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Gemeinsam weiterdenken – aber nicht als Erfüllungsgehilfen von Kapital und Staat!

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Die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie endet am 28. April. Das heißt, es könnte wieder für höhere Löhne gestreikt werden. Doch die IG Metall-Führung sendet Signale an den zuständigen Arbeitgeberverband, diesmal ohne Streiks auskommen zu können. Die Unternehmen drohten in den letzten Monaten mit Massenentlassungen, die sie mit Umbrüchen in der Automobilindustrie rechtfertigen. Die Branche ist mit ihren ca. 4 Millionen Beschäftigten nicht nur die stärkste Branche, die zum Organisationsbereich der IG Metall gehört, sondern auch die bedeutendste für das deutsche Kapital.

Die Diskussion um die Forderungen hat bereits im November vorigen Jahres begonnen. Um eine „realistische“ Forderung aufzustellen, wird von der IG Metall die sog. „Lohnformel“ genutzt. Diese betrachtet die aktuelle wirtschaftliche Lage und setzt sich aus dem Produktivitätswachstum, der Inflationsrate und einer „Umverteilungskomponente“ zusammen. Letztere soll die Reichtumsverteilung zu Gunsten der Arbeiter verschieben. Daraus wird eine mögliche prozentuale Lohnsteigerung errechnet, die die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung „im Blick behält“ und die den Unternehmen nicht allzu wehtut. Würde man das in diesem Jahr genauso tun, würde man wohl bei einer Forderung von 1,5 Prozent + „Umverteilungskomponente“, also insgesamt bei 2,5 – 3 Prozent landen.

Die ersten Sitzungen der Tarifkommissionen haben bereits stattgefunden und aktive IG Metall-Mitglieder wurden zu zusätzlichen Diskussionsrunden eingeladen. In ihnen wurden – trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage und Drohungen – Forderungen nach einer Arbeitszeitverkürzung, z. B. durch die Ausweitung der tariflichen Freistellungszeit [1], Festgeldforderungen, die Angleichung der Arbeitszeit im Osten, schnelleren Renteneintritt, eine verpflichtende unbefristete Übernahme ohne Öffnungsklausel für Auszubildende und die Aufnahme von Dualstudierenden in den Tarifvertrag laut.

Zur aktuellen ökonomischen Situation

Viele Monopole haben vor allem in der Automobilindustrie bereits Massenentlassungen angekündigt: Audi knapp 10.000, Volkswagen 7.000, Continental 7.000, Opel mindestens 4.000 usw. Leiharbeiter und Befristete traf es schon jetzt: Allein 30.000 Leiharbeiter wurden in den letzten 6 Monaten nicht weiter beschäftigt, tausende befristete Verträge wurden nicht verlängert und die Stellen von Arbeiter, die in die Rente gegangen sind, nicht nachbesetzt.

Also stehen wir wirklich vor größeren Umbrüchen in der Metall- und Elektrosparte. Auch die IG Metall spricht von „Herausforderungen“ aufgrund der „tiefgreifenden Veränderungen“, die die Elektromobilität, Digitalisierung der Produktion und Energiewende mit sich bringen. Und da ist die aufziehende, sich durch Auftragseinbrüche und steigende Arbeitslosenzahlen bemerkbar machende Krise des Kapitalismus noch nicht betrachtet.

Zur Lage der Arbeiterklasse in der Metall- und Elektroindustrie

Die aktuelle Situation der Arbeiter in der Metall- und Elektrobranche sieht folgendermaßen aus:

  • Befristete Verträge, Leiharbeit und Werksverträge sind Alltag
  • 40-Stundenverträge sind im Büro der Normalzustand, trotz tariflich vereinbarter 35-Stunden-Woche
  • Im Osten muss für das gleiche oder weniger Geld als im Westen auch mehr als 35 Stunden pro Woche gearbeitet werden
  • Frauen arbeiten meist in den untersten Entgeltgruppen und in Teilzeitverträgen, aus denen sie nicht mehr herauskommen
  • immer mehr Geschäftseinheiten werden auseinandergerissen, verkleinert, outgesourct
  • alle großen Monopole haben bereits angekündigt, tausende Arbeitsplätze abzubauen, sodass sich Angst vor der Arbeitslosigkeit breitmacht
  • Werksstudenten, Praktikanten und Dualstudierende werden als billige Arbeitskräfte missbraucht
  • Auszubildende werden nach wie vor oft befristet und nicht im erlernten Beruf übernommen

Kurzum: Wir haben eine zutiefst gespaltene Arbeiterschaft in der Metall- und Elektroindustrie mit einem massiven Lohngefälle vom unbezahlten Praktikanten über die niedrig eingruppierte ostdeutsche Frau in Teilzeit bis hin zum außertariflich bezahlten Ingenieur in der Automobilindustrie. Oft sogar im gleichen Betrieb.

Ein Stillhalteabkommen

Bereits Mitte des letzten Jahres setzte sich die Kampagne der Unternehmerverbände gegen zu „hohe Forderungen“ in der kommenden Tarifrunde ein. Rainer Dulger, Chef von Gesamtmetall, stellt gar den Flächentarifvertrag in Frage. [2]

Als Antwort auf diese Forderungen und Androhungen hat die IG Metall am 24. Januar 2020 ein „Moratorium für einen fairen Wandel“ [3] vorgelegt. Darin fordert sie „die Arbeitgeber auf, sich ihrer Verantwortung für den Industriestandort Deutschland in der Transformation und für die Zukunft der dort beschäftigten Kolleginnen und Kollegen zu stellen.“ Und zwar, indem die Kapitalisten nicht „einseitige Maßnahmen zum Personalabbau, zu Ausgliederungen, zur Verlagerung von Produkten und zur Schließung von Standorten ergreifen“, sondern die IG Metall gemeinsam mit ihrem Sozialpartner betriebliche Zukunftstarifverträge abschließen. Die IG Metall will als Gegenleistung auf Streiks verzichten und ein „Zukunftspaket“ und eine Lohnerhöhung schon vor dem Auslauf der Friedenspflicht vereinbaren. Auf eine bezifferte Forderung der Lohnerhöhung soll außerdem verzichtet werden, ein Inflationsausgleich soll aber drin sein. Aktuell wäre das eine Lohnerhöhung von ca. 1,5%. Um betriebsbedingte Kündigungen in den Bereichen, in denen die Nachfrage zurückgeht, auszugleichen, soll ein durch Steuergelder und Unternehmen finanziertes Kurzarbeitergeld gezahlt werden und die Möglichkeit, frühzeitig in die Rente zu gehen, ausgebaut werden. Ob die Stellen nachbesetzt werden sollen, ist nicht geklärt. Die Stundenkonten sollen nach unten geöffnet werden, sodass die Arbeiter beim nächsten Aufschwung all die nicht gearbeiteten Stunden wieder rausholen müssen. Außerdem wird ein „Nachhaltigkeitsbonus“ gefordert, der für „Zuschüsse zu ÖPNV Tickets, Laden von Elektrofahrzeugen, Leasing von E-Bikes, Zuschüsse zu Stromverträgen aus regenerativer Energie („Grüner Strom“)“ eingesetzt werden könnte. Eine freie Entscheidung, wofür die Kollegen das Geld benötigen, soll ihnen also auch genommen werden.

Das Moratorium kam für viele ehren- und hauptamtliche Kollegen der IG Metall sehr überraschend. Als das Paket den Tarifkommissionen der IG Metall vorgelegt wurde – ein paar Tage bevor man damit an das Kapital und die Öffentlichkeit ging –, zeigten sich die Mitglieder erstaunt und schienen nicht ganz zu verstehen, wo genau dieser Vorschlag herkommt und was er bedeutet. Ein großer Ruf der Empörung blieb bisher jedoch aus.

Also: die Arbeiter sollen auf Lohnerhöhungen verzichten, zugunsten des Kapitals flexibler, d. h. mal kürzer und mal länger arbeiten und am besten auf Streiks zur Durchsetzung ihrer Interessen verzichten. „Nur so kann im Industriestandort Deutschland die Transformation gelingen“, sagt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Dafür sollen die Beschäftigten eine schwammige Beschäftigtensicherung bekommen, die nur die aktuellen Festverträge temporär schützen wird – von einer Arbeitsplatzsicherung ist nämlich nicht die Rede. Dementsprechend können Leiharbeiter und Befristete nach wie vor auf die Straße gesetzt werden, wann immer das Kapital dies will, und junge Leute werden nach wie vor Probleme haben, einen Festvertrag zu bekommen. Denn die Forderung nach einem Verbot der Leiharbeit oder einer Quote für Befristungen sucht man in dem angeblichen Zukunftspaket der IG Metall-Führung genauso vergeblich wie die Forderung nach einer verpflichtenden unbefristeten Übernahme für Auszubildende, ohne Öffnungsklauseln.

Das Angebot, Betrieb für Betrieb Zukunftsvereinbarungen abzuschließen, wird dazu führen, dass durchsetzungsstarke Großbetriebe bessere Vereinbarungen bekommen als kleinere Betriebe. Das wird die Tariflandschaft noch mehr zerreißen, die Arbeiterklasse spalten und gemeinsame Kämpfe noch schwieriger machen. Damit werden gesellschaftliche Probleme auf die betriebliche Eben verlagert, wo die Arbeiterklasse nur eingeschränkt agieren kann. Eigentlich wurden Gewerkschaften gegründet, um genau das zu verhindern. Seit dem Pforzheimer Abkommen gibt es jedoch die Möglichkeit, von allen Elementen der Flächentarifverträge durch Abweichungstarifverträge abzuweichen. Nun soll anscheinend ein weiterer „Meilenstein der Tarifgeschichte“ – wie Gesamtmetall das Pforzheimer Abkommen nennt – gelegt werden.

Denn das Kapital antwortete auf dieses verlockende Angebot natürlich prompt. „Es ist ein positives Signal der Gewerkschaft, nicht mit voreiligen Festlegungen in die Verhandlungen zu starten“, sagte Metall-Saar-Hauptgeschäftsführer Martin Schlechter. Gesamtmetall schreibt in seiner Presseerklärung vom 24. Januar 2020: „Wir begrüßen, dass die IG Metall den Ernst der Lage anerkennt. (…) Welche Voraussetzungen notwendig sind, den Strukturwandel anzugehen, und wie wir als Sozialpartner unseren Beitrag dazu leisten können, muss auch aus unserer Sicht im Mittelpunkt der Tarifrunde stehen. Wir sind überzeugt davon, dass der Wandel gelingen wird, wenn wir zusammen weiterdenken.“ [4]

Die Konsequenz: Volksgemeinschaft

Der zuständige Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnt in seinem Auftaktclip vom 16. Januar vor der „globalen Konkurrenz“ und betont – in sozialpartnerschaftlicher Manier –, dass wir „das Match“ gegen die internationale Konkurrenz nur gewinnen können, „wenn wir zusammen weiterdenken“. Mit dem „WIR“ meinen sie einen Klassenkompromiss aus Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden: „Team Deutschland“ gemeinsam gegen die „internationale Konkurrenz“. Das deutsche Kapital soll also auf Kosten der deutschen und internationalen Arbeiterklasse seinen Platz an der Sonne behalten. In einem Interview beschreibt der Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger am 15. Januar 2020 in der WELT [5], wie genau er sich das vorstellt:

„Anstelle einer werktäglichen sollte eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden festgelegt werden. (…) Die bisherige elfstündige Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen sollte man einteilen in zwei Blöcke – in acht Stunden ununterbrochene Ruhe und drei Stunden, die man sich frei einteilen kann. (…) In der Metall- und Elektroindustrie ist Deutschland nach der Schweiz und Norwegen inzwischen der teuerste Standort der ganzen Welt. (…) Wenn es die IG Metall ernst meint mit der Sorge um die Arbeitsplätze in der Industrie, dann muss sich das in ihren Forderungen für diese Tarifrunde widerspiegeln.“

Diese nationalistische und auf einen Klassenkompromiss basierende Politik haben wir das erste Mal zu Beginn des Ersten Weltkrieges erlebt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch eindeutige Parteien des Kapitals und die SPD als die Partei der Arbeiterklasse.

Am 4. August 1914 erklärte Kaiser Wilhelm II.: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche! Zum Zeichen dessen, dass Sie fest entschlossen sind, ohne Parteiunterschied, ohne Stammesunterschied, ohne Konfessionsunterschied durchzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod zu gehen, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und mir das in die Hand zu geloben.“

Die Gewerkschaften und die SPD ließen sich auf die sogenannte „Burgfriedenspolitik“ ein und verzichteten für Deutschlands Weltmachtstreben im Ersten Weltkrieg auf Lohnkämpfe. Die Arbeits- und Lebensbedingungen wurden so um Jahrzehnte zurück katapultiert. Damit verlor die SPD ihre Rolle als klare Partei der Arbeiter. Auch die Faschisten propagierten knapp 20 Jahre später die sogenannte „Betriebsgemeinschaft“ und „Volksgemeinschaft“ und verboten kurze Zeit später am 02. Mai 1933 kämpferische Gewerkschaften ganz. Es wurden die Grenzen zwischen Nationen und nicht zwischen Klassen gezogen. Wozu das führte, ist allen bekannt.

Vor der Idee, Unternehmer und Arbeiter gemeinsam gegen die internationale Konkurrenz zu mobilisieren und auf den Klassenkampf von Unten zu verzichten, kann also nur gewarnt werden.

Was ist zu tun?

Die Arbeiterklasse muss unabhängige Forderungen aufstellen und ihre eigenen Interessen und Probleme in den Blick nehmen. So wie die IG Metall vorgeht, ist es fatal. Sie nehmen die Position des Arbeitgebers ein, indem sie versuchen, die wirtschaftlichen Entwicklungen, erwarteten Krisen und den Strukturwandel in Betracht zu ziehen. Das ist ein Irrweg, weil wir auf die Marktentwicklungen und insbesondere die Unternehmensentscheidungen letztlich keinen Einfluss haben. Hier sind wir den Irrungen und Wirrungen der Kapitalisten ausgesetzt und baden am Ende immer das aus, was sie verursachen. An den Gewinnen beteiligen sie uns natürlich nie freiwillig. Auch die Politik hat mit ihren Entscheidungen zu Strukturveränderungen vor allem die Konkurrenzfähigkeit und somit die Profite der Kapitalisten im Blick. Wenn wir überhaupt mitreden wollen, müssen wir einheitlich auftreten und unsere Interessen klar und deutlich formulieren. Wir können sie nur gegen die Kapitalisten und ihren Staat durchsetzen.

Wenn die IG Metall nun wirklich wieder schlagkräftig werden will, muss sie die Kraft sein, die unsere Interessen durchsetzt und einheitliche Kämpfe führt. Sie muss Forderungen aufstellen, die leicht verständlich sind, und von denen alle Arbeiter profitieren! Und vor allem: Sie muss ihre Mitglieder mobilisieren und muss ihnen durch gemeinsame Kampferfahrungen aufzeigen, was für eine Macht sie eigentlich haben. Wir dürfen nicht zulassen, dass in Elfenbeintürmen in Frankfurt gemeinsam mit dem Klassengegner über die Zukunft der Arbeiter gerichtet wird.

Hier nun ein paar Vorschläge, mit welchen Forderungen man ins Rennen ziehen könnte, um die Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse zu verkleinern und Massenentlassungen und Arbeitsplatzvernichtungen zu verhindern. Man könnte:

  • den letzten Tarifvertrag (der 8 Tage mehr Urlaub für einen Teil der Stammbelegschaft ermöglicht) für alle Beschäftigten öffnen,
  • den Lohn nicht durch Prozente, sondern durch Festgeldforderungen erhöhen
  • die 35-Stunden-Woche auch im Osten und in den Büros durchsetzen und Öffnungsklauseln, Quotenregelungen usw. aufkündigen
  • für ein Verbot von prekären Beschäftigungsverhältnissen (Leiharbeit, Befristungen, Werksverträge, freiwillige Praktika) kämpfen oder sie so teuer machen, dass sie sich nicht mehr rentieren
  • die tatsächliche unbefristete Übernahme ohne Ausnahmen und die Aufnahme der Dualstudierenden in den Tarifvertrag fordern
  • und zu guter Letzt eine Diskussion um eine Arbeitszeitverkürzung zur Arbeitsplatzsicherung starten, um nicht selbst die – durch die Unternehmen verursachten – Krise zahlen zu müssen und um von der – durch die Arbeiterklasse umgesetzte – Produktivkraftentwicklung zu profitieren

Die systemkonforme Herangehensweise, nur mit wirtschaftlichen Kennzahlen Forderungen aufzustellen und zu Kompromissen ohne Arbeitskampf zu kommen, wird nie dazu führen, dass sich alle Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland als ziemlich mächtige Einheit begreifen. Doch erst als Einheit können wir irgendwann die Machtfrage stellen, um eine Gesellschaft aufzubauen, in der wirtschaftliche Entscheidungen zentral und demokratisch von denen entschieden werden, die den gesamten gesellschaftlichen Reichtum tagtäglich schaffen.

[1] Anderthalb Millionen Mitglieder der IG Metall haben in der ersten Jahreshälfte 2018 mit Warn- und 24h-Streiks ein tarifliches Zusatzgeld, was in 8 Tage mehr Urlaub umgewandelt werden kann, erkämpft. In diesen Auseinandersetzungen wurden viele Mitglieder gewonnen und es gab grundlegend ein positives Feedback auf diesen Tarifvertrag, auch wenn er an vielen Stellen noch nachgebessert werden müsste. Bei der Umwandlung in zusätzlichen Urlaub sind viele Personengruppen (z. B. befristete Mitarbeiter) ausgeschlossen.

[2] https://www.gesamtmetall.de/aktuell/interviews/weil-es-um-die-akzeptanz-des-tarifsystems-insgesamt-geht

[3] https://www.igmetall.de/download/20200127_Moratorium__fuer_einen_fairen_WandelJPK_2093d0c4b373d9a60c40908396d3d7eabdf39619.pdf

[4] https://weiterdenker.me/index.php/gesamtmetall-zu-den-heutigen-aussagen-der-ig-metall

[5] https://www.gesamtmetall.de/aktuell/interviews/wir-erwarten-dass-die-ig-metall-diese-realitaet-anerkennt-und-sich-zurueckhaelt

Audiomitschnitt – Seminar zum Arbeitsrecht

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Das Seminar, mit unserem Referenten Rolf Geffken, fand unter dem Titel „Modernisierung oder Konterrevolution? – Die Zerstörung von Arbeiterrechten in Deutschland“ im Rahmen des Liebknecht-Luxemburg-Lenin Wochenendes 2020 in Berlin statt. Im Folgenden der Audiomitschnitt.

Link zur ursprünglichen Veranstaltung: https://develop.kommunistische-organisation.de/event/modernisierung-oder-konterrevolution/

Leider ist die Audioqualität bis Minute 35 mäßig, ab dann konnte direkt über das Mikrofon aufgezeichnet werden.

Audiomitschnitt – Podium über 30 Jahre Konterrevolution

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Die Podiumsdiskussion fand unter dem Motto „30 Jahre Konterrevolution – Bilanz und Ausblick“ im Rahmen des Liebknecht-Luxemburg-Lenin Wochenendes 2020 in Berlin statt.

Link zur ursprünglichenVeranstaltung: https://develop.kommunistische-organisation.de/event/30-jahre-konterrevolution-bilanz-und-ausblick/

Im Folgenden der Audiomitschnitt der Veranstaltung.

Kein Vergeben – Kein Vergessen! Zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

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Vergesst nur nicht, wenn wir auch nimmer wiederkehren,
Wenn wo wir sterben einst kein Holzkreuz steht,
Und wenn von all dem Leid, das wir getragen,
Kein Laut noch und kein Stöhnen aus den Gruben weht.

Vergesst nur nicht, wenn auch die Tage wandern und die Jahre,
Wenn Blumen blühen wo der Tod gesät,
Und wenn dereinst auf unserem Feld der Tränen 
Der Schnitter wieder reife Halme mäht!
Auch dann: Vergesst nur nicht!

– Peter-David Blumenthal-Weiss (1944 vmtl. im KZ Auschwitz)


Zum 75. Mal jährt sich in diesem Jahr der Tag der Befreiung von Auschwitz durch die Soldaten der Roten Armee. Im Januar 1945 rückten die Sowjetsoldaten gen Westen vor, hinter Krakau stießen sie am 27. Januar auf eine nicht geahnte Maschinerie zur Ausbeutung der Arbeitskraft und Vernichtung von über einer Millionen Menschen – vornehmlich Juden – aus ganz Europa.

Errichtung und Befreiung eines Ortes der Massenvernichtung

Mit offener Brutalität und Terror führten die deutschen Faschisten einen Angriffs- und Eroberungskrieg im Osten – ihr Ziel: die Sowjetunion. In der Nähe der im September 1939 überfallenen Stadt Oświęcim (dt.: Auschwitz) stieß die SS auf einen Gebäudekomplex, der sich für Heinrich Himmlers Absichten eignete, ein Konzentrationslager in Schlesien zu errichten. Anfangs als Durchgangslager geplant, das polnische Gefangene als Reserven für die Arbeitskommandos deutscher KZs isolieren sollte, wurde der Lagerkomplex mehrfach erweitert. Vor allem die Konzipierung und Realisierung zweier kriegswichtiger Großprojekte ließ Auschwitz vom Durchgangslager zur Drehscheibe der Zwangsarbeit der deutschen Faschisten werden. Die IG Farben – zu diesem Zeitpunkt das größte Chemie- und Pharmaunternehmen der Welt – bewertete Auschwitz-Monowitz als bestmöglichen Standort für die Errichtung eines gigantischen Hydrier- und Bunawerkes zur Herstellung synthetischen Benzins, Motorenöls und Gummis. Neben Rohstoffen und Infrastruktur konnte durch die Verbindung zum KZ vor allem die benötigte menschliche Arbeitskraft zum Bau und Betrieb des Werkes sichergestellt werden. Auch das zweite Großprojekt, die Errichtung eines Komplexes mit Betrieben, in denen Versuche u.a. zu Planzen-, Fisch- und Viehzucht durchgeführt werden sollten, sollte von der quasi unbegrenzten Verfügbarkeit an Arbeitskraft profitieren. Um dem gerecht zu werden, wurde der Lagerkomplex auf einen kalkulierten Stamm von 100.000 Häftlingen erweitert – eine geplante Verdoppelung wurde aufgrund der näher rückenden Front abgebrochen. Franciszek Piper, seit 1965 Mitarbeiter der historischen Forschungsabteilung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau – später dessen Leiter – stellte heraus, dass das verbindende Element der Funktionsphasen des Lagers immer die Absicht gewesen sei, möglichst viele Menschen zusammenzutreiben, zu selektieren und auszulöschen. Ab 1942 sei die Vernichtung durch Arbeit zentral gewesen. Bis Ende Oktober 1944 führte die SS ihre Vernichtungspolitik mit der Tötung arbeitsunfähiger Häftlinge als „unproduktive Elemente“ in den Gaskammern fort. 

Mit dem Näherrücken der Sowjetarmee ergriff die SS Maßnahmen zur Räumung des Lagers und beseitigte die Spuren ihrer Verbrechen. Von August 1944 bis Mitte Januar 1945 wurde ein Großteil der Häftlinge in Außenkommandos anderer Konzentrationslager zum Arbeitseinsatz im Reichsinneren überstellt. Nach einem Aufstand der Häftlinge des Sonderkommandos im Oktober 1944, in welchem sie versuchten eines der Krematorien zu sprengen, begann die SS mit der Beseitigung baulicher Zeugnisse ihrer Vernichtungspolitik. Auch Akten und andere Dokumente sollten zerstört werden. Wenige Tage vor der Befreiung wurde das Lager geräumt und 56.000 verbliebene Häftlinge auf den sogenannten „Todesmärschen“ nach Westen getrieben. Zurück blieben an die 7.000 Häftlinge, welche am 27. Januar durch die Soldaten der Roten Armee befreit werden konnten.

Geschichtsarbeit als politisches Instrument

Die Geschichte ist immer ein umkämpftes Feld und der Kampf um ihre Deutung ist Ausdruck aktueller politischer Konflikte und Widersprüche – sie ist ein Teil des Klassenkampfes. Bereits kurz nach Kriegsende wurden Anstrengungen unternommen, die Rolle Deutschlands im faschistischen Krieg zu verdrehen. So wurde 1952, in der noch jungen Bunderepublik, beispielsweise der „Tag der Opfer des Faschismus“ durch den „Volkstrauertag“ ersetzt. „Opfer des Faschismus“ sollten mit den „Opfern des Bolschewismus“ gleichgestellt werden. Diese Absicht wird auch in der erst kürzlich verabschiedeten Resolution der EU anlässlich des Nichtangriffsvertrages zwischen dem faschistischen Deutschland und der Sowjetunion deutlich, mit der aktive Geschichtsfälschung praktiziert wird. Auch mit der aktuellen Planung zur Errichtung eines „Mahmals für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft“ wird die Gleichstellung von Faschismus und Kommunismus weiter vorangetrieben.

Auch international wird um die Hoheit der Deutung der Geschichte gerungen. Als Beispiel sei hier der Konflikt zwischen Russland und Polen bezüglich des Gedenkens an die Rote Armee als Befreierin von Auschwitz und Polen zu nennen. Die polnische Geschichtspolitik ist seit Jahren darum bemüht, die Ereignisse der Jahre 1944/45 so darzustellen, als seien sie lediglich der Übergang von einer Besatzung zur nächsten gewesen. Dem Tod von 600.000 Sowjetsoldaten bei der Befreiung Polens wird nicht gedacht. 2015 hatte der damalige polnische Innenminister explizit darauf hingewiesen, dass Auschwitz nicht von der Roten Armee befreit worden sei, sondern von Ukrainern der „1. Ukrainischen Front“ der sowjetischen Truppen. Der Streit eskalierte zuletzt so weit, dass der polnische Staatspräsident eine Einladung zum diesjährigen Holocaust-Kongress in Jerusalem ausgeschlagen hat, da Putin als „Hauptgast“ mit allen Ehren empfangen wurde und er selbst jedoch kein Rederecht bekam.

Auch die Regierung Israels macht sich letztlich das schreckliche Erbe der Juden zunutze, indem das Gedenken an den Holocaust als Mittel zur Legitimation der Besetzung Palästinas und anderer Maßnahmen zum vermeintlich eigenen Schutz angeführt wird. In dem Dokumentarfilm #Uploading_Holocaust der israelischen Regisseure Sagi Bornstein und Udi Nir wird der Zusammenhang zwischen Erinnerungskultur und Zionismus eindrücklich dargestellt. Die Bildungsarbeit des israelischen Staates dient der Rechtfertigung ihres politischen Handelns. Auch der Besuch des deutschen Bundespräsidenten Steinmeier auf der diesjährigen israelischen Gedenkveranstaltung an die Befreiung von Auschwitz stand unter dieser Losung. Die Bekämpfung des Antisemitismus setzt er in seiner Rede mit der Verteidigung Israels gleich: „Dieses Deutschland wird sich selbst nur dann gerecht, wenn es seiner historischen Verantwortung gerecht wird: Wir bekämpfen den Antisemitismus! (…) Wir stehen an der Seite Israels!“

Auch im Programm der politischen Bildung der BRD hat der deutsche Faschismus und der Holocaust einen festen Platz. Niemand wird in Deutschland als junger Mensch darum herum kommen, sich in der ein oder anderen Form damit auseinanderzusetzen. Der Lagerkomplex Auschwitz steht dabei als geschichtliches Symbol für beides. Die Erinnerungskultur soll die Schrecken der Naziherrschaft und des faschistischen Kriegs mit aller Härte vor Augen führen. Das ist grundsätzlich richtig, im Ergebnis bleibt allerdings in der Regel und staatlich gewollt eine moralisierende Geschichtsschreibung, deren hauptsächliche These ist, dass man die Schrecken nicht verstehen und nicht erklären kann. Historische Zusammenhänge, Hintergründe der Politik der deutschen Faschisten und ihre Verbindung zum kapitalistischen System werden nicht aufgezeigt. So wird die Geschichte des Holocaust zwar omnipräsenter Schrecken und zugleich jedoch unberedbar gemacht. Die Wurzeln des Faschismus im imperialistischen System werden gekappt und die BRD als freies, demokratisches Gegenbild zum Faschismus aufgebaut, obwohl ein beachtlicher Teil der faschistischen Eliten in Amt und Würden verblieben sind. Der Holocaust wird zu einem politischen Argument – auch für die unmenschliche Politik der Bundesregierung. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die Legitimation des ersten deutschen Kriegseinsatzes nach dem Zweiten Weltkrieg, welchen Joschka Fischer als damaliger Außenminister damit begründete, dass es kein weiteres Auschwitz geben dürfe und daher der Einsatz im Kosovo als „humanitäre Intervention“ durchgeführt werden müsse. Bürgerlicher Antifaschismus muss ins Leere laufen, denn wer von den Ursachen des Faschismus schweigt, nimmt sich jedes Mittel, ihn zu bekämpfen.

Die Bedeutung des Gedenkens für uns

Um aus der Geschichte lernen zu können, müssen wir verstehen, wie es zum deutschen Faschismus mit all seinen Gräueln kam. Dazu reicht es nicht, das Handeln der Faschisten zu psychologisieren und sie als unerklärliche Monster darzustellen. Es braucht eine Analyse ihrer konkreten Politik und der damaligen polit-ökonomischen Verhältnisse. Nur wenn wir den Imperialismus und damit die Interessen des Monopolkapitals als die Wurzel des Faschismus begreifen, können wir unserem Gedenken Taten folgen lassen und den Faschismus tatsächlich bekämpfen. In diesem Sinne war die Rote Armee im wahrsten Sinne des Wortes Todfeind des Faschismus, da sie diejenigen, die die Faschisten stärkten, ihnen die Macht übertrugen und von ihrer Politik und ihrem Krieg profitierten, entmachteten. Mit der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung der DDR wurde diese Lehre der Geschichte ganz praktisch in einem Teil Deutschlands verwirklicht. Antifaschistische Erinnerungspolitik und antifaschistischer Kampf müssen diese Zielklarheit zurückgewinnen, um dem Faschismus seinen Nährboden zu entziehen.  Es ist unsere Aufgabe, eine proletarische Erinnerungskultur zu schaffen, die die Deutung der Geschichte nicht der herrschenden Klasse überlässt. Wir müssen Antifaschismus mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verbinden. Heute gedenken wir derjenigen, die die imperialistische Politik der Faschisten verschlang und ehren diejenigen, die dagegen Widerstand leisteten und die Faschisten bis zuletzt bekämpften.

Wohin führt die „Klimakatastrophe“?

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Beitrag zur Diskussionstribüne Klima&Kapitalismus – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)

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Ein Beitrag von Philipp Kissel

Ich möchte drei Punkte machen:

  1. Wohin führt die Vorstellung einer „Klimakatastrophe“?
  2. Der politische Charakter der Klimadebatte
  3. Die Weltanschauung in den Naturwissenschaften

Der Gastbeitrag von Hans-Christoph Stoodt macht deutlich, wohin die Vorstellung einer Klimakatastrophe führen kann: „Die Geschichte der Gattung wird dann nach heutigem Kenntnisstand nicht vorbei sein – aber sie wird sehr wahrscheinlich unter solch veränderten Bedingungen verlaufen, daß wir das, was wir heute unter den Grundannahmen des historischen Materialismus annehmen und tun können, sehr wahrscheinlich in Teilen neu formulieren müssen – einschließlich einer Theorie der sozialen Revolution, der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft und so weiter. Das zu behaupten folgt logisch daraus, daß die Gesellschaften im Rahmen einer 4-Grad-Welt – wie oben beschrieben – mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so aussehen werden, als ob sie einfach eine Verlängerung des heute bekannten Kapitalismus-Imperialismus sein könnten, aber auch kein Sozialismus auf dem Weg zum Kommunismus. Was aber dann?“

Da haben wir den Salat. Die Neubetrachtung, Revision, des historischen Materialismus in seinem Kern. Nach dieser Aussage wäre die Grundlage der menschlichen Gesellschaft nun eine ganz andere. Deshalb könne man auch nicht mehr von der Gesellschaftsformation Kapitalismus oder Sozialismus ausgehen und dementsprechend auch nicht von einer sozialistischen Revolution.

Die Gesellschaft und die ganze Welt ist nur noch von einem gezeichnet: Der Klimakatastrophe. Was aber sollen Gesellschaften (plural) sein, die weder kapitalistisch noch sozialistisch sind? Was ist ihre materielle Grundlage, wie sind ihre Produktionsverhältnisse? Stoodt lässt diese Frage konsequenterweise offen. Nicht nur weil er es nicht wissen kann, sondern weil darin der wesentliche Kern seiner Argumentation besteht. Das was kommt, wird so schlimm sein, dass dann etwas ganz anderes sein wird. Was genau, können und sollen wir nicht wissen. Denn wichtig ist nur, dass es alles in Frage stellt und alles ganz dringend ist.

Anzuerkennen ist, dass Stoodt klipp und klar sagt, dass es sich um eine Katastrophe handelt. „Was den Zeithorizont angeht, der bleibt, um das bevorstehenden Erreichen und Überschreiten jener Kipp-Punkte der Entwicklung zu vermeiden, jenseits deren menschliches Tun oder Lassen welcher Absicht auch immer etwas an den unwiderruflichen, katastrophalen und die bisherige menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen in Frage stellenden Welt etwas ändern kann, sind sich die damit Beschäftigten auch weitgehend einig: es handelt sich um allenfalls wenige Jahrzehnte.“ Wichtig an dieser Aussage ist: „…jenseits deren menschliches Tun oder Lassen (…) etwas (…) etwas ändern kann…“ Es wird also eine Welt sein, die die bisherige menschliche Zivilisation in Frage stellt. Und – das ist besonders wichtig – es wird einen Punkt geben, ab dem menschliches Handeln nichts mehr ändern wird.

Der aufmerksame Leser fühlt sich jetzt vielleicht an Science-Fiction-Filme erinnert, in denen man auf Planeten reist, wo alles Leben ganz anderen Gesetzen gehorcht und die Menschen spannende Abenteuer erleben. Nicht selten sind diese Planeten Orte der Zerstörung, der „Hölle“ auf der einen Seite oder ideale Orte auf der anderen Seite. Mit Zitaten aus einem Buch eines Journalisten beschreibt Stoodt eine Welt, die von Hitze, Verwüstung und Überschwemmungen, schmelzenden Eisschilden, Wassermangel für hunderte Millionen Menschen und unbewohnbaren Großstädten, ja halben Kontinenten gezeichnet ist. Mit beeindruckenden Zahlen wird eine rasante Erhitzung beschrieben. Und vor allem: „Einige dieser Prozesse laufen über Jahrtausende ab, aber sie sind unumkehrbar und daher dauerhaft. Niemand sollte sich daher der Hoffnung hingeben, den Klimawandel wäre einfach rückgängig zu machen. Das geht nicht. Er wird uns davonlaufen.“ Die Botschaft: Es gibt keinen Ausweg! Wenn die Hölle erstmal eingetreten ist, wird sie für ewig sein.

Wissenschaftlicher Sozialismus statt Dystopie

Der historische Materialismus hat die Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Gesellschaft entdeckt und daran wird sich nichts ändern, solange es menschliche Gesellschaft gibt. Es sei denn, jemand entdeckt die neue materielle Grundlage der Gesellschaft. Solange das nicht der Fall ist, sind es die Produktionsverhältnisse, die die Gesellschaft bestimmen. Aus dem Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen ergibt sich die notwendigerweise nächste Gesellschaftsformation. Sie ist nicht zufällig oder nur von menschlicher Vorstellungskraft abhängig. Aus dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung des geschaffenen Reichtums in der kapitalistischen Gesellschaft ergibt sich notwendigerweise der Sozialismus als nächste Stufe der menschlichen Gesellschaft.

Die ersten Sozialisten verfügten noch nicht über den historischen Materialismus und mussten deshalb utopische Sozialisten bleiben. Ihre Bedeutung und große Leistung soll hier nicht relativiert werden. Mir geht es hier nur um einen Aspekt. Sie entwickelten ideale Welten, in der die Vernunft herrscht und die in alle Einzelheiten ausgeschmückt – aber nicht realisierbar waren. Ihre Utopie war zukunftsgewandt und aufstrebend. Aber sie blieb Utopie, was wörtlich übersetzt aus dem altgriechischen nicht-Ort, ou – „nicht-“ und topos – „Ort“, heißt. Da es eine positive Zukunftsvision war, handelt es sich in dem Sinne um ein Sprachspiel zwischen Utopie und Eutopie aus eu – „gut“ und „topos“ – Ort.

Was hier dagegen gezeichnet wird, ist das Gegenteil einer Utopie. Die Welt wird nicht als guter oder idealer Ort beschrieben. Es ist eine Dystopie, dys- = schlecht und tópos = Ort. Während die utopischen Sozialisten die Widersprüche und das Elend anprangerten und vorerst nur in einer idealen Vision auflösen konnten, werden sie hier in der Vision einer größtenteils unbewohnbaren Welt aufgelöst. Und wie bei Science-Fiction-Filmen auch, sagt die Welt die dargestellt wird mehr darüber aus, wie man die jetzt existierende Welt sieht und interpretiert. Der Kern bei der Vorstellung der Klimakatastrophe ist, dass eine Situation eintritt, bei der alles Handeln aussichtslos ist. Die „4-Grad-Welt“ ist ein Nicht-Ort, der höchstens noch als Chaos zu verstehen ist. Der Mensch ist ausgeliefert und hilflos.

Geschichtspessimismus und Fatalismus

Für Millionen von Menschen ist die Welt aktuell tatsächlich die Hölle. Sie sterben an Hunger und Krankheiten, die schon längst heilbar sind. Was aber hat das mit Naturereignissen an sich zu tun? In Afrika sterben Millionen Menschen an Hunger, während es dort gleichzeitig die größten ungenutzten landwirtschaftlichen Flächen der Welt gibt, mit denen Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Die Menschen sterben also nicht daran, dass es in Afrika zuviele Wüsten geben würde, sondern daran, dass der Imperialismus die Entwicklung einer eigenständigen Landwirtschaft verhindert. Selbst wenn sich die Wüsten ausdehnen würden, müsste niemand an Hunger sterben. Es sei denn, man nimmt an, dass die Ausmaße der Katastrophe so groß sind, dass gar kein Handeln mehr daran etwas ändert. Das gleiche ließe sich für alle anderen Probleme durchspielen, für den Wassermangel, für Überschwemmungen oder Hitzewellen. An letzterem sei nur verdeutlicht, dass bei den Hitzewellen der vergangenen Jahre in Deutschland und Frankreich niemand aufgrund der Hitze an sich gestorben ist, sondern weil alte Menschen allein gelassen in ihren Wohnungen unterversorgt blieben.

Die aktuelle reale Welt zeigt, dass der Mensch längst in der Lage ist, viele Probleme zu lösen und wenn nicht, dann weil ihn die überkommenen gesellschaftlichen Verhältnisse daran hindern. Die Vorstellung einer so großen Katastrophe, die jegliches menschliches Handeln sinnlos macht, ist irreal und lediglich eine ideologische Denkfigur, die in ihrem Fatalismus dem Bewußtsein der herrschenden Klasse entspricht und ihr zugleich dazu dient, ihre Herrschaft abzusichern. Denn die Vorstellung, der Mensch ist eh schlecht und das wird sich nicht mehr ändern, da kann man nichts machen, ist denen, die wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, höchst willkommen.

In der Vorstellung einer Situation, in der nichts mehr möglich ist, liegt nicht nur ein tief gehender Geschichtspessimismus. Die Klimadebatte ist Ausdruck eines konservativen Rollback. Hier sei kurz auf den „Club of Rome“ verwiesen, der Ende der 1960er Jahre mit der Ideologie der „Grenzen des Wachstums“ die Marschrichtung vorgab. Der Soziologe und Publizist Matthias Greffrath brachte es im Deutschlandfunk auf den Punkt: „Daran aber wird klar, dass Demonstranten und Politiker zu kurz springen, wenn sie den Kampf gegen den Klimawandel zum alles überwölbenden globalen Großthema erklären. Noch einmal: nicht der Klimawandel ist das Problem, er ist das massive Symptom des Grundproblems: Wachstum.“ (https://www.deutschlandfunk.de/essay-und-diskurs.1183.de.html?drbm:date=2019-12-08)

Geschichtspessimismus und Fatalismus sind besonders gefährliche bürgerliche Ideologien, weil sie die Rolle der Arbeiterklasse in der Geschichte negieren – was aus Sicht der Klasse, die bereits einmal enteignet und entmachtet wurde, nur verständlich ist. Für uns sind diese Ideologien ein großes Hindernis bei der Organisierung der Klasse. Mit dem Aufruf zur Bekämpfung des Klimawandels wird eigentlich der gesellschaftliche Wandel bekämpft. Denn im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen nicht mehr die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Eigentumsfrage, sondern die Katastrophe, die äußere Bedrohung, die Naturgewalten, etc. Deshalb ist dieser Aufruf konservativ.

Die Klimadebatte ist politisch

Es handelt sich bei der Klimadebatte um eine zutiefst politische Auseinandersetzung. Auch wenn Stoodt und auch die Genossen Spanidis et. al beteuern, dass es nur einen objektiven wissenschaftlichen Standpunkt in dieser Frage gäbe und alle, die das in Frage stellen, wissenschaftsfeindlich seien – so einfach ist die Sache nicht.

Zuallererst sollten bei jedem die Alarmglocken angehen, wenn ein Diskurs und eine Bewegung dermaßen offen und offensichtlich von den Herrschenden gefördert und aktiv vorangetriebenwerden. Nun könnte man entgegnen, dass das vielleicht für Deutschland zutreffe, aber zum Beispiel für die USA, zumindest für Trump und andere nicht. Oder dass es auch Teile der Herrschenden gibt, die nicht gleichermaßen die Angst vor dem Klimawandel schüren. Das stimmt und das zeigt, dass die Debatte maßgeblich von politischen und ökonomischen Interessen geprägt ist und es von den konkreten Bedürfnissen der herrschenden Klasse abhängt, wann, wie und wie lange welche Diskurse und ideologischen Schreckensbilder durch die Medienlandschaft und Köpfe der Menschen gescheucht werden. Gänzlich das Klasseninteresse an und in der Klimadebatte abzustreiten, ist nicht haltbar.

Dass in dieser Debatte Panik und Hysterie im Spiel sind, liegt auf der Hand – daran ändert auch die Wahl eines Unwort des Jahres nichts. Und – leider – ist der Gastbeitrag von Stoodt ein Beispiel für diese Panik. Der Vorwurf, wer dies als Panik bezeichne, sei „Klimaleugner“ und wissenschaftsfeindlich führt ins Leere, denn er geht an der Sache vorbei, denn es gibt einen Streit unter den Wissenschaftlern. Man könnte sich also gegenseitig vorwerfen, wissenschaftsfeindlich zu sein – und würde keinen Schritt vorankommen.

Es geht also nicht um die Beantwortung der Frage: Gibt es denn den Klimawandel nicht? Zu allererst muss man diese Debatte, die unter Wissenschaftlern, Politikern, Publizisten, etc. stattfindet analysieren. Das ist eine intensive Arbeit, die nicht nebenbei gemacht werden kann und für die man systematisch vorgehen muss.

Die Soziologin Anita Engels, die den Diskurs über den Klimawandel begrüßt und mit Sicherheit keine Sprecherin angeblicher „Klimaleugner“ ist, führt in einem Interview aus: „Ich habe von so manchem Forscher die Beschwerde gehört, dass Journalisten von ihm klare Aussagen hören wollten, wo es eigentlich noch Unsicherheiten gab. Weil die sich in einem Zeitungsartikel nicht darstellen ließen, hat man sich auf etwas geeinigt, das wissenschaftlich nicht wirklich gedeckt war. Das ist eine Form der Popularisierung, die dem Forscher negativ ausgelegt werden kann. Zudem gab es vor allem in der Frühphase Wissenschaftler, die sich verantwortlich fühlten, auf das Klimaproblem aufmerksam zu machen. Sie haben bewusst dramatisiert oder sich zumindest nicht gegen dramatisierende Darstellungen gewehrt. Das ist riskant.“ Das ist richtig und zeigt den politischen Charakter der Auseinandersetzung. Engels geht aber noch weiter: „Frage: Als Lösung für das Klimaproblem hat sich die Wissenschaft früh auf die drastische Reduzierung von CO2 geeinigt, noch bevor eine gesellschaftliche Debatte darüber in Gang gekommen war. Ein Grund für die Eskalation? Antwort: Diese Verengung auf CO2 ist von vielen Seiten betrieben worden. So erschien das Problem überhaupt erst mal bearbeitbar.“ (https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2019/gefuehle/klimawandel-panik-hilft-nicht)

Engels spricht auch den Skandal um das sogenannte „Hockeyschläger-Diagramm“ an, der von „Klimaskeptikern“ genutzt worden sei. Dabei handelte es sich um eine Prognose des US-Klimaforschers Michael Mann, die einen rasant starken Anstieg prognostizierte – daher das Bild des Hockeyschlägers. Diese Temperaturkurve wurde vom IPCC in seinen Bericht des Jahres 2001 aufgenommen und als letzter Beweis für eine menschengemachte Klimaerwärmung gewertet. Andere Klimaforscher erhoben massive Einwände gegen die Kurve und warfen Mann Fälschung vor. Die Kurve wurde 2007 vom IPCC aus dem Bericht entfernt. Die der falschen Temperaturkonstruktion zu Grunde liegenden Daten wurden nie herausgegeben. Es gab eine ganze Reihe weiterer Skandale rund um das IPCC, die die Frage aufwerfen, um welche Auseinandersetzung es hier eigentlich geht. Darunter der „Email-Skandal“, mit dem kritische Wissenschaftler öffentlich diskreditiert werden sollten und der „Himalaya-Skandal“ von 2007, als der IPCC behauptet hatte, der Himalaya-Gletscher schmelze bis 2035 ab. Als diese Prognose kritisiert und unter anderem vom indischen Umweltminister bezweifelt wurde, behauptete das IPCC, allein den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit beanspruchen zu können. Wenig später musste das IPCC die Prognose zurücknehmen, es habe sich um einen Zahlendreher gehandelt.

Diese Beispiele werden auch von den Kritikern des IPCC verwandt, von denen manche politisch rechts stehen. Heißt das, dass wir uns nicht mit den Widersprüchen, der Entwicklung und Auseinandersetzung beispielsweise des IPCC und den Argumenten der Wissenschaftler beschäftigen sollen, die den IPCC kritisieren? Im Gegenteil, wir sollten ein umfassendes Verständnis der Klimadebatte und ihres politischen Charakters gewinnen.

In der Klimadebatte gab es von Anfang an Wissenschaftler, die einen anderen Standpunkt vertreten haben und ihn auch öffentlich gemacht haben. Anstatt sie einfach als von der Ölbranche bezahlte Rechte abzutun, sollten wir uns mit ihnen und ihren Argumenten beschäftigen. Das sei hier nur kurz angerissen, um die Aufgabe zu skizzieren. Bereits 1992 veröffentlichten über 3000 Wissenschaftler, darunter 74 Nobelpreisträger (davon 66 in Naturwissenschaften) den Heidelberger Appell (https://en.wikipedia.org/wiki/Heidelberg_Appeal). Darin warnen sie vor dem Aufkommen einer irrationalen Ideologie, die sich gegen Wissenschaft und industriellen Fortschritt wende und wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt behindere. Sie führen weiter aus, dass es keinen natürlichen Zustand gebe, wie es manche rückwärtsgerichteten Bewegungen annehmen, dass die Erfassung, Beobachtung und der Schutz der natürlichen Ressourcen auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgen müsse und Regierungen in ihren Entscheidungen sich nicht von pseudowissenschaftlichen Argumenten leiten lassen sollen. Außerdem, dass die unterentwickelten Länder ein Niveau der Entwicklung des restlichen Planeten erreichen können sollen und sie nicht durch Probleme und Gefahren der entwickelten Nationen gehemmt werden, nicht in ein Netz von unrealistischen Verpflichtungen verwickelt werden sollen, die ihre Unabhängigkeit und Würde gefährden.

Unter den Unterzeichnern befindet sich auch der Nobelpreisträger und Atmosphärenphysiker Richard Lindzen. Er hat in den folgenden Jahren wiederholt den IPCC und andere Klimawissenschaftler massiv kritisiert und eine Diffamierung der Wissenschaftler, die eine andere Auffassung als die des IPCC vertreten, beklagt. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Erklärungen von Wissenschaftlern, die sich kritisch positionieren. Die Leipziger Erklärung von 1995, die Oregon-Petition von 1998 und zuletzt die Erklärung „Es gibt keinen Klimanotstand“ von 700 Wissenschaftlern, in dem sie vertreten, dass nicht nur Faktoren des menschlichen Handelns für die Veränderung des Klimas verantwortlich sind, dass der Wandel deutlich langsamer vonstatten geht, als behauptet und noch kein umfassendes Verständnis des Klimawandels erarbeitet wurde. Sie schreiben: „Die Klimawissenschaft sollte weniger politisch sein, während die Klimapolitik wissenschaftlicher sein sollte. Wissenschaftler sollten offen auf die Unsicherheiten und Übertreibungen bei ihren Vorhersagen zur globalen Erwärmung eingehen.“ (https://clintel.nl/wp-content/uploads/2019/10/European-Climate-Declaration-Oslo-18-October-2019.pdf)

Können diese Wissenschaftler und ihre Standpunkte einfach abgetan werden? Wurden ihre Argumente geprüft, wurde ihre Kritik ins Verhältnis gesetzt zu dem was in der Klimaforschung geschieht? Ich finde, das muss unsere Aufgabe sein.

Aufrufe und Appelle gab und gibt es auch von Klimaforschern, die vor einer Katastrophe warnen. Ende 1992 als Antwort auf den Heidelberger Appell die „erste Warnung der Wissenschaftler der Welt an die Menschheit“, die mit den Worten beginnt: „Die Menschen und die natürliche Welt sind auf einem Kollisionskurs.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Warnung_der_Wissenschaftler_an_die_Menschheit)

Das soll an dieser Stelle genügen, um deutlich zu machen, dass es einen Streit unter den Wissenschaftlern gibt, den wir verstehen müssen. Oft wird den Wissenschaftlern, die sich gegen die Vorstellung einer Klimakatastrophe wenden, vorgeworfen, sie seien von Öl-, Kohle- oder einer anderen Industrie bezahlt, finanziert durch neoliberale oder konservative Thinktanks. Mit Sicherheit wird das bei manchen auch eine Rolle spielen. Das gilt allerdings für Wissenschaftler der anderen Stoßrichtung ebenso. Kapitalinteressen und politische Interessen der Bourgeoisie haben Einfluss auf die gesamte Wissenschaft und die Vertreter der „grünen“ Richtung sind dabei keineswegs fortschrittlicher oder weniger reaktionär. Die Untersuchung der politischen Organisation der Klimaforschung, insbesondere in Form des IPCC ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe zur Klärung in dieser Frage.

Tatsächlich sind viele Klimaforscher politisch sehr aktiv und betätigen sich als Berater von Regierungen und Unternehmen. Das gilt aber ganz unabhängig davon, welche Position sie in welcher Frage beziehen. So ist beispielsweise Hans Joachim Schellnhuber, der Gründer und langjährige Leiter des Potsdam-Instituts bereits in den 90er Jahren Berater für Angela Merkel gewesen und in der Folgezeit für die Bundesregierung. Schellnhuber selbst positioniert sich auch ganz offen politisch, wenn er sich gegen die „technikverliebte Bequemlichkeitsgesellschaft“ wendet und beispielsweise sagt: „Man könnte die Situation mit einem leckgeschlagenen Schiff auf hoher See vergleichen. Natürlich gibt es auch neben dieser Havarie Probleme: Das Essen in der dritten Klasse ist miserabel, die Matrosen werden ausgebeutet, die Musikkapelle spielt deutsche Schlager, aber wenn das Schiff untergeht, ist all das irrelevant. Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, wenn wir das Schiff nicht über Wasser halten können, brauchen wir über Einkommensverteilung, Rassismus und guten Geschmack nicht mehr nachzudenken.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Joachim_Schellnhuber) Hier wird Klassenversöhnung propagiert bzw. die ausgebeutete Klasse zum Stillhalten und weiteren Ertragen aufgefordert. Es ist ein klarer Klassenstandpunkt.

Zunächst gilt es also das zu tun, was die Aufgabe der historischen Materialisten ist: die Veränderung in der materiellen Grundlage der Gesellschaft zu untersuchen, also zum Beispiel die ersten Krisenerscheinungen des Kapitalismus nach 1945 und die verschiedenen Reaktionen darauf, unter anderem den „Club of Rome“. Die in der Veränderung wirkenden Klasseninteressen zu erkennen und die ideologischen Erscheinungen, mit denen sie artikuliert werden. Das heißt für die aktuelle Klimadebatte, welche Veränderungen zeichnen sich ab (Stichwort Umstrukturierung Energie- und Automobilbranche), worin besteht der Streit der Wissenschaftler untereinander und die Verbindung zur Klimafrage von Politik und Ökonomie? Dabei ist die Auseinandersetzung bzw. Kritik an den Methoden der Klimaforschung besonders wichtig. An die Frage, wie sich nun das Klima verändert, können wir uns erst annähern, wenn die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlern um Gegenstand, Methoden und Probleme der verschiedenen Wissenschaften, die hier betroffen sind, erarbeitet wurden.

Idealismus in den Naturwissenschaften

Der letzte Aspekt, den ich kurz benennen möchte, ist die Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen und weltanschaulichen Fragen in der Klimaforschung. Wie zu jeder Zeit ist die Naturwissenschaft auch heute nicht losgelöst von der Frage der Weltanschauung. Am Beispiel des profilierten Klimaforscher Schellnhuber kurz angerissen: Er hat eine Variante der sogenannten „Erdsystemanalyse“ erfunden. Als Erdsystem wird dabei die Summe physikalischer, chemischer, biologischer und sozialer Komponenten, Prozesse und Wechselwirkungen bezeichnet, die den Zustand und die Veränderungen des Planeten Erde beeinflussen. Es soll um die Interaktion zwischen Land, Atmosphäre, Wasser, Eis, Biosphäre, Gesellschaften, Technologien und Wirtschaft gehen. Das Ziel ist: Dokumentation globaler Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten, Vorhersagen künftiger Veränderungen anhand von quantitativen Modellen, Zusammenfassung der Informationen, um auf die Konsequenzen der globalen Veränderungen effektiver reagieren zu können. Zwei Dinge sind daran wichtig: Erstens: Das sind sehr viele verschiedene Bereiche, die hier in ein (welches?) Verhältnis gesetzt werden. Zweitens: Im Zentrum steht die Vorhersage an Hand von Modellen.

Aus dieser „Erdsystemanalyse“ leiten Schellnhuber und andere Wissenschaftler „planetarische Leitplanken“ oder „Grenzen“ und „Kipp-Punkte“ ab. Zu den „Belastungsgrenzen“ gehört die Definition des Zwei-Grad-Ziels, das also die Erwärmung der Erde nicht zwei Grad übersteigen dürfe. Die Idee der „planetarischen Grenzen“ ist auch die Grundlage des Hauptgutachtens des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen aus dem Jahr 2011 mit dem Titel „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“. Die Kipp-Punkte, auf die sich auch Stoodt bezieht, sind quasi eine zeitliche Dimension der „Belastungsgrenzen“, die besonders brisant wirken, weil sie Punkte sein sollen, ab denen ein Umsteuern nicht mehr möglich sei. Stets ist der Ausgangspunkt oder das Problem das menschliche Handeln. Man könnte das Bild zeichnen, das auf der einen Seite die „Natur“, die „Welt“ steht und auf der anderen Seite der Mensch, der die Grenzen dieser „Welt“ überschreitet und sich damit selbst gefährdet. Das neueste Buch von Schellnhuber heißt „Selbstverbrennung – Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“. Darin warnt er, dass „die fortgesetzte Verbrennung fossiler Energieträger zum kollektiven Suizid zu führen droht.“

Auch wenn Schellnhuber ein besonders einflussreicher Klimaforscher ist, sind die hier skizzierten Vorstellungen keineswegs allein seine Erfindung oder nur von ihm vertreten, sondern weit verbreitet. Es gibt zahlreiche verschiedene Erdsystemanalysen. Einen gewissen Ausgangspunkt für diese Entwicklung stellt die „Gaia-These“ des britischen Wissenschaftlers James Lovelock dar. Er vertrat die Ansicht, dass die Erde ein lebendiger Organismus sei – Gaia. Der Titel eines seiner Bücher von 1991 lautet: „Die Erde ist ein Lebewesen. Was wir heute über Anatomie und Physiologie des Organismus Erde wissen und wie wir ihn vor der Gefährdung durch den Menschen bewahren können.“ Das in dieser These vertretene Verständnis von Mensch und „Erde“ beschreibt Lovelock in einem Interview: „Seit mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren hat Gaia die Erde mit diesen gefährlichen Experimenten bewohnbar gehalten und dabei kontinuierlich besser abgestimmt. All diese Zeit hat es gekostet, ein Lebewesen zu schaffen, dass sowohl sozial als auch intelligent ist. Andere Tiere, Wale vielleicht, sind eventuell intelligenter als wir, aber sie sind nicht sozial und kommunizieren nicht so gut. Dies ist also eine wichtige Eigenschaft, und das System würde es sehr bedauern, uns zu verlieren.“ (https://www.heise.de/tr/artikel/Koennen-wir-die-Erde-zerstoeren-917173.html) Schellnhuber schrieb 2006 zur Gaia-Hypothese: „Lovelocks Theorie ist ein wichtiger Bezugspunkt für die nun entstehende Wissenschaft der Erdsystemanalyse geworden, trägt aber auch zu jenem Substrat von aktuellem Weltverständnis bei, auf dem sich umwelttheoretische Vorstellungen entwickeln.“ (in Politische Ökologie 24, 2006). Ist es vermessen, wenn dieses „Weltverständnis“ an religiöse Vorstellungen, wie der Schöpfung, erinnert?

Diese kleinen Ausschnitte sollen verdeutlichen, dass für Materialisten hier viel Arbeit lauert. Denn dass hier idealistische und mechanisch deterministische Positionen im Spiel sind, liegt auf der Hand. Es wird ersichtlich, warum eine kollektive und systematische Auseinandersetzung mit den politischen, ideologischen und wissenschaftlichen Implikationen der Klimadebatte unbedingt notwendig ist. Hier sei kurz angemerkt, dass dabei die Auseinandersetzung von Marx und Engels mit dem Ökonomen Malthus beachtet werden sollte, weil Malthus ebenfalls von „natürlichen Grenzen“ des Wachstums ausging.

Zur Frage des Imperialismus / On the question of Imperialism

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Der Text als pdf in Deutsch / In English

Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Diskussionsbeitrag des Genossen Andreas Sörensen, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Schwedens (SKP). Wir bedanken uns bei der SKP für diesen Beitrag und die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung

Here we publish a contribution by comrade Andreas Sörensen, chairman of the Communist Party of Sweden (SKP) on the analysis of imperialism. We want to thank the SKP for this contribution and the friendly permission to publish it.


Eine der wichtigsten Fragen, vor denen wir stehen, ist die Frage des Imperialismus und die richtige Charakterisierung des Kapitalismus in seiner imperialistischen Phase. In der Kommunistischen Partei Schwedens (SKP) diskutieren wir dieses Thema seit einiger Zeit, und wir kommen zu immer deutlicheren Schlussfolgerungen. In diesem Artikel werde ich versuchen, meine Sichtweise darzulegen, in der Hoffnung, nicht nur die Debatte in Schweden, sondern auch die internationale Debatte innerhalb der kommunistischen Bewegung zu fördern.

Ich möchte mit einem sehr konkreten Beispiel beginnen und aus diesem Versuch einige grundlegende Schlussfolgerungen ziehen, von denen einige im Widerspruch zu der Art und Weise stehen, wie die kommunistische Bewegung den Imperialismus und die imperialistische Politik traditionell betrachtet. Natürlich riskiere ich, im Unrecht zu sein, aber wenn doch, dann hoffe ich, dass ich geholfen habe, Fragen zu stellen, die beantwortet werden müssen, und indem ich eine Beantwortung dieser erzwinge, werde ich die Debatte gefördert haben!

Litauischer Imperialismus

Litauen ist ein armes Land. Das Durchschnittsgehalt liegt bei rund 800 Euro pro Monat (es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass dies bedeutet, dass die Hälfte der Arbeitnehmer im Land ein niedrigeres Gehalt haben!). Das bedeutet, dass Sie, wenn Sie relativ zentral in einer litauischen Stadt wohnen, fast Ihr ganzes Gehalt für Ihre Miete ausgeben müssen, wenn Sie in einer Dreizimmerwohnung wohnen. Außerhalb der zentralen Stadtteile müssen Sie nur die Hälfte Ihres Gehalts für eine gleichwertige Wohnung ausgeben. Nachdem Sie Ihre Miete bezahlt haben, muss Ihr Gehalt auch für Ihre anderen Ausgaben wie Essen, öffentliche Verkehrsmittel, Kleidung und so weiter aufkommen.

Die Tatsache, dass die Löhne in Litauen niedrig sind, zieht ausländische Investitionen an. Viele dieser Investitionen kommen aus Schweden. Schwedische Kapitalisten machten 2016 fast ein Fünftel aller ausländischen Investitionen aus. Die beiden Sonderwirtschaftszonen Litauens in Klaipeda und Kaunas ziehen wahrscheinlich viele dieser Investitionen an. Schwedische Unternehmen wie Tele2, Telia Sonera, ABB, IKEA, Swedbank und SEB haben alle große Investitionen in dem Land. Litauen ist trotz seiner Größe der viertgrößte Lieferant von Möbeln für IKEA, was bedeutet, dass mehr Möbel von IKEA in Litauen als in Schweden produziert werden. Es ist offensichtlich, dass niedrige (wir sollten nicht wirklich von niedrigen Löhnen sprechen, sondern von niedrigeren Löhnen) Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen Investitionen anziehen.

Es entsteht das Bild einer Nation, die von den großen Imperialisten ausgebeutet wird. Die Menschen und die Arbeiter werden unter Druck gesetzt, weil sie kapitalistischen Profit brauchen. Dieses Bild ist jedoch fehlerhaft. In jeder kapitalistischen Nation gibt es eine Dualität, die ich hoffentlich mit meinem litauischen Beispiel zeigen kann.

Die ausländischen Direktinvestitionen Litauens

Trotz der Tatsache, dass die Investitionen aus reicheren Ländern zunehmen, scheint dies die litauischen Kapitalisten nicht davon abzuhalten, ihre eigenen Investitionen zu tätigen. Werfen wir einen Blick auf die Nachbarn Litauens.

In Weißrussland sind die litauischen Kapitalisten nach Russland und Zypern die drittgrößten Investoren (die zypriotischen Investitionen sind wahrscheinlich indirekt russisch, da eine Reihe von Oligarchen das Land nutzen, um Steuern in Russland zu vermeiden). Litauisches Kapital ist in mehr als 500 weißrussischen Unternehmen angelegt und „jeder zweite reiche Litauer hat Geschäfte in Weißrussland“, um einen litauischen Parlamentarier zu zitieren. Die Investitionen, die von Litauen bis Belarus jährlich getätigt werden, belaufen sich auf rund 80 Millionen Dollar [1]. Die Investitionen aus Litauen konzentrierten sich vor allem auf das Einzelhandelsgeschäft, wo vor allem die Firma Sosedi groß geworden ist. Auch im Energiesektor wurden einige Investitionen getätigt, wo die litauische Modus-Gruppe im Bereich Solarstrom tätig ist [2].

Investitionen in Solarstrom sind nicht nur auf Weißrussland beschränkt, sondern werden auch in Polen getätigt, wo die Sun Investment Group 200 Millionen Dollar in den Bau von Solarstromanlagen investiert [3]. Neben dem Solarstrom investieren litauische Unternehmen in den Einzelhandel, und 2017 kaufte das litauische Unternehmen Maxima eine der größten polnischen Einzelhandelsketten Stokrotka. In der Ukraine sind die größten litauischen Investitionen auch im Einzelhandel zu finden [4].

In Lettland konzentrierten sich die Investitionen vor allem auf den Bausektor. Große Unternehmen wie LB Lords Asset Management und Capitalica Asset Management haben 250 Millionen Euro in Bauprojekte in Lettland investiert [5].

Also, was ist Litauen?

Ist Litauen ein ausgebeutetes Land oder ein ausbeuterisches Land? Die Frage ist unmöglich zu beantworten, weil sie falsch formuliert ist. Litauen ist beides, und wenn es beides ist, wird die Charakterisierung als ausgebeutete oder ausbeuterische Nation überflüssig und dient stattdessen dazu, die Klassenwidersprüche innerhalb Litauens zu trüben. So wie in jedem anderen Land, wo die Kapitalistenklasse an der Macht ist.

In jeder kapitalistischen Nation gibt es zwei Hauptklassen: die Kapitalistenklasse und die Arbeiterklasse. Ihre Interessen sind diametral entgegengesetzt. In jedem Land wird die Arbeiterklasse ausgebeutet und in jedem Land beuten die Kapitalisten aus.

Wenn man eine Nation als ausgebeutet und eine andere als Ausbeuter kategorisiert, setzt man den Ausbeuter mit den Ausgebeuteten gleich. Das innere Verhältnis und der Widerspruch zwischen ihnen werden zugunsten eines Widerspruchs zwischen der ausgebeuteten Nation und der ausbeuterischen Nation beiseite geschoben. Das Endergebnis ist, dass der Kapitalist innerhalb der ausgebeuteten Nation genauso ausgebeutet wird wie die Arbeiterklasse.

Die litauischen Arbeiter werden von ausländischen und einheimischen Kapitalisten ausgebeutet und unterdrückt, während die litauischen Kapitalisten die arbeitende Bevölkerung anderer Länder ausbeuten und unterdrücken.

Der Klassenkampf bleibt der größte Widerspruch – in jeder Situation. Aber was hat das mit dem Imperialismus zu tun?

Imperialismus als System

In früheren Diskussionen innerhalb unserer Partei haben wir den systemischen Charakter des Imperialismus festgehalten. Damit meinen wir – vereinfacht gesagt – die Beteiligung jeder kapitalistischen Nation an einem System, das durch eine Reihe von Prozessen und Merkmalen gekennzeichnet ist.

In seinem Buch „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ beschrieb Lenin, wie das kapitalistische System in ein neues Stadium eingetreten war: das imperialistische Stadium. Das bedeutete natürlich, dass alle kapitalistischen Nationen (d.h. die Nationen, wo die Kapitalisten an der Macht waren) jetzt im Rahmen des imperialistischen Systems existierten. Die neue Phase war durch eine Reihe von Prozessen und Merkmalen gekennzeichnet:

  • Die Konzentration von Produktion und Kapital hatte ein hohes Niveau erreicht und die Konzentration setzte sich fort. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte der Zusammenschluss ein solches Niveau erreicht, dass er den freien Wettbewerb als bestimmendes Merkmal des Kapitalismus ersetzt hatte. Der freie Wettbewerb hörte nicht auf zu existieren, aber außerhalb des freien Wettbewerbs hatten sich Monopole gebildet und waren nun definierend für den Kapitalismus geworden.
  • Eine Fusion von Bank- und Industriekapital zu Finanzkapital. Durch die Fusion der Großbanken mit den Großindustrien entstanden riesige Konglomerate, in denen die Banken als zentrale Vermittler fungierten. In einem schwedischen Kontext hat C-H Hermansson die Personalunion der schwedischen Banken mit der Industrie analysiert.
  • Der Kapitalexport wird zu Lasten des Warenexports erhöht. Die Kapitalisten jedes Landes suchen immer nach den profitabelsten Investitionen. Wenn diese nicht mehr im eigenen Land gesucht werden können, suchen die Kapitalisten diese Investitionen im Ausland, wo die Löhne niedriger sind, die Bedingungen für die Arbeiter schlechter sind und wo folglich die Gewinne höher sind. Lenin nannte diese Heimatmärkte übersättigt – sie waren nicht mehr die profitabelsten Märkte und mit Investitionen gesättigt.
  • Die Welt war unter dem Großkapital aufgeteilt worden und wurde immer wieder neu aufgeteilt. Durch die Bildung von Trusts, Syndikaten und Kartellen schließen sich große Monopole zusammen, um dem Wettbewerb mit anderen Monopolen besser zu begegnen. In Schweden gab es eine Reihe bekannter Kartelle, wie z.B. das Straßenkartell, bei dem sich die Baumonopole dem Straßenministerium anschlossen (diese Abteilung existiert nicht mehr), um die Preise für die Asphaltierung künstlich zu erhöhen.
  • Die Welt wurde unter den Großmächten aufgeteilt. Die Großmächte haben die Welt in Interessengebiete aufgeteilt, in denen sie die Märkte kontrollieren. Früher fand das durch Kolonien statt, heute werden andere Methoden angewandt. Da alle Monopole und Unternehmen jederzeit wachsen müssen, zwingt die Teilung der Welt zu einer Neuaufteilung, die wiederum ein erneutes Wachstum der Monopole ermöglicht.

Alle diese Merkmale und Prozesse wurden 1916 von Lenin identifiziert und erscheinen uns heute noch deutlicher. Es ist wichtig festzustellen, dass das, was als Merkmale des kapitalistischen Systems in seiner imperialistischen Phase diskutiert wurde, genau das ist – Merkmale des Systems. Diese Merkmale charakterisieren nicht die einzelnen Länder. Es ist unmöglich, jedes einzelne Land neben diese Merkmale zu stellen, um zu entscheiden, inwieweit sie imperialistisch sind. Dass ein Land eine Produktion hat, die konzentrierter ist als ein anderes, oder dass ein Land einen entwickelteren Kapitalexport hat als ein anderes, macht nicht das eine imperialistischer als das andere.

Lenin hat diese Merkmale und Prozesse, die das gesamte System charakterisieren, identifiziert. Alle kapitalistischen Nationen, die sich früher im Rahmen des freien Wettbewerbs befanden, befanden sich nun im Stadium des imperialistischen Kapitalismus. Natürlich hatte sich von einem Tag auf den anderen nicht viel für die einzelnen Unternehmen oder Monopole geändert, aber der freie Wettbewerb hatte aufgehört, das kapitalistische System zu definieren. Stattdessen war es durch Monopole definiert. Wichtig ist zu beachten, dass jedes dieser Merkmale und Prozesse (d.h. die anhaltende Konzentration des Kapitals, das anhaltende Wachstum des Kapitalexports auf Kosten der Warenexporte und so weiter) in jedem einzelnen kapitalistischen Land aktiv ist.

Heute ist dies genauso wahr wie damals, wie das litauische Beispiel zeigt. Auch dort sind diese Prozesse aktiv. Auch der Markt in Litauen ist überreif und zwingt die litauischen Kapitalisten ins Ausland. Dies ist ein Prozess ohne Ende.

Das bedeutet – um es deutlich zu sagen -, dass jede Kapitalistenklasse in jeder kapitalistischen Nation am imperialistischen System teilnimmt und sich an die Gesetze des Systems hält. Das schließt nicht aus, dass die Kapitalisten einer Nation schwächer sind als die einer anderen. Sie schließt auch nicht aus, dass die Erwerbsbevölkerung einer Nation ärmer ist als die einer anderen. Darüber hinaus schließt sie nicht aus, dass die Konzentration von Kapital und Produktion in einigen Ländern weiter fortgeschritten ist als in anderen, oder dass der Kapitalexport in einigen Teilen der Welt stärker gewachsen ist als in anderen. Der Kapitalismus – also der Imperialismus – entwickelt sich nicht gleichmäßig, sondern ungleichmäßig und zeigt daher zu jeder Zeit Unterschiede.

Das bedeutet auch, dass wir die Welt nicht in imperialistische Nationen und kapitalistische Nationen aufteilen können, sondern dass jede kapitalistische Nation im Rahmen des imperialistischen Systems handelt. Die relative Stärke in der Kapitalistenklasse eines bestimmten Landes ist in diesem Zusammenhang irrelevant – sie entscheidet nicht über den Charakter des Wirtschaftssystems, das innerhalb des Landes existiert, auch wenn sie für die Beurteilung der Stärke verschiedener Staaten relevant ist. Das bedeutet eine Ablehnung der These, dass es kapitalistische Kategorien im Vergleich und im Gegensatz zu imperialistischen Kategorien gibt.

Schlussfolgerungen

Dies ist nur eine kurze Darstellung eines sehr komplexen Problems, das in diesem Artikel bei weitem nicht in seiner Gesamtheit analysiert wird, aber ich denke, dass es dennoch möglich ist, eine Reihe von relevanten Schlussfolgerungen zu ziehen, die uns beim Verständnis des Imperialismus und bei unserer Organisationstätigkeit helfen können.

  • Eine Unterscheidung zwischen kapitalistischen Nationen, die darauf abzielt, sie entweder als ausgebeutet oder ausgebeutet einzuordnen, verdeckt den grundlegenden Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital. Eine Analyse, die sich auf Nationen statt auf die Komponenten konzentriert, aus denen sich die Nation zusammensetzt (d.h. die Klassenzusammensetzung einer bestimmten Nation), wird unweigerlich dazu führen, dass die grundlegende Klassenunterscheidung in jeder Nation verdeckt wird.
  • Es gibt keinen Antiimperialismus, der vom Antikapitalismus getrennt ist. Die Vorstellung, dass man ein Antiimperialist sein kann, während man gleichzeitig eine Unterstützung für den Kapitalismus als Wirtschaftssystem beibehält, ist falsch, da er den Imperialismus vom Kapitalismus trennt und ihn auf einen politischen Ausdruck reduziert. Gegen imperialistische Kriege oder andere Ausdrucksformen des Imperialismus zu sein, ist kein Antiimperialismus.
  • Jede Trennung zwischen imperialistischen Akteuren oder Nationen und kapitalistischen Akteuren oder Nationen bedeutet notwendigerweise die Anwendung der Analyse des Imperialismus auf jede einzelne Nation oder jeden einzelnen Akteur, was der Analyse des Systems entgegensteht. In dem Artikel behaupte ich, dass es keine Trennung zwischen Imperialisten und Kapitalisten geben darf. Eine solche Unterscheidung würde notwendigerweise dazu führen, dass willkürlich eine Art qualitative Grenze gezogen wird, wo ein bestimmter kapitalistischer Übergang zum Imperialismus erfolgt oder wo eine kapitalistische Nation imperialistisch wird. Dies wiederum zwingt uns, eine Reihe von Fragen zu stellen, wie z.B. „Bei welchem Niveau der Konzentration verwandelt sich ein bestimmtes kapitalistisches Land in ein imperialistisches Land“ oder „Zu welchem Zeitpunkt bedeutet die Ausweitung des Kapitalexports auf Kosten des Rohstoffexports eine Transformation von einem kapitalistischen zu einem imperialistischen Land“? Der Punkt ist hier, dass diese Argumentation in eine Sackgasse führt, in der man gezwungen ist, die Eigenschaften des Systems in Kriterien umzuwandeln, die auf jede einzelne kapitalistische Nation angewandt werden. Das ist jedoch nicht möglich und führt zu einer Überlegung auf Grundlage der Logik des geringeren Übels, wo kapitalistische Nationen im Gegensatz zu imperialistischen einen positiveren Anschein haben.
  • Die Demokratie entspricht dem freien Wettbewerb. Die politische Reaktion entspricht dem Monopol.“ Dieses Zitat stammt aus Lenins „Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den ‚imperialistischen Ökonomismus‘“, die 1916 geschrieben wurde. Der Grund, warum ich es hier benutze, ist, dass es einen Punkt veranschaulicht, der oft vergessen wird, der aber unvermeidlich wird, wenn wir den Imperialismus als ein System betrachten. Das System des Imperialismus, d.h. der Kapitalismus in seiner Monopolstellung, erzwingt eine bestimmte Richtung in der Politik, weil es am besten zum Ziel der Monopole passt. Dies ist in jedem Land des imperialistischen Systems der Fall, denn in jedem Land regieren die Monopole. In jedem Land stehen die Monopole und die kapitalistische Klasse im Gegensatz zur arbeitenden Bevölkerung und müssen Schritt für Schritt in eine reaktionäre Richtung gehen, um sie zu unterdrücken. Da die Situation in jedem kapitalistischen Land ähnlich ist, ist die Politik jedes Landes in ihren Grundzügen ähnlich. Die Unterdrückung der Grundrechte der arbeitenden Bevölkerung findet überall auf der Welt statt: von Indien bis Bolivien, von Schweden bis Südafrika.

Das imperialistische System produziert eine bestimmte Art von Politik, die natürlich andere nationale Merkmale annimmt, sich aber qualitativ nicht von den in anderen Ländern präsentierten Politiken unterscheiden kann.

  • Der Imperialismus ist dynamisch. Das ist sehr einfach zu sagen und scheint selbstverständlich zu sein, aber ich möchte es trotzdem berühren und erweitern. Der Imperialismus entwickelt sich ungleichmäßig, was bedeutet, dass einige Teile des Systems stärker entwickelt sein werden als andere, während bestimmte Regionen aufgrund günstiger Umstände einen Wachstumsboom erleben können. Es können Allianzen gebildet werden, die bestimmten Akteuren helfen, und technische Erfindungen können Monopole an die Front bringen. Das macht die Hierarchie im Imperialismus dynamisch – sie verändert sich ständig. Wir dürfen die Opposition der schwächeren Kapitalisten gegen die stärkeren nicht mit Antiimperialismus verwechseln.

Ein weiterer Aspekt der Dynamik des Imperialismus betrifft die Überreife eines Landes, die den Bedarf an Kapitalexport schafft. Dies ist keine absolute Kategorie, da einige Länder mehr überreif sind als andere. Der wichtigste Punkt dabei ist, dass jedes Land in Bezug auf seine eigene Bourgeoisie überreif ist. Für den schwedischen Kapitalismus ist der schwedische Markt überreif, und im Gegensatz zum schwedischen Markt stellt der litauische eine Alternative dar. Für den litauischen Kapitalismus ist der litauische Markt überreif, während der weißrussische oder lettische Markt Alternativen bleiben. Das bedeutet, dass sich in jedem Land die Kapitale vermischen und nebeneinander existieren: Ein Land kann ein Ziel für den Kapitalexport sein und gleichzeitig ein Ausgangspunkt für den Kapitalexport sein.

Ich hoffe, dass ich hiermit einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion über den Imperialismus leisten konnte, der dazu beiträgt, die Diskussion in die richtige Richtung zu lenken. Die Analyse des Imperialismus steht im Mittelpunkt sowohl der Analyse als auch der Praxis des Kommunismus, und die Analyse, die wir durchführen, wird schwerwiegende Folgen für unsere Praxis haben. Daher ist es wichtig, dass eine kritische Diskussion mit dem Ziel stattfinden kann, eine tiefere Analyse des Imperialismus zu formulieren.


One of the most important question that we stand before is the question of imperialism and the correct characterization of capitalism in its imperialist stage. In the Communist Party of Sweden (SKP), we have for some time discussed this issue, and we reach ever more solid conclusions. In this article, I will try to present my view of it, in the hope of furthering not only the debate in Sweden, but the international debate within the communist movement.

I will start by one very concrete example, and from this try to draw some basic conclusions, some of which run contrary to the way the communist movement has traditionally viewed imperialism and imperialist policies. Of course, I run the risk of being in the wrong, but if I am, my hope is that I have helped pose questions that need answering, and in forcing these questions to be answered, have furthered the debate!

Lithuanian imperialism

Lithuania is a poor country. The average salary is around €800 a month (it is important to remember that this means that half of the workers in the country have a salary that is lower than this!). This means that if you live relatively central in a Lithuanian city, you have to spend almost all of your salary on your rent, if you are living in a three-room apartment. Outside the central parts of the cities, you only have to spend half your salary on an equalent apartment. After paying your rent, your salary must also pay for your other expidentures, such as food, public transportation, clothes and so on.

The fact that wages are low in Lithuania attracts foreign investments. A lot of these investments come from Sweden. Swedish capitalists accounted for almost one fifth of all foreign investments in 2016. The two economic free zones of Lithuania, located in Klaipeda and Kaunas probably attract a lot of these investments. Swedish companies, such as Tele2, Telia Sonera, ABB, IKEA, Swedbank and SEB all have large investments in the country. Lithuania is, despite its size, the fourth biggest supplier of furniture to IKEA, which means that more of IKEA’s furniture is produced in Lithuania than in Sweden. It is apparent that low (we shouldn’t really be talking about low wages, but rather lower wages) wages and bad working conditions attract investments.

The picture that emerges is of a nation exploited by the big imperialists. The people and the workers are pressured because the need for capitalist profit. However, this picture is flawed. There is a duality in every capitalst nation, which I hope to be able to show with my Lithuanian example.

The foreign direct investments of Lithuania

Despite the fact that the investments from richer countries increase, this does not seem to stop the Lithuanian capitalists from making their own investments. Lets take a look on Lithuania’s neighbors.

In Belarus, the Lithuanian capitalists are the third biggest investors, behind Russia and Cyprus (the Cypriot investments are probably indirectly Russian, since a number of oligarchs use the country to avoid taxes in Russia). Lithuanian capital can be found in more than 500 Belarusian companies and ”[e]very second rich Lithuanian has business in Belarus” to quote a Lithuanian parliamentarian. The investments made from Lithuanian to Belarus every year amount to around 80 million dollars. [1] The investments made from Lithuania has primarily been directed to the retail business, where above all the company Sosedi has grown large. The energy sector has also seen some investments, where the Lithuanian Modus Group is active in solar power. [2]

Investments in solar power are not limited to Belarus but are also made in Poland, where the Sun Investment Group are investing 200 million dollars to construct solar power parks [3]. Apart from solar power, Lithuanian companies are investing in retailing, and in 2017, the Lithuanian company Maxima bought one of the biggest Polish retail chains Stokrotka. In Ukraine, the biggest Lithuanian investments are also found in retailing.[4]

In Latvia, the investments have primarily been directed towards the construction sector. Big companies, such as LB Lords Asset Management and Capitalica Asset Management have invested 250 million Euro in construction projects in Latvia.[5]

So, what is Lithuania?

Is Lithuania an exploited country or an exploiting country? The question is impossible to answer, because it is falsely formulated. Lithuania is both, and if it is both, the characterization as an exploited or exploiting nation becomes superflous and instead, serves to cloud the class contradictions within Lithuania. Just as every other country with a capitalist class in power.

In every capitalist nation two main classes exist: the capitalist class and the working class. Their interests are diametrically opposed. In every country the working class is exploited and in every land the capitalists exploit.

When one categorizes a nation as exploited and another as an exploiter, one equates the exploiter with the exploited. The internal relationship and contradiction between them are set aside in favor of a contradiction between the exploited nation and the exploiting nation. The end result is that the capitalist within the exploited nation become just as exploited as the working class.

The Lithuanian workers are exploited and repressed by both foreign and native capitalists, while the Lithuanian capitalists exploit and repress the working population of other countries.

Class struggle remains the main contradiction – in every situation. But what does this have to do with imperialism?

Imperialism as a system

In earlier discussions within our party, we have maintained the systemic character of imperialism. With this we mean – simply put – the participation of every capitalist nation in a system characterized by a number of processes and features.

In his book Imperialism as the highest stage of capitalism Lenin described how the capitalist system had entered a new stage: the imperialist stage. Of course, this meant that all capitalist nations (that is, the nations with capitalists in power) now existed within the framework of the imperialist system. The new stage was characterized by a number of processes and characteristics:

  • The concentration of production and capital had reached a high level and concentration continued. At a certain point, the concentration had reached such a level that it had replaced free competition as a defining feature of capitalism. Free compeition did not cease to exist, but outside of the free competition, monopolies had formed and had now become defining of capitalism.
  • A merger of banking and industrial capital into finance capital. Through a merger of the big banks with the big industries, enormous conglomerates were created where the banks acted as central facilitators. In a Swedish context, C-H Hermansson has analyzed the personal union of the Swedish banks with industry.
  • Capital export increases at the expense of commodity export. The capitalists of every country always seek the most profitable investments. When these no longer are to seek within the own country, capitalists seek these investments abroad, where wages are lower, conditions for the workers are worse and where, consequently, profits are bigger. Lenin called these domestic markets oversaturated – they were no longer the most profitable markets and had been saturated with investments.
  • The world had been divided and kept being divided between big capital. Through the forming of trusts, syndicates and cartels big monopolies join together so as to more effectively meet competition from other monopolies. In Sweden there have been a number of famous cartels, such as the Road Cartel, where the construction monopolies joined the Department for Roads (this department no longer exists) to artificially raise prices for asfalting work.
  • The world has been divided by the big powers. The big powers have divided the world into spheres of interest where they control markets. Previously done through colonies, other methods are now used. Because all monopolies and companies must grow at all times, the division of the world forces a redivision, which in turn allows monopolies to grow once again.

All of these features and processes were identified by Lenin in 1916 and they emerge even more clear to us today. It is important to note that what has been discussed as features of the capitalist system in its imperialist stage is just that – features of the system. These features do not characterize individual countries. It is impossible to place every single country next to these features to decide to what extent they are imperialist. That one country might have a production that is more concentrated than another, or that one country has a more developed capital export than another, does not make the more imperialist than the other.

What Lenin did was to identify these features and processes that characterized the entire system. All the capitalist nations that previously found themselves within the framework of free competition now found themselves in imperialist capitalism. Of course, from one day to the next, not much had changed for the individual companies or monopolies, but free competition had ceased to be defining for the capitalist system. Instead, it had come to be defined by monopolies. What is important to note is that each of these features and processes (ie the continuing concentration of capital, the continuing growth of capital export at the expense of commodity exports and so on) are active in every single capitalist country.

Today, this is as true as it was then, which the Lithuanian example shows. Also there, these processes are active. The market in Lithuania is also overripe, forcing Lithuanian capitalists abroad. This is a process without end.

This means – to speak clearly – that every capitalist class in every capitalist nation participates in the imperialist system, abiding to the laws of the system. This does not exclude the fact that the capitalists of one nation are weaker than those of another. It also does not exclude the fact that the working population of one nation is poorer than those of another. Additionally, it does not exclude the fact that the concentration of capital and production is more advanced in some countries than in others, or that capital export has grown more in some parts of the world than others. Capitalism – that is, imperialism – does not develop evenly, but unevenly and therefore, displayes differences at all times.

This also means that we cannot divide the world into imperialist nations and capitalist nations, but that each capitalist nation acts within the framework of the imperialist system. The relative strength in the capitalist class of a given country is in this context irrelevant – it does not decide the character of the economic system that exists within the country, even if it is relevant in judging the strength of different states. This means a rejection of the thesis that there are capitalist categories in relation and in opposition to imperialist categories.

Conclusions

This is only a short presentation of a very complex problem, which is far from analyzed in its entirety in this article, but I think that it is nonetheless possible to draw a number of relevant conclusions that can help us in understanding imperialism and in our organizing work.

  • A distinction between capitalist nations that aims at categorizing them as either exploited or exploiting cover the basic contradiction between labor and capital. An analysis that focuses on nations instead of the components that make up the nation (ie, the class composition of a given nation) will inevitably lead to the basic class distinction in every nation being covered up.
  • There is no anti-imperialism that is separate from anti-capitalism. The idea that one can be an anti-imperialist, while at the same time retaining a support for capitalism as an economic system is false, as it separates imperialism from capitalism, reducing it to a political expression. To be opposed to imperialist wars or other expressions of imperialism is not anti-imperialism.
  • Any separation between imperialist actors or nations and capitalist actors or nations necessarily means the application of the analysis of imperialism on every given nation or actor, negating the analysis of the system. In the article, I maintain that there is no separation to be made between imperialists and capitalists. Such a distinction would necessarily lead to some sort of qualitative boundary being arbitrarily set up, where a given capitalist transitions into being an imperialist, or where a capitalist nation transitions into being imperialist. In turn, this forces us to ask a number of questions, such as ”At what level of concentration does a given capitalist country transform into an imperialist country?” or ”At what point does the expansion of capital export at the expense of commodity export entail a transformation from a capitalist country to an imperialist one?”

    The point being made here is that this reasoning leads into a dead-end, where one is forced into converting the characteristics of the system into criteria applied to each capitalist nation. This application is not possible and leads into a reasoning based on the logic of the lesser evil where capitalist nations, as opposed to imperialist ones, retain a more positive aura.
  • Democracy corresponds to free competition. Political reaction corresponds to monopoly.” This quote is from Lenin’s A Caricature of Marxism and Imperialist Economism, which was written in 1916. The reason I use it here is because it illustrates a point often forgotten, but which becomes inevitable when we view imperialism as a system. The system of imperialism, that is, capitalism in its monopoly-stage, forces a certain direction in politics, because it best suits the aim of the monopolies. This is the case in every country within the imperialist system, because in every country the monopolies reign. In every country, the monopolies and the capitalist class stand in opposition to the working population and must take step after step in a reactionary direction to suppress them. Because the situation is similar in every capitalist country, the policies of each country are similar in its basic features. The repression of the basic rights of the working population is occuring all over the world: from India to Bolivia; from Sweden to South Africa.

    The imperialist system produces a certian kind of policy, which of course assume different national characteristics but cannot be qualitatively different from the policies presented in other countries.
  • Imperialism is dynamic. This is very easy to say and seems self-evident, but I still want to touch upon it and expand upon it. Imperialism develops unevenly, meaning that some parts of the system will be more developed than others, while certain regions can experience a boom in growth due to favorable circumstances. Alliances can be formed that help certain actors and technical inventions can propel monopolies to the front. This makes the hierarchy within imperialism dynamic – it is ever-changing. We must not confuse the opposition of weaker capitalists to stronger ones for anti-imperialism.

    Another aspect of the dynamism of imperialism concerns the overripeness of a country, which creates the need for capital export. This is not an absolute category, insofar as some countries are more overripe than others. The main point here is that every country is overripe in relation to its own bourgeoisie. For Swedish capitalism, the Swedish market is overripe, and in contrast to the Swedish market, the Lithuanian one represents an alternative. For Lithuanian capitalism, the Lithuanian market is overripe, whereas the Belarusian or Latvian markets remain alternatives. This means that in every counry, capitals intersperse and exist alongside each other: a country can be a destination for capital export, while at the same time being a point of departure for capital export.

With this, I hope that I have been able to form a constructive contribution to the discussion of imperialism that helps to propel the discussion in the right direction. The analysis of imperialism stands at the center of both the analysis and the practice of communism, and the analysis that we make will have serious consequences for our practice. Therefore, it is vital that a critical discussion with the purpose of formulating a deeper analysis of imperialism can take place.


[1] https://belarusdigest.com/story/investing-in-belarus-a-story-of-lithuanian-businessmen

[2] https://belarusfeed.com/belarus-retail-top-foreign-investors/

[3] https://www.thefirstnews.com/article/here-comes-the-sun-lithuania-pours-millions-into-polish-solar-energy-991

[4] https://lithuania.mfa.gov.ua/en/ukraine-it/trade/trade-and-investment

[5] http://newsecbaltics.com/lithuanian-real-estate-investors-making-dent-real-estate-market/

Die Debatte der kommunistischen und Arbeiterparteien zur Rolle und Bedeutung der Komintern

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Der 100. Jahrestag der Gründung der Komintern und das 21. IMCWP im Oktober 2019

Im vergangenen Jahr fanden eine Vielzahl internationaler Veranstaltungen und Konferenzen zum 100. Jubiläum der Gründung der III. Internationalen, der Kommunistischen Internationale, kurz KOMINTERN, statt. Höhepunkt und einen gewissen Abschluss der Jubilar-Feiern bildete das vom 18. bis 20. Oktober in Izmir, Türkei, statt gefundene Internationale Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien (IMCWP). Unter dem Motto: 100th Anniversary of the founding of the Communist International. The fight for peace and socialism continues! (100. Jahrestag der Kommunistischen Internationale – der Kampf um Frieden und Sozialismus geht weiter!) nahmen 74 Parteien aus 58 Ländern teil – unter ihnen eine Reihe Parteien, welche sich in der Plattform der Europäischen Kommunistischen Initiative (EKI) sammeln. Wir möchten in diesem Beitrag auf einige Referate, die in Izmir gehalten wurden, eingehen und einige vorstellen, da wir es für wichtig halten, dass sich die deutschen KommunistInnen mit der internationalen Debatte vertraut machen und die in anderen Ländern gemachten Erfahrungen und Analysen kennenlernen, um sie berücksichtigen zu können.

Wir unterstellen, dass die ideologischen und politischen Unterschiede zwischen den Kommunistischen und Arbeiterparteien, welche sich im Solidnet international verbunden haben, allgemein bekannt sind. Dabei handelt es sich um Unterschiede der Bewertung der Vergangenheit der internationalen Kommunistischen Bewegung, der Bewertung des Sozialismus des XX. Jahrhunderts als auch Unterschiede in der Analyse des gegenwärtigen Imperialismus, und politisch daraus folgernd in der Strategie der Kommunistischen und Arbeiterparteien zur Erreichung des Sozialismus/Kommunismus und die Bewertung politisch-ökonomischen Veränderungen wie sie bspw. in der VR China umgesetzt werden. Es handelt sich um Unterschiede, die in einigen Fällen zu Widersprüchen werden, wie es der Generalsekretär der TKP, Kemal Okuyan, auf Fragen der Zeitschrift SOL zur Auswertung des Treffens in Izmir, betonte. [1]

Das IMCWP dient dem Austausch von Erfahrungen und der ideologischen Debatte zwischen den Parteien, um zentrale Fragen der Bewegung zu klären und spielt eine zentrale Rolle im Vorantreiben der internationalen Organisation der kommunistischen Parteien, wie wir bereits im Beitrag zum 20. Internationalen Treffen festhielten [2]. Letzteres, das Vorantreiben der internationalen Organisation, stand mit im Mittelpunkt einiger Referate und Überlegungen der KonferenzteilnehmerInnen und gipfelte in der Forderung einen Arbeitsausschuss zu gründen, der Schritte darlegt, damit auf dem nächsten Internationalen Treffen mit der Gründung einer neuen Internationalen begonnen werden kann.

1 Zur Behandlung des Themas „100 Jahre Komintern“

Auf das Thema der Tagung „100 Jahre Komintern“ gingen bei weitem nicht alle Parteien in Ihren Referaten ein. Zu der Bedeutung der Komintern auf die Entwicklung der Arbeiterbewegung in ihren jeweiligen Ländern und einer kritischen Reflektion der Erfahrungen für heute, wurde fast ausschließlich von den Parteien, die Mitglied in der Europäischen Kommunistischen Initiative (EKI) sind, eingegangen. Die meisten anderen Parteien beschränkten sich auf eine formale Anerkennung der Rolle der Komintern oder gingen gar nicht in ihren Referaten auf die Thematik ein, wie bspw. die DKP, die Partei der Arbeit Belgiens (PVdA/PTB) oder die KP Venezuelas. Ein weiterer Teil betonte die Volksfrontpolitik, mit der die Strategieentwicklung auf dem 7. Weltkongress zum positiven Abschluss gekommen sei (KP Luxemburg) und damit sektiererische Positionen überwunden wurden (KP Indien).

Wie eingangs erwähnt, fanden schon vor dem 21. IMCWP Tagungen zur Thematik statt. So veranstalteten die EKI und einige andere kommunistische Parteien Konferenzen zum 100. Jahrestag der Gründung der Komintern. Die EKI traf sich im Februar 2019 zu einer Tagung in Istanbul zum Thema „Kampf für den Kommunismus: 100 Jahre politisches Erbe“ ausgerichtet durch die TKP. Dort legten sie den Stand ihrer Analysen dar und gingen auf die Bedeutung der Komintern für ihre Parteientwicklung, den gemachten Erfahrungen in den Klassenkämpfen ihrer Länder während und nach der Auflösung der Komintern sowie auf die Strategieentwicklung und der Entwicklung und Einfluss von Opportunismus und Revisionismus in ihren Parteien ein [3]. Im Juni trafen sich zum selben Thema einige kommunistische Parteien auf Einladung der RCWP und der KPdSU (ein Parteienzusammenschluss von Parteien aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, die den Namen Kommunistische Partei der Sowjetunion weiterführt) in Moskau und verabschiedeten ein gemeinsames Kommuniqué, indem sie ihre Erkenntnisse in Bezug auf Rolle und Bedeutung der Komintern, die gegenwärtigen Probleme der Internationalen Kommunistischen Bewegung (IKB) und ihr gemeinsames Vorgehen zur Überwindung letzterer festhielten [4]. Die Parteien des EKI referierten in Izmir ihre Debatten und gaben ihre gemeinsamen Ergebnisse an die Delegierten des IMCWP weiter. So legte die Kommunistische Partei Schwedens ein stark gekürztes Referat, ihrer Ausführungen vom Februar in Istanbul vor, indem sie die negative Auswirkungen auf die ideologische und damit auch organisatorische Parteientwicklung durch die Volksfrontstrategie während und ihrer weiteren Tradierung nach dem II. Weltkrieg beschrieb:

Das Streben nach Einheit mit der Sozialdemokratie zwang die Kommunisten, ihre Analyse der Sozialdemokratie anzupassen. Es war unmöglich, die Sozialdemokratie zu kritisieren und sie als das zu entlarven, was sie ist, und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit ihnen zu suchen. Diese zeitliche Entwicklung war nicht nur deshalb entscheidend, weil sie die Beziehungen der Kommunisten zur Sozialdemokratie angepasst hat, sondern auch, weil es eine Verschiebung der Widersprüche gab, die uns bis heute betrifft: Die Kommunisten haben den grundlegenden Widerspruch im Kapitalismus als den zwischen Arbeit und Kapital richtig identifiziert. Es ist der grundlegende Widerspruch und existiert objektiv innerhalb der wirtschaftlichen Basis des Kapitalismus. Er kann daher wissenschaftlich analysiert werden. In diesem Sinne haben sich auch die Kommunisten und die Arbeiterbewegung organisiert. Dies änderte sich im Laufe der 30er Jahre. Als der Fokus auf den Kampf gegen den Faschismus gerichtet war, wurde der Hauptkonflikt des Kapitalismus in den Hintergrund gestellt. Anstelle des Widerspruchs Kapital-Arbeit wurde der Widerspruch zwischen Faschismus und kapitalistischer Demokratie in den Vordergrund gerückt. Um diesen Widerspruch herum war es möglich, auch Sozialdemokraten und kapitalistische Elemente einzubeziehen, was in Schweden versucht wurde. Dies ist eine sehr deutliche Schwerpunktverschiebung, denn der Widerspruch, um den sich die Kommunisten jetzt organisieren, befindet sich im Oberbau. Sowohl der Faschismus als auch die kapitalistische Demokratie sind politische Ausdrucksformen der wirtschaftlichen Basis des Kapitalismus. Sie können nicht auf dieselbe Weise analysiert werden und sie sind keineswegs von einer revolutionären Perspektive geprägt – sie erlauben nur Entscheidungen im Rahmen des Kapitalismus.Nachdem der Faschismus besiegt war, erfuhr dieser Widerspruch eine weitere Entwicklung. Im Laufe dieser Zeit sahen die schwedischen Kommunisten nun ihren Hauptgegner in der Reaktion. Dies ermöglichte es der Partei, ihre Analyse und ihr Streben nach der Einheits- und Volksfront fortzusetzen. Solche Widersprüche plagen die Arbeiterbewegung bis heute. Kommunisten richten die Kritik gegen den Neoliberalismus, nur um auf der anderen Seite einen stärker regulierten Kapitalismus, den Keynesianismus, zu indizieren. Kommunisten richten die Kritik an den rechtsgerichteten Politiken, nur um dann am anderen Ende die kapitalistischen linksgerichteten Politiken zu präsentieren. Letztendlich entsprechen alle diese Kategorien den Bedürfnissen des Kapitalismus in der einen oder anderen Phase seiner Entwicklung. Das bedeutet, dass die Gegensätze, an denen sich viele Kommunisten orientieren, es ihnen nicht erlauben, den Rahmen des Kapitalismus zu durchbrechen, denn was sie anstreben, sind kapitalistische Alternativen.“ [5]

Die Kommunistische Partei der Arbeiter Spaniens (PCTE) ging vor allem in ihrem Ausführungen zur Komintern als unersetzliches Leitzentrum und die Bolschewisierung als Bedingungen ihres Einflusses im spanischen Bürgerkrieg ein [6] und konzentrierte sich dann auf die historische und für heute weiterhin notwendige Spaltung von der Sozialdemokratie:

Das Erbe der kommunistischen Internationale hat in der heutigen Zeit, in der sich die interimperialistischen Widersprüche verdichten und die Gefahr eines allgemeinen Krieges immer größer wird, eine große Bedeutung gewonnen, während gleichzeitig die Bedeutung der Trennung von der Sozialdemokratie – wieder einmal – als eine notwendige Aufgabe erwiesen wird. […] Die Instabilität und Stärkung des kommenden Klassenkampfes wird auch dadurch gekennzeichnet sein, dass die neue Sozialdemokratie, die in Spanien ihre gesamte Strategie auf den Regierungseintritt nach den gescheiterten Wahlen im April ausgerichtet hat, trotz ihrer Versprechungen nur den Willen hatte, den Kapitalismus zu managen und zu versuchen, die Herrschaft der Kapitalisten im Bündnis mit der alten Sozialdemokratie der PSOE zu garantieren. […] Die Geschichte hat immer wieder bestätigt, dass es nicht möglich ist, den Kapitalismus zum Wohle des Volkes zu verwalten, dass es für die Arbeiterklasse im Kapitalismus keinen Ausweg gibt. Deshalb muss die Arbeiterklasse aufhören, an demokratisch-bürgerliche Illusionen zu glauben. Es wird keine Verbesserungen geben ohne einen harten Kampf der Arbeiter und Völker. Die Wege, die die Sozialdemokratie uns zeigt, sind ein Sackgasse. Eine neue Krise wird ausbrechen und die Bourgeoisie und ihr Staat werden reagieren, indem sie die Ausbeutung verstärken und gleichzeitig die Repression gegen die Arbeiter- und Volksbewegung verstärken. Um dieser Situation zu begegnen, muss die Arbeiterklasse ihre ideologische, politische und organisatorische Unabhängigkeit erlangen.“ [7]

Die KP Mexikos (PCM) ging auf vermeintlich „ewige Wahrheiten“ ein, die durch Verfälschung der Geschichte und der Notwendigkeit sich diese neu zu erarbeiten, ein. Sie plädierte für eine Aneignung der eigenen Geschichte durch eine gründliche und radikale Analyse:

Die Tätigkeit der Dritten Internationale ist eine unerschöpfliche Quelle der Lehren für die Bewegung der zeitgenössischen Arbeiter und Kommunisten, und ihr Studium ist eine unverzichtbare Aufgabe für jede kommunistische Partei. In unserem Fall sind wir seit einigen Jahren mit der systematischen Studie beschäftigt, die uns Schlussfolgerungen liefert, die einige historische Versionen in Frage stellen, die nach 1956 zirkulierten.Erstens: Was das Funktionsprinzip betrifft, so hat der Revisionismus innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung etwas sehr Negatives in Bezug auf die antikommunistische Geschichtsschreibung, und das wurde vom Revisionismus wiederholt, nämlich dass die Dritte Internationale die Entscheidungen in einem Zentrum getroffen hat, das weit von der Realität ihrer Sektionen entfernt zu sein scheint. In der Tat wird bestritten, dass die Kongresse, das Exekutivkomitee, das Kleinkomitee, die Kommissionen nach Sektionen und in den eigenen Sektionen offen und demokratisch diskutiert wurden, basierend auf der marxistisch-leninistischen Methodik der konkreten Analyse der konkreten Realität unter Berücksichtigung der Interessen des Proletariats, der unterdrückten Völker, des sozialistischen Aufbaus, der Loyalität zu den Klassenkriterien und zum proletarischen Internationalismus. Es gibt viele Beweise für die Tiefe der Diskussionen, für die Ernsthaftigkeit und Verantwortung sowie für die Schlussfolgerungen und Entschließungen. Eine solche Verleumdung ist also unerträglich.Zweitens: Es ist eine Ungenauigkeit und eine Verformung, alles vor dem VII. Kongress von 1935 als sektiererisch, massenisoliert und dogmatisch darzustellen. In den konkreten Erfahrungen der mexikanischen Sektion der Kommunistischen Internationale in den Perioden vom V. und VI. Kongress bis 1935 wurde die PCM in eine starke Partei verwandelt, die es unter Geheimhaltung sogar schaffte, die Arbeiter- und Bauernbewegung zu führen, die dann mit großem Einfluss auf die proletarischen Massen ins öffentliche Leben trat, mit einer Zeitung mit Zehntausenden von Lesern – dem historischen El Machete -; Im Gegenteil, die Linie der Volksfront verursachte große Probleme, unabhängig davon, dass sie sehr gut zu den Aufgaben gegen den Faschismus beigetragen hat […]“ [8]

Die KP Norwegen (NKP) referierte aus der gemeinsam gemachten Einschätzungen aus Moskau und betonte Ähnlichkeiten und Unterschiede der Situation heute mit der Situation zur Zeit der Gründung der Komintern:

Die NKP unterstützt die Abschlusserklärung der internationalen Konferenz in Moskau am 1. und 2. Juni 2019 ‚100 Jahre Kommunistische Internationale und Aufgaben der Kommunistischen Bewegung heute‘. Wir betrachten die Rolle der III. Kommunistischen Internationale unter der Führung von Lenin als positiv und schätzen ihren Beitrag zur Sache der Entwicklung und Stärkung der weltweiten kommunistischen und Arbeiterbewegung.Es gibt Ähnlichkeiten zwischen der revolutionären Bewegung zu Beginn des XX. Jahrhunderts und heute. Erstens der Zusammenbruch der Zweiten Internationale, eine starke Welle des Opportunismus, mit der die kommunistische und linke Bewegung umgarnt wird. […] Heute ist der Opportunismus und Revisionismus eine gut geführte und organisierte Waffe der Bourgeoisie. Die Europäische Linkspartei gilt als der oberste Verfechter, ein ideologisches und organisatorisches Zentrum der Revisionisten, das von EU-Geldern lebt und entsprechend funktioniert, die sich für die Stärkung des EU-Imperialismus einsetzen.“ [9]

Auch Kemal Okuyan ging in seiner Eröffnungsrede für die TKP auf Gleiches und Verschiedenes in der Situation heute mit der zum Zeitpunkt der Gründung der Komintern ein und beleuchtet dabei einen anderen Punkt:

Es ist von entscheidender Bedeutung, das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen zu bestimmen und sich von einer administrativen politischen Linie fernzuhalten. Revolutionen passieren nicht nur durch die Entscheidungen, die wir treffen. Unsere Aufgabe ist es nicht, eine Revolution zu machen, sondern die Revolution zu leiten, denn eine Revolution ist nicht etwas, das man machen kann. Es ist aber auch wahr, dass es einen dialektischen Zusammenhang zwischen den Krisen des Kapitalismus und der Zunahme revolutionärer Möglichkeiten und sogar der Zunahme der Revolution gibt. In diesem Sinne ist es sehr irreführend, das Kräfteverhältnis gerade in Krisenzeiten statisch zu bewerten.1919 waren die kommunistischen Parteien extrem schwach, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Wenn wir heute die Welt betrachten, beklagen wir uns verständlicherweise über die Schwäche der kommunistischen Bewegung, aber 1919, als die Kommunistische Internationale gegründet wurde, hatte sie auch keine größere Macht.Worin bestand also der Unterschied?

[1.] Zuerst kommt einem die Mobilität und Organisation der werktätigen Massen in den Sinn. Auch wenn die Arbeiterklasse unter dem Dach sozialdemokratischer Parteien stand, war sie weitgehend im politischen Kampf engagiert, in einigen Ländern hatten die Gewerkschaften ernsthafte Potenziale.

[2.] Ein weiteres Phänomen, das als Unterschied erwähnt werden kann, ist die Reaktion auf die Zerstörung und Armut, die durch den imperialistischen Krieg hervorgerufen wurden, und die Tatsache, dass der Krieg die tiefe Wirtschaftskrise nicht beendet und sogar neue Dimensionen hinzugefügt hatte.

Niemand kann jedoch behaupten, dass das internationale Kapital heute stärker oder dauerhafter ist als vor 100 Jahren. […]

[3.] […] war für große Massen von Menschen, Hunderte von Millionen von Menschen, Sozialismus oder eine egalitäre Ordnung eine greifbare, aktuelle Forderung. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war jeder Kampf der Arbeiterklasse von dem Wunsch geprägt, den Kapitalismus zu stürzen, wenn auch primitiv. Ich spreche hier nicht von politischen Strategien und Programmen. Der Wunsch, die Ordnung zu ändern, war eine soziale Realität. Dieser Wunsch entstand nicht mit der Oktoberrevolution von 1917. Die Oktoberrevolution brachte diesem Wunsch ein neues Gefühl von Energie und Realität und verbreitete ihn in einer größeren Geografie. […]

[4.] [Einer] der wichtigsten Unterschiede gegenüber vor 100 Jahren [besteht] darin […], dass die Idee, dass der Kapitalismus zerstört werden kann und dass eine egalitäre Ordnung geschaffen werden kann, weitgehend außerhalb des Geistes der Menschheit liegt.

[Schlussfolgernd] Dies lässt sich nicht allein durch objektive Bedingungen erklären. Diese Idee am Leben zu erhalten und in den Köpfen und Herzen großer Massen von Menschen, ausgehend von der Arbeiterklasse, zu konkretisieren, ist die Hauptaufgabe der Kommunisten. Mit dem Hinweis auf das Kräfteverhältnis kann diese Idee nicht vernachlässigt werden. Im Gegenteil, es ist die Verbreitung dieser Idee, die das Kräftegleichgewicht verändern wird.“ [10]

Auf die vom II. Weltkongress im Juli/August 1920 beschlossenen Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale (21 Bedingungen) ging die Russische Kommunistische Arbeiterpartei ein. Neben ihr, für die Parteien des EKI, betonte die Workers Party of Ireland die 21 Bedingungen. Außerhalb dieser beiden Organisationsplattformen bezogen sich positiv noch die KP Australien, die KP Kanadas und die Partei der Kommunisten Serbiens auf die 21 Bedingungen. Die Russische Kommunistische Arbeiterpartei legte dar:

Unter den gegenwärtigen Bedingungen halten wir es für nützlich und unerlässlich, an ein derartiges Basisinstrument der Komintern zu erinnern, wie es die 21 Bedingungen für die Zulassung zur Komintern sind. Das war ein entschlossener Schritt, der auf eine unwiderrufliche Abgrenzung zu den Opportunisten abzielte. Diese Bedingungen wurden als eine Art Charta verwendet, deren Ziel nicht nur darin bestand, die Zusammensetzung der Internationalen zu bestimmen, sondern sie dienten vielmehr als Referenz für diejenigen Parteien, die danach strebten, das Niveau der Parteien zu erreichen, die die revolutionärsten, die wissenschaftlichsten, die am besten auf revolutionäre Kämpfe vorbereitet waren. Dieses Dokument war und ist das Leuchtfeuer für die gesamte kommunistische Bewegung. Moderne Kommunisten sollten diese Bedingungen untersuchen und versuchen, ihre Aktivitäten an ihren Kriterien auszurichten. Dies ist eine der wichtigsten Lektionen für moderne Kommunisten.Die Komintern wurde gegründet, mit dem Ziel, wirkliche kommunistische, revolutionäre Kräfte innerhalb verkommener opportunistischer sozialdemokratischer Parteien zu trennen, um auf ihrer Basis kommunistische Parteien zu gründen, die sich dem wissenschaftlichen revolutionären Marxismus anschließen. Die Komintern wurde als ein einheitliches ideologisches und organisatorisches Zentrum für die Entwicklung solcher Parteien geschaffen. Diese Aufgabe wurde hervorragend erfüllt.“ [11]

Abschließend und Zusammenfassend zur Bewertung der Komintern sei noch auf das Referat der Kommunistischen Partei (Italien) verwiesen. Die KP (Italien) hatte ebenfalls das Moskauer Kommuniqué unterzeichnet und ist gleichzeitig Mitglied der EKI. Die KP (Italien) führt darin aus:

Anlässlich der Feierlichkeiten im Rahmen des dritten Internationalen Jubiläums nahm unsere Partei an der Sitzung der Europäischen Kommunistischen Initiative in Istanbul und an der wissenschaftlichen und politischen Konferenz teil, die von der Russischen Kommunistischen Arbeiterpartei und der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in Moskau organisiert wurde. Im März dieses Jahres haben wir in Rom ein internationalistisches Treffen zum Jahrestag der Gründung der Komintern unter Beteiligung brüderlicher Parteien und diplomatischer Vertreter der sozialistischen Länder organisiert. Alle diese Veranstaltungen fanden nicht in einem nostalgischen Geist statt, sondern mit der Absicht, die reiche Erfahrung der Komintern für die Entwicklung von Klassenkampf und proletarischem Internationalismus unter den gegenwärtigen Bedingungen zu studieren.Der grundlegende Ausgangspunkt der Kommunistischen Internationale war der endgültige Bruch mit Opportunismus und Reformismus der Zweiten Internationale und die Entscheidung für den revolutionären Weg zum Sozialismus. Der Kampf gegen Opportunismus und Reformismus ist auch heute noch sehr wichtig, da diese beiden Aspekte in der internationalen kommunistischen Bewegung weit verbreitet sind. Sie basieren hauptsächlich auf einem unwissenschaftlichen, klassenlosen Verständnis des Staates und der Kategorie des Imperialismus. Einige Parteien, die formal dem Solidnet angehören und parallel zu opportunistischen Organisationen wie der Partei der Europäischen Linken stehen, haben längst den Begriff der proletarischen Diktatur aus ihrem Programm gestrichen und sprechen wie die Parteien der Zweiten Internationale abstrakt von ‚Demokratie‘ und ‚Staat‘ und vergessen, dass es sich um die ‚bürgerliche Demokratie‘ und den ‚bürgerlichen Staat‘ handelt. Diese falsche ideologische Aussage führt zu einer politischen Praxis, die der Arbeiterklasse schadet. Wie Lenin warnte, ist der demokratischste Staat immer noch ein Mittel, um das Proletariat durch eine Handvoll Ausbeuter zu unterdrücken. Mit Lenins Worten: In den Momenten der Verschärfung des Klassenkampfes ‚gibt es nichts anderes als die Diktatur der Bourgeoisie oder die Diktatur des Proletariats.‘ Der Traum vom anderen, vom dritten Weg ist nur ein reaktionärer Schrei der Kleinbourgeoisie. Es ist wichtig, dies zu betonen, gerade weil ein solches klassenloses Staatsverständnis zusammen mit einem Missverständnis der Kategorie des Imperialismus die sozialdemokratischen Parteien der Zweiten Internationale dazu veranlasste, ihre eigene Bourgeoisie während des Ersten Weltkriegs zu unterstützen, und heute einige kommunistische Parteien dazu veranlasst, ihre eigenen kapitalistischen Monopole in ihrem Wettbewerb mit den Monopolen anderer Länder zu unterstützen und so die Einheit des Proletariats als Weltklasse und die Gemeinschaft ihrer Interessen zu untergraben. Dies gilt auch für die allgemeine Frage, inwieweit und zu welchem Zweck Kommunisten das Recht haben, an den Institutionen der bürgerlichen Demokratie teilzunehmen. Natürlich sollten Kommunisten, wann und wo immer möglich, in gewählten Gremien teilnehmen und in ihnen arbeiten, aber gegen sie als ‚Saboteure im Lager des Feindes‘, aber das bedeutet nicht, in das Sumpfgebiet des ‚parlamentarischen Kretinismus‘ zu fallen und andere Formen des Kampfes zu vergessen. Ein weiterer Punkt ist die Teilnahme an bürgerlichen Exekutivorganen. Die Erfahrung zeigt, dass die Beteiligung von Kommunisten an bürgerlichen Regierungen sowie an Wahlkoalitionen mit bürgerlichen Parteien die Partei in den Augen der Arbeiterklasse diskreditiert, sie kompromittiert und zur Erneuerung ihres Klassencharakters und zum politischen Zusammenbruch führt. Natürlich müssen die Kommunisten kämpfen, um alle demokratischen Nischen zu erhalten und zu erweitern, die dem Proletariat unter der bürgerlichen ‚demokratischen‘ Diktatur offen bleiben, aber das bedeutet nicht, dass dieser Kampf ein Kampf für den Schutz der bürgerlichen Demokratie als solche ist.Dem Beispiel der Komintern folgend, müssen die kommunistischen Revolutionäre rücksichtslos gegen den Opportunismus kämpfen, den inneren Feind der internationalen kommunistischen Bewegung. […]“ [12]

2 Vorschläge und Forderungen zur Entwicklung des IMCWP

Von der Mehrzahl der anwesenden Parteien wurde angesprochen, welche Entwicklungsrichtung sie dem IMCWP wünschen als auch welche Schritte sie für deren Weiterentwicklung für notwendig erachten. Die Bandbreite der Auffassungen war sehr groß und ging von „beibehalten wie es ist“, über einer engeren Verzahnung bis hin zur Forderung umgehend eine Plattform einzurichten, um auf dem nächsten Treffen Schritte hin zur Gründung einer neuen Kommunistischen Internationale einzuleiten. Wichtig ist dabei zu beachten, dass die weitestgehende Forderung von Parteien gemacht werden, die einerseits den Imperialismus als Einheit verstehen, dabei als Hauptfeind die USA ausmachen und mit Bezug auf die Geschichte der Komintern die Bildung einer heutigen Volksfrontstrategie für die IKB ableiten. Diese Forderung erhebt insbesondere die KP der Ukraine [13], die KP der Russischen Föderation [14], als auch die Kommunistische Partei in Dänemark [15] und die KP Indien [16] – aber auch die KP der USA, wenn sie ein globales Anti-Rechts-Netzwerk fordert [17]. Der Beitrag der KP Venezuela geht in ähnliche Richtung, wenn sie dringend empfiehlt, dass das IMCWP ein Führungszentrum und Kampfprogramm einrichten soll. Sie selber verfolgt dabei eine Strategie der Etappen mit Ausrichtung auf eine antiimperialistische Front [18]. In dieselbe Richtung gehen die Forderungen der KP Bangladesch [19]. Dem gegenüber steht die Feststellung anderer kommunistischer Parteien, dass die Voraussetzungen heute fehlen und solche erst geschaffen werden müssen durch die Klärung ideologischer strittiger Fragen. Eine Mehrheit in Izmir anwesenden Parteien spricht sich für eine engere Kooperation und Diskussion aus.

So argumentierte z.B. die KPdSU im Abschlusskommuniqué der Moskauer Konferenz [20], dass es heute keine Bedingungen für die sofortige Errichtung einer kommunistischen Internationale gibt und ging darauf ein, welche Aufgaben zu bewerkstelligen sind, um die IKB weiter zu entwickeln:

Wir sehen, dass es heute keine Bedingungen für die Errichtung einer neuen kommunistischen Internationale gibt, keine maßgebenden und mächtigen Parteien der Bolschewiki, kein Land der siegreichen sozialistischen Revolution, das die organisatorische und materielle Unterstützung für das Funktionieren des gemeinsamen Zentrums übernehmen würde und auch eine moderne revolutionäre Strategie entwickeln müsste. All dies unterstreicht, dass eine gemeinsame Arbeit im Bereich der Theorie, der gemeinsamen praktischen Arbeit, der Koordination von Positionen und Aktionen – für die organisatorische, politische und ideologische Stärkung der Kommunistischen Partei – erforderlich ist.Einige Arbeiten in dieser Richtung zur Stärkung des kommunistischen Pols werden konsequent von den Mitgliedsparteien der Europäischen Kommunistischen Initiative – durchgeführt. Dies ist auch die Durchführung von Konferenzen. […][Die Teilnehmer der Moskauer Konferenz rufen] zur Weiterentwicklung der bestehenden Formen der Zusammenarbeit in den folgenden Schlüsselbereichen [auf] […]:

Kampf gegen den Opportunismus als integraler und obligatorischer Bestandteil des Kampfes gegen den Imperialismus. Wir sehen, dass der krebsartige Tumor des Opportunismus die kommunistische und linke Bewegung befallen hat. Ein ähnliches Phänomen, bei dem der Opportunismus die kommunistischen und linken Bewegungen überwältigte, wurde in den Zeiten des Zusammenbruchs der Zweiten Internationale beobachtet. In der Abschlusserklärung der Moskauer Konferenz wurde festgestellt, dass Opportunismus und Revisionismus eine kontrollierte und gut organisierte Waffe der Bourgeoisie sind. Das Spitzenprodukt dieser Politik des Renegatentums ist das Beispiel der Europäischen Linken Partei. Es ist ein ideologisches und organisatorisches Zentrum der Revisionisten, das mit dem Geld der Europäischen Union existiert und nach EU-Recht lebt und sich für die Stärkung des Imperialismus der EU einsetzt. Auf der Grundlage dieser Beobachtung halten wir die leninistische Erfahrung der Schaffung einer Kommunistischen Internationale mit der Organisation eines entschlossenen und kompromisslosen Kampfes gegen den Opportunismus, die Ausarbeitung theoretischer Prinzipien für die revolutionären Parteien, die als Bedingungen für die Mitgliedschaft in der Komintern formuliert wurden, für besonders wertvoll. Heute ist ein gemeinsamer theoretischer und praktischer Kampf gegen den Opportunismus für die kommunistische Bewegung absolut notwendig.

die Entwicklung der Arbeitsbewegung, die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und die Ausrichtung auf eine sozialistische Revolution. Daher ist unser gemeinsames vorrangiges Ziel, jede Partei auf nationaler Ebene zu stärken und in jedem Land Arbeiter-Massenwiderstand zu entwickeln, die Arbeiterbewegung und Gewerkschaftsbewegung auf der Grundlage des Klassenkampfes gegen Kapitalismus, Ausbeutung und Unterdrückung zu internationalisieren. Diese Arbeit ist ein wesentliches Instrument, um die Parteien selbst zu stärken und ihren Einfluss in der Masse der Arbeiter in ihren Ländern zu erweitern;

Gemeinsame Analyse des Kampfes von Kommunisten und Arbeitskollektiven im vergangenen Jahrhundert, die Erfahrung mit dem Aufbau des Sozialismus in der UdSSR und anderen Ländern, eine grundlegende, kritische Analyse von Fehlern und Mängeln. Neben vielen der bei unserem Treffen angesprochenen Probleme ist es notwendig, die Beziehungen zwischen dem Nationalen und dem Internationalen zu identifizieren und zu verstehen, insbesondere in den Aktivitäten der regierenden kommunistischen Parteien. Schließlich war und ist die kommunistische und arbeitende Bewegung in der Praxis immer wieder mit der Priorität des Nationalen gegenüber dem Internationalen im politischen Kampf auf der internationalen Bühne konfrontiert, die sich in der Tat an den Interessen der Geopolitik und manchmal auch an der bürgerlich-nationalistischen Propaganda orientiert, zum Nachteil der Solidarität und der Unterstützung der kämpfenden Kommunisten und Arbeiterparteien sowie der Arbeiterbewegungen. Die Führung einiger kommunistischer Parteien ist sich nicht bewusst, dass sie als Zahnräder im bürgerlichen politischen System benutzt werden, und deshalb dienen sie eher dem bürgerlichen Nationalismus als dem proletarischen Internationalismus;

Die ständige Vernetzung unserer Parteien und die gegenseitige Unterstützung bei der Stärkung der Position jeder Partei auf nationaler Ebene als Voraussetzung für die allgemeine Stärkung des kommunistischen Pols“ [21]

Und die Russische Kommunistische Arbeiterpartei ergänzte:

Die Parteien, die die Erklärung unterzeichnet haben, betonten, dass bestimmte Arbeiten zur Stärkung des kommunistischen Pols seit mehr als 20 Jahren im Gange sind. Dies sind die Treffen des SolidNet-Systems, die 1998 auf Initiative der KKE begannen; die Herausgabe des Magazins International Communist Review; die Gründung der Europäischen Kommunistischen Initiative; Konferenzen in Leningrad und Moskau […]. [Wir sollten] unsere Aufmerksamkeit auf die Entwicklung bestehender Kooperationsformen in die folgenden Richtungen [legen]:

das Thema des Kampfes gegen den Opportunismus als untrennbaren und unverzichtbaren Teil des Kampfes gegen den Imperialismus;

unsere gemeinsame vorrangige Aufgabe ist die Stärkung jeder Partei auf nationaler Ebene und die Entwicklung des Massenwiderstands der Arbeiter in jedem Land, die Internationalisierung der Arbeiter und der Gewerkschaftsbewegung auf der Grundlage des Klassenkampfes gegen den Kapitalismus und aller Arten von Ausbeutung und Unterdrückung. Diese Arbeit soll nicht nur zu dem Thema werden, das uns verbindet, sondern sie sollte auch als Instrument zur Stärkung unserer Parteien und zur Stärkung ihres Einflusses auf die Werktätigen in unseren Ländern genutzt werden;

Es besteht die dringende Notwendigkeit, solche komplexen Erscheinungen, die die Entwicklung in der Welt maßgeblich beeinflussen, wie den „Sozialismus mit chinesischen Merkmalen“ sowie Modelle wie den „Sozialismus des XXI. Jahrhunderts“ gemeinsam zu analysieren und, wenn möglich, gemeinsam zu bewerten. Wir sind der Meinung, dass die oben genannten Modelle nicht den grundlegenden Prinzipien der sozialistischen Revolutionstheorie und des sozialistischen Aufbaus entsprechen;

ständige Verbindung zwischen den Parteien und gegenseitige Unterstützung auf nationaler Ebene, um die Positionen jeder Partei als wesentliche Voraussetzung für die Stärkung des kommunistischen Pols als Ganzes zu stärken“. [22]

Etwas ausführlicher sei hier auch die Gegenposition zitiert. So argumentierte die KP der Ukraine folgendermaßen:

Bei der Verteidigung der theoretischen Grundprinzipien des Marxismus müssen wir uns natürlich von der leninistischen These leiten lassen, dass der Marxismus kein Dogma, sondern eine Handlungsanleitung ist, die die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen eines Landes berücksichtigen muss, die Bedingungen, unter denen die Kommunisten dort arbeiten müssen (wie beispielsweise in der Ukraine, wo de facto Kommunisten verboten sind, dass sie an Wahlen teilnehmen, wo ihre Ansichten und Symbole verfolgt werden), sowie das sich ständig verändernde internationale Umfeld. Deshalb ist es für uns heute wichtig, mit Lenins Worten den Prozess der Entstehung und Entwicklung der organisierten arbeitenden (proletarischen) Bewegung sowohl im allgemeinen historischen Kontext als auch unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten in jedem der Länder noch einmal zu analysieren. […]Dank der Bemühungen der kommunistischen Parteien in der Komintern wurden die Grundlagen für die internationale antifaschistische Front auf der Grundlage der Beschlüsse des 7. Kongresses gelegt. […]Heute erheben Nazismus und Faschismus wieder einmal die Köpfe. Und nicht nur in der Ukraine […]Tägliche Nachrichtenfeeds sind voll von Berichten über neonazistische Allianzen in verschiedenen Teilen der Welt und unter den Bedingungen der globalen Krise und der Verschärfung sozialer Widersprüche, auch in den Ländern der „goldenen Milliarde“, ist die Bedrohung durch die Machtübernahme neonazistischer Kräfte in Schlüsselzentren mehr als real. […]Deshalb müssen wir uns dem globalen Neofaschismus widersetzen, der sich unter dem Deckmantel des Liberalismus und anderer bürgerlicher Demagogie sowie moderner Formen der Organisation von Arbeiterklassen versteckt.Und in diesem Fall können wir heute nicht auf eine gemeinsame permanente Koordinationsstelle verzichten. Wir glauben, dass das diesjährige Internationale Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien als Impuls für die Schaffung einer solchen Kommunistischen und Arbeiter-Internationalen auf der Grundlage der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus dienen kann und sollte, bereichert durch die jahrhundertealte, moderne Erfahrung mit kommunistischen Organisationen und Arbeitnehmerverbänden verschiedener Länder, und unter Berücksichtigung der gemeinsamen Herausforderungen und Bedrohungen von uns allen – Einer Internationale XXI (Internationale des 21. Jahrhunderts, einer Internationalen, die auf dem 21. Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien begann), mit einem einzigen Schwerpunkt: des Kampfes der Arbeiter und Unterdrückten unseres Planeten um ihre Grundrechte und -freiheiten.“ [23]

3 Ergebnisse des 21. IMCWP

Nach viertägiger Tagung schloss das 21. Internationale Treffen mit einer Reihe von internationalen Solidaritätserklärungen [23] und einem gemeinsamen Abschlussdokument [24]. Die anwesenden Delegierten beschlossen das 22. IMCWP in der Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Koreas abzuhalten, dessen Gastgeber die Arbeiterpartei Koreas sein wird.

Zur Bewertung des Verlaufs und der Ergebnisse des 21. IMCWP wollen wir auf ein Interview der Zeitschrift SOL mit dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Türkei (TKP), Kemal Okuyan hinweisen, welches die Mitglieder der TKP in Deutschland auf ihrer Homepage in deutscher Sprache veröffentlichten. Auswertungen und Stellungnahmen anderer Parteien liegen uns bisher nicht vor, bzw. sind uns nicht bekannt. Zur Bedeutung der Ausrichtung des Treffens durch KKE und TKP betonte Okuyan:

Natürlich hat dies eher eine politische Bedeutung als eine technische. Die Beziehungen zwischen den beiden Parteien vertiefen sich und wir haben eine Phase hinter uns gelassen. Die Mitglieder der beiden Parteien nahmen gemeinsam an der Sitzung teil, die beiden Parteien bildeten gemeinsam den Versammlungsrat, und auf der Sitzung wurden zwei Eröffnungsreden gehalten. Das bedeutet mehr als symbolisch“.

Und auf die Frage, ob zum Abschluss des Treffens eine Gewichtszunahme der Linie (gemeint ist die der KKE und TKP) gewertet werden kann, sagte der Generalsekretär der TKP:

Wir sehen es nicht so. Zuallererst war es unsere Verpflichtung, die Effizienz und Sicherheit zu gewährleisten und zur Schaffung eines gesunden Beurteilungs- und Diskussionsumfelds zwischen den Parteien beizutragen. Dies ist das Erfolgskriterium des Treffens. Die Existenz unterschiedlicher Tendenzen unter den kommunistischen Parteien ist kein Geheimnis. Darüber hinaus kann gesagt werden, dass in einigen Fällen diese Unterschiede sogar zu Widersprüchen werden. Andererseits stellen die kommunistischen Parteien eine große Anhäufung dar, in der ein gewaltiges Kampfexperiment dahinter steckt, und in einigen Ländern gehören die kommunistischen Parteien zu den führenden Akteuren in ihren Ländern. Die Treffen, die wir abhalten, sind für die Parteien von großer Bedeutung, um sich zu verstehen, einander zuzuhören, Experimente auszutauschen und die Zusammenarbeit zu entwickeln. Es ist für kommunistische Parteien möglich, zu einem mächtigeren, besser organisierten, kämpferischeren, revolutionäreren Prozess mit einer stärkeren Interaktion zwischen den Parteien, einer theoretischeren und mehr politischen Produktion überzugehen. Das Erfolgskriterium dieser Treffen ist nicht die Stärkung des einen oder anderen Trends, sondern die Stärkung der Interaktion zwischen den Parteien. In dieser Hinsicht war das Treffen in Izmir recht erfolgreich“ [25]

4 Fußnoten

  1. http://www.tkp-deutschland.com/zentral-komitee_hauptseite/imcwp_einleitungsseite_interview_kemal_okuyan/
  2. https://develop.kommunistische-organisation.de/hintergrund/zum-20-internationalen-treffen-der-kommunistischen-und-arbeiterparteien/
  3. https://www.initiative-cwpe.org/en/news/Struggle-for-Communism-100-Years-of-Political-Heritage/
  4. https://inter.rkrp.ru/без-рубрики/final-declaration-of-the-participants-of-international-conference-100-years-to-the-communist-international-and-tasks-of-the-communist-movement-today-moscow-1-2-june-2019/#more-698
  5. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-Sweden/
  6. Die umfänglichen Schwierigkeiten und negativen Erfahrungen der spanischen Kommunisten in Bezug auf die Volksfrontpolitik während des Bürgerkrieges sprach sie hier nicht an, sind aber im Protokollband zur Tagung in Istanbul nachzulesen. Siehe Fußnote 3
  7. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-the-CP-of-the-Workers-of-Spain/
  8. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-Mexico/
  9. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-Norway/
  10. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Opening-Speech-Communist-Party-of-Turkey/
  11. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-Russian-CWP/
  12. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-Italy/
  13. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-Ukraine/
  14. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-the-Russian-Federation/
  15. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-in-Denmark/
  16. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-India/
  17. http://www.solidnet.org/article/21st-IMCWP-Written-Contribution-of-CP-USA/
  18. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-Venezuela/
  19. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-Bangladesh/
  20. Siehe Fußnote 4
  21. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Contribution-of-CP-of-the-Soviet-Union/
  22. Ebenda, aaO. Siehe Fußnote 12
  23. http://www.solidnet.org/meetings-and-statements/imcwp/21st-international-meeting-of-communist-and-workers-parties/
  24. http://www.solidnet.org/article/21-IMCWP-Appeal-of-the-21st-International-Meeting-of-Communist-and-Workers-Parties/
  25. Ebenda aaO. Siehe Fußnote 1
  26. Ebenda, aaO. Siehe Fußnote 10

Grußwort der Jeunes Communistes de Lyon

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Der politische Sekretär der Jeunes Communistes de Lyon hat dieses Grußwort bei einer Konferenz der Kommunistischen Organisation im Rahmen des Luxemburg-Liebknecht-Lenin Wochenendes 2020 in Berlin gehalten. Die Englische Originalversion findet ihr hier.

Liebe Genossen,

Es ist eine Ehre, heute hier eingeladen zu sein. Wir denken, dass unsere beiden Völker eine große gemeinsame Geschichte des Kampfes hatten, an die wir uns erinnern und die wir feiern müssen. Das perfekte Beispiel dafür ist für uns der große Kampf gegen die Ruhrinvasion, den die französischen Imperialisten in den 20er Jahren organisiert haben. Erinnern wir an die Zusammenarbeit zwischen unseren Parteien zu dieser Zeit, die zu einem großen Teil auf die Unterstützung der Kommunistischen Internationale zurückzuführen war.

Aber ich wurde nicht eingeladen, um über diese Angelegenheit zu sprechen. Ich wurde gebeten, über die Entwicklung der kommunistischen Bewegung in Frankreich zu sprechen, genauer gesagt über meine Organisation. Man hat mich vor Beginn des Streiks gegen die Rentenreform in Frankreich danach gefragt, also wurde ich gebeten, auch darüber zu sprechen, weil es ein gutes Beispiel dafür sei, was wir als kleine, lokale kommunistische Organisation in Bezug auf diesen Streik tun konnten.

Damit also zunächst einmal jeder versteht, wo wir gerade stehen, werde ich darüber sprechen, was wir sind. Die Kommunistische Jugend von Lyon war ein Teil der MJCF, was für nationale Bewegung der Kommunistischen Jugend steht. Sie ist die Jugendorganisation der französischen Kommunistischen Partei, die 1920 nach der Gründung der Dritten Internationale geboren wurde. In den späten 2000er Jahren wurde die MJCF von der damaligen Führung der PCF aufgelöst, und nur wenige der lokalen Organisationen überlebten, wie die in Lyon, die mit einigen wenigen Mitgliedern überlebte, aber nicht sehr aktiv war.

Der Politische Sekretär der Jeunes Communistes Lyon mit einem Grußwort

Zu Beginn des Jahres 2010 wuchs die MJCF in einigen Bereichen wieder an und begann, wieder etwas an Boden zu gewinnen. Natürlich hatte sie keine marxistisch-leninistische Basis, aber einige der lokalen Organisationen, auch wenn sie noch nicht ausgereift waren, begannen sich nach der Theorie zu erkundigen und begannen, einen strategischen Ansatz der revolutionären Arbeit zu entwickeln.

Zu dieser Zeit begannen einige lokale Organisationen über den Sozialismus, die Revolution und die Mittel zu ihrer Verwirklichung nachzudenken: Marseille, Lyon, Dijon, Saint-Etienne und andere. Sie begannen, die nationale Führung in Frage zu stellen. Auf Kongressen und anderen nationalen Veranstaltungen dieser Art begannen sie, Themen wie Sozialismus, Klassenkampf, Demokratischer Zentralismus usw. zur Sprache zu bringen. Bald wurden sie zu einer Opposition gegen die nationale Führung, die von der reformistischen PCF kontrolliert wurde.

Lyon wurde das Zentrum dieser Opposition, und bis dahin wurden alle demokratischen Veranstaltungen auf nationaler Ebene in Lyon vorbereitet, um darüber nachzudenken, was zur Diskussion gestellt werden musste und was wir den Mitgliedern der MJCF vorschlagen wollten. Wir versuchten, die Führung zurückzuerobern und die Organisation wieder aufzubauen – gegen den Reformismus der nationalen Führung der PCF und eines großen Teils der Mitgliederbasis.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Lyon einen großen Verband, der etwa 100 Mitglieder umfasste und einen eigenen Ort hatte, um den Kampf zu organisieren. Es war damals nicht viel mehr als eine Studentenorganisation. Wir hatten keine konkreten Verbindungen mit der Gewerkschaft, außer mit ihren Vertretern. Wir setzten Themen gegen die Führung auf die Tagesordnung, um sie dazu zu zwingen, Debatten über den Sozialismus zu führen, und wir hatten einige Siege in den Kongressen und nationalen Debatten.

Deshalb musste die Führung uns loswerden. Wir gewannen an Schwung und wir näherten uns einem Sieg. Viele lokale Organisationen begannen, sich für uns zu interessieren. So beschloss die Führung, in einem Konflikt, in dem wir uns befanden, aktiv zu werden. Einer unserer Ortsverbände, Villeurbanne, eine Stadt in einem Vorort von Lyon, war auf der Seite der Nationalen Führung. Letztere nutzte das aus und machte einen politischen Schritt, um unsere damalige Lokale Führung loszuwerden, mit Hilfe der örtlichen Kommunistischen Partei und ihrer damaligen Verbündeten, der Sozialistischen Partei und der Linkspartei von Melenchon. Sie bezahlten vielen unbekannten Leuten falsche Mitgliedschaften und schafften es, genügend Stimmen zu sammeln, um unsere Führung während einer Generalversammlung der Mitglieder zu beseitigen.

Mit diesem Schritt wurde alles, was unsere Genossen jahrelang aufgebaut hatten, in wenigen Stunden zerstört, und nur wenige unserer Genossen hielten den Glauben an die Sache aufrecht. Es waren nur wenige, etwa fünf, die sich entschlossen, wieder eine Organisation aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt waren die lokalen Organisationen, die unsere Verbündeten in der Opposition waren, entweder vernichtet oder sie haben sich stark ins Lokale zurückgezogen. Sie konzentrierten sich auf ihr lokales Wachstum, in der Hoffnung, dass sie eines Tages wieder eine Opposition aufbauen könnten. 

Das taten auch unsere Genossen, die unsere lokale Organisation in Lyon wieder aufgebaut haben. Sie versuchten, tatsächliche Verbindungen mit den Gewerkschaften aufzubauen, sie studierten die Arbeiten der KKE über das gesellschaftliche Bündnis. Sie bauten die Organisation so auf, wie sie jetzt ist, mit mehr Erfahrung darüber, was Reformismus und Opportunismus eigentlich sind. Mit der Zeit begannen sie auch zu verstehen, dass die PCF und die MJCF jetzt bürgerliche Organisationen sind, und dass sie uns nichts mehr bringen konnten.

An diesem Punkt begannen wir auch, neue Mitglieder zu sammeln und unser Wachstum begann erneut. Es kamen mehr Studenten hinzu, aber auch mehr Arbeiter. Wir beginnen nun, starke Verbindungen innerhalb der Reihen der Gewerkschaft aufzubauen, wie die Eisenbahner, die Beschäftigten der chemischen Industrie und andere. Vor zwei Jahren organisierten wir zum Beispiel einen Marsch zum Gedenken an die Opfer der Arbeiterklasse unter dem Nazismus während des Zweiten Weltkriegs, an dem fünfhundert Eisenbahner teilnahmen.

Gleichzeitig haben wir versucht, die Verbindungen zu den lokalen Strukturen der MJCF, mit denen wir früher zusammengearbeitet haben, wieder herzustellen. So arbeiten wir jetzt mit Genossen aus Straßburg und Marseille zusammen, um wieder eine nationale kommunistische Organisation aufzubauen, die uns eine eigene nationale Perspektive bringen könnte. Es ist immer noch ein Projekt, und wir stehen beim Aufbau vor vielen Problemen, aber wir kommen voran, und wenn ihr weitere Informationen wünscht, werde ich sie später gerne geben.

Als Beispiel für unsere Experimente in Bezug auf die Massenarbeit sind unsere besten Beispiele die Kampfkomitees in den Universitäten und Hochschulen. Wir sind seit drei Jahren für den Aufbau dieser Massenorganisationen, mit dem Ziel, den Kampf an Studienorten zu organisieren. Wir nannten sie Kampfkomitees, und wir beabsichtigen, diese Instrumente zu nutzen, um die Mobilisierung bezüglich nationaler, aber vor allem lokaler Themen zu führen, zum Beispiel gegen die Schulverwaltung, für die Verbesserung der Lernbedingungen, zur Verteidigung von Stipendien für Studenten.

Wir haben versucht, diese Instrumente aufzubauen, um den Methoden der Linken an den Universitäten und Hochschulen entgegenzuwirken. Die Linken an diesen Orten untergraben den Kampf. Sie wollen die Studenten davon abhalten, sich auf lokaler Basis zu organisieren, sie wollen sie davon abhalten, lokale Forderungen zu berücksichtigen. Deshalb haben wir beschlossen, diese Komitees auf lokaler Basis aufzubauen, um die Studenten zu organisieren, zuerst für ihre eigenen Forderungen bezüglich der Lernbedingungen, und dann zu versuchen, sie dazu zu bringen, sich dem breiteren Kampf für Forderungen auf nationaler Ebene anzuschließen.

Auf diese Weise gelang es uns, mehr und mehr Studenten zu versammeln. Sie sind nicht unbedingt Kommunisten, aber sie erkennen unseren Platz im Kampf an und sind damit einverstanden. Es ist uns auch gelungen, sie für den Streik gegen die Rentenreform zu mobilisieren. An den Orten, an denen unsere Genossen anwesend waren, haben wir ihnen gesagt, dass sie unsere Forderungen vorantreiben und Aktionen vorschlagen sollten, um sich während der Demonstrationen den streikenden Arbeitern anzuschließen. Dies war eines der ersten Male, dass wir die Mobilisierung der Jugend anführen konnten.

Später gelang es den Linken, unsere Mobilisierung zu untergraben, indem sie junge und unerfahrene Studenten dazu drängten, bei Streikposten oder Demonstrationen Gewalt anzuwenden, was zu Repressionen seitens der Polizei führte. Wir haben in diesem Moment etwas Unterstützung verloren, aber trotzdem haben wir Meilensteine erreicht, die uns noch jahrelang nützlich sein werden.

Die Arbeit, die wir in diesen Kampfkomitees geleistet haben, unterschied sich sehr von der Arbeit, die wir in der Gewerkschaft leisten mussten. An Universitäten und Hochschulen gab es keine bereits bestehende Studentenverbände, in die wir eingreifen konnten. Deshalb mussten wir sie selbst aufbauen. Wir mussten diese Organisationen schaffen, ihre Glaubwürdigkeit aufbauen und gleichzeitig als kommunistische Jugend direkt zu anderen Themen arbeiten, wie dem französischen Imperialismus, der Europäischen Union und anderen.

Das ist etwas ganz anderes als die Arbeit, die wir in der Gewerkschaft, in der CGT, leisten müssen. Die CGT ist bereits gut etabliert, sie ist der stärkste Gewerkschaftsbund in Frankreich, und sie existiert seit 1895. In diesen Gewerkschaften ist der Reformismus tief verwurzelt, und wir mussten über Strategien nachdenken, um unseren Einfluss in ihm zu vergrößern, ohne unsere Positionen zu kompromittieren. Wir haben in der Union erstmals Fuß gefasst, indem wir im Ausschuss für Arbeitslose mitwirkten, einem Zweig der CGT, der auf lokaler Ebene aufgebaut wurde, um den Arbeitslosen entweder bei der Verteidigung ihrer Rechte oder im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu helfen.

Ich muss nun kurz erklären, wie die CGT funktioniert. Wenn man der Gewerkschaft beitritt, verbindet man zwei verschiedene Komponenten: Deine Gewerkschaft, an deinem Arbeitsplatz, die mit einem nationalen Zweig verbunden ist (Stahlarbeiter, Eisenbahner, Arbeiter in der chemischen Industrie usw.). Zum anderen tritt man einer örtlichen Gewerkschaft auf geographischer Basis bei. Diese hängt davon ab, wo sich der Arbeitsplatz befindet. Diese zweite Komponente soll die Grundlage für den branchenübergreifenden Kampf sein. Es ist auch diese Komponente, die helfen soll, die Mitgliederbasis zu erweitern, indem man auf neue Arbeitsplätze hinarbeitet oder in Betrieben, in denen noch keine Gewerkschaft existiert.

Beide Komponenten haben getrennte Führungen, und der Bund, der die nationale Führung darstellt, soll das Bindeglied zwischen den verschiedenen Industriezweigen und den lokalen Gewerkschaften sein.

Da wir in keiner bestimmten Branche Fuß gefasst haben, mussten wir auf die lokalen Gewerkschaften zurückgreifen. Dort konnten wir uns mit Arbeitern aus verschiedenen Branchen treffen. Diesem Zweck diente der Ausschuss für Arbeitslosigkeit: Wir konnten dann auf die verschiedenen Branchen zugehen und Aktionen gegen die Arbeitslosigkeit vorschlagen. Wir haben zum Beispiel einige Aktionen durchgeführt, bei denen wir Arbeitslose einluden, ihre Lebensläufe mitzubringen, die wir dann unseren Genossen von der Bahn übergaben. Sie mussten diese Lebensläufe dann ihren Arbeitgebern zuschieben, um sie zu zwingen, diese arbeitslosen Arbeiter einzustellen. Dies hatte eine doppelte politische Botschaft: Wir brauchen mehr Eisenbahnarbeiter, um einen sicheren öffentlichen Dienst zu gewährleisten, und wir brauchen Arbeitsplätze für Arbeitslose.

All diese Aktionen sicherten uns ein starkes Standbein in der CGT, von dem aus wir weitere Entwicklungen in Richtung anderer Branchen einleiten konnten, in der Hoffnung, Forderungen, über die wir zwischen den Kommunisten nachgedacht haben, vorantreiben zu können.

Ich denke, ich habe einen Großteil unserer derzeitigen Arbeit für die Massen abgedeckt. Natürlich haben wir auch andere Kampagnen: Gegen den französischen Imperialismus in Afrika, gegen die Europäische Union. Aber diese sind wirklich anders, weil wir nicht erwarten, dass sich die Massen an den Veranstaltungen, die wir über diese Kampagnen organisieren (Demonstrationen, Versammlungen, etc.), beteiligen. Es geht vielmehr darum, die Arbeiter über diese Themen zu informieren, was wir für sehr wichtig halten.

Wir denken, dass unsere Arbeit für die Massen, in der CGT, in Universitäten und Hochschulen wirklich wichtig ist, um unsere Forderungen, unsere Analyse voranzutreiben. Die Arbeiterklasse, auch wenn sie gewerkschaftlich organisiert ist, braucht eine Führung, und die laufenden Streiks zeigen das wirklich. Sie braucht auch Verbündete, und es ist eine Aufgabe der Kommunisten, diese Bündnisse mit den antimonopolistischen Schichten zu schaffen. Wir beabsichtigen, diesen Kampf zu führen und gleichzeitig den Imperialismus in seinem Herzen anzugreifen.

Greeting from the Jeunes Communistes de Lyon

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The political secretary of the Jeunes Communistes de Lyon held this speech at a conference of the „Kommunistische Organisation“ within the „Luxemburg-Liebknecht-Lenin Wochenende“ 2020 in Berlin. You can find a German translation here.

Dear comrades,

It’s an honour to be invited here today. We think that both our people have had a great common history of struggle, which we need to remember and to celebrate. The perfect example of this, for us, is the great fight against the Ruhr invasion that the french imperialists organised during the 20’s. The cooperation between our Parties at that time is to be remembered and is largely due to the assistance of the Communist International.

But I was not invited here to speak about this matter. I was asked to speak about the development of the communist movement in France, more specifically about my organisation. I was asked about this before the start of the strike against the pensions‘ reform in France, so i was requested to talk about it as well because it would be a good example of what we were able to do as a little, local communist organisation regarding this strike.

So firstly, in order for everyone to understand where we are at right now, i’ll talk about what we are. The Communist Youth of Lyon was a part of the MJCF, which stands for National Movement of the Communist Youth. It is the youth organisation of the French Communist Party, the one born in 1920 after the founding of the Third Internationale. During the late 2000’s, the MJCF was being dismantled by the Leadership of the PCF at the time, and few of the local organisations survived, like the one in Lyon, which survived with a few members, but was not very active.

The political secretary of the Jeunes Communistes de Lyon

At the beginning of the 2010’s, the MJCF grew back in some areas, and started to gain back some traction. Of course, it did not have a Marxist-Leninist basis, but some of the local organisations, even if not mature, started to enquire about theory, and started to grow a strategical approach of revolutionary work.

By then, some local organisations started to think about socialism, revolution and the means to achieve it : Marseille, Lyon, Dijon, Saint-Etienne and others. They started to question the national leadership. During congresses and other such national events, they started to bring up matters like socialism, class struggle, Democratic Centralism and so on. They soon became an opposition to the national leadership, which was controlled by the reformist PCF.

Lyon became the centre of this opposition, and by then, all the national democratic events were prepared in Lyon, in order to reflect on what was needed to be brought up to the discussion, and what we proposed to the members of the MJCF. We tried to take back the leadership and to rebuild the organisation, against the reformism of the national leadership of the PCF, and of a large part of the membership base.

By then Lyon was home of a major federation, gathering about 100 members, having it’s own place to organise the struggle. It was then not much but a student organisation. We had no concrete links with the workers union, other than with their representatives. We pushed issues against the Leadership, in order to force them to create debates on socialism, and we had some victories in the congresses and national debates.

That’s why the leadership needed us gone. We were gaining momentum and we were closing in on victory. Many local organisations started to take interest in us. Thus the leadership decided to take action in a conflict we were in. On of our local section, Villeurbanne, a city in the suburbs of Lyon, was on the side of the National Leadership. The latter took advantage of it and made a politician move to get rid of our then Local Leadership, with the help of the local Communist Party, and their then allies, the Socialist Party, and the Left Party of Melenchon. They paid fake memberships to many unknown people, and managed to gather enough votes to eliminate our Leadership during a General Assembly of the members.

With that move, everything that our comrades spent years to build was destroyed in a few hours, and only a few of our comrades kept faith in the cause. They were the few ones, about five, that decided to rebuild an organisation. At that point, the local organisations that were our allies in the opposition either went to waste or strongly localised themselves. They focused on their local growth, in the hope that someday they could rebuild an opposition.

That’s what our comrades, which rebuilt our local organisation in Lyon did as well. They tried to build actual links with the Unions, they studied works of KKE about the social alliance. They rebuilt the organisation as it is now, with more experience of what reformism and opportunism actually are. With time, they also started to understand that PCF and MJCF were now bourgeois organisations, and that it could no longer bring us anything.

It is also at that point that we started to gather new members and our started to grow again. More students joined, but also more workers. We are now starting to build strong links within the Union ranks, like the railway workers, the chemical industries workers and others. As an example, two years ago, we organized a march to commemorate the sacrifice of workers against Nazism during World War 2, to which Five Hundred railway workers attended.

At the same time, we have tried to regrow links with local structures of MJCF, with whom we used to work. As such, we are now working with comrades from Strasbourg and Marseille, in order to rebuild a national communist organisation that could bring us an actual national perspective of our own. It’s still a project, and we face many issues in building it, but we are advancing, and if you want any further information, I will gladly answer to them later.

As an example of our experiments regarding the work towards the masses, our best examples are the Struggle Committees in Universities and High schools. we have been for building these mass organisations for three years now, with the goal to organise struggle on places of studies. We called them Struggle Committees, and we intend to use these tools to lead the mobilisation concerning national issues but mostly local ones, for instance, against school administration, for theimprovement of learning conditions, to defend cases of scholarship grants for students.

We tried to build these tools to counter the methods of leftists in universities and high schools. The leftists in these places are undermining the struggle. They want to keep students from organising on a local basis, they want to keep them from considering local demands. So, we decided to build these committees on local basis in order to organise students, first for their own demands concerning learning conditions, then to try and make them join the broader struggle for national demands.

Doing so, we managed to gather more and more students. They are not necessarily communists, but they recognise our place in the struggle and are fine with it. We also managed to mobilise them on the Strike against Pensions‘ Reform. In the places where our comrades were present, we told them to push forward our demands, and to propose actions to join the workers on strike during demonstrations. This was one of the first times that we were able to lead the mobilisation of the youth.

Later, leftists succeeded to undermine our mobilisation, by pushing young and inexperienced students to make use of violence during strike pickets or demonstrations, bringing upon them repression from the police. We lost some support at that moment, but even so, we reached milestones that will be useful for years to come.

The work we have achieved in those Struggle Committees has been very different from the work we had to achieve in the Workers’ Union. In universities and high schools, there were no pre-existing Students’ Union in which we could intervene. We therefore had to build them by ourselves. We had to create those organisations, to build their credibility, and at the same time, keep working as the Communist Youth directly on other matters, such as French Imperialism, European Union and others.

This is very different from the work we must achieve in the Workers’ Union, the CGT. The CGT is already well established, it’s the first union confederation in France, and it exists since 1895. In those unions, reformism has deep roots, and we had to think about strategies to make our influence grow in it without compromising our positions. We took our first foothold in the Union by participating into the Unemployed Committee, a branch of the CGT that’s built on local basis, either to help Unemployed to defend their rights, or to struggle against unemployment.

I need now to make a quick explanation about how CGT works. When you join the Union, you join two different components: Your Union, in your workplace, which is linked to a national branch (Steel Workers, Railway Workers, Chemical Industry Workers, etc.). On the other hand, you join a Local Union, on a geographical basis. This one depends on where your workplace is located. This second component is supposed to be the basis of the inter-branch struggle. It’s also this component that is supposed to help grow the membership basis, by working towards new workplaces, or in workplaces where there is no union yet.

Both components have separate leaderships, and the Confederation, which is the national leadership, is supposed to be the link between the different branches of the industry, and the Local Unions.

As we had no foothold in any particular branch, we needed to use Local Unions. That’s where we could meet with workers from different branches. The Unemployed Committee served this purpose: we could then reach out to different branches to suggest actions against unemployment. For example, we did some actions, where we invited Unemployed workers to bring their resumés that we then gave to our comrades from the Railway. They then had to push those resumé towards their employers, in order to force them to hire those Unemployed workers. This had a double political message: we need more Railway Workers to ensure a safe Public Service, and we need jobs por Unemployed workers.

All those actions secured us a strong foothold in the CGT, from which we could launch further developments, toward other branches, in the hopes of being able to push forward demands we reflected upon between communists.

I think i’ve covered a vast majority of our current work towards the masses. Of course, we have other campaigns: Against French Imperialism in Africa, Against European Union. But those are really different because we do not expect masses to join the events we organise about these campaigns (demonstrations, meetings, etc.). It’s more about trying to inform workers about these subjects that we thing very important.

We think that our work toward the masses, in the CGT, in universities and high-schools really are important, in order to push our demands, our analysis forward. The working class, even if organised in unions, needs a leadership, and the ongoing strikes really shows it. It also need allies, and it is a communist task to found those alliances, with the anti-monopolistic strata. We intend to lead this struggle, while, at the same time, attack imperialism at it’s heart.

Der sogenannte Sturm auf die MfS-Zentrale am 15. Januar 1990 – ein Interview mit Wolfgang Schmidt

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Heute vor genau 30 Jahren, am 15. Januar 1990, wurde in Berlin die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gestürmt. Eines der wichtigsten Sicherheitsorgane der DDR war damit endgültig zerschlagen. Dieses Ereignis wird häufig als Symbol der friedlichen Revolution deklariert, bei dem die ostdeutsche Bevölkerung endlich ihren Unterdrückern den Garaus gemacht habe. Es zu verstehen und daraus zu lernen ist für uns eine wichtige Aufgabe, um den Prozess der Konterrevolution in der DDR insgesamt besser verstehen zu können. Zu diesem Anlass haben wir mit Wolfgang Schmidt gesprochen, um mehr über das Ereignis und vor allem dessen Hintergründe zu erfahren. Wolfgang Schmidt ist ehemaliger Leiter der Auswertungs- und Kontrollgruppe der Hauptabteilung XX des MfS und war während des „Sturmes“ selbst vor Ort.

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Du hast den sogenannten Sturm auf die MfS-Zentrale selber miterlebt. Dieser Sturm wird heute oft als ein Symbol der friedlichen Revolution deklariert. Was ist da genau passiert, was sind deine Erinnerungen an den Tag?

Ich war tatsächlich in diesem Gebäudekomplex Normannen-/ Ruschestraße anwesend, während dieser so genannte „Sturm“ stattgefunden hat. Es hat sich eigentlich so ergeben, dass ich normalerweise wie die meisten Mitarbeiter des MfS nachmittags nach Hause gehen sollte, aber mir waren zwei Lageroffiziere unterstellt, die dort mit bleiben mussten und aus Solidarität mit ihnen habe ich von mir aus entschieden dort anwesend zu bleiben und habe also praktisch im Ministerium diesen Sturm erlebt. Dieser Sturm war ja angekündigt worden. Es gab ein Flugblatt wo aufgefordert worden war Steine mitzubringen und die Eingänge vom MfS zuzumauern. Das war für den Nachmittag des 15. Januar angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die MfS-Wachen bereits abgezogen. Es waren nur noch einige Volkspolizisten da und dazu Bürgerrechtler die schon seit langem die Eingänge vom Ministerium kontrolliert haben. Dieser „Sturm“ selbst begann damit, dass tatsächlich versucht wurde irgendetwas aufzumauern, aber es hat nicht lange gedauert da wurden die Eingänge von innen geöffnet und eine Masse die sich vor dem Eingang des Ministeriums versammelt hatte, strömte hinein und hat dann nichts anderes zu tun gehabt als den Versorgungstrakt des MfS in dem sich Speisesäle, eine Buchhandlung, ein Reisebüro, ein Konferenzsaal und so weiter befanden, zu stürmen und auch in gewisser Weise zu demolieren. In der HO-Verkaufsstelle (Handelsorganisation, Anm. der Redaktion) wurden dann die Getränke geplündert, die alkoholischen vor allen Dingen, und es wurde auch Verwüstung hinterlassen die später auch im Fernsehen anzusehen war. Die vielleicht gefährlichste Situation ergab sich daraus, dass mit den stürmenden Personen auch Geheimdienstmitarbeiter in das MfS gekommen sind, die dann ganz gezielt Diensträume unserer Spionageabwehr und Panzerschränke geöffnet haben. Der Ausgangspunkt war der Verrat eines Mitarbeiters dieser Hauptabteilung. Sie haben also gezielt nach Dokumenten gesucht und auch welche entwendet. Ich selbst war mit zwei meiner Mitarbeiter und noch zwei weiteren Genossen als einziger meiner Hauptabteilung in meinem Dienstgebäude. Wir hatten den Eingang verschlossen, die Verdunklungsvorhänge vorgezogen und haben dann gewartet was passiert. Es ist aber nichts weiter passiert, es ist also in unser Dienstgebäude niemand eingedrungen. Das Ganze ging dann, bis es sich beruhigt hatte, bis 23 Uhr und ich habe dann mit meinen weiteren Genossen das MfS verlassen, nachdem wie gesagt Ruhe eingetreten war. Ich hatte mich vorher noch bei unserem zentralen Operativstab, der noch intakt funktionierte, abgemeldet und die Auflassung bekommen, ich solle nochmal ringsherum eine Bestandsaufnahme machen was alles an Schmierereien und Demolierungen passiert ist. Das habe ich auch dann von mir aus gemacht, den Bericht erstattet und dann das MfS verlassen. Nachts um 2 oder 3 wurden dann auch die letzten Genossen von meiner Hauptabteilung aus dem Ministerium verwiesen. Damit war das Ministerium für uns gesperrt. Ja, so ist dieser „Sturm“ abgelaufen. Er wird ja wie der Auftakt der französischen Revolution heute gehandelt. Also ganz so war es dann wohl nicht. Interessant ist dazu übrigens, dass wir einen Tag bevor dieser Aufruf kam: „bringt Steine mit“ usw.,  unsere Waffen abgegeben und die Waffenkammer leergeräumt hatten. Also, ich meine man muss da nicht besonders viel Phantasie haben um zu erkennen, dass da vielleicht auch ein Zusammenhang bestand.

Ist denn die Bezeichnung des „Stürmens“ überhaupt richtig für dieses Ereignis?

Naja, so ein richtiger Sturm war das nicht, weil es eine völlig ziellose Aktion war, die geprägt war von geschürten Emotionen aber auch von völligem Unwissen über das Gebäude des MfS und die Arbeit des MfS. Ganze Dienstbereiche sind ja für Besetzungen überhaupt nicht in Betracht gezogen worden.

Du hast eben erwähnt, dass einen Tag vorher im MfS die Waffen abgegeben wurden und da mit Sicherheit auch ein Zusammenhang besteht. Ist das der ausschlaggebende Grund warum es keine Gegenwehr gab an dem Tag – und im Gegensatz dazu sogar von innen die Türen geöffnet wurden – oder hatte das noch andere Gründe?

Es gab noch viele andere Gründe. Es war ja so, dass bei dem Zeitpunkt dieses Sturmes auf die Zentrale ja schon mehr als die Hälfte der Bezirksverwaltung des MfS, beginnend Anfang Dezember, besetzt worden waren – auch ohne Gegenwehr. Diese fehlende Gegenwehr ergab sich eben auch daraus, dass das MfS keinerlei Unterstützung mehr von der Partei- und Staatsführung hatte. Es war also fallen gelassen worden, zum Abschuss frei gegeben worden als Sündenbock und wir waren uns alle darüber im Klaren, dass wir unsere Waffen auch nicht eingesetzt hätten, auch wenn wir sie noch gehabt hätten. Das hätte die Situation nicht verbessert, sondern eher noch dramatisiert.

Du hattest eben auch kurz davon berichtet, dass eine Gruppe von Menschen zügig und zielgerichtet Unterlagen zur Spionageabwehr entwendet hat. Der Verdacht liegt dadurch nah, dass westliche Geheimdienste zumindest ihre Finger mit im Spiel hatten. Wie schätzt du den Einfluss von westlichen Geheimdiensten auf dieses Ereignis ein?

Also es ist in diesem Fall von US-amerikanischen Geheimdiensten ausgenutzt worden, jedoch nur punktuell, eine Diensteinheit betreffend. Ich glaube nicht, dass der „Sturm“ an sich eine von westlichen Geheimdiensten organisierte Aktion war. Er reihte sich ein in diese ganzen aufgeputschten demonstrativen Handlungen gegen das MfS. In Leipzig, in Erfurt, überall sind ja Dienststellen besetzt worden und es waren hauptsächlich Kräfte aus der Bürgerbewegung, die sich hier einen Namen machen wollten und das in die Hand genommen haben.

Was ist zu der Zeit in der DDR ansonsten passiert? Also in welchem Kontext muss dieser Sturm auf die MfS-Zentrale verstanden werden?

Es ist in dem Kontext zu sehen, dass die politische Macht auf der Straße lag, schon seit Oktober, seit diesen ganzen Demonstrationen. Dass diese Demonstrationen, diese öffentliche Ablehnung der SED-Führung, getragen war von einer großen Unzufriedenheit breiter Teile der Bevölkerung und dass Veränderungen in der Politik nachdrücklich gefordert wurden. Man muss aber dazu sagen, dass noch im Dezember 1989 die Forderung nach der Einheit, nach der Beseitigung des Sozialismus, nicht auf der Tagesordnung stand. Es gibt einen unverdächtigen Zeugen für diese Einschätzung: der bekannte Dr. Hubertus Knabe hat im Dezember ’89 noch ein Buch herausgebracht in dem er Gespräche und Interviews mit unterschiedlichsten Personen aus allen möglichen Bevölkerungsschichten der DDR zusammengefasst hat. Und auch in seinem Buch wird noch davon geschrieben, dass die DDR-Bevölkerung in ihrer Mehrheit keine kapitalistischen Verhältnisse wollte. Sie wollte den Erhalt des Sozialismus, allerdings einen reformierten Sozialismus. Das war sicherlich auch beeinflusst von Gorbatschow mit „Glasnost“ und so weiter, aber es wurde noch nicht die Forderung nach dem Untergang der DDR gestellt. Das kam dann erst im Februar des Jahres 1990 auf, und zwar beflügelt durch die Versprechungen von Helmut Kohl möglichst schnell die D-Mark einzuführen und da waren dann viele nicht mehr zu halten. Also rechtzeitig vor den Volkskammerwahlen wurden da bereits die Weichen gestellt.

Die politische Führung hat oft dem MfS die Schuld für die desolaten Zustände in der DDR geben – im Feuer der Opposition stand es sowieso. Was würdest du sagen, welche Rolle hat das MfS für die Krisenjahre und in den Krisenjahren gespielt?

Wenn man einen Sündenbock sucht, dann ist der auch dafür schuldig. Es gab eine Beratung am 3. Dezember an der meines Wissens nach Hans Modrow, Berghofer, der Stellvertreter von Gysi, Gysi selbst und Markus Wolf teilgenommen haben sollen. Das wird von Hans Modrow immer wieder dementiert, Berghofer und Wolf haben aber berichtet, dass das stattgefunden hat. Dort wurde beschlossen, dass man, um die SED zu retten, einen Schuldigen präsentieren müsse und das war das MfS. Ob es nun diese Beratung gegeben hat oder nicht – da will ich jetzt gar nicht drum kämpfen – aber alles was danach gekommen ist, hat der Linie dieser Beratung entsprochen – bis heute eigentlich was die Haltung der PDS, jetzt Linkspartei zur Haltung zum MfS betrifft. Wobei die Probleme, die ihren Ausbruch gefunden haben in der Unzufriedenheit der Bevölkerung und diesen öffentlichen Demonstrationen, ja nicht MfS-gemacht waren. Sie waren praktisch Ausdruck wirtschaftlicher Probleme der DDR – von Unzufriedenheit mit den Lebensbedingungen in der DDR – und das konnte das MfS nicht korrigieren, das war auch nicht seine Aufgabe gewesen. Und das nun auf die Schiene zu schieben, das MfS hätte das alles verursacht, ist völlig idiotisch, weil das MfS eigentlich sehr viel dazu getan hat, um wirtschaftliche Probleme in der DDR zu lösen, Mängel und Missstände aufzudecken. Für die Dinge, die eigentlich Auslöser der Unzufriedenheit waren, war das MfS auf keinen Fall verantwortlich. Es sind natürlich dann Dinge hochgepuscht worden, emotionalisiert worden, wie die angebliche Aktenvernichtung die im MfS stattfände, die zu verhindern wäre, das war immer der Grund für die Stürme auf die Dienststellen des MfS. Das sind aber vorgeschobene Sachen gewesen, die nicht an das eigentliche Wesen dieser Spannungen und Konflikte in der DDR ran gehen. Soweit zur Rolle des MfS für die Krisenjahre.

In den Krisenjahren war das MfS ausmanövriert, es hat praktisch seit Oktober keine aktive Abwehrarbeit des MfS gegeben. Es hat zwar noch Informationen gegeben, aber dem MfS waren die Hände gebunden. Es wurde schon begonnen die inoffiziellen Mitarbeiter zu verabschieden und die Mitarbeiter bereiteten sich in großen Gruppen schon auf ihre Entlassung vor. Der Runde Tisch hatte ja am 15. Dezember schon beschlossen die Nachfolgeeinrichtung des MfS, das Amt für nationale Sicherheit, aufzulösen. Es sollte dann ein Verfassungsschutz und ein Auslandsnachrichtendienst gebildet werden, dazu ist es aber nicht mehr gekommen. Es war auch innerhalb des MfS ein desolater Zustand vorhanden, eine Situation in der es unklar war, welche Rolle das MfS weiter spielen wird und soll. Das MfS war durch diese ganzen Geschichten an einer aktiven Gegenwehr gehindert, es ist also keine aktive Gegenwehr erfolgt. Wenn man sich mal überlegt, dass da widerstandslos Dienststellen besetzt wurden … das ist ja eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, dass das überhaupt passieren konnte.

Welchen Stellenwert hatte denn dann konkret der Sturm auf die MfS Zentrale und die anschließende Berichterstattung darüber – zu nennen wären hier Schlagworte wie „8000 Mark Gehalt“ und „Kaviar steht auf dem Speiseplan“ die danach kursierten – für die Konterrevolution in der DDR?

Es war insofern eine Zäsur, als dass damit eines der wichtigsten Sicherheitsorgane in der DDR endgültig lahmgelegt wurde, was aber auch vorher schon im Gange war.

… Und auch jede Gründung einer Nachfolgeorganisation?

Die Gründung einer Nachfolgeorganisation, das war auch zu diesem Zeitpunkt schon entschieden, dass die nicht stattfindet, also es gab dann praktisch ein Land was auf einen Geheimdienst verzichtet hat, solange bis dann die westlichen Geheimdienste das übernommen haben.

Und die Berichterstattung – das ist die übliche Feindpropaganda, die in diesem Zusammenhang gemacht wird. Später sind ja dann die Gehaltslisten des MfS veröffentlicht worden. Da konnte man dann nachlesen, dass noch nicht einmal der Minister für Staatssicherheit der DDR 8000 Mark verdient hat. Also das war natürlich massiv übertrieben. Oder das mit dem Kaviar: es gab in dem Versorgungstrakt einen kleinen exklusiven Speisesaal für die Bewirtung ausländischer Gäste. Dort gab es dann auch mal ein erlesenes Essen. Aber das war ja nicht die normale Verpflegung eines Mitarbeiters des MfS. Dann wurde natürlich so eine Speisekarte in die Kameras gehalten und es war klar: Die haben von früh bis abends Kaviar gefuttert und wir haben praktisch nicht mal Salami gehabt! Das ist die übliche Art wie Propaganda gemacht wird, wie Emotionen geschürt werden. Heute reden wir von Fakenews – die gab es damals wie heute natürlich jede Menge, auch über die Arbeit des MfS, über die Vernichtung der Akten und so weiter.

Wurden also keine Akten vernichtet?

Es wurden Akten vernichtet. Aber weder systematisch, noch um irgendwelche Verbrechen zu verschleiern. Der beste Gegenbeweis ist, dass sogar ein Geheimarchiv des MfS erhalten geblieben ist, das als Geheimarchiv natürlich als erstes hätte vernichtet werden müssen. Wir mussten uns natürlich darauf vorbereiten, dass wir mit einer deutlich kleineren Mitarbeiterzahl auskommen und uns von vielem Papier trennen müssen, was ja auch sowieso überflüssig geworden war – das wurde dann natürlich vernichtet. Ich habe zum Beispiel auch säckeweise Fachschulungsmaterial vernichtet, weil das nicht mehr den neuen Bedingungen entsprochen hat. In diesen Papiersäcken zum Beispiel, die immer wieder präsentiert werden, darin sind Bögen von Essensmarken für die Mitarbeiter und so weiter. Und das wird alles präsentiert als Opferakten, als Dokumente für schändliche Verfolgung von Menschen oder was weiß ich – also es entspricht nicht den Tatsachen. Natürlich ist aber versucht worden Akten von inoffiziellen Mitarbeitern zu vernichten, aus Verantwortung für diese inoffiziellen Mitarbeiter. Das ist auch zum Teil gelungen und es gibt auch inoffizielle Mitarbeiter wo eben keine Akte mehr vorhanden ist.

Die Verteidigung des Sozialismus ist natürlich notwendig, dazu gehören auch Geheimdienste wie das MfS. Wie wir rückblickend sehen können wurde es jedoch nicht geschafft den Sozialismus zu verteidigen – was ist da schief gelaufen? 

Im Jahr 2007 gab es eine Konferenz zur Hauptverwaltung Aufklärung des MfS. Dort hat der Chefhistoriker der CIA ausgeführt, dass das MfS den Krieg der Geheimdienste gewonnen, aber den Kalten Krieg verloren hat. Das trifft es eigentlich am besten. Es gibt Dinge, die mit Mitteln der Geheimdienste nicht zu lösen sind. Die Probleme, an denen die DDR gescheitert ist, waren keine Probleme die Fragen der Sicherheit mit militärischen, mit polizeilichen, mit geheimdienstlichen Mitteln betreffen, sondern es waren Fragen der inneren Sicherheit, die sich darauf gründen muss, dass das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung in die Partei- und Staatsführung existiert, dass also die Partei- und Staatsführung sich auf die Zustimmung breiter Kreise in der Bevölkerung stützen kann. Diese Zustimmung, dieses Vertrauen war verloren gegangen – vor allem aufgrund wirtschaftlicher Probleme. Es ist auch so gewesen, dass zum Beispiel Helmut Kohl nicht die geheimdienstliche Karte gegen die DDR gezogen hat. Wir hatten zugelassen, dass Rainer Eppelmann eine Reise in dringenden Familienangelegenheit in die Bundesrepublik durchführt und der hat dort auch erwartungsgemäß Helmut Kohl aufgesucht. Wir hatten schon gewusst was da besprochen wurde. Er hat ihn nicht zurückgeschickt als Anführer der Konterrevolution, er hat darauf gebaut, dass diese wirtschaftliche Strahlkraft, diese wirtschaftliche Anziehungskraft der Bundesrepublik von allein wirkt. Und wenn du jetzt überlegst, es sind 1987/88 ungefähr eine Millionen DDR-Bürger in dringenden Familienangelegenheiten in die Bundesrepublik gefahren – eine Millionen jedes Jahr – und die kamen zurück mit leuchtenden Augen. Die haben die vollen Schaufenster gesehen, das Überangebot für den Konsum, die schicken Autos – kamen zurück und haben auf die Anmeldung ihres Trabant gesehen und wussten, dass sie noch 15 Jahre zu warten haben. Und das hat die DDR kaputt gemacht … vereinfacht gesagt. Es ging dabei nicht so sehr darum, dass wir im Rückstand zur Bundesrepublik waren – wir haben ja zu einem viel schlechteren Ausgangspunkt diesen Aufholprozess begonnen. Aber dieser Aufholprozess ist praktisch in den letzten fünf Jahren der DDR wieder rückläufig gewesen. Die Schere im Lebensstandard des Normalbürgers zur Bundesrepublik hat sich nicht weiter geschlossen, sie ist auseinandergegangen. Die Erwartung, dass es jetzt besser wird ist dadurch natürlich zurück gegangen. Wir sind immer gemessen worden an der Bundesrepublik und nicht an Somalia oder Bulgarien oder sonstigen Ländern, zumal die BRD für das kapitalistische System ein Schaufenster dargestellt hat. Und in diesem Vergleich haben wir letztlich aufgrund bestimmter wirtschaftlicher Probleme nicht bestehen können. Das ist eine wichtige Einsicht für mich. Wobei natürlich auch vieles andere dazu kam, die Parteiführung selbst hatte jeden Bezug zur Realität verloren. Es haben im November/Dezember selbst Mitglieder der SED gegen die eigene Führung demonstriert. Das es so weit kommen musste, dass sie sich teilweise so weit von ihren eigenen Mitgliedern entfernt hatten, das war schon auch schlimm. Und ein System was aufhört sich infrage zu stellen, immer wieder nach neuen Wegen, besseren Lösungen sucht, das ist zum Untergang verurteilt. Und diese Erstarrung des Systems war meiner Meinung nach in der Sowjetunion mit Leonid Breschnew schon eingetreten und bei uns mit der Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker. In diesem Moment ist aufgegeben worden immer wieder nach neuen Lösungen zu suchen. Viele Dinge sind verschlafen worden – die wissenschaftlich-technische Revolution zum Beispiel. Das sind die eigentlichen Ursachen und kein Geheimdienst der Welt kann das kompensieren.

Also war die Auseinandersetzung so zu sagen schon verloren und es lag nicht mehr in der Macht des MfS etwas an den Entwicklungen in den Krisenjahren zu ändern? Hätte man nicht zum Beispiel mit Teilen der Opposition konfrontativer und repressiver umgehen können und müssen um zu verhindern, dass sie das Land weiter destabilisieren?

Die Opposition, die sich mit der so genannten unabhängigen Friedenbewegung entwickelt hat, war ja praktisch ein Versuch mit legalen Mitteln eine legale, außerhalb der gesellschaftlichen Struktur angesiedelte Gegenkraft zu formieren. Und solange legale Mittel im Spiel sind, gab es auch keine Möglichkeit mit repressiven Mitteln dagegen zu wirken. Das was das Instrumentarium der Geheimdienste oder insgesamt der Sicherheitsorgane war, ist in diesem Fall nicht schlagkräftig. Man konnte ja diese Gruppen nicht in den Kirchen, in denen sie sich versammelt hatten, einfach festnehmen und einsperren – warum denn auch? Auf welcher Basis denn? Insofern war von vorneherein klar, dass diese Opposition wie sie sich entwickelt hat hauptsächlich mit politischen Mitteln zu bekämpfen ist. Und die SED-Führung war eben nicht bereit diese politischen Mittel überhaupt zu erwägen oder einzusetzen oder auch ihre Politik insgesamt zu überdenken, um den so genannten Oppositionellen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wir haben als MfS zum Beispiel mehrfach vorgeschlagen, ’87 schon, dass man einen Dialog führen müsste mit den Vertretern dieser so genannten unabhängigen Friedensbewegung, aber ein Dialog auf Augenhöhe, nicht wie am Runden Tisch wo dann die „Doppelherrschaft“ schon da war und alles nur noch in etappenweisem Zurückweichen stattgefunden hat. Das ist abgelehnt worden. Die SED-Führung hat das auf die Staatssicherheit ab delegiert. Aber viel gefährlicher als diese Opposition, die noch Mitte des Jahres ’89 nur etwa 2500 Leute umfasst hat, nicht mehr, war die Problematik der Ausreiseantragssteller. Auch hier hat die Parteiführung das Problem an die Sicherheitsorgane ab delegiert. Aber das ging nicht, das waren im Kern Wirtschaftsflüchtlinge und die wollten einfach ein besseres Leben in der Bundesrepublik haben. Diese wirtschaftlichen Probleme konnte die Staatssicherheit nicht lösen. Wir haben alles Mögliche versucht, zum Beispiel gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, die mit diesen Antragsstellern dann sprechen, mit dem Ziel sie zurück zu gewinnen. Auch hier war wieder keine geheimdienstliche, sondern nur eine politische Aktion möglich. Diese Aufwendungen waren natürlich zum größten Teil für die Katz: etwa 3% haben sich umstimmen lassen und sind dann hiergeblieben und der Rest hat hartnäckig seinen Antrag weiter verfolgt bis dahin, dass sie zu jeder Provokation bereit waren, auch um den Preis über den Knast dann frei gekauft zu werden durch den Westen. Es war keine Abschreckung mehr, wenn sie aufgrund unerträglich gewordener Provokationen eingesperrt worden sind, denn dann sind sie von dort in die Bundesrepublik gekommen. Das hat sich natürlich rumgesprochen. Diese repressive Seite war im Grunde auch da wirkungslos. Das waren Probleme die eben nicht von der Staatssicherheit gelöst werden konnten und die eigentlich auch nicht in das Ressort der Staatssicherheit gehört hätten.

Leider ist es vergeigt worden, aber es ist keine Sache die dem MfS anzulasten ist.

Wir stellen immer wieder fest, dass die herrschende Geschichtsschreibung über die DDR sehr einseitig und verfälschend ist, besonders wenn es um das MfS geht. Wenn wir wirklich verstehen wollen wie die DDR funktioniert hat und woran sie zugrunde gegangen ist, müssen wir uns deshalb eigenständig mit ihrer Geschichte auseinandersetzen. Es ist ein langfristig organisierter und systematischer Klärungsprozess notwendig, um die komplexen Zusammenhänge zwischen der politischen Krise, den wirtschaftlichen Problemen, dem Revisionismus und der Aggression aus dem imperialistischen Ausland verstehen zu können. Mit dem BolscheWiki haben wir eine Plattform geschaffen, um kollektiv Schritte in Richtung einer Niederlagenanalyse zu erarbeiten. Mit der von uns mitherausgegebenen Neuauflage des Sammelbands „Unter Feuer. Die Konterrevolution in der DDR“, dem „Protokollband der Konferenz vom 5. und 6. Oktober 2019 in Berlin“ der KPD oder unserem Hintergrundartikel „30 Jahre Konterrevolution. Die Sieger schreiben die Geschichte“ sind erste wichtige Auseinandersetzungen mit der DDR-Geschichte festgehalten worden. 

Für den Klärungsprozess wird schließlich jede helfende Hand gebraucht. Besonders die Erfahrungen ehemaliger DDR-Bürger müssen darin einfließen. 

Melde dich bei der AG Sozialismus (ag_sozialismus@kommunistische.org) und hilf mit die Niederlage des Sozialismus zu verstehen, aus ihr zu lernen und dadurch den Weg für einen erneuten Anlauf zum Sozialismus in Deutschland zu ebnen!