzte Phase des Kapitalismus und ohne dessen Überwindung nicht aus der Welt zu schaffen38. Die heutige Welt kann und muß nach Ansicht des Verfassers als imperialistische Pyramide beschrieben werden: ein Komplex einander überlagernder Verhältnisse von Abhängigkeiten und Dominanzen imperialistischer Staaten.39

Die im Rahmen der begonnenen kapitalistischen Klimakatastrope sich zuspitzenden globale Trends: Nationalismus und revival des religiösen Fundamentalismus, Faschisierungstendenzen, Entgrenzung des Kriegs, nukleare Bedrohung – sie alle führen natürlich auch zu Umwälzungen im Bewußtsein der diesen Prozessen unterworfenen Menschen. Dasselbe gilt umgekehrt: die heutige Lage entspringt auf der Ebene des Überbaus ihrerseits bereits einem Denken, daß sich im Kern immer weiter von der Fähigkeit entfernt hat, die Interessen der Gattung insgesamt angemessen zu reflektieren. Für Kommunist*innen dürfte das nicht überraschend sein. Ein heute die Gattung in den Mittelpunkt stellendes rationales ökonomisches und politisches Denken wird nach ihrem / unserem Wissen notwendig nur revolutionär sein können. Da aber genau das den Herrschenden nicht erwünscht sein kann, wird genau diese letzte Konsequenz aufklärerischen Denkens allüberall bekämpft, abgemildert, eingebunden, entschärft, auf Nebengleise abgelenkt, durch „Unterhaltung“ oder zeitweilige Zugeständnisse teilbefriedigt, isoliert und gebrochen. Die Folge davon ist die fast vollständige Herrschaft irrationalen Denkens, wenn es um die gesellschaftliche Gegenwart und Zukunft der Menschheit überhaupt geht – eine Folge, die die Lösung der drohenden Katastrophe immens erschweren muß.

Thomas Metscher hat für diesen Komplex in mehreren aufeinander folgenden Texten, zuletzt 2010, den Begriff des „konstitutionellen Irrationalismus“ als Bezeichnung für die „ideologische Grundverfassung einer imperialistischen Gesellschaft“ vorgeschlagen.40 Im Anschluß an Georg Lukács41 entsteht nach diesem Modell die ideologische Grundverfassung der imperialistischen Gesellschaft aus dem Widerspruch zwischen weit vorangetriebener Rationalität in ihren Teilsektoren bei gleichzeitiger Anarchie der Gesellschaft als Ganzer.

Rosa Luxemburg folgend sieht Metscher diese Bewußtseinsstruktur natürlich schon in der kapitalistischen Gesellschaft angelegt, zur vollen, alles durchdringenden Dominanz aber bringt sie es erst auf deren höchster Stufe. Sie ist unfähig zur Formulierung globaler Ziele für das Überleben der Gattung, bringt eine „pathische Gesellschaft“ zum Ausdruck, die jederzeit zur Re-Barbarisierung bereits erkämpfter Standards des Lebens in der Lage ist. Irrationalismus, so verstanden, ist „die adäquate Vernunftform der imperialistischen Gesellschaft im Sinn expliziter … wie impliziter Ideologien, also im Sinn ihres allgemeinen gesellschaftlichen Bewußtseins“.42 Auch wenn derzeit, wie Metscher konstatiert, eine durchgreifende Analyse des Irrationalismus der hiesigen Gesellschaft in seinen konkreten Formen und deren Interaktionen noch aussteht, können doch typische Elemente und ihre Grundbedingungen benannt werden. „Irrationalismus … heißt eine Weltauffassung und ein praktisches Verhalten, das die Erkennbarkeit und rationale Gestaltbarkeit … objektiv gegebener … Wirklichkeit grundsätzlich leugnet…43, woraus nicht zuletzt folgt, daß das Denken in der Realität, dem Wesen der gesellschaftlichen Zusammenhänge vor allem deshalb ständig zerstört wird, weil eben dies der Zerrissenheit der Gesellschaft in ihren „letalen Widersprüchen“ sowie ihrer Verfaßtheit als Einheit höchst-rationaler Partialstrukturen bei völliger Irrationalität ihrer Gesamtziele entspricht. Rationales Verhalten in der imperialistischen Gesellschaft ist darum nur möglich von einer Position aus, die sich selbst begrifflich und praktisch als Opposition begreift: „Als Regel dürfte gelten, dass die Position eines bewußten Widerstands zum Imperialismus als Gesamtsystem – in gewissem Sinne eine logisch-politische Außenposition – die epistemische Bedingung dafür ist, dieses System als Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse zu durchschauen und damit als ‚strukturierte Totalität‘ (Leo Kofler) erkennen zu können. Nur eine im Prinzip oppositionelle Theorie kann den Gesamtprozess noch als rationalen erfassen, die Irrationalität des Ganzen rational diagnostizieren und damit auf den Begriff bringen.Von einer ‚Innenposition‘ her, d.h. von der Position prinzipieller Akzeptanz der gegebenen Produktions-und Herrschaftsverhältnisse (wobei diese Akzeptanz kein bewußter Akt zu sein braucht) ist eine solche Erkenntnis nicht möglich. … Die Einsicht in den notwendigen Zusammenhang von imperialistischer Gesellschaft und Irrationalismus bedeutet nicht, dass das Irrationale in dieser Gesellschaft unaufhebbares Schicksal ist. Es kann, als Teil der Mechanismen der Gesellschaft, die dieses hervorbrachte, erkannt und durchschaut werden. Bedingung dafür freilich ist (als Bedingung einer Möglichkeit, nicht als Garantie) eine bestimmt kognitive Haltung: die bewusste Opposition gegen den Imperialismus als Gesamtsystem. Eine solche Haltung ist heute zur Bedingung jeder Rationalität geworden …44.

Wenn die oben zusammengefaßten Ergebnisse einer ungeschminkten Beschreibung des Zustands der natürlichen Lebensgrundlagen der Welt und die dieser Lage entsprechende ideologische Situation zutrifft, ist klar, daß wir auch auf der ideologischen Ebene einer Katastrophe entgegengehen könnten: nichts weniger als der kompletten, schwerlich wieder rückgängig zu machenden, globalen Niederlage der Aufklärung – nicht nur ihres im Wortsinn radikalen und praktischen Flügels, des Kommunismus, sondern insgesamt. Es droht in der Realität, wie Adrian Leverkühn, Protagonist in Thomas Manns Roman „Doktor Faustus“ angesichts der Barbarei des Faschismus ausspricht, die „Zurücknahme der Neunten Sinfonie“45– Metapher einer Welt, die wenigstens die Möglichkeit der Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit, der Fähigkeit zur Arbeit und zur Liebe birgt.

Dieser Katastrophe ernsthaft und praktisch und mit der Absicht des Erfolgs entgegentreten zu wollen verlangt jene „Außenposition“, von der oben schon die Rede war. Das aber ist nicht eine wie auch immer geartete „geistige“ Haltung. Es kann sich dabei nur um eine reflektierte, kritische und selbstkritische praktisch-politische Haltung handeln, deren Außen das Wissen um eine Welt jenseits des Imperialismus ist, genauer: nicht nur ein Wissen, sondern der Kampf dafür. Ohne diesen Kampf wird dieses Wissen weder zustande kommen noch Erfolg haben können, der Kampf ohne sein bewußtes Ziel aber ziellos bleiben: „Von der lebendigen Anschauung zum abstrakten Denken und von diesem zur Praxis – das ist der dialektische Weg der Erkenntnis der Wahrheit, der Erkenntnis der objektiven Realität.46 Dieses Ziel jenseits der Panzerung des Imperialismus immer wieder möglichst genau zu benennen, von ihm aus her zu denken, zu organisieren und zu handeln ist der praktisch-politische, der ideologische, aber auch der ethische und, umfassend gedacht, auch der ästhetische Kompass. Schon am Sammelpunkt aller Kräfte, die bereit sind, für das Durchbrechen dieser inneren und äußeren Mauer zu kämpfen, muß rational bestimmt und allen Beteiligten möglichst klar sein, wo das Ziel liegt. Anders dürfte der Durchbruch nicht zu schaffen sein. Die dann eintretende Alternative ist die globale Barbarei.
Der bedingende Gesamtzusammenhang von drohender Klimakatastrophe und herrschendem Irrationalismus ist die von tiefen Widersprüchen durchfurchte imperialistische Gesellschaft, genauer, die imperialistische Pyramide der sich in unlösbaren gesellschaftlichen und politischen Widersprüchen gegenseitig beherrschenden imperialistischen Staaten der Welt.
Der Kampf gegen den Imperialismus in der Welt von heute aber ist nicht möglich, ohne den Kapitalismus als Gesellschaftsformation, als Ganzes, zu bekämpfen.
Der Kampf gegen den Kapitalismus aber erfordert das Zielwissen seines Jenseits, das Wohin der Umwälzung, die aus den innersten Gründen der Klassenverhältnisse des Kapitalismus nichts anderes sein kann als der Kampf der revolutionären Klasse dieser Gesellschaftsformation, der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten, um die sozialistische Revolution. Um nichts weniger kann es heute gehen – alles, was unterhalb des Niveaus dieser Forderung bleibt, liefert die Menschheit dem Untergang aus.

4. Ökonomie der Zeit und Strategie

Im ersten Abschnitt habe ich dargelegt, weshalb meines Erachtens eine Leugnung der kapitalistischen Klimakatastrophe mit marxistischen Positionen unvereinbar ist, weil sie antimaterialistisch argumentiert. Sie geht nicht von den hinreichend wahrscheinlich meßbaren Realitäten der Welt und ihrer im übergroßen Konsens der Fachwissenschaften plausiblen Interpretation aus.
Bedenkt man die Konsequenzen eines solchen Herangehens für jede strategische Diskussion, ergibt sich ein weiteres Problem. Alle natürlichen und gesellschaftlichen Prozesse verlaufen in der Zeit, das heißt, in dialektischen Gesetzmäßigkeiten sich entwickelnde Bewegungen.

Die Formulierung einer Strategie setzt nicht nur die genaue Erkenntnis der gegenwärtigen Lage einschließlich ihrer vorangegangenen Entwicklungen voraus, aufgrund deren die Gegenwart ist, was sie ist. Sie benötigt ebenfalls eine hinreichend genaue Kenntnis des wahrscheinlichen weiteren Verlaufs der gesellschaftlichen Entwicklungen, auf die die zu formulierende Strategie Einfluss nehmen will.

Die Realität der drohenden kapitalistischen Klimakatastrophe ist auf plausibel messbare menschliche Aktivitäten seit ca. 1850 zurückzuführen. Es kann hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, daß Klimakatastrophe und weltweite Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise nicht voneinander zu trennen sind. Ohne Beendigung des Kapitalismus wird es kein Ende der Klimakatastrophe geben.47

Die Zeit bis dahin ist nicht einfach eine leere Fläche – eine Erkenntnis, die auf jede Zukunftsvorstellung in der Geschichte zutrifft, aber im Rahmen der Klimakatstrophe in noch nicht dagewesener Weise Rahmen und Bedingungen der Zukunft formbestimmen, für die eine heutige kommunistische Strategie zu formulieren ist. Das trifft auf viele Elemente des historischen Zeitraums zu, über den wir unter dem speziellen Blickwinkel einer revolutionären Strategie diskutieren: seine anzunehmende Dauer, die sich daraus ergebenden Zeiten, die für das Erreichen unseres Ziels plausibel sind, sowie deren Grenze – und die Überlegungen, was sich hinter dieser Grenze ereignen könnte, falls wir unser Ziel nicht im zur Verfügung stehenden Zeitrahmen erreichen können. Die Geschichte der Gattung wird dann nach heutigem Kenntnisstand nicht vorbei sein – aber sie wird sehr wahrscheinlich unter solch veränderten Bedingungen verlaufen, daß wir das, was wir heute unter den Grundannahmen des historischen Materialismus annehmen und tun können, sehr wahrscheinlich in Teilen neu formulieren müssen – einschließlich einer Theorie der sozialen Revolution, der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft und so weiter. Das zu behaupten folgt logisch daraus, daß die Gesellschaften im Rahmen einer 4-Grad-Welt – wie oben beschrieben – mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so aussehen werden, als ob sie einfach eine Verlängerung des heute bekannten Kapitalismus-Imperialismus sein könnten, aber auch kein Sozialismus auf dem Weg zum Kommunismus. Was aber dann?

Um die Beantwortung dieser Frage kann es hier nicht gehen – ich möchte für den Zusammenhang der Diskussionstribüne Kapitalismus & Klima der KO jetzt nur die These aufstellen, daß die nicht bestreitbare Realität der bereits begonnenen Klimakatastrophe des Imperialismus die Zeit begrenzen könnte, für die wir strategisch denken und in der wir kämpfen.

Das anzuerkennen ist meines Erachtens Grundlage der Arbeit an jeder ernstzunehmenden Strategie. Die Vorstellung, wir könnten auf unbestimmbare Zeit logisch und folgerichtig einen Schritt nach dem andern planen und tun, als würden wir uns in einer Zeit bewegen, deren gesellschaftliche Zukunft noch nicht erkennbar so begrenzt war, wie unsere, ist falsch. Sie denkt und handelt nicht in Formen der erkennbaren Bewegung – der Bewegungsformen, die uns durch die absehbaren Entwicklungen der materiellen Natur wie erst recht durch die damit wechselwirkenden gesellschaftlichen Prozesse in den vor uns liegenden Jahrzehnten konkret zur Verfügung steht.

Ein solches Denken wäre deshalb nicht nur unmaterialistisch, sondern auch undialektisch. Es stellte sich eine kommunistische Strategie in Form gleichsam der Zeit enthobener, unveränderbarer logischer Klötzchen vor, anstatt als ein die heute und – soweit jetzt erkennbar morgen – vorfindliche Realität lebendig widerspiegelndes Netz einander dialektisch bedingender und durchdringender Begriffe. Das wäre eine Karikatur auf den Marxismus.

Ich bin deshalb der Ansicht, daß die Programmatischen Thesen der Kommunistischen Organisation sorgfältig und kollektiv daraufhin überprüft werden müssen, in wieweit sie dem Imperativ der erkennbar vor uns liegenden Gegenwart und Zukunft angemessen sind. Das wiederum setzt, so wie der Stand der Diskussion sich jetzt abzeichnet voraus, daß sich die KO in der Frage der Existenz des kapitalistischen Klimawandels rasch und kollektiv eine klare Meinung bildet, von der aus sie eine solche Prüfung angeht.48

Als jemand, der an der Formulierung der Programmatischen Thesen der KO selbst beteiligt war, kritisiere ich mich deshalb zugleich auch selbst. Mitte 2018 waren die meisten der heute breit diskutierten Fakten zum Klimawandel bereits hinreichend bekannt. Auch ich habe nicht darauf bestanden, sie in die Diskussion der Programmatischen Thesen aktiv einzubringen. Aus heutiger Sicht scheint es geradezu unerklärlich, weshalb dieses wesentliche Phänomen der Gegenwart und Zukunft nicht auch Teil des seinerzeitigen Wie-Weiter?– und des jetzigen Kommunistischen Klärungsprozesses war und ist.

Ich sage das auf der Basis einer vollen Zustimmung zu diesen vergangenen und gegenwärtigen Diskussionsprozessen und ihren Grundlagen, so, wie sie in den Programmatischen Thesen Niederschlag gefunden haben. Aber ich halte es gleichwohl mit den Prinzipien einer revolutionären, sich auf den Marxismus und Leninismus stützenden Organisation nicht für vereinbar, in der gegenwärtigen globalen Entwicklung ungerührt einfach so weiter zu machen, als sei nichts geschehen – und diese Haltung vielleicht auch noch mit Prinzipienfestigkeit zu verwechseln.

Wir können uns die sich daraus ergebenden notwendigen Diskussionen nicht ersparen, ohne die von uns selbst angegebenen Ziele notwendig weit verfehlen zu müssen. Mit dem Klärungsprozess und seiner äußeren Form, dem BolscheWiki, sowie den Programmatischen Thesen gibt es eine ausgezeichnete Grundlage genau für diese nicht weiter hinausschiebbare Diskussion. Sie muß mit dem Ziel geführt werden, materialistisch und dialektisch denkend und handelnd die bereits gegebenen und beschlossenen strategischen Grundentscheidungen so zu formulieren, daß sie Bestand haben in der durch die begonnene Klimakatastrophe gezeichneten Welt, in der wir leben, in dem sie sich im Stand erweisen, sie grundlegend zu verändern – das ist nun einmal der Praxistest jeder Strategie. Das Ziel ist die klassenlose, von den Übeln des Imperialismus befreite Welt. Unentbehrliches Werkzeug zum Erkämpfen dieser Welt ist eine Partei, von der man sagen kann:

„… sie vertritt die Methoden der Klassiker
Welche geschöpft sind aus der Kenntnis der Wirklichkeit
Und bestimmt sind, sie zu verändern
Indem die Lehre die Massen ergreift

1 https://lieder-aus-der-ddr.de/okonomie-der-zeit/

2 https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/kapitalismus-oekologische-zerstoerung-und-kommunistische-strategie/

3 https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/wir-werden-nicht-in-panik-geraten/

4 https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/die-natur-ist-unser-unorganischer-leib-von-dem-wir-leben-sie-ist-grossartig-aber-die-geschichte-scheint-mir-doch-grossartiger-als-die-natur/

5 https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/klima-und-klassenkampf-zur-diskussion-der-klimadebatte-in-der-kommunistischen-organisation-ko/

6 Michael Kubi, Irrationalismus und Klimaskepsis, Offen-siv. Zeitschrift für Sozialismus und Frieden, 4/2019, S. 33 – 37

7 https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/stellungnahme-zum-klimawandel/

8 https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/ist-es-moeglich-innerhalb-des-kapitalismus-die-natuerlichen-lebensgrundlagen-der-menschheit-zu-erhalten/

9 https://develop.kommunistische-organisation.de/vollversammlung-2019/diskussionstribuene/bis-zu-einem-gewissen-grade-mit-den-massen-zu-verschmelzen-lenin/

10 Scott A. Kulp / Benjamin H. Strauss, New elevation data triple estimates of global vulnerability to sea-level rise and coastal flooding, in: naturecommunications, 29.10.2019 (https://www.nature.com/articles/s41467-019-12808-z)

11 https://www.theguardian.com/world/2019/aug/26/indonesia-new-capital-city-borneo-forests-jakarta

12 https://academic.oup.com/bioscience/advance-article/doi/10.1093/biosci/biz088/5610806; vgl. https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimaschutz-unzureichend-forscher-warnen-vor-weltweitem-klimanotstand-a-1294979.html

13 https://www.scientists4future.org/

14 Blätter für deutsche und internationale Politik, 11/2019, S. 47 – 57. Der Aufsatz fasst die wesentlichen Aussagen seines 2019 erschienen Buches „Die unbewohnbare Erde“ zusammen, vgl. dazu https://www.ndr.de/kultur/buch/Die-unbewohnbare-Erde-von-David-Wallace-Wells,wallace132.html

15 https://www.bundestag.de/presse/hib/655774-655774 und http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/126/1912631.pdf vgl. auch: https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-es-gibt-noch-keinen-wissenschaftlichen-konsens-zum-klimawandel

16 James Lawrence Powell, The Consensus on Anthropogenic Global Warming matters, in: Bulletin of Science, Technology & Society, 2016, Vol. 36(3) S. 157–163

17 St. Rahmstorf / H.J. Schellnhuber , Der Klimawandel. Diagnose. Prognose. Therapie, 8. Auflage 2018, S. 79 – 87.

18 https://de.wikipedia.org/wiki/Planetare_Grenzen

19Der Stickstoffkreislauf wird durch zahlreiche anthropogene Prozesse beeinflusst. So wird atmosphärischer Stickstoff bei der Ammoniakherstellung gebunden, aber auch der Anbau von stickstoffbindenden Pflanzen (Leguminosen) trägt zu einer Stickstofffixierung bei. Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und von Biomasse gelangt Stickstoff in die Atmosphäre. Die Auswirkungen von Stickstoff sind vielfältiger Natur und von der eingegangenen Verbindung abhängig. So trägt es etwa als Lachgas (N2O) als eines der stärksten klimawirksamen Gase direkt zum Treibhauseffekt bei. Als Nitrat (NO3) sammelt es sich in Gewässern und Böden. Nitrat kann von bestimmten Bakterien zu Nitrit umgewandelt werden, das für zahlreiche Organismen giftig ist“, https://de.wikipedia.org/wiki/Planetare_Grenzen#Stickstoffkreislauf. Vgl. aktuell zur ernährungsökologischen Seite dieser brisanten Frage die Sendung des hr-Funkkollegs Ernährung, 2. Sendung „Böden, Labore, Substrate“ (https://funkkolleg-ernaehrung.de/themen/02-boeden-labore-substrate/) und 4. Sendung: „Fressen und gefressen werden – Proteine im Nahrungskreislauf“ (https://funkkolleg-ernaehrung.de/themen/04-fressen-und-gefressen-werden/)

20 https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/co2-budget-so-viel-treibhausgas-darf-die-menschheit-noch-ausstossen-a-1277801.html. Diese Annahme geht der Einfachheit halber nur vom Klimagas Kohlendioxid aus. Methan und Lachgas, beide weitaus klimaaktiver als CO2, bleiben in dieser Betrachtungsweise ausgeklammert. Der angegebene Zeitraum von 10 Jahren ist also der am weitesten gehende, optimistischste Zeitrahmen. Veranschaulichung dieser Fakten für das 1,5- und das 2 Grad-Ziel in Form einer CO2-Uhr hier: https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html

21 https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/bild-1200101-1196008.html

22 D. Wallace-Wells, a.a.O., S. 49

23 ebenda, S. 54

24 ebenda, S. 53

25 ebenda, S. 54

26 Brady Dennis und Chris Mooney, Scientists Nearly Double Sea Level Rise Projections for 2100, Because of Antarctica, in: The Washington Post, 30.3.2016. Wie oben aus Anm. 10 folgt, ist die Annahme der beiden Autoren aus dem Jahr 2016 heute bereits weit überholt: der Meeresspiegelanstieg wird aktuell mit einer dreimal höheren Verwundbarkeit der Küstenregionen in Verbindung gebracht, nicht einer doppelten.

27 https://glacierhub.org/2018/08/21/earth-in-danger-of-tipping-into-hothouse-state-scientists-warn/

28 https://www.youtube.com/watch?v=RitK73xnB0M&t=1772s

29 Wallace-Wells zB. hat als einzige Hilfe angesichts der von ihm selbst konstatierten drohenden Katastrophe den Gang zur Wahlurne anzubieten: „einzelne Lebensstilentscheidungen bringen insgesamt gesehen kaum etwas, wenn sie nicht in die Politik eingehen. Oder anders ausgedrückt: Bioprodukte zu essen ist gut, aber wer das Klima retten will, sollte lieber wählen gehen.“ (Wallace-Wells, a.a.O.) Das ist natürlich erbärmlich. Man macht es sich allerdings unverantwortlich leicht, wenn man solche naiven Sätze dazu nutzt, den gesamten Text von Wallace-Wells in den Papierkorb zu werfen und zum politischen business as usual zurückzukehren.

30 https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/wir-werden-nicht-in-panik-geraten/

31 Th. Spanidis, Ist es möglich, innerhalb des Kapitalismus die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit zu erhalten? (https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/ist-es-moeglich-innerhalb-des-kapitalismus-die-natuerlichen-lebensgrundlagen-der-menschheit-zu-erhalten/)

32 Bietet das marxistisch-leninistische Fernstudium (http://ml-fernstudium.de/) möglicherweise die Option, solche Fragen intensiv zu diskutieren und zB. vielleicht am aus der dortigen Arbeit bereits hervorgegangenen Entwurf grundlegender Eckpunkte einer sozialistischen Ökonomie in Deutschland an dieser Fragestellung weiter zu arbeiten? Eine grundlegende Frage könnte zB. die nach einer künftigen sozialistischen Energie- und Mobilitätspolitik sein. In diesem Zusammenhang könnten die aus meiner Sicht fatal falschen Vorstellungen von Jan Müller (https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/stellungnahme-zum-klimawandel/) zur Frage der Kernenergie einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden. Ebenso könnte dort vielleicht untersucht werden, welchen Schaden heute und morgen die aktuelle Konzentration von Regierungen und Konzernen auf batteriegestütze Elektromobilität als absehbar nächster Sackgasse anrichtet, wie allein schon ein Blick auf die aktuelle Entwicklung in Bolivien zeigt, vom ökologischen Schaden und anderen Problemen dieses Entwicklungspfads abgesehen.

33 Spanidis / Schulze / Camillo / Stoodt: Kapitalismus, ökologische Zerstörung und kommunistische Strategie (https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/kapitalismus-oekologische-zerstoerung-und-kommunistische-strategie/)

34 https://www.tagesspiegel.de/politik/weckruf-der-weltbank-140-millionen-klimafluechtlinge-bis-2050/21091728.html

35 https://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/200-millionen-klimafluchtlinge-bis-2040

36 https://www.iom.int/sites/default/files/country/docs/china/r5_world_migration_report_2018_en.pdf

37 a.a.O., S. 54

38 https://develop.kommunistische-organisation.de/programmatische-thesen/#4_Der_Imperialismus

39 https://www.unsere-zeit.de/de/4836/29/3475/Krach-in-der-imperialistischen-Pyramide.htm; vgl. https://develop.kommunistische-organisation.de/wp-content/uploads/2017/12/Stoodt-Thesen-zum-Imperialismus.pdf

40 Thomas Metscher, Logos und Wirklichkeit. Ein Beitrag zu einer Theorie des gesellschaftlichen Bewußtseins, Frankfurt am Main 2010, S. 369 – 388

41 besonders: G. Lukács, Die Zerstörung der Vernunft. Der Weg des Irrationalismus von Schelling zu Hitler, Berlin/DDR – Weimar 1984

42 Metscher, a.a.O., 373

43 Metscher, a.a.O., S. 374

44 Metscher, a.a.O., S. 375f. Der Frankfurter „Arbeitskreis 8. Mai“ hat sich am 7. Oktober 2017 mit dem Irrationalismus-Begriff Metschers beschäftigt. Dem lag eine Präsentation der Positionen Lukács und Metschers zugrunde: https://wurfbude.wordpress.com/2019/06/01/irrationalismus-und-imperialistische-gesellschaft/

45 In einem Dialog mit dem fiktiven Biographen Leverkühns erklärt dieser: „Ich habe gefunden“, sagte er, „es soll nicht sein.“ „Was, Adrian, soll nicht sein?“ „Das Gute und Edle“, antwortete er mir, „was man das Menschliche nennt, obwohl es gut ist und edel. Um was die Menschen gekämpft, wofür sie Zwingburgen gestürmt, und was die Erfüllten jubelnd verkündigt haben, es soll nicht sein. Es wird zurückgenommen.“ „Ich verstehe dich, Lieber, nicht ganz. Was willst du zurücknehmen?“ „Die Neunte Symphonie“, erwiderte er. Und dann kam nichts mehr, wie ich auch wartete.“, Thomas Mann, Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde, Frankfurt a. M. 1960, S. 512.
Dazu: Thomas Metscher, Der Roman als Medium geschichtlicher Erfahrung in der Epoche der Barbarei. Thomas Manns Doktor Faustus und Peter Weiss’ Ästhetik des Widerstands, in: Marxistische Blätter 2004, Heft 2, 48-63.

46 W.I. Lenin, Konspekt zur „Wissenschaft der Logik“. Die Lehre vom Begriff, in: Philosophische Hefte, LW 38, 160.

47Die These von Kissel et al., wonach es möglich sein könnte, im Kapitalismus der ökologischen Probleme einschließlich des Klimawandels Herr zu werden, ist einer der problematischsten Irrtümer in ihrem Artikel. Letzten Endes wird der Kapitalismus damit ausgerechnet auf einem Gebiet in Schutz genommen, wo er am offensichtlichsten dabei versagt, die gesellschaftliche Entwicklung mit den menschlichen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Es ist eben nicht möglich, dass der Kapitalismus seine destruktive Seite überwinden kann. Das zu glauben ist ein naiver Technikoptimismus, der die Entwicklung der Produktivkräfte unabhängig von den Produktions- und Eigentumsverhältnissen betrachtet, die ja gerade immer eine Nutzung der Technik im Sinne des Menschen untergraben und verhindern. Hier werden wesentliche Erkenntnisse des Marxismus über das Mensch-Natur-Verhältnis in seiner historischen Entwicklung ignoriert.“
Th. Spanidis, https://develop.kommunistische-organisation.de/diskussionstribuene-klima/ist-es-moeglich-innerhalb-des-kapitalismus-die-natuerlichen-lebensgrundlagen-der-menschheit-zu-erhalten/. Dieser mehr als berechtigten Kritik des Genossen Spanidis am Text der GenossInnen Kissel / Bina / Mayer ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.

48 Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch ein einen Seitenaspekt ansprechen. Einer der herausragenden Dissenzpunkte zu DKP und SDAJ im Entstehungszeitraum der KO Mitte 2018 war die Frage einer Existenz von „Übergangsstadien“ oder -epochen zwischen Imperialismus und Sozialismus, die in der Theorie und bündnispolitischen Praxis beider bisheriger Organisationen als Antimonopolistische Demokratie / Strategie einen festen Platz haben, der nicht zur Debatte gestellt wird. Diese Theorie wird noch problematischer, als sie an sich schon ist, betrachtet man sie unter dem hier ins Zentrum der Diskussion gerückten Blickwinkel einer revolutionären Ökonomie der Zeit unter den Bedingungen der drohenden Klimakatastrophe.
Mit aller Klarheit ist ebenso die katastrophale Rolle des Gorbatschow‘schen „Neuen Denkens“ und seiner die Klassengegensätze beiseiteschiebenden Konzentration auf die vorgeblich wichtigeren Gattungsprobleme der Menschheit zu verurteilen, die die kommunistische Bewegung weltweit nicht nur um Jahrzehnte zurückgeworfen, sondern vor allem genau damit wohl entscheidende Zeit verspielt hat, die jetzt zur tatsächlich einzig verbliebenen, klassenbezogenen Lösung des bedrängendsten Gattungsproblems fehlt: der Klimakatastrophe.

Hintergrund

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Unterdrückung, Mangel, Graus. Den meisten jungen Menschen in der Bundesrepublik kommt ein düsteres Bild in den Kopf, wenn sie den Namen DDR hören. Doch auch ältere Westdeutsche sind davon oft nicht ausgenommen. Kein Wunder. Über die DDR wird massenhaft berichtet. Kinofilme, Nachrichtensendungen, Zeitungsartikel, Schulbücher und vieles Weitere mehr soll uns einen Eindruck vom Leben im ersten sozialistischen Staat in Deutschland vermitteln. Und dabei wird eines sehr schnell klar: Über die Deutsche Demokratische Republik wird nichts Gutes erzählt. Woran liegt das? 

In der DDR wurde eine andere Gesellschaft aufgebaut. Nicht der Profit privater Unternehmen, sondern die Interessen der werktätigen Menschen haben die Entwicklung der Gesellschaft bestimmt. Den Reichen und Mächtigen in der Bundesrepublik war und ist dies ein Dorn im Auge. Sie wollen den Kapitalismus, mit seiner Herrschaft der Wenigen über die Vielen, als alternativlos darstellen. Seit der Gründung der DDR 1949 bemühen sie sich deshalb darum, ein falsches und verzerrtes Bild zu vermitteln. Es ist die Geschichtsschreibung der BRD, die 40 Jahre lang Feind und Konkurrent der DDR war. Es ist die Geschichte des Siegers, die uns tagtäglich eingetrichtert wird. Die meisten ehemaligen Bürger der DDR können davon jedoch nicht getäuscht werden. Etwa zwei Drittel der ostdeutschen Bevölkerung sagen, dass die positiven Seiten der DDR mindestens überwogen, nur etwa 10% finden beispielsweise das heutige Bildungssystem besser als das der DDR. Denn das wovon nicht berichtet wird, ist gewichtig: Es sind die großen Errungenschaften wie das Recht auf Arbeit, die günstigen Mieten, das kostenlose Gesundheits- und Bildungssystem, die flächendeckende Kinderbetreuung oder die Demokratie im Staat und den Betrieben. 

Auch unter Gegnern des Kapitalismus in Deutschland spielt die DDR heute selten eine Vorbildrolle. Als „Kasernenhofsozialismus“ wird sie bezeichnet, undemokratisch und bürokratisch sei sie gewesen. Die reichen Erfahrungen im 40-jährigen Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft werden nicht aufgegriffen. Die Probleme und Widersprüche, die es in der DDR gab, nicht konstruktiv untersucht. Zu viele lassen sich so bewusst oder unbewusst vor den Karren der BRD-Geschichtsschreibung spannen.

Aus diesem Anlass haben wir einen Episodenfilm aufgenommen, in dem der Versuch unternommen wird, einen ehrlichen und kritischen Blick auf die Errungenschaften und Probleme der DDR zu werfen. Die Erzählungen und Perspektiven unserer Gesprächspartner sollen dazu einladen, tiefer in die Geschichte einzusteigen. Denn eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Erfahrungen im Aufbau des Sozialismus der DDR ist notwendig, um auch heute den Weg zum Wiederaufbau der Arbeiterbewegung und zum Sozialismus zu ebnen.

Interviewpartner

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Heidi Richter *1939

Gründungsmitglied der Pionierorganisation im alten Friedrichstadtpalast in Berlin 1948

Das ist so bitter, wenn vieles was die Menschen sich hier aufgebaut haben, wegfällt, plattgemacht wird, einfach versucht wird aus deinem Gedächtnis zu entfernen. Und das ist auch ein Stück der Lebensleistung der DDR-Bürger das hier in den Dreck getreten wird.

Hans Bauer *1941

ehemaliger stellvertretender Generalstaatsanwalt der DDR

Es gab ein breites Feld von Demokratischer Mitwirkung, wie es gar nicht bekannt ist und ich es selbst erlebt habe. Sowohl im persönlichen Leben, als auch in meinem Leben als Staatsanwalt. Was weit über das hinaus geht, was in der heutigen Bundesrepublik geschieht.

Edmund Peltzer *1945

Ehemaliger Lehrer am Institut für Lehrerbildung

Das heutige System hat sich 1945 bereits zur Lebensaufgabe gemacht, diesen Staat zu beseitigen. Ich kann also nicht erwarten, eine realistische Berichterstattung über das Leben in der DDR zu bekommen.

Ekkehard Lieberam *1937

ehem. Professor für Staatstheorie und Verfassungsrecht

Es ist der Treppenwitz der Geschichte, dass nach dem Ende der DDR wie in den Hochzeiten des kalten Krieges Kriminalisierung betrieben wurde und das Wort DDR zum Synonym für das Böse in der deutschen Geschichte gemacht wurde.

Kerstin Salin *1963

Ehemalige Kinomalerin aus Leipzig

Es ging einfach darum, zu lernen fürs Leben, ein guter Mensch zu werden und ein gerechter Mensch zu werden und vor allem ein solidarischer Mensch zu werden, dass einer dem andern hilft.

Jürgen Geppert *1949

Ehemaliger Stadtverordneter in Aschersleben und Oberstleutnant a.D. der NVA

Man ist 2/3 seines Tages im Betrieb. Dann muss der Betrieb auch bestimmte Verantwortungen übernehmen. Da war es ganz normal, dass es einen Kindergarten, ärztliche Versorgung oder Verkaufsstellen gab.

Regina Mainzer *1951

Ehemalige Pionierleiterin aus Erfurt

Prinzipiell muss ich sagen, dass wir Frauen mit der Wende um Jahrzehnte zurückversetzt wurden.

Ingo Höhmann *1953

Oberstleutnant a.D. der Nationalen Volksarmee

Warum hat der Sozialismus Interesse an Frieden? Es verdient keiner im Sozialismus am Krieg. Jede Rüstungsausgabe ist eine Belastung gewesen.

Torsten Schöwitz *1969

1989 bei den Grenztruppen der DDR

Meine erste Einraumwohnung, die ich bezogen habe, hat 19,20 Mark gekostet. Dieses soziale Problem, was heute immer noch in dieser reichen Bundesrepublik ein soziales Problem ist, das hatten wir gelöst. Und so war die DDR aufgebaut, dass sie Stück für Stück, nach ihren Möglichkeiten, die sozialen Probleme löst.

Wolfgang Schmidt *1939

Ehemaliger Leiter der Auswertungs- und Kontrollgruppe der Hauptabteilung XX. im Ministerium für Staatssicherheit

Die Probleme der Bevölkerung wurden Ende der 80er nicht mehr ernst genommen und damit höhlst du das Vertrauen in dich aus.

Ekkehard Schulze *1963

Erfinder des Abduktoren-Adduktoren-Sportgerätes

Der Mensch, welcher sich und seine Familie mit seiner Arbeit ernährt, Anerkennung und Respekt für seine Arbeit im persönlichen Umfeld findet, das ist ein großer Aspekt für das Mensch sein und wichtig für die körperliche und geistige Gesundheit des Menschen.

Inhalt / Synopsis

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Im Episodenfilm DAS ANDERE LEBEN geben elf Interviewpartner aus der Sicht ihrer Lebensgeschichte Einblick in den Alltag und die Strukturen der Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik. In groben Zügen werden dabei auch die Gesamtentwicklung der DDR, die Bedingungen der Gründung 1949, Dynamiken und Veränderungen im sozialistischen Aufbau und zuletzt der Niedergang der DDR skizziert.

Episode I – Kindheit, Jugend und Schule

Die erste Episode widmet sich den Themen Kindheit, Jugend und Schule. Mit der Gründung der DDR entsteht zum ersten Mal auf deutschem Boden eine Einheitsschule für alle Kinder. Anekdoten und Erklärungen über die Polytechnik, politische Bildung, die Pionierorganisation und zum Jugendleben vermitteln ein Bild eines weit verzweigten, einheitlichen Netzes der Bildung und Erziehung, das jedem Kind offenstand. Pioniere und Freie Deutsche Jugend sind dabei sowohl Freizeitorganisationen als auch Organe der Mitbestimmung gewesen. Zuletzt war der revolutionäre Geist der Jugend allerdings nicht stark genug. 

Episode II – Arbeit und Wirtschaft

In der zweiten Episode wird ein Blick auf die Wirtschaft und das Arbeitsleben geworfen. Nach der Enteignung der Industrie und Landwirtschaft entstehen in der DDR völlig neue Arbeits- und Lebensverhältnisse. Der Betrieb wird zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Sport, Kultur, soziale Probleme und vieles mehr werden im Betrieb unter Beteiligung der Kollegen und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) verhandelt. Die DDR schafft es aus einem vom Krieg völlig zerstörten Land eine produktive Wirtschaft zu errichten. Zuletzt stagniert die Entwicklung allerdings – auch wenn von einem Staatsbankrott keine Rede sein konnte. Diskussionen über Schwierigkeiten im Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft und mögliche Lösungen halten seit dem Ende der DDR an.

Episode III – Demokratie und Zusammenleben

Die dritte Episode beschäftigt sich mit den sozialen, kulturellen und politischen Strukturen der DDR. Die Erfahrungen mit der Wohnungspolitik, mit einem fortschrittlichen Gesundheitswesen, einer anderen Rolle der Frau und dem Zugang zu Kultur zeichnen ein umfassendes Bild des alltäglichen Lebens. Sowohl der Umgang der Menschen untereinander, als auch der Umgang des Staates mit den Menschen erscheint dadurch ein anderer als in der Bunderepublik. Ein breites Netz aus Presse und Medien und das Zusammenwirken der Parteien und Massenorganisationen in der Nationalen Front und der Volkskammer konterkarieren das Bild eines „Unrechtsstaates“. Doch zuletzt stagniert die politische Entwicklung der DDR. Die demokratischen Strukturen und die Presse schaffen nicht die nötige Kritik und Diskussion zur Vertiefung der sozialistischen Gesellschaft.

Episode IV – Kalter Krieg und Konterrevolution

In der vierten Episode wird der Blick auf das Verhältnis zwischen Bundesrepublik und DDR gerichtet. Die Sicherung der Grenze 1961, die Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit und der Nationalen Volksarmee erscheinen im Licht des Kalten Krieges neu. Die Beziehungen zwischen der DDR und der BRD werden besonders wichtig für ein Verständnis der politischen Krise der DDR in den 80er Jahren. Dem Mythos der friedlichen Revolution wird auf den Zahn gefühlt. Wer aber waren die Triebkräfte des politischen Umsturzes, warum hat es so wenig Gegenwehr aus der Sozialistischen Einheitspartei gegeben? Die Gesprächspartner reflektieren die Zeit danach, die Lebensumbrüche und den Umgang der Bundesrepublik mit der DDR und mit ihnen selbst. Die DDR ist Geschichte. Was aber bleibt von der Deutschen Demokratischen Republik?

Frankreich: Großer Streik gegen die Rentenreform, gegen die Regierung, gegen dieses System, das uns ausbeutet!

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Wir veröffentlichen eine Übersetzung des Aufrufs der Kommunistischen Jugend Bouches-du-Rhône vom 5. Dezember 2019 zum Generalstreik. Vielen Dank an die Genossen, dass wir den Text veröffentlichen dürfen!

Heute sind mehr als 150.000 streikende Arbeiter durch Marseille marschiert. In den entscheidenden Sektoren der Wirtschaft hat die Arbeiterklasse die Arbeit niedergelegt, um die gesamte Wirtschaftsmaschine lahmzulegen, um Regierung und Kapital zu zwingen, ihre mörderischen Gesetzesprojekte zurückzuziehen.

Die Jugend wurde auch an der Seite der Arbeiter mobilisiert: Die St. Charles Universität wurde blockiert, mehrere Gymnasien wurden ebenfalls blockiert… Und viele junge Leute waren auf der Demonstration!

Es sei daran erinnert, dass die Blockade allen Schülern ermöglicht, zu kommen und zu demonstrieren, ohne irgendwelche Konsequenzen zu erleiden… (…)

Die Kommunistische Jugend 13* fordert, den Kampf mit allen Mitteln zu intensivieren, um jede Streikstunde, jede Blockade eines Hörsaals oder eines Gymnasiums, wo immer es möglich ist!

Wir rufen alle jungen Menschen auf, sich an ihren Studien- oder Arbeitsorten zu organisieren, um eine sofortige Reaktion auf die Regierung zu organisieren und für die langfristige Veränderung der Kräfteverhältnisse zu kämpfen.

Lasst uns am 7. Dezember alle dem Aufruf des nationalen Tages des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit folgen, um den Kampf für die Rückgängigmachung der Reform der Arbeitslosenversicherung mit dem Kampf gegen die Rentenreform zu verbinden. Lasst uns gemeinsam eine umfassende soziale Sicherheit mit neuen Rechten fordern!

Lasst uns zusammenkommen und uns organisieren, lasst uns gemeinsam für unsere Zukunft kämpfen, lasst uns gegen den Kapitalismus kämpfen!

SAMSTAG 14:00 Uhr ST-CHARLES EN HAUT DES MARCHES!

FÜR DIE REVOLUTION UND DEN SOZIALISMUS, ORGANISIERE DEINEN ZORN!

* 13 ist die Nummer des Départements Bouches-du-Rhône, in dem Marseille liegt, Anm. d. Übersetzers


5 décembre 2019
L’immense grève contre la réforme des retraites, contre le gouvernement, contre ce système qui nous exploite !

Aujourd’hui plus de 150.000 travailleurs en grève ont défilé à Marseille. Dans les secteurs structurants de l’économie, la classe ouvrière à cessé le travail pour construire le blocage de toute la machine économique afin de forcer le gouvernements et les patrons à reculer sur leurs projets de loi assassins.

La jeunesse s’est mobilisée aussi aux côtés de travailleurs : fac saint Charles bloquée, plusieurs lycées bloqués aussi… Et beaucoup de jeunes en manif !
Rappelons que le blocage permet à tous les étudiants et lycéens de pouvoir venir manifester sans subir de conséquences…

Dès ce soir, des Assemblées Générales se tiennent sur de nombreux lieu de travail ou d’études, et plus d’une centaine d’appels à la reconduction ont été émis dans le département.

La Jeunesse Communiste 13 appelle à intensifier la lutte par tous les moyens possibles, de gagner la moindre heure de grève, le moindre débrayage d’amphi, le moindre blocage de lycée, partout où c’est possible !

Nous appelons tous les jeunes à s’organiser sur leur lieu d’étude ou de travail afin de structurer une riposte immédiate face au gouvernement et de reconstruire un rapport de force sur le long terme.

Le 7 décembre, soyons tous mobilisés à l’appel de la journée nationale de lutte contre le chômage, pour lier la lutte pour le retrait de la réforme de l’assurance chômage à celle contre la réforme des retraites. Ensemble revendiquons la sécurité sociale intégrale pour des droits nouveaux !

Ensemble rassemblons nous et organisons nous, ensemble battons nous pour notre avenir, battons nous contre le capitalisme !

RDV SAMEDI 14h ST-CHARLES EN HAUT DES MARCHES !

POUR LA RÉVOLUTION ET LE SOCIALISME, ORGANISE TA COLÈRE!