Beitrag zur Diskussionstribüne Klima&Kapitalismus – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)
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von Thanasis Spanidis, Jakob Schulze, Ernesto Camillo und Hans-Christoph Stoodt
1 Einleitung
Der Klimawandel und die fortschreitende
Zerstörung der natürlichen Umwelt sind real und immer unmittelbarer
für jeden von uns zu spüren. Zurecht erkennen immer mehr Menschen,
auch aus der Arbeiterklasse, die große Relevanz dieses Themas und
was es für ihre Zukunft, die Zukunft ihrer Kinder und Enkel
bedeutet. Die Kommunisten erheben für sich den Anspruch, der am
weitesten fortgeschrittene Teil der Arbeiterklasse zu sein, der
hinter allen aktuellen Problemen der Klasse die zugrundeliegenden
Entwicklungen und Kräfte erkennt und ohne Illusionen das ausspricht,
was notwendig und korrekt ist. Es bedarf daher einer marxistischen
Antwort auf die ökologische Frage, die ständig an Bedeutung und
Aufmerksamkeit gewinnt und es auch in Zukunft tun wird.
Leider kann es keine ernsthaften Zweifel mehr daran geben, dass
die menschliche Zivilisation in der nahen Zukunft auf katastrophale
klimatische Veränderungen im globalen Maßstab zusteuert und dass
diese Bedrohung von den Emissionen an Treibhausgasen verursacht wird.
Widerstand gegen diese Entwicklung ist daher dringend erforderlich
und die Kommunisten müssen dabei diejenige Kraft sein, die in den
Diskussionen und Aktionen die Frage der Eigentumsverhältnisse in den
Vordergrund stellt.
Weder ein Ausweichen vor dieser Problematik noch eine
opportunistische Anbiederung an die bürgerliche Umweltbewegung
können eine Lösung für uns sein. Nur eine umfassend
wissenschaftlich begründete Analyse, die den Stand der
Naturwissenschaften berücksichtigt und deren Erkenntnisse in die
Weltanschauung des wissenschaftlichen Sozialismus aufnimmt, kann
unseren Ansprüchen genügen und die Arbeiterbewegung voranbringen.
In diesem Artikel werden wir zunächst den Stand der Forschung zu
verschiedenen Problemfeldern der ökologischen Frage darstellen,
wobei besonderes Gewicht auf den Klimawandel gelegt wird. Da nicht
davon auszugehen ist, dass die naturwissenschaftlichen Vorgänge
allgemein bekannt sind, werden ein paar zentrale Tatsachen erklärt.
Dann werden wir aus unserer Sicht die Grundzüge einer
marxistisch-leninistischen Position zur ökologischen Frage im
Allgemeinen darlegen und darauf eingehen, wie sich diese
Fragestellung in die revolutionäre Strategie der Kommunisten einfügt
und welche Relevanz sie für den zukünftigen Aufbau des Sozialismus
hat. Hiermit schließen wir uns den Standpunkten an, die zahlreiche
marxistisch-leninistische Organisationen innerhalb der
kommunistischen Weltbewegung zu diesen Fragen entwickelt haben. So
z.B. die Union der Kommunistischen Jugend aus Frankreich (UJC 2019),
die Kommunistische Partei der Arbeiter Spaniens (PCTE 2019), die
Kommunistische Partei Schwedens (SKP 2019) sowie die Kommunistische
Partei Griechenlands (Ziogas 2006). Während sie in der Bewertung der
bürgerlichen Umweltbewegung unterschiedliche Akzente setzen, besteht
Einigkeit in der Einschätzung, dass wir es bei Klimawandel und
Umweltzerstörungen mit gewaltigen globalen Bedrohungen zu tun haben,
die von der kapitalistischen Produktionsweise verursacht wurden und
von ihr keineswegs wirksam bekämpft werden können.
Warum ist es überhaupt notwendig, sich so ausführlich mit den
naturwissenschaftlichen Fakten, mit CO2 und Wasserdampf,
Temperaturmessungen und Hitzewellen zu beschäftigen? Sollten wir das
nicht den Klimatologen überlassen und uns als Kommunisten eher damit
befassen, wie die Klima- und Umweltbewegung politisch einzuschätzen
ist? Diese Fragen müssen mit einem klaren Nein beantwortet werden.
Denn es ergibt keinen Sinn, eine politische Bewegung und ihre
Forderungen zu beurteilen, bevor man ein wissenschaftlich begründetes
Verständnis über den Gegenstand dieser Bewegungen hat. Wir würden
beispielsweise die Friedensbewegung nicht analysieren, ohne dabei
unser marxistisches Verständnis vom Imperialismus einzubeziehen. Wir
würden die Aktivitäten antifaschistischer Gruppen nicht bewerten,
ohne eine marxistische Faschismusanalyse zugrunde zu legen. Denn ob
diese Kräfte dem Interesse der Arbeiterklasse dienen oder nicht,
lässt sich überhaupt nicht bestimmen, ohne ein Verhältnis zum
Gegenstand selbst einzunehmen. Z.B. ist ein „Antifaschismus“, der
die Klassenfrage und den Imperialismus ausblendet und sich darauf
beschränkt, „rechte Ideologie“ zu bekämpfen, nicht nur
unzureichend, sondern irreführend und schädlich.
In Bezug auf die Frage der Umweltbewegung verhält es sich
genauso. Bevor man die „Panikmache“ dieser Bewegung kritisiert,
sollte man zuerst analysieren, ob diese „Panik“ sich zumindest
auf reale Vorgänge bezieht oder einfach nur auf irrationalen
Horrorphantasien beruht. Wer sich mit den naturwissenschaftlichen
Fragen nicht befassen möchte, aber dennoch die „Panikmache“ der
Klimabewegung kritisiert, hat in Wirklichkeit trotzdem bestimmte
implizite Annahmen über den Gegenstand getroffen – nämlich, dass
die Auswirkungen des Klimawandels wohl nur halb so schlimm sein
werden.
Natürlich macht es für die Bewertung einer Bewegung wie „Fridays
for Future“ einen gewaltigen Unterschied, ob wir davon ausgehen,
dass es sich einfach um irregeleitete Kinder handelt, die dem großen
Klimaschwindel aufgesessen sind, um auf Kosten der Arbeiterklasse die
CO2-Steuer durchzudrücken; oder ob wir zumindest anerkennen müssen,
dass viele dieser Jugendlichen wahrscheinlich aus richtiger
Motivation auf die Straße gehen, um ein großes und reales Problem
anzugehen – was selbstverständlich eine Kritik an elitären,
kleinbürgerlichen, massenfeindlichen und ja, auch
irrationalistischen Tendenzen keineswegs ausschließt.
Es ist also falsch zu glauben, man könne sich an den
naturwissenschaftlichen Fragen – vor allem den Fragen nach den
Ursachen der globalen Erwärmung und ihren zu erwartenden Folgen –
vorbeidrücken. Wenn wir nicht unsere Handlungs- und Analysefähigkeit
zum gesamten Themenkomplex des Klimawandels und der Klimabewegung
verlieren wollen, ist das nicht möglich. Wir sehen es daher als
unsere Aufgabe an, keine bloße Analyse von Diskursen oder
politischen Bewegungen zu betreiben, sondern eine
dialektisch-materialistische Analyse der Umwelt- und Klimafrage
insgesamt zu entwickeln, die den Stand der Naturwissenschaften in die
Forschung miteinbezieht. Dazu wollen wir hiermit einen ersten
Aufschlag leisten.
Am Schluss dieser Einleitung noch ein paar Worte zu den
verwendeten Begriffen. Der Einfachheit halber wird auch hier des
Öfteren vom „Klimawandel“ gesprochen. Obwohl es natürlich auch
einen ständigen natürlichen Klimawandel gibt, sollte klar sein,
dass hier der durch Emissionen von Treibhausgasen verursachte
Klimawandel gemeint ist.
Statt von „Klimaskeptikern“ wollen wir von „Klimaleugnern“
sprechen. Denn Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Theorien ist als
Haltung angebracht und legitim. Keine Theorie ist davon ausgenommen,
dass man sie anhand wissenschaftlicher Kriterien überprüfen und
gegebenenfalls korrigieren muss. Im Unterschied dazu zeichnen sich
diejenigen, die offensiv den menschengemachten Klimawandel anzweifeln
oder als Lüge bezeichnen, durch die Leugnung wissenschaftlich
erwiesener Tatsachen aus, während sie ihrerseits oftmals mit
unredlichen Methoden versuchen, bei Laien Zweifel an den
Erkenntnissen der Naturwissenschaften zu streuen.
Wenn von der ökologischen Frage oder Umweltfrage die Rede ist,
dann ist damit im allgemeinen die politische Frage gemeint, welche
gesellschaftlich-politischen Veränderungen notwendig sind, um den
Planeten Erde als einen lebenswerten, für das Leben heutiger und
zukünftiger Generationen günstigen Ort zu schützen bzw. einen
solchen Zustand wiederherzustellen. Diese Frage ist aus unserer Sicht
untrennbar mit der Frage nach den gesellschaftlichen Verhältnissen
verbunden, die eine solche menschenwürdige Existenz erst möglich
machen würden. Auch darum soll es in diesem Text gehen.
2 Die globale Erwärmung des Klimas
Der „Klimawandel“ – was ist das?
Sowohl in den Medien als auch im Alltag wird immer wieder vom
Klimawandel gesprochen. Doch was befindet sich eigentlich hinter dem
Begriff? Was genau bedeutet Klimawandel und was hat es mit dem
„natürlichen Klimawandel“ im Unterschied zum „menschengemachten“
auf sich? Diese Fragen sollen im Folgenden kurz und knapp erläutert
werden. Hierbei soll keine detailgetreue Beschreibung der einzelnen
physischen und klimatischen Prozesse erfolgen, da der Fokus auf dem
politischen Inhalt des Artikels liegen soll.
Wenn man vom Klimawandel spricht, ist es zunächst notwendig vom
Treibhauseffekt zu reden, welcher dabei eine fundamentale Rolle
spielt. Der Treibhauseffekt ist zunächst ein völlig „normaler“
Prozess der Natur, der auch ganz ohne den Einfluss des Menschen
stattfindet. Der Treibhauseffekt ist für die Natur, und somit auch
für den Menschen von großer Bedeutung, da durch ihn das Leben auf
unserer Erde erst möglich gemacht wird. Doch wie funktioniert dieser
Treibhauseffekt eigentlich?
Der Treibhauseffekt kommt dadurch zustande, dass die Erde, genauso
wie jeder andere physikalische Körper, Wärme abstrahlt. Die auf der
Erde ankommende Sonnenstrahlung wird zu knapp einem Drittel von der
Atmosphäre (Wolken, Aerosole) und der Erdoberfläche (Schnee, Eis)
reflektiert, der Rest wird von der Atmosphäre, der Land- und
Meeresoberfläche absorbiert. Verantwortlich für diese Absorption in
der Atmosphäre sind verschiedene Gase, die sogenannten
Treibhausgase. Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Wasser (H2O)
zählen zu den wichtigsten dieser Treibhausgase. Sie absorbieren die
von der Erdoberfläche abgestrahlte Wärmestrahlung zum Teil und
strahlen gleichmäßig in alle Richtungen ab, somit auch einen Teil
auf die Erdoberfläche. Dort wird die ankommende Wärmestrahlung
wieder absorbiert und in die Atmosphäre abgestrahlt, und der
Kreislauf beginnt wieder von vorne. Diesen Effekt nennt man
Treibhauseffekt und er sorgt für eine mittlere Temperatur von +15
°C. Die Physiker Joseph Stefan und Ludwig Boltzmann haben schon im
Jahr 1879 die sogenannten Strahlengesetze entwickelt, welche belegen,
dass es auf der Erdoberfläche ohne den natürlichen Treibhauseffekt
eine mittlere Durchschnittstemperatur von -18°C geben müsste
(Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.31). Der natürliche Treibhauseffekt
macht die Erde also erst bewohnbar, ohne ihn wäre die Erde dauerhaft
gefroren, Leben hätte sich vermutlich gar nicht entwickeln können.
Den Treibhauseffekt gibt es natürlich auch auf anderen Planeten wie
z.B. der Venus, die viel heißer ist, als es ihr Abstand zur Sonne
alleine erklären könnte. Es gibt ihn überall da, wo es eine
Atmosphäre gibt, die Treibhausgase enthält.
Natürliche Schwankungen dieser Treibhausgase haben in der
Erdgeschichte schon immer zu großen Klimaveränderungen geführt,
beispielsweise durch die Bindung dieser Treibhausgase in großen
Eisvorkommen oder durch das Entweichen in die Atmosphäre durch
vulkanische Aktivitäten. Dabei dienen Böden, Wälder, Ozeane und
andere Vorkommen als natürliche Treibhausgasspeicher. Doch nicht nur
der Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre spielen bei den
Klimaschwankungen eine große Rolle, sondern auch andere Faktoren,
nicht zuletzt die Milanković-Zyklen. Diese Zyklen wurden vom
serbischen Astronomen Milutin Milanković erstmals nachgewiesen,
nachdem er die Arbeiten vom belgischen Mathematiker Joseph Adhemar
ausgearbeitet hatte, und belegen, dass sich die Erdumlaufbahn in
stetigen Schwankungen befindet, was Auswirkungen auf die
Sonneneinstrahlung hat. Ein anderer Faktor ist die schwankende
Sonnenaktivität, die mal stärker, mal schwächer ist und das
Erdklima beeinflusst. Allerdings ist dieser Einfluss im Vergleich zur
Zunahme der Treibhausgase minimal: Die zusätzliche Energie, die
dadurch auf die Erdoberfläche gestrahlt wird, beträgt höchstens
0,24 W/m² im Vergleich zu ca. 2 W/m² durch die Zunahme der
Treibhausgase in der Atmosphäre (Hansen 2018). Später werden wir
zudem sehen, dass für die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte
Schwankungen der Sonnenaktivitäten tatsächlich überhaupt nicht
verantwortlich gemacht werden können.
Es wird also deutlich, dass sich der Klimakreislauf in einem
ständigen zyklischen Wandel befindet und daher also einen stetigen
Kreislauf von Wärme- und Kälteperioden durchläuft. Entscheidend
hierbei ist aber, dass es sich um Zyklen handelt, also periodisch
wiederkehrende Phänomene und nicht kontinuierliche Steigerungen. Die
Entwicklung der letzten Jahre ist aber eine ständige Erwärmung mit
enormer Geschwindigkeit, die sich durch diese Zyklen oder andere
natürliche Faktoren nicht erklären lässt.
Wenn vom „Klimawandel“ die Rede ist, geht es in aller Regel um
den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen, der seit Beginn
der Industrialisierung und vor allem in den letzten Jahrzehnten zu
beobachten ist und nicht um die langfristig stattfindenden
natürlichen Klimaschwankungen über die Jahrhunderte und
Jahrtausende. In diesem Sinne verwenden auch wir den Begriff
Klimawandel.
Die menschlichen Ursachen der globalen Erwärmung
Was ist die Ursache dieser globalen Erwärmung? Der Mensch greift
durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, aber auch von
organischem Material aktiv in diesen Kreislauf ein. Der in Erdöl,
Holz, Böden und anderen Materialien in Form von Kohlenstoff oder
festen Kohlenstoffverbindungen gebundene Kohlenstoff wird in diesen
Verbrennungsprozessen in Form von CO2 freigesetzt und in
der Atmosphäre angereichert. Dieser Prozess wurde vor allem durch
den Beginn der kapitalistischen Produktion und damit der Ausbreitung
der industriellen Produktion in Gang gesetzt, d.h. ab ca. 1850. So
ist der globale CO2-Durchschnittwert in der Atmosphäre
von 280 ppm (parts per million) im Zeitraum vor der Durchsetzung der
kapitalistischen Produktionsweise, auf 405 ppm im Jahr 2017
angestiegen (Lindsey 2018; parts per million bedeutet hierbei,
dass so und so viele CO2-Moleküle auf eine Million
Luftpartikel kommen). Vor 15 Mio. Jahren lag die Konzentration
aufgrund natürlicher Faktoren schon mal bei 500 ppm – allerdings
war es zu dieser Zeit bis zu 5 °C wärmer auf der Erde. Das sind
Bedingungen, unter denen das heutige Ökosystem kollabieren würde
und es zu einem massiven Artensterben käme (Wöhrbach 2018).
Bereits 1824 und 1860 wiesen Jean-Baptiste Fourier bzw. John
Tyndall nach, dass ein Anstieg der Spurengase in der Atmosphäre zu
Klimaerwärmungen führen können, und dass die dafür
verantwortlichen Gase vor allem Wasserdampf und CO2 sind
(Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.29).
Die These des menschengemachten Klimawandels wurde auf der
Grundlage dieser Erkenntnisse schließlich von August Arrhenius 1896
erstmals in seinem Essay „On the Influence of Carbonic Acid in the
Air Upon the Temperature on the Ground“ formuliert (Pomrehn 2015;
Foster et al. 2010, S. 129). Die Ursachen der globalen Erwärmung
sind also spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt.
Diese Erkenntnisse waren eine Errungenschaft der Entwicklung der
Naturwissenschaften im Zusammenhang mit der Industriellen Revolution
und Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise.
Wissenschaftliche Erkenntnisse, die im Widerspruch dazu stehen, sind
bisher nicht aufgetaucht. Allein deshalb ist das immer häufiger zu
hörende Argument, dass hinter der aktuell geführten Diskussion um
den Klimawandel starke wirtschaftliche Interessen stehen würden und
daher der Klimawandel an sich infrage zu stellen sei, falsch. Denn
dass die Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts von den Interessen
der sogenannten „grünen Industrien“ beeinflusst gewesen sein
soll, die erst im 21. Jahrhundert stark an Bedeutung gewinnt, ist
absurd.
Dass es trotzdem sogar heute noch Kräfte
gibt, die die menschlichen Ursachen des Klimawandels leugnen, liegt
nicht daran, dass die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser
Frage uneindeutig wären – es liegt ganz einfach daran, dass es
mächtige kapitalistische Interessen gibt, die ein Interesse daran
haben, die Verbreitung dieser unumstößlichen Wahrheit zu behindern.
Der Tweet von Trump vom 6,November 2012 zeigt ein klares Interesse an
der Leugnung des Klimawandels zugunsten der amerikanischen
Wirtschaft. So schriebe er: „Das
Konzept der Erderwärmung wurde von und für Chinesen geschaffen, um
die amerikanische Produktion wettbewerbsunfähig zu machen.“
(Trump, 6. November
2012). Doch mehr dazu weiter unten.
Dass die menschliche Gesellschaft für den Anstieg der
Treibhausgase in der Atmosphäre verantwortlich ist, ist somit längst
bewiesen. Wer das anzweifelt, müsste jedenfalls zwei ganz einfache
Fragen beantworten: Erstens, wenn die Menschen fossile Brennstoffe
wie Öl und Kohle verbrennen, wo verschwindet dann das dabei
entstehende CO2, wenn nicht in die Atmosphäre? Und
zweitens, wenn der messbare Anstieg von Treibhausgasen nicht von der
Verbrennung fossiler Brennstoffe kommt, woher kommt er dann?
Es gibt aber auch noch unmittelbarere Belege dafür, dass der
Anstieg des CO2 vom Menschen verursacht wird. Die
chemischen Elemente kommen in Form verschiedener Isotope in der Natur
vor: Die Zahl der Protonen in einem Atom bestimmt, welchem Element
das Atom angehört. In einem Wasserstoffatom ist nur ein Proton
enthalten, in einem Kohlenstoffatom sechs, in einem Goldatom 79. Die
Atomkerne bestehen aber neben den Protonen auch aus Neutronen. Ein
Atomkern eines Elements kann verschiedene Neutronenzahlen beinhalten.
Das bezeichnet man dann als verschiedene Isotope desselben Elements.
Beim Kohlenstoff kommen in der Natur die Isotope C-12, C-13 und C-14
vor, wobei die Zahl jeweils die Anzahl der Neutronen im Atomkern
bezeichnet. C-14 ist ein radioaktives Isotop, das bedeutet, dass der
Atomkern nicht stabil ist, sondern mit der Zeit zerfällt und
Strahlung verursacht. Was hat das alles mit dem Klimawandel zu tun?
Fossiler Kohlenstoff (in Öl, Kohle und Erdgas) ist so alt, dass
das radioaktive Isotop C-14 in ihm nicht mehr vorhanden ist. Das
bedeutet, dass das CO2 in der Atmosphäre auch einen
sinkenden Anteil dieses Isotops aufweisen müsste, wenn der Anstieg
des CO2-Gehalts durch die Verbrennung fossilen
Kohlenstoffs entsteht – und genau das ist auch der Fall. Das
beweist, dass der Anstieg des CO2 tatsächlich aus der
Verbrennung fossiler Brennstoffe resultiert.
Ebenso klar erwiesen ist, dass in erster Linie die Treibhausgase
die globale Erwärmung verursachen. Zwar hat grundsätzlich auch die
Schwankung der Sonnenaktivität einen Einfluss auf das Klima.
Allerdings ist dieser Einfluss momentan klein und vor allem wirkt er
aktuell sogar einer Erwärmung entgegen, da die Sonnenaktivität in
den letzten Jahrzehnten rückläufig war. Der Faktor Sonne hat in den
letzten 30 Jahren das Erdklima nicht erwärmt, sondern um etwa 0,1°C
abgekühlt (Dettwiler 2019).
Daran, dass der Klimawandel „menschengemacht“ ist, kann somit
heute kein ernsthafter Zweifel mehr bestehen. Viele Faktoren können
mit natürlichen Ursachen nicht erklärt werden, vor allem der
gewaltige Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre.
Folgen des Klimawandels
2014-2016 wurde in drei Jahren infolge der Temperaturrekord
gebrochen – nie zuvor seit dem Beginn globaler
Temperaturaufzeichnungen im 19. Jahrhundert ist es auf der Erde so
heiß gewesen wie heute. 2016 war die Durchschnittstemperatur bereits
1,1 °C höher als vor dem Beginn der Industrialisierung. Dieser auf
den ersten Blick relativ niedrig klingende Wert ist aber trügerisch
– denn zum einen handelt es sich um einen Durchschnittswert, das
heißt dass die Temperaturextreme viel größer sein können und es
in bestimmten Regionen (z.B. in der Arktis) eine viel stärkere
Erwärmung geben kann. Zum anderen ist die Erwärmung der Meere, die
hier auch mitberechnet wird, generell geringer, während sich die
Landmassen bereits deutlich stärker erwärmt haben. Der Winter
2017/2018 war am Nordpol mit Abstand der wärmste, der jemals
gemessen wurde. Infolge des Klimawandels schmelzen bekanntlich die
Polkappen ab und führen zu steigenden Meeresspiegeln. Dieses Problem
ist an sich bereits ernst zu nehmen, da nach neueren Berechnungen der
Meeresspiegel bis 2100 um 65 cm oder mehr steigen würde (und danach
um viele weitere Meter), was bereits große bewohnte Gebiete mit
vielen Millionen Einwohnern wie Teile von Bangladesch oder Vietnam
überschwemmen würde und dadurch massenhafte Fluchtbewegungen
auslösen wird. Zu früheren Wärmezeiten war der Meeresspiegel um
bis zu 60 Meter höher, woran sich erahnen lässt, welche riesigen
Wassermassen momentan noch im ewigen Eis des Südpols und Grönlands
gebunden sind. Die Menschheit lebt seit dem Altertum mehrheitlich
nicht in Gebirgen, sondern an den Küstenregionen und Gewässern,
weil Transportmöglichkeiten, Fruchtbarkeit, Klima und Möglichkeiten
der Fischerei dort am besten sind. Etwa die Hälfte der Menschheit
lebt heute in solchen Regionen.
Doch die katastrophalen Folgen des Klimawandels erschöpfen sich
nicht in steigenden Meeresspiegeln. Extreme Wetterereignisse (Hitze-
und Kältewellen, Überschwemmungen, Tornados, Dürren, Waldbrände
etc.) häufen sich durch die steigenden globalen Temperaturen. Ein
Beispiel wäre die Zunahme von starken Niederschlagsereignissen in
den mittleren Breiten, wo die Oderflut 1997, die Elbeflut 2002 und
die Überschwemmungen im Alpenraum 2005 eingeordnet werden können.
Bei der Elbeflut erreichte der Fluss in Dresden mit 9,4 Metern den
höchsten Pegel seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1275
(Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.70). Weiterhin lässt sich
statistisch nachweisen, dass es seit Beginn der Aufzeichnungen im
Jahre 1851 noch nie so viele tropische Stürme gab wie 2005 (damals
wurden insgesamt 27 Hurricanes gezählt). Die Häufigkeit der
Wirbelstürme der höchsten Kategorie 5 und der intensivste je
gemessene Hurrikane Wilma, mit 882 Millibar Zentraldruck, sind
weitere statistische Besonderheiten des Jahres 2005. Auch wenn es
bisher noch sehr schwierig ist, die Auswirkungen von
Klimaveränderungen auf tropische Wirbelstürme mit Hilfe von
Computern zu simulieren, lässt sich erkennen, dass der Klimawandel
sich stark auf die Anzahl und die Intensität von Wirbelstürmen
auswirkt. Auf Basis unseres physikalischen Verständnisses können
Aussagen darüber getroffen werden, wie sich die Wetterextreme
zukünftig entwickeln könnten. Das Clausius-Clapeyron-Gesetz besagt,
dass bei einer Erwärmung von einem Grad Celsius die Luft bis zu 7%
mehr Wasserdampf enthalten kann (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S.73).
Ein Starkregenereignis kommt beispielsweise zustande, wenn eine
Luftmasse auf ein Gebirge trifft, aufsteigt, und anschließend
abregnet. Je wärmer die Luft ist, umso mehr Wasserdampf kann diese
enthalten und umso stärker wäre das Abregnen am Gebirge.
Gleichzeitig nimmt die Verdunstungsrate zu, was einen schnelleren
Verlust der Bodenfeuchte zur Folge hat (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018,
S.73). Somit wäre es wahrscheinlich, dass Dürreereignisse, trotz
der Zunahme von Starkregenereignissen, ebenfalls zunehmen. Ein
aktuelles Beispiel stellt die Hitzewelle im Sommer 2018 dar, bei dem
die deutschen Bauern einen Großteil ihrer Ernte verloren haben. Aber
auch die Zunahme von Waldbränden, beispielsweise in Südeuropa,
Kalifornien oder in den letzten Monaten die katastrophalen Brände im
Amazonasbecken und verschiedenen afrikanischen Ländern stellen
Beispiele für Extremwetterereignisse und Dürren dar. Zwar spielt
dabei oft auch gezielte Brandstiftung, z.B. zur Gewinnung
landwirtschaftlicher Flächen oder Bodenspekulation eine Rolle. Doch
je höher die Temperaturen und je trockener die Wälder, umso
unkontrollierbar weiten die Brände sich aus. Davon sind dann
natürlich auch Menschenleben direkt bedroht.
Das betrifft aber nicht nur Waldbrände. Vor allem Kleinbauern in
der Südhalbkugel und armen Ländern werden durch schwindende Ernten
und Wasserknappheit immer weniger in der Lage sein, sich und ihre
Familien zu ernähren. Hungersnöte werden unweigerlich zunehmen und
sich verschlimmern.
Auch Hitzewellen sind direkt tödlich für zahlreiche Menschen.
Eine Studie über die Hitzewelle von 2003, die Daten aus 16
europäischen Ländern gesammelt hat, kam zu dem Ergebnis, dass über
70.000 Menschen in Europa an den Folgen der außergewöhnlichen Hitze
zu Tode kamen (Robine et al. 2008).
Weil das Klima immer Schwankungen
unterliegt, ist es nicht möglich, einzelne Wetterereignisse mit
absoluter Sicherheit dem Klimawandel zuzuschreiben. Allerdings
handelte es sich um den heißesten Sommer seit Beginn der
Aufzeichnungen 1851 und vermutlich um den heißesten seit 500 Jahren.
Auch die Jahre 2015-2018 waren nach Angaben der UNO die heißesten
vier Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen (Tagesanzeiger
7.2.2019).
Durch die Erwärmung des Klimas ändern
sich auch die Flora und Fauna, also die Ökosysteme der Welt.
Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten kommen mit den erhöhten
Temperaturen nicht zurecht und werden aussterben oder in andere
Regionen wandern. Umgekehrt kehren tropische und subtropische
Krankheiten und Parasiten bereits jetzt nach Europa zurück. Das
betrifft z.B. schwere Infektionskrankheiten wie Borreliose, durch
Zecken übertragene Hirnhautentzündungen, West-Nil-, Dengue- und
Chikungunyafieber und Leishmaniose (Daten aus Die Zeit 12.2.2018;
Pomrehn 2017). Natürlich sind Ökosysteme nie statisch, sondern
immer über langfristige Zeiträume Veränderungen unterworfen. Diese
können auch schlagartig verlaufen. Allerdings würden solche
Veränderungen zum Teil mit enormen Beeinträchtigungen des
menschlichen Lebens einhergehen. Wir dürfen uns keinesfalls der
Illusion hingeben, dass die Menschheit sich von den Ökosystemen
unabhängig gemacht hätte. Eine derart katastrophale Umwälzung des
Ökosystems, wie sie als Folge des Klimawandels und anderer
Folgeerscheinungen der Umweltzerstörung ausgelöst wird, wird sich
stark auf die Nahrungsversorgung, die Bewohnbarkeit ganzer Regionen,
die Verbreitung von Krankheiten usw. auswirken.
In den offiziellen Dokumenten der UN-Klimakonferenzen wurde bisher
immer die Obergrenze von 2°C genannt, die die Klimaerwärmung nicht
überschreiten dürfe, wenn unkontrollierbare katastrophale
Auswirkungen noch verhindert werden sollen. Nach Ansicht vieler
Wissenschaftler und potenziell besonders betroffener Länder ist
diese Grenze aber bereits zu hoch angesetzt und es wird ein
Schwellenwert von 1,5 °C gefordert. Setzen sich die aktuellen
Tendenzen fort, wird die globale Erwärmung wahrscheinlich bereits
irgendwann zwischen 2030 und 2052 die Schwelle von 1,5 °C
überschreiten. Um eine Erwärmung über diese Grenze hinaus zu
vermeiden, wären riesige Anstrengungen und Investitionen
erforderlich. Die Emission von CO2 und anderen Treibhausgasen müsste
innerhalb weniger Jahrzehnte praktisch beendet werden, Produktion und
Verkehr also mehr oder weniger komplett auf andere Energieträger
umgestellt werden. Die Versorgung mit Primärenergie müsste komplett
von fossilen Kohlenstoffträgern abgekoppelt werden. Diese
Anstrengungen wären mit riesigen Kosten verbunden – Kosten, die
unter kapitalistischen Bedingungen kein Staat und erst recht kein
Unternehmen bereit sein wird zu tragen.
Allerdings schwingt im Begriff des „menschengemachten
Klimawandels“ auch etwas ganz und gar Irreführendes mit: Es ist
nicht, wie bürgerliche Analysen immer wieder behaupten, der „Mensch
an sich“ und sein „unersättlicher“ Hunger nach
Ressourcenverbrauch, der das Klima in diesem Ausmaß beeinflusst,
sondern die weltweit herrschenden Produktionsverhältnisse, der
Kapitalismus. Dazu weiter unten mehr. Erst einmal zurück zu den
unmittelbaren Ursachen:
Der heutige Klimawandel unterscheidet sich aber von den
natürlichen Klimaveränderungen in der Erdgeschichte dadurch, dass
er sehr viel schneller von statten geht. Die bisher stattgefundene
Erwärmung um gut 1°C in zwei Jahrhunderten ist im Vergleich zu
früheren Erwärmungsperioden bereits extrem schnell. Zudem wird sich
die Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten mit Sicherheit
beschleunigen. Das IPCC rechnet in seinem letzten Bericht mit einem
globalen Temperaturanstieg von bis zu 6 °C bis zum Jahr 2100. „Die
letzte vergleichbar große globale Erwärmung gab es, als vor ca.
15000 Jahren die letzte Eiszeit zu Ende ging: Damals erwärmte sich
das Klima global um ca. 5 °C. Doch diese Erwärmung erfolgte über
einen Zeitraum von 5000 Jahren – der Mensch droht nun einen ähnlich
einschneidenden Klimawandel innerhalb eines Jahrhunderts
herbeizuführen.“ (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 52). Diese
Geschwindigkeit ist viele Tausend Male zu hoch, als dass sich die
Evolution der Arten auf der Erde daran anpassen könnte
(Quintero/Wiens 2013).
Grafik aus Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 27. Die Grafik zeigt
einen dramatischen Anstieg der Durchschnittstemperatur seit dem
Beginn der kapitalistischen Industrialisierung.
Die kapitalistische Produktionsweise ist heute der alleinige
Urheber des menschengemachten Klimawandels. Allerdings befindet sich
diese Produktion in einem Widerspruch, da sie auf der einen Seite
durch den massiven Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen die
Klimaerwärmung vorantreibt, auf der anderen Seite jedoch die
technologischen Möglichkeiten entwickelt, die Energieproduktion auf
erneuerbare Energien zu verlagern. Allein die Tatsache, dass es der
Menschheit durch den technischen Fortschritt schon längst möglich
wäre, sehr große Mengen Energie mit geringem CO2-Ausstoß zu
produzieren, dies aber bisher noch nicht stattfindet, belegt das
kapitalistische Interesse daran, im Wesentlichen, trotz größerer
Anpassungen, an der bisherigen Energieproduktion, unter anderem durch
Kohle- und Gaskraftwerke festzuhalten.
Der Kohle-, Erdöl, und Gasmarkt ist an große Profiterwartungen
geknüpft. So berichtete das Nachrichtenportal Businesswire am 9.
Januar 2018 über einen Bericht des US-Handelsministeriums, welcher
das Handelsvolumen des globalen Erdölmarktes auf insgesamt 200
Milliarden Dollar bis 2019 schätzt (Businesswire, 2018). Dies ist
nur ein Beleg dafür, dass der Kapitalismus ein großes Interesse an
dem zukünftigen Bestehen der Erdölgeschäfte haben wird, weshalb
eine Umstellung der Produktion auf erneuerbare Energien nur langsam
stattfinden wird – wobei „langsam“ hier nicht heißt, dass
diese Vorgänge keine großen gesellschaftlichen Auswirkungen und
weitere Umverteilung auf Kosten der Arbeiterklasse mit sich bringen
können. „Langsam“ bezieht sich hier darauf, dass sie nicht
ausreichend sind, um den CO2-Anstieg auf ein ökologisch tragbares
Maß zu beschränken. Allerdings sei hierbei nicht vergessen, dass
der Markt für erneuerbare Energien, vor allem für Windkraftanlagen,
stark gewachsen ist, und somit ebenfalls kapitalistischen Interessen
unterliegt. China ist beispielsweise der größte Markt für den
Windkraftanlagenbau. Somit ist der Wandel hin zu erneuerbaren
Energien innerhalb des Kapitalismus kein Wandel im Sinne der
Menschheit. Das heißt, dass es keineswegs die „gutmenschlichen“
Ideen von Firmen und Staaten sind, welche diese zu mehr Investitionen
in erneuerbare Energien antreiben, sondern der Drang nach höheren
Profiten. Zudem sind viele scheinbar „grüne“ Investitionen, wie
zum Beispiel der Ausbau von Elektroautos, welche von den Monopolen
und deren politischen Vertretern oftmals als positives Beispiel für
ihren Schritt in Richtung eines CO2-freien Verkehrs genannt werden,
eine weitere Quelle nicht nur für die Erschließung neuer Märkte,
sondern auch für die Produktion großer Mengen CO2. Bei dem Bau der
Batterien werden große Mengen an Nickel, Kobalt und vor allem
Lithium benötigt. Beim Abbau und Transport dieser wertvollen und
seltenen Materialien werden große Mengen an CO2 freigesetzt.
Verstärkende und entgegenwirkende Faktoren des
Klimawandels
Und schließlich sollte man sich im Klaren darüber sein, dass der
Klimawandel kein linearer Prozess ist. Nicht nur beschleunigt sich
durch die ständige gesetzmäßige Expansion der industriellen
Produktion der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen. Sondern die
steigenden Temperaturen setzen zum Teil neue Prozesse frei, die zu
einer weiteren Beschleunigung der Klimaerwärmung führen. Man
spricht hier von „positiven Rückkopplungseffekten“. Dafür im
Folgenden ein paar Beispiele: Durch das Abschmelzen der Eisflächen
am Nord- und Südpol sinkt der Anteil an heller Erdoberfläche
(Schnee, Eis; hoher Albedo), welcher die Sonnenstrahlung in die
Atmosphäre zurückreflektiert. Der Anteil an dunkler Erdoberfläche
(niedriger Albedo) absorbiert die Sonnenstrahlung, was zu einer
zusätzlichen Erderwärmung führt. Es bildet sich also ab einem
bestimmten Punkt ein fortschreitender Kreislauf der Erderwärmung.
Umso mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, umso schneller
erwärmt sich das globale Klima und umso weniger Sonnenstrahlen
werden, aufgrund des Anstiegs an dunkler Erdoberfläche (niedriger
Albedo), von dieser reflektiert.
Zweitens sind in den Meeren große Mengen Gase gespeichert, u.a.
auch Treibhausgase. Wenn sich das Wasser erwärmt, kann nur noch ein
geringerer Anteil dieser Gase im Wasser gelöst bleiben, ein größerer
Teil wird also in die Luft entweichen. Dadurch steigt die
Konzentration von Treibhausgasen und das Klima erwärmt sich weiter.
Abgesehen davon bedeutet die Anreicherung des Meerwassers mit CO2
auch eine fortschreitende Versauerung der Meere, was den Lebensraum
zahlreicher Arten und damit auch die Nahrungsversorgung großer Teile
der Menschheit bedroht.
Ähnliches gilt drittens für die riesigen Mengen an Methangas,
die in den Permafrostböden der nördlichen Landmassen gespeichert
sind. Permafrost bedeutet, dass diese Böden immer, also das ganze
Jahr durch, gefroren sind. Die Permafrostgebiete sind zusammen 22,8
Mio. Quadratkilometer groß, das ist mehr als die Fläche von
Russland und Indien zusammen (Pomrehn 2018). Sobald sie jedoch
auftauen, was natürlich ab einer gewissen Oberflächentemperatur
passieren wird, verwandeln sie sich in gigantische Sumpflandschaften.
Dadurch werden riesige Mengen Methan in die Atmosphäre entweichen.
Methan ist ein ungefähr 25mal stärkeres Treibhausgas als CO2.
Dieser Prozess wird sich über Jahrhunderte hinziehen, aber
voraussichtlich bereits in der nahen Zukunft sehr negative
Auswirkungen haben.
Viertens verdampft durch die steigenden Temperaturen mehr Wasser.
Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, dieses Wasser wird
also in geringerem Maße wieder flüssig und auf die Oberfläche
zurückregnen. Wasserdampf ist aber ebenfalls ein Treibhausgas und
verstärkt den Treibhauseffekt.
Es gibt auch „negative Rückkopplungseffekte“, die in die
Gegenrichtung wirken. Z.B. würde eine wärmere Erde auch mehr Wärme
zurück ins Weltall strahlen – dass ein wärmerer Gegenstand mehr
Wärme abstrahlt kennen wir ja von jeder Heizung. Außerdem würden
die höheren Temperaturen das Wachstum der Vegetation verstärken,
wodurch wieder eine größere Menge CO2 aufgenommen würde.
Aber beinhaltet das nicht die Möglichkeit, dass die negativen
Rückkopplungseffekte überwiegen und das Klima dadurch stabilisieren
könnten? Leider ist das sehr unwahrscheinlich. Denn: „Gäbe es
starke negative Rückkopplungen, die eine größere Klimaänderung
verhindern würden, dann wären auf einmal die meisten Daten der
Klimageschichte unverständlich. Hunderte von Studien wären allesamt
falsch, und wir müssten beim Schreiben der Klimageschichte ganz von
vorne anfangen. Doch eine solche noch unbekannte negative
Rückkopplung wäre der einzige Ausweg aus der ansonsten
unausweichlichen Folgerung, dass eine Erhöhung der
Treibhausgaskonzentration die von den Klimatologen vorhergesagte
Erwärmung verursachen wird. Es wäre töricht, auf die winzige
Chance zu hoffen, dass künftig eine solche negative Rückkopplung
entdeckt werden wird.“ (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 51).
Nach der Erhöhung der Treibhausgas-Konzentration ist der
zweitgrößte „menschengemachte“ Klimaeffekt die Erhöhung der
Aerosol-Konzentration in der Atmosphäre. Aerosole sind
Kleinstpartikel (fest und flüssig), die in der Luft schweben und
u.a. die Wolkenbildung beeinflussen. Aerosole, insbesondere
Schwefel-Partikel werden natürlich durch vulkanische Aktivität und
vom Menschen durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen,
Waldrodungen u.a. in die Atmosphäre gebracht. Aerosole bewirken
einen Kühlungseffekt, da sie die Reflektion des Sonnenlichts in der
Atmosphäre erhöhen. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass sich
dieser Effekt und die Erderwärmung durch nicht-CO2-Treibhausgase
(Methan, NO2) ungefähr ausgleichen. Daher korreliert die
Netto-Erderwärmung aktuell ungefähr mit der CO2-Konzentration in
der Atmosphäre (Hansen 2018). Auf eine Abkühlung des Klimas durch
Aerosole zu hoffen wäre allerdings auch deshalb einigermaßen
wahnsinnig, weil viele dieser Partikel, z.B. aus den Abgasen von
Autos, zwar das Klima abkühlen, aber gleichzeitig für den Menschen
sehr gesundheitsschädlich sind. Zudem geht ihr Anstieg zumeist mit
einem Anstieg des CO2 einher, da beide aus Verbrennung von Wäldern
oder fossilen Brennstoffen entstehen.
Zusammenfassend schreiben Rahmstorf und Schellnhuber: „Einige
wichtige Kernaussagen haben sich in den abgelaufenen Jahrzehnten der
Klimaforschung so weit erhärtet, dass sie unter den aktiven
Klimaforschern allgemein als gesichert gelten und nicht mehr
umstritten sind. Zu diesen Kernaussagen gehören:
-
Die
Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist seit ca.
1850 stark angestiegen, von dem für Warmzeiten seit mindestens 800
000 Jahren typischen Wert von 280 ppm auf inzwischen 410 ppm.
-
Für diesen
Anstieg ist der Mensch verantwortlich, in erster Linie (zu einem
Viertel) durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, in zweiter
Linie durch Abholzung von Wäldern.
-
CO2
ist ein klimawirksames Gas, das den Strahlungshaushalt der Erde
verändert: Ein Anstieg der Konzentration führt zu einer Erwärmung
der oberflächennahen Temperaturen. (…)
-
Das Klima hat
sich seit Ende des 19. Jahrhunderts deutlich erwärmt (global um ca.
1,1 °C, in Deutschland um ca. 1,8 °C); die Temperaturen der
abgelaufenen zehn Jahre waren global die wärmsten seit Beginn der
Messungen im 19. Jahrhundert und seit mindestens mehreren
Jahrtausenden davor.
-
Der weit
überwiegende Teil dieser Erwärmung ist auf die gestiegene
Konzentration von CO2 und anderen anthropogenen Gasen
zurückzuführen; ein kleinerer Teil auf natürliche Ursachen, u.a.
Schwankungen der Sonnenaktivität.“ (Rahmstorf/Schnellnhuber 2018,
S. 51f),
Wobei wir uns, wie oben gesagt,
natürlich die irreführende Formulierung nicht zu eigen machen, „der
Mensch“ sei für diesen seit etwa 1850 beobachtbaren Prozess
verantwortlich. Es ist vielmehr der Kapitalismus/Imperialismus. Dass
es sich beim „kapitalismusgemachten“ Klimawandel um eine weithin
gesicherte Tatsache handelt, beweisen nicht nur die eindeutigen
Ergebnisse von Temperaturmessungen. Auch die bereits jetzt vielfach
zu beobachtenden Auswirkungen der globalen Erwärmung zeigen
gewissermaßen als unabhängige Belege, dass es sich um einen sehr
realen Prozess handelt: Das Abschmelzen von Gebirgsgletschern und
arktischem Meereis sowie der Kontinentaleismassen in Grönland und
Antarktis, auftauende Permafrostböden, ein um 3 cm pro Jahrzehnt
steigender Meeresspiegel, verlängerte Vegetationsperioden sowie die
Veränderungen der Verbreitungsgebiet vieler Tier- und Pflanzenarten
(Rahmstorf/Schnellnhuber 2018, S. 77).
Auf den Menschen wirkt sich der Klimawandel bereits jetzt
verheerend aus. Die Zehntausenden Toten während der Hitzewelle von
2003 waren dabei kein Einzelfall. Jedes Jahr kommen auch ohne solche
extremen Wetterereignisse viele Zehntausende Menschen als Folge der
globalen Erwärmung ums Leben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO
schätzt ein, dass zwischen 2030 und 2050 ungefähr 250.000
zusätzliche Todesfälle pro Jahr zu beklagen sein werden, weil durch
die steigenden Temperaturen Hungersnöte, Malariaepidemien, Durchfall
und Fälle extremer Hitze zunehmen werden (WHO 2018).
Die „Klimaleugner“ – ein vom Kapital
organisierter Krieg gegen die Vernunft
Die Kette von Ursache und Wirkung ist im Fall des Klimawandels
also eindeutig feststellbar: Je mehr Treibhausgase in die Atmosphäre
gelangen, desto schneller erwärmt sich das Klima, desto
zerstörerischer die Folgen für Mensch und Umwelt. Dass es trotzdem
noch Kräfte gibt, die die menschlichen Ursachen des Klimawandels
leugnen, liegt nicht daran, dass die naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse zu dieser Frage uneindeutig wären. Es liegt ganz
einfach daran, dass es mächtige kapitalistische Interessen gibt, die
ein Interesse daran haben, die Verbreitung der Wahrheit zu behindern.
So gaben die
Ölkonzerne Shell und Exxon mobil allein im Jahr 2015 über 100 Mio.
US$ für Lobbyarbeit gegen Klimagesetzgebung aus. Die Eigentümer des
Öl- und Chemiekonzerns Koch Industries sollen 400 Mio. US$ in
Desinformationskampagnen, u.a. zum Thema Klimawandel, investiert
haben (Probst/Pelletier 2017). Das ganze Ausmaß, in dem
unwissenschaftliche Positionen zum Klimawandel von den Konzernen
unterstützt werden, ist nicht bekannt, da die meisten entsprechenden
Lobbyorganisationen oder Think Tanks nicht im Lobby Transparency
Register eingetragen sind (der Eintrag ist in der EU freiwillig). Man
weiß jedoch, dass das britische „Institute for Economic Affairs“,
das klimaskeptische Positionen verbreitet, vom Ölkonzern BP
finanziert wird, das „International Policy Network“ in London
wurde lange vom Ölkonzern ExxonMobil finanziert. Auch das
US-amerikanische „Institute for Energy Research“ wird von Koch
Industries und ExxonMobil finanziert und das Institut CEPOS zumindest
von ersterem Konzern (Corporate Europe Observatory 2010).
In der naturwissenschaftlichen Community
dagegen ist die Position der „Klimaleugner“ nahezu inexistent. Es
gibt einen weitgehenden Konsens unter Klimaforschern, dass die
menschengemachte Klimaerwärmung eine Tatsache ist. Nach einer
Umfrage stimmten 97% der Klimaexperten dieser Position zu
(Müller-Jung 2017).
Ganz anders sieht es in den Massenmedien aus, die den
„Klimaleugnern“ regelmäßig im Namen der „Ausgewogenheit“
ein Forum bieten, obwohl ihre Behauptungen nachweislich
Lügenkonstrukte sind. Nach einer Untersuchung von 928 Publikationen
in Fachzeitschriften zum Schlüsselwort „globale Klimaveränderung“
zwischen 1993 und 2003 gab es nicht einen einzigen Artikel, der die
menschlich verursachte Klimaerwärmung in Zweifel zog. In Beiträgen
in den Zeitungen und im Fernsehen wurde dagegen in jedem zweiten
Beitrag die „klimaskeptische“ Position vertreten
(Probst/Pelletier 2017).
Aber werden die Vertreter der Mehrheitsposition nicht auch
finanziert? So lautet oft ein Argument der „Klimaleugner“.
Die Forschung des International Panel on Climate Change (IPCC),
auf dem die wesentlichen Berichte und Schätzungen zum Klimawandel
beruhen, kann als sehr zuverlässig betrachtet werden. Denn im
Gegensatz zu vielen „Klimaleugnern“ werden die Wissenschaftler
des IPCC, die aus 64 verschiedenen Ländern stammen und ihre
Ergebnisse auf mehr als 6000 Veröffentlichungen von
Fachzeitschriften basieren, vom IPCC nicht für ihre Arbeit bezahlt.
Sie betreiben sie ehrenamtlich oder leben von ihren Stellen an
Hochschulen oder Forschungseinrichtungen. Die Regierungen der 195
Mitgliedsstaaten des IPCC können zwar Kommentare und Vorschläge in
den Bericht einbringen, allerdings haben die Wissenschaftler ein
Vetorecht, um zu verhindern, dass politische Interessen das Ergebnis
verfälschen. (Rahmstorf/Schellnhuber
2018, S. 84 – 86). Sicherlich können sich die Interessen
des Kapitals trotzdem in diesen Berichten widerspiegeln. Dazu muss
gar keine direkte Einflussnahme von Konzernen stattfinden, denn
natürlich haben auch Naturwissenschaftler bestimmte Werte,
weltanschauliche Positionen und Annahmen und möglicherweise auch
ökonomische oder politische Interessen. Auch bei
naturwissenschaftlicher Forschung ist also eine grundsätzliche
Skepsis angebracht – Skepsis nicht in dem Sinne, dass man die
Forschungsergebnisse alle für Unsinn erklärt, aber in dem Sinne,
dass auch die Naturwissenschaft nicht klassenneutral sein kann. Dies
gilt in der Regel weniger für das Zustandekommen bestimmter
Messungsdaten oder empirischer Beobachtungen, sondern eher für die
Interpretation der Ergebnisse. Im Fall des IPCC sprechen die Indizien
aber leider keineswegs für einen Hang zu hysterischen
Übertreibungen, sondern ganz im Gegenteil dafür, dass die reale
Bedrohung systematisch kleingeredet wird, z.B. indem unsichere, aber
wahrscheinliche Szenarien aus den Berichten herausgehalten werden
(vgl. z.B. Rahmstorf 2019; Wiedlich 2018).
Allerdings haben die Naturwissenschaften, auch in der
kapitalistischen Gesellschaft, den Vorzug, von sich aus in gewissem
Maße zum Materialismus und zur Wissenschaftlichkeit zu tendieren. Im
Gegensatz zu den Gesellschaftswissenschaften, wo unter dem Einfluss
der Bourgeoisie und der bürgerlichen Ideologie der Irrationalismus
floriert, kann davon ausgegangen werden, dass die
naturwissenschaftliche Forschung die Realität zum großen Teil
korrekt abbildet. Grund dafür ist, dass Naturwissenschaftler die
Objektivität der Natur anerkennen müssen, um ihre Forschung
überhaupt erfolgreich betreiben zu können – sie sind also zu
einer tendenziell materialistischen Betrachtungsweise gezwungen.
Marxisten dürfen, selbst wenn sie keine gelernten Spezialisten
für bestimmte Bereiche der Naturwissenschaft sind (niemand ist
Experte in allen Naturwissenschaften), keineswegs in einen
grundlegenden erkenntnistheoretischen Skeptizismus verfallen, der
prinzipiell anzweifelt, dass wir uns auf naturwissenschaftliche
Erkenntnisse stützen können. Vielmehr hat die Entwicklung der
marxistischen Wissenschaft die Entwicklung der Naturwissenschaften in
sich aufzunehmen. Wäre das nicht möglich, hätte Engels nicht die
„Dialektik der Natur“ schreiben können, Marx nicht seine
Überlegungen zur Agrarwissenschaft und Lenin nicht „Materialismus
und Empiriokritizismus“. Wer glaubt, es wäre grundsätzlich
„anmaßend“, wenn wir uns heute ein eigenes Urteil über Fragen
des Klimawandels zutrauen, der könnte auch Engels, bekanntlich
hauptberuflich kein Naturwissenschaftler, die Kompetenzen absprechen,
sich zur Physik, Chemie oder Biologie seiner Zeit zu äußern.
Genauso wie wir uns „anmaßen“, Aussagen über komplexe
gesellschaftliche Entwicklungen zu treffen, ohne dafür
beispielsweise jeden ökonomischen Vorgang an den Finanzmärkten
genau verstehen können zu müssen, ist das auch in
naturwissenschaftlichen Fragen möglich.
Die Argumentation der „Klimaleugner“ ist erstens insgesamt
falsch (was nicht ausschließt, dass einzelne Aspekte ihrer
Argumentation zutreffen können) und zweitens in den meisten Fällen
ebenso eindeutig interessengeleitet.
Die Vorstellung, dass die Folgen des Klimawandels harmlos wären
(„Wen kümmert es schon, wenn der Meeresspiegel ein paar Zentimeter
höher ist?“), ist eine fatale Illusion. Die Menschheitsgeschichte
kennt einige kleinere Klimaschwankungen und die Erdgeschichte kennt
verschiedene sehr große Klimaschwankungen. Jeder große Klimawandel
– und der, den die kapitalistische Industrialisierung ausgelöst
hat, ist jetzt schon von großem Ausmaß – hat gewaltige
Umwälzungen in den bestehenden Ökosystemen verursacht. So etwa vor
250 Millionen Jahren, als Vulkane sehr viel Kohlenstoffdioxid (CO2)
und andere Treibhausgase in die Atmosphäre schleuderten und sich das
Klima wahrscheinlich um 5-10 °C erwärmte. Damals starben die
meisten Arten an Land und im Wasser aus, das Ökosystem änderte sich
sehr grundsätzlich und brauchte viele Millionen Jahre, um wieder
eine entsprechende Artenvielfalt entwickeln zu können (Bond/Grasby
2017).
3 Der Verlust der Biodiversität
Der Verlust von Biodiversität, d.h. das Aussterben von Spezies,
ist eine weitere dramatische ökologische Entwicklung unserer Zeit.
Dass bestimmte Arten aussterben oder sich zu neuen Arten
weiterentwickeln ist ein natürlicher Prozess, den es immer gegeben
hat. Dieser Umstand wird manchmal als Argument dafür angeführt,
dass das aktuell zu beobachtende Artensterben doch nichts Besonderes
sei und daher auch nicht so dramatisch.
Allerdings ist die Aussterberate heute bei weitem höher als
jemals zuvor, vielleicht abgesehen vom schlagartigen Aussterben der
Dinosaurier (Kreide-Paläogen-Grenze), das vermutlich durch den
Asteroideneinschlag vor 66 Mio. Jahren verursacht wurde. In früheren
Zeiten der Erdgeschichte kamen 0,1 bis 1 aussterbende Art auf eine
Million Spezies pro Jahr. Heute liegt diese Rate um das 100-1000fache
höher. Eine neuere Studie zeigt, dass aktuell die Populationen von
Säugetieren, Vögeln, Fischen und Reptilien auf 40% des Niveaus von
1970 gesunken sind. Seit dem Beginn der menschlichen Zivilisation
sind die Populationen von Säugetieren um 83% gesunken. Anders
ausgedrückt: Nur noch 17% so viele Säugetiere bewohnen heute den
Planeten, wie es z.B. vor einer Million Jahren der Fall war.
Teilweise sterben diese Arten durch Jagd und Fischerei aus, aber vor
allem durch die Zerstörung ihrer Lebensräume für Landwirtschaft,
menschliche Siedlungen oder chemische Verschmutzung. Durch die
Entstehung von Städten und Dörfern entfällt nämlich nicht nur das
unmittelbare Siedlungsgebiet für die meisten Tier- und
Pflanzenarten, sondern es werden Lebensräume (Habitate) geteilt, was
Wanderungsbewegungen vieler Tiere, Fortpflanzung und Futtersuche
behindert (Rockström et al. 2009; Carrington 2018).
Besonders katastrophal ist das massenhafte Aussterben von
Insekten. Nach einer umfassenden Analyse, die 73 empirische Studien
zur weltweiten Entwicklung der Insektenpopulationen ausgewertet hat,
sind die meisten Insektenarten von einem dramatischen Rückgang der
Populationen betroffen. Das trifft nicht nur auf spezialisierte Arten
zu, die bestimmte ökologische Nischen besetzen, sondern auch viele
weit verbreitete Arten. Nur wenige Spezies schaffen es, sich zu
vermehren und das Vakuum zu füllen, das durch das Aussterben der
meisten Populationen hinterlassen wird. Das reicht aber bei weitem
nicht aus, um den allgemeinen Trend des Artensterbens zu
kompensieren. Insgesamt sind ungefähr die Hälfte der untersuchten
Spezies von rapidem Rückgang der Population betroffen und ein
Drittel vom Aussterben bedroht. Damit ist die Geschwindigkeit des
Aussterbens achtmal so schnell wie bei Säugetieren, Vögeln und
Reptilien. Die Insektenpopulation der Welt sinkt pro Jahr, gemessen
an der addierten Masse der Insekten, um 2,5%. Einer der Autoren der
Analyse sagt dazu: „Es geht sehr schnell. In 10 Jahren werden wir
ein Viertel weniger haben (der Insektenpopulation der Welt, Anmerkung
der Autoren), in 50 Jahren nur noch die Hälfte und in 100 Jahren gar
keine mehr.“. Als Ursachen werden der Verlust von Habitaten durch
Landwirtschaft und Entstehung von Städten angeführt, die
Verschmutzung, vor allem durch Pestizide und Dünger, biologische
Faktoren wie Krankheiten und importierte Spezies, sowie der
Klimawandel. Der Klimawandel ist vor allem in tropischen Regionen
eine Hauptursache des Artensterbens (Sánchez-Bayo/ Wyckhuys 2019;
Carrington 2019).
Eine Studie bezüglich Deutschlands fand
heraus, dass über einen Zeitraum von 27 Jahren in 63
Naturschutzgebieten eine Abnahme fliegender Insekten um 76% (gemessen
an ihrer Masse) zu verzeichnen ist, also eine Reduktion der
Insektenpopulation auf ein Viertel (Hallmann et al. 2017).
Die Perspektive einer Welt ohne Insekten ist ein Horrorszenario.
Insekten stehen im Zentrum der weltweiten Ernährungsnetze, sie sind
unverzichtbare Nahrung für Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien,
Amphibien. Die allermeisten Pflanzenarten sind für die Bestäubung
auf Insekten angewiesen. Im Boden spielen Insekten bei der
Verarbeitung von Nährstoffen eine zentrale Rolle. Insekten begrenzen
die Verbreitung von Schädlingen usw. usf. Ohne Insekten wäre
Landwirtschaft kaum noch möglich, die Vegetation würde ausgedünnt,
das Überleben großer Teile der Menschheit wäre infrage gestellt.
Insgesamt gibt es in der Biodiversitätsforschung immer noch
einige Unsicherheiten, vor allem was die Frage angeht, was der
Verlust an Artenvielfalt für den Menschen bedeutet. Bestimmte
Effekte von sinkender Biodiversität sind aufgrund unklarer
Faktenlage noch umstritten, beispielsweise ob diese auch zu sinkender
Wasserqualität führt (Cardinale et al. 2012, S. 63). Zudem hat das
Aussterben einer Spezies nicht immer denselben Effekt, da bestimmte
Spezies viel produktiver sind als andere und ihr Aussterben daher
größere Auswirkungen hat. Insgesamt sind die Beweise jedoch auch in
dieser Frage eindeutig: Sinkende Biodiversität führt in vielfacher
Hinsicht zu schlechteren Lebensbedingungen für den Menschen: Die
Funktionen, die ein Ökosystem für die Menschheit ausübt, werden in
zwei Kategorien unterteilt: 1) Bereitstellung von erneuerbaren
Ressourcen für den Menschen (z.B. Nahrung, Holz, Frischwasser). 2)
Regulierende Funktionen, die Umweltschäden (z.B. Klimawandel,
Schädlingsverbreitung) eindämmen (ebd, S. 60). Es kann als erwiesen
gelten, dass insgesamt (von manchen Ausnahmen abgesehen) beide Arten
von Funktionen mit abnehmender Artenvielfalt beeinträchtigt werden.
Dabei ist die Beziehung zwischen sinkender Artenvielfalt und
sinkender Bereitstellung von Ressourcen für den Menschen und
regulierenden Funktionen exponentiell – das heißt, dass je mehr
die Artenvielfalt abnimmt, desto mehr beschleunigt sich die
Verschlechterung der Bedingungen für den Menschen (ebd., S. 61).
Die Daten zahlreicher Studien zeigen konkret, dass abnehmende
Biodiversität zu sinkenden Ernten in der Landwirtschaft, sinkender
Holzproduktion, sinkender Futterproduktion für Tiere sowie
instabileren Fischpopulationen führt, also die Ernährung der
Menschheit durch die Fischerei zunehmend infrage stellt. Außerdem
geht sie mit höherer Anfälligkeit gegenüber Pflanzeninfektionen
einher, senkt die Nährstoffanreicherung des Bodens und die
Kohlenstoffspeicherung in der Vegetation (ebd, S. 62).
4 Andere Prozesse der Umweltzerstörung
Wenn wir von Umweltzerstörung oder -verschmutzung sprechen, ist
damit gemeint, dass relative Gleichgewichte von Ökosystemen massiv
unterbrochen und gestört werden, sodass sich die Lebensbedingungen
für den Menschen erheblich verschlechtern. Denn auch wenn die Natur
selbstverständlich nie statisch ist, wäre es ein grober Irrtum zu
glauben, dass es deshalb keine Kreisläufe oder relativen
Gleichgewichte gäbe. Große Veränderungen vollziehen sich in der
Evolution des Ökosystems in der Regel nur langfristig, durch
zahllose Kreisläufe hindurch, in denen sich minimale Veränderungen
kumulieren und schließlich in qualitative Umbrüche umschlagen
können. Doch diese relativen Gleichgewichte, die über längere
Zeiträume eine weitgehende Stabilität von Ökosystemen implizieren,
können durch den menschlichen Eingriff empfindlich gestört und zum
Kollaps gebracht werden. Es gibt viele solcher Störungsprozesse, die
durch die gesellschaftlichen Verhältnisse verursacht werden und die
alle miteinander im Zusammenhang stehen und sich teilweise
gegenseitig verstärken. So beschleunigt die Zerstörung der Wälder
die Erderwärmung, weil weniger CO2 in den Wäldern gespeichert
werden kann und somit in die Atmosphäre entweicht – umgekehrt
beschleunigen die steigenden Temperaturen auch die Vernichtung der
Wälder, z.B. durch häufigere Waldbrände.
All diese Prozesse hier ausführlich darzustellen kann
selbstverständlich nicht das Ziel sein – doch in der
naturwissenschaftlichen Literatur ist viel Material zu
Desertifikation, Überdüngung von Gewässern und Böden, generellem
Verlust von Ökosystemen zu finden. Hier geht es auch nicht um eine
naturwissenschaftliche Arbeit, sondern um eine politische
Argumentation, die sich auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaft
stützt.
Eine umfassende und viel beachtete Studie einer großen
Autorengruppe von 2009 kam zu dem Ergebnis, dass es bei den
verschiedenen Prozessen, die das Ökosystem ausmachen „planetare
Grenzen“ gibt, die nicht überschritten werden dürfen, andernfalls
wären globale katastrophale Rückwirkungen auf die Lebensbedingungen
der Menschen zu erwarten (Rockström et al. 2009). Neun solcher
Grenzen werden festgehalten. Neben dem Klimawandel und dem Verlust
der Biodiversität sind dies:
-
Die
Versauerung der Ozeane, d.h., dass der Säuregehalt des
Meereswassers über einen bestimmten Grenzwert steigt und dadurch
ein Massensterben des Lebens im Meer auslöst.
-
Eine
Verringerung des Ozons in der Stratosphäre (das ist der Teil der
Erdatmosphäre in ca. 8-50 km Höhe) um mehr als 5%. Die Ozonschicht
führt dazu, UV-Strahlung der Sonne aus dem Licht zu filtern, die
u.a. auch für den Menschen sehr gesundheitsschädlich sein können.
Aber auch auf das Ökosystem würde sich eine Überschreitung dieser
Grenze negativ auswirken, auch hier würden viele Arten aussterben.
-
Eine Störung
des Stickstoff- und Phosphorzyklus: Indem durch die Nutzung von
Düngemitteln und die Industrie große Mengen an Stickstoff und
Phosphor in die Böden und Gewässer gelangen, kommt es zu einem
Nährstoffüberschuss in den Gewässern. Dadurch bilden sich Algen,
die dem Wasser Sauerstoff entziehen und somit anderen
Meereslebewesen die Grundlage für ihr Überleben entziehen.
Andrerseits würde durch die größere Algenvegetation auch wiederum
die Absorption von CO2 gesteigert.
-
Übermäßiger
Trinkwasserverbrauch. Bereits jetzt sind etwa 25% der Flüsse der
Erde ausgetrocknet, bevor sie das Meer erreichen, weil ihnen zu viel
Wasser entzogen wird. Dies ist nicht nur für die dortigen
Ökosysteme vernichtend, sondern beeinträchtigt auch die
Möglichkeiten zur Landwirtschaft und Fischerei, also die
Lebensgrundlagen unzähliger Menschen.
-
Übermäßige
Bewirtschaftung des Bodens, wenn mehr als 15% der eisfreien
Landfläche landwirtschaftlich genutzt würden. Durch die Umwandlung
von Wäldern und anderen Ökosystemen in Farmland werden die
Lebensräume vieler Arten zerstört und die Fähigkeit des
planetaren Ökosystems zur Selbstregulierung, d.h. auch seine
Kapazität, verheerenden Zerstörungen entgegenzuwirken, wird außer
Kraft gesetzt.
-
Chemische
Verschmutzung durch radioaktive Elemente, Schwermetalle, aber auch
organische Giftstoffe. Natürlich ist diese Verschmutzung für die
menschliche Gesundheit, aber auch für das Ökosystem schädlich.
Auch hierdurch wird das Artensterben beschleunigt.
-
Die
Verschmutzung der Atmosphäre mit (festen und flüssigen) Partikeln.
Diese beeinflussen das globale Klima und Wetter, sind aber auch für
den Menschen gesundheitsschädlich. (alle Daten aus Rockström et
al. 2009)
Diese Prozesse hängen voneinander ab und beeinflussen sich
gegenseitig. Überschreitet man eine Grenze, kann das dazu führen,
dass die Grenze bei einem anderen Prozess näher rückt, weil das
Ökosystem dann insgesamt instabiler wird und weniger Belastungen
ertragen kann. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass beim
Klimawandel, dem Stickstoffzyklus und dem Artensterben bereits
Grenzen überschritten sind.
5 Die ökologische Frage aus Sicht des Marxismus
Umweltfrage und Klassenfrage
Die ökologische Frage ist aktuell eines der Hauptprobleme, unter
denen große Teile der Menschheit leiden – neben anderen Fragen wie
der Gefahr eines neuen imperialistischen Weltkrieges, der leicht zum
alles vernichtenden Atomkrieg ausarten könnte, der weltweiten
Offensive des Kapitals gegen die Errungenschaften der
Arbeiterbewegung und dem weltweiten Aufstieg reaktionärer und
faschistischer Kräfte. Im Vergleich zu diesen Bedrohungen, abgesehen
vielleicht von der Gefahr eines Atomkrieges, ist die ökologische
Frage keineswegs geringer zu gewichten, schon allein weil all diese
Fragen miteinander zusammenhängen.
Bei alldem geht es nicht darum, dass die Natur etwas Schönes ist
und es bedauerlich ist, wenn zukünftige Generationen keine lebenden
Pandabären oder Pinguine mehr bewundern können. Dieser Aspekt ist
zweifellos auch an sich von Bedeutung. Denn Wälder, Wiesen, Seen,
Meere, Gebirge usw. sind das, was Landschaften schön macht. Die
Existenz einer schönen Natur erhöht für den Menschen bereits an
sich enorm die Lebensqualität, als Rückzugsraum vom Lärm und der
Verschmutzung der Städte sowie dem Alltagsstress. Man kann sich
durchaus die Frage stellen, wie lebenswert eine Welt ohne
Blumenwiesen, saubere Gewässer, Wälder oder wilde Tiere wäre.
Allerdings ist das Ökosystem auch kein Luxus, auf den man notfalls
auch verzichten kann, sondern die Grundlage unseres Lebens und
Überlebens. Die Vorstellung, man könnte die Zerstörung dieses
Ökosystems ungehindert weitertreiben, ist eine fatale Illusion, die
konsequent zu Ende geführt auch den Menschen ausrotten kann.
Bei der ökologischen Frage handelt es
sich somit um ein Problem, dass die breiten Massen der Bevölkerung
unmittelbar auf negative Weise betrifft und dies in der nahen
Zukunft, d.h. in den kommenden Jahrzehnten, immer stärker betreffen
wird. Bereits jetzt nehmen extreme Wetterereignisse zu, die direkt
oder indirekt (z.B. durch Ernteausfälle) Millionen Leben kosten.
Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 90%
der Weltbevölkerung gesundheitlichen Risiken durch die
Luftverschmutzung ausgesetzt und jedes Jahr sterben sieben Millionen
Menschen an den Folgen giftiger Partikel in der Luft (Die Zeit
2.5.2018). Gäbe es nur dieses Problem alleine, der vermeidbare Tod
von sieben Millionen Menschen jedes Jahr wäre doch wohl Grund genug,
dem Thema einen hohen Stellenwert einzuräumen. Aber es gibt nicht
nur dieses Problem, sondern einen ganzen Komplex von Problemen, die
in ihrer Gesamtheit eine kaum schätzbare katastrophale Auswirkung
auf das Leben der Menschen haben.
Doch auch wenn die Umweltzerstörung zu einem gewissen Grad ein
Problem der gesamten Menschheit ist, hat sie sowohl auf der Seite der
Verursacher als auch auf Seiten derer, die darunter leiden, einen
eindeutigen Klassencharakter. Mit der Beschleunigung des Klimawandels
können ganze Erdregionen faktisch unbewohnbar und für jede Art der
Landwirtschaft ungeeignet werden. Wenn durch den Klimawandel, die
Vergiftung, Überfischung und Versauerung der Meere, die Erosion des
Bodens usw. Nahrung und Trinkwasser immer knapper werden, werden
darunter in erster Linie die ärmsten der Armen leiden. Maßnahmen
zur Hilfe für die Opfer dieser Entwicklung liegen nicht im Interesse
des Kapitals, weshalb sich absehbar Hungersnöte verschärfen werden.
Diese werden natürlich die Arbeiterklasse und vor allem die
Kleinbauern der ärmsten Länder betreffen, deren Lebensgrundlage
durch Landwirtschaft unmöglich wird. Diese Menschen werden in noch
größerer Zahl gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen, um in den
reicheren und auch vom Klimawandel weniger betroffenen Regionen der
Nordhalbkugel Rettung zu suchen. Für die Kapitalisten dieser Länder
wird es dagegen immer Möglichkeiten geben, sich diesen Folgen auf
andere Weise zu entziehen. Sie leiden nicht unter der Verteuerung und
Verknappung von Lebensmitteln, Wasser und Treibstoff. Sie können
notfalls auch in klimatisch günstigere Regionen umziehen. Der Krieg
der Herrschenden in Europa und den USA gegen die Flüchtlinge wird
verschärft werden, die rassistische Hetze zur Spaltung der
Arbeiterklasse ebenfalls.
Natürlich ist die Verschlechterung der Lebensbedingungen und der
Tod einer immer größeren Zahl an Menschen nicht einfach unmittelbar
die Folge des Klimawandels oder anderer ökologischer Zerstörungen,
wie es in den bürgerlichen Medien oft dargestellt wird. Vielmehr ist
es die Folge der Art und Weise, wie diese Probleme sich in einer
kapitalistischen Gesellschaft auswirken, wo die ökologischen Schaden
ähnlich wie bei Wirtschaftskrisen auf die Arbeiterklasse und
allgemein die ärmsten und am meisten unterdrückten
gesellschaftlichen Schichten abgewälzt werden. Klar ist jedenfalls:
Mit zunehmender ökologischer Zerstörung und steigenden globalen
Temperaturen werden die Lebensbedingungen von immer mehr Menschen
immer unerträglicher und lebensfeindlicher werden. Es versteht sich
von selbst, dass es zu den wichtigsten Aufgaben der Kommunisten
gehört, gegen solche massiven Verschlechterungen der Lebensqualität
der Volksmassen so konsequent wie möglich anzukämpfen.
Teile der herrschenden Klasse
kalkulieren genau mit den zu erwartenden Verschlechterungen der
ökologischen Situation. So argumentiert der
Wirtschaftsnobelpreisträger Thomas Schelling, dass der Klimawandel
vor allem arme Länder auf der Südhalbkugel betreffen würde und
daher die Industrieländer nicht zu viele Ressourcen in seine
Bekämpfung investieren sollten. Noch offener menschenverachtend
äußerte sich Lawrence Summers, führender wirtschaftspolitischer
Berater von Barack Obama: „Die wirtschaftliche Logik dahinter, dass
man Giftmüll in den Niedriglohnländern ablädt, ist einwandfrei und
wir sollten uns dem stellen.“ Denn: „Die Messung der Kosten von
gesundheitsschädlicher Verschmutzung hängt davon ab, wie groß die
Einkommen sind, die durch erhöhte Krankheiten und Sterblichkeit
wegfallen. Von diesem Gesichtspunkt aus sollte man eine gegebene
Menge gesundheitsschädlicher Verschmutzung in dem Land mit den
niedrigsten Kosten tätigen, was auch das Land mit den niedrigsten
Löhnen sein wird“ (zitiert nach Foster et al 2010, S. 94;
Übersetzung durch die Autoren). Dass der Kapitalismus globale
Barbarei bedeutet, zeigt sich also auch sehr deutlich daran, wie mit
Themen der Umwelt umgegangen wird.
Die Ressourcenknappheit wird zu neuen und verschärften
zwischenimperialistischen Konflikten führen, unter denen vor allem
die Arbeiter aller Länder leiden werden. Schon jetzt nehmen diese
Konflikte zu, wie man in vielen Weltregionen (Mittlerer Osten,
Südchinesisches Meer, Afrika, Arktis, Osteuropa usw.) sehen kann.
Die Gefahr eines neuen Weltkrieges steigt dadurch weiter an. Auch
wenn einige Konzerne, Politiker und Medien immer noch etwas anderes
behaupten, ist den Imperialisten natürlich klar, dass der
Klimawandel eine Realität ist, auf die auch sie sich einstellen
müssen. Daher spielt er in ihren Planungen auch eine zunehmende
Rolle. Beispielsweise schrieb eine Autorengruppe um die ehemalige
US-Außenministerin Madeleine Albright 2010 in einem Strategiepapier
für die NATO: „Die NATO könnte (…) aufgefordert sein zu helfen,
die Herausforderungen an die Sicherheit zu bewältigen, die von
solchen Folgen des Klimawandels stammen wie dem Schmelzen der
Polkappen oder zunehmenden (…) Naturkatastrophen. Das Bündnis
sollte diese Möglichkeit im Auge behalten, wenn es sich auf künftige
Eventualitäten vorbereitet“. Jamie Shea, der vor allem für seine
Rolle als Pressesprecher der NATO während des Angriffskrieges gegen
Jugoslawien 1999 bekannt ist, erklärte zum Klimawandel, „dass die
NATO als strategische Drehscheibe dienen sollte, um die Problematik
international aufzuwerten“. Shea schloss auch nicht aus, dass es
etwas Entsprechendes wie den Artikel 5 des NATO-Vertrages, der den
Bündnisfall regelt, auch für den Klimawandel geben könnte – im
Klartext also eine Klausel im Vertrag, die neue NATO-Kriege mit Bezug
auf bedrohte Kapitalinteressen durch ökologische Probleme
rechtfertigen könnte. Auch der deutsche Imperialismus bereitet sich
vor: In einem Papier von zwei Außenpolitik-Experten heißt es „Die
Regeln und die Lastenverteilung beim globalen Klimaschutz wiederum
werden sich entscheidend auf (…) den Zugang zu Rohstoffen (…)
auswirken. (…) Noch stärker als bisher muß er die führende Rolle
Deutschlands bei der Formulierung dieser neuen Weltregeln strategisch
flankieren“ (alle Zitate aus Tal 2010). Viele ähnliche Zitate
könnten hier für dieselbe Quintessenz angeführt werden: Die
imperialistischen Staaten mit ihren Planungsstäben und
Forschungsinstituten analysieren sorgfältig die Herausforderungen,
die sich aus zukünftigen ökologischen Katastrophen und
Ressourcenknappheit für die Strategien ihres jeweiligen Kapitals
ergeben. Sie sind sich absolut darüber bewusst, dass damit eine
Zunahme zwischenimperialistischer Spannungen und die Häufigkeit und
Intensität von Kriegen zunehmen werden. Und sie verstecken
keineswegs ihre Absicht, diese Kriege mit allen Mitteln führen und
gewinnen zu wollen.
Auch die Werktätigen in den Industrieländern werden die
Leidtragenden der Folgen der Umweltzerstörung sein. Nicht die
Reichen werden in den ökologisch verwüsteten Gebieten leben müssen
und ihnen wird auch nicht der Strom abgestellt werden, weil sie sich
die steigenden Energiepreise nicht mehr leisten können. Dafür
werden sie mit einem Strom fliehender Menschen aus Gebieten, in den
sie nicht mehr leben können, konfrontiert werden. Die gegenwärtige
zu beobachtende Welle des Rassismus in allen entwickelten Ländern
des Imperialismus lässt ahnen, was dann politisch los sein wird.
Kommunisten müssen hingegen dafür einstehen, dass der Kampf der
Arbeiterklasse in den imperialistischen Hauptländern mit dem Kampf
der Massen in den Ländern vereint und koordiniert wird, die unter
dem kapitalistisch-imperialistisch verursachten Klimawandel besonders
zu leiden haben.
Gleichzeitig ist es grundfalsch, davon auszugehen, dass alle
Menschen gleichermaßen durch ihre „Gier“ nach Ressourcen für
die Umweltzerstörung verantwortlich sind. Schuld sind auch nicht die
Arbeiter der entwickelten Industrieländer, die mit dem Auto zur
Arbeit fahren müssen oder zu viel aus Plastikverpackungen essen.
Oft wird darauf hingewiesen, dass die entwickelten Industrieländer
viel höhere Emissionen an Treibhausgasen haben als die armen Länder.
Das ist natürlich richtig: 2012 wurden nach der Internationalen
Energieagentur in den USA pro Kopf 16,1 t Treibhausgase produziert,
in der BRD 9,2 t, in China 6,1 t, in Indien 1,6 t und in Äthiopien
0,1 t. Das zeigt, dass die globale Erwärmung stark überproportional
von den alten imperialistischen Staaten (Nordamerika, Westeuropa,
Japan) sowie in zunehmendem Maße von China verursacht wird, während
die arme Bevölkerung des Planeten kaum etwas dazu beiträgt. Diese
Zahlen alleine sind aber auch irreführend, weil sie klassenneutral
sind und suggerieren, die Bevölkerung Deutschlands oder der USA wäre
als Ganze für den Klimawandel verantwortlich zu machen. Auch in
einem reichen entwickelten Land wie Deutschland oder den USA ist es
aber für einen geringverdienenden Arbeiter nicht möglich, einfach
selbst zu bestimmen, wie viel Energie er verbraucht oder wie stark er
die Umwelt verschmutzt. Ob man mit dem Auto zur Arbeit fährt oder
die Straßenbahn nehmen kann, hängt oft davon ab, wo man wohnt. Der
Ausbau eines effizienten und ökologisch sinnvollen öffentlichen
Verkehrssystems ist für das Kapital keine Priorität. Im Gegenteil
kann es beispielsweise den Interessen der Automobilindustrie und
Ölkonzerne zuwiderlaufen, die am individualisierten PKW-Verkehr
verdienen. Wenn man in einer Mietwohnung lebt, ist man darauf
angewiesen, mit dem eingebauten Heizsystem zu heizen. Ob eine
effizientere Heizung eingebaut wird, ist die Entscheidung des
Vermieters. Dasselbe gilt für energieintensive Geräte wie
Durchlauferhitzer (Daten aus Pomrehn 2015). Und ob man mit dem
Flugzeug in den Urlaub fliegt oder umweltschonendere Transportmittel
zum Reisen benutzt, ist keine wirkliche Entscheidung, wenn man
überhaupt nur einmal im Jahr zwei Wochen Urlaub machen kann. Selbst
wenn es irgendwie möglich wäre, dass alle Privathaushalte aufhören
würden, Müll zu produzieren, wäre damit kaum etwas für den
Umweltschutz getan. Denn in den USA werden nur 2,5% des Mülls von
privaten Haushalten produziert, die übrigen 97,5% dagegen von der
Industrie, Bergbau, Bauwirtschaft usw. (Foster et al 2010, S. 383).
Überhaupt ist es absurd, gerade von den am meisten unterdrückten
und ausgebeuteten Teilen der Gesellschaft zu erwarten, dass sie sich
statt mit ihren unmittelbaren existenziellen Problemen mit
langfristigen Bedrohungen wie dem Klimawandel beschäftigen und ihr
Leben entsprechend anpassen sollen. Solche Vorstellungen entsprechen
der Lebenswelt eines materiell abgesicherten und akademisch
gebildeten Kleinbürgertums, dem aufgrund der eigenen Erfahrungen oft
jedes Verständnis für die Probleme der ärmeren Schichten fehlt. In
der bundesdeutschen Klassengesellschaft, besitzt das reichste Prozent
der Bevölkerung ebenso viel Vermögen wie 87 Prozent der Bürger
(Koch 2019). In einer solchen sozialen Realität ist „der
Konsument“ eine nichtssagende und klassenneutrale Abstraktion. Die
Vorstellung, durch veränderten Konsum die Umwelt zu schützen, ist
grundsätzlich idealistisch: Sie geht davon aus, dass Konsum einfach
eine Frage des persönlichen Willens ist. In Wirklichkeit hängen
Konsumentscheidungen aber von den Bedürfnissen der Menschen und von
ihren ökonomischen Mitteln ab – beide diese Faktoren werden aber
nicht vom Individuum bestimmt, sondern weitgehend von seiner Position
innerhalb der bestehenden sozialen Ordnung (Foster et al 2010, 383).
Die Ursache des Problems liegt also nicht im individuellen
Konsumverhalten, sondern dieses ist eine Folge der Art und Weise, wie
der Ressourcenverbrauch im Kapitalismus reguliert ist. Die
Hauptverursacher der globalen Verschmutzung und Zerstörung der
Umwelt sind nämlich dieselben, die auch Hauptverursacher von Kriegen
sind und deren unvorstellbarer Reichtum auf der Armut der Massen
beruht. Es ist das Kapital, vor allem natürlich das der führenden
imperialistischen Länder.
Parolen, die einfach die breite Bevölkerung zum Konsumverzicht
auffordern, verschleiern deshalb die Klassennatur der drohenden
Klimakatastrophe und schieben die Verantwortung auf die
Arbeiterklasse ab. Noch schlimmer sind Forderungen nach Umweltschutz
durch höhere Energiepreise, die einfach nur dazu führen, dass die
Arbeiterklasse einen größeren Anteil ihres Einkommens für
lebensnotwendige Heizung und Benzin ausgeben muss, während die
herrschende Klasse es sich weiter leisten kann, die Umwelt zu
verschmutzen – noch dazu ohne dass solche „Maßnahmen“ den Kern
der zu lösenden Probleme auch nur annähend erreichen könnten.
Unter kapitalistischen Bedingungen ist es nicht möglich,
Ressourcenverbrauch und Verschmutzung auf ein tragbares Maß
zurückzufahren. Dies liegt in der fundamentalen Logik des Systems
begründet. Solange jedes Unternehmen nur für sich plant und sich
dabei allein an seinen betrieblichen Gewinnen, also der Realisierung
des Mehrwerts orientiert, ist es nicht möglich, grundlegende
gesamtgesellschaftliche Ziele wie den Umweltschutz in der Produktion
zu berücksichtigen. Der Profit als Ziel der Produktion ist die
Differenz zwischen dem Umsatz und dem investierten Kapital. Er ist
eine Geldgröße und diese allein ist letztlich für die Kapitalisten
in ihrem Handeln ausschlaggebend. Indem das Kapital in ständiger
Konkurrenz miteinander steht, auch noch im Monopolkapitalismus,
drängt es sich selbst zwangsläufig immer dazu, die maximale
Profitrate, also möglichst hohen Profit bei möglichst geringen
Investitionen anzustreben. Wie dieser Profit zustande kommt, ob durch
den Bau von Schulen oder die Produktion von Phosphorbomben, ist für
den Kapitalisten egal. Viele Investoren, die bei der Bank oder an der
Börse ihr Geld angelegt haben, werden nicht einmal wissen, wie genau
ihre Rendite produziert wurde. Eine Umstellung der Produktion
dahingehend, dass ihre umweltschädlichen Auswirkungen beschränkt
werden, drückt sich in vielen Fällen in der Bilanz als zusätzliche
Kosten aus. Daher muss jede entsprechende gesetzliche Vorschrift
gegen den Widerstand des Kapitals erkämpft werden. Die Einschnitte,
die notwendig wären, um zu einem nachhaltigen Produktionsmodell zu
kommen, werden aber von keinem kapitalistischen Staat durchgesetzt,
weil er damit sein Industriekapital in ernsthafte Schwierigkeiten
bringen und ihm im Verhältnis zu den Konzernen anderer Länder
schwerwiegende Konkurrenznachteile bescheren würde. Es bleibt daher
zumeist bei leeren Willensbekundungen oder verspäteten Maßnahmen,
die bei weitem nicht ausreichen.
Das bedeutet umgekehrt nicht, dass es gar keine Reaktionen des
Kapitalismus auf die Herausforderungen des Klimawandels gäbe. In den
letzten Jahren hat es ja in der Tat Schritte zum Ausbau des Anteils
erneuerbarer Energien, Förderung von Elektroautos usw. gegeben, oder
Diskussionen. Diese Schritte kann man durchaus als Versuch
betrachten, im kapitalistischen Rahmen die Auswirkungen des
Klimawandels abzumildern. Letztlich orientieren sich aber auch diese
Ansätze an den Profitinteressen des Kapitals, da sie der
internationalen Konkurrenz unterliegen. Dort wo eine Umstellung auf
regenerative Energien oder die Entwicklung von CO2-freiem Verkehr
vorangetrieben wird stecken geostrategische Interessen (z.B. größere
Energieunabhängigkeit) dahinter und der Drang der einzelnen
Kapitale, sich in der internationalen Konkurrenz einen Vorteil zu
verschaffen. Diese Vorteile werden mit Hilfe von staatlichen
Subventionsprogrammen durchgesetzt. Für die Situation in Deutschland
sei hier die EEG-Umlage genannt, die es den großen
Energieproduzenten ermöglichte, ihr Energieangebot zu
diversifizieren und dadurch die Energieautonomie des deutschen
Staates zu befördern. Allgemein ist die Einführung umweltschonender
Technologien nur dann interessant für das Kapital, wenn eine
Profitaussicht damit verbunden ist, also letztlich völlig unabhängig
von Gesichtspunkten des Umweltschutzes.
Hinzu kommt, dass ressourceneffizientere Technologien und
Produktionsmethoden oftmals überhaupt nicht zu reduziertem
Ressourcenverbrauch führen. Dieses Paradoxon hat zuerst der liberale
Ökonom William Stanley Jevons im 19. Jahrhundert entdeckt: Er
beobachtete, dass verbesserte Effizienz bei der Nutzung von Kohle
dazu führte, dass die Kohle billiger wurde, wodurch das Kapital mehr
Kohle kaufte und absolut gesehen der Kohleverbrauch gerade durch die
verbesserte Effizienz anstieg. Jevons war aufgrund seiner
neoklassischen wirtschaftstheoretischen Annahmen nicht in der Lage,
die Gründe dafür zu verstehen: Der Grund ist, dass das Kapital zu
endloser Akkumulation angetrieben ist und daher gar nicht
ressourcensparend produzieren kann. Seit der Zeit von Jevons wurde
das „Jevons-Paradoxon“ in vielen Fällen beobachtet. So auch bei
den CO2-Emissionen: Während 1975-1996 die CO2-Effizienz stark
verbessert wurde, stieg der Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 weiter an.
Dieser grundlegende kapitalistische Mechanismus zeigt, weshalb alle
Argumente, die allein durch verbesserte Technologien die Probleme der
Umwelt lösen, ohne die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern,
auf Illusionen basieren (Foster et al 2010, 140ff).
Dem Kapitalismus ist also leider nicht zuzutrauen, dass er in der
Lage sein könnte, eine Lösung für das Problem des Klimawandels zu
finden. Eine solche Vorstellung folgt letzten Endes demselben
klassenneutralen Technikpositivismus und naiven Optimismus wie die
bürgerliche Klimawissenschaft. Dahinter steht implizit eine falsche
Auffassung vom Mensch-Natur-Verhältnis, nämlich eine Vorstellung,
in der der Mensch irgendwie doch außerhalb der Natur steht und die
Natur lediglich als seinen Gegenstand bearbeitet – dass der Mensch
dadurch aber umgekehrt auch von der Natur als der Grundlage seines
Lebens und Überlebens abhängig ist, wie Marx und Engels betont
haben (s. nächstes Kapitel), wird unterschlagen.
Zudem wird in dieser Vorstellung völlig unterschätzt, dass der
Kapitalismus eine irrationale Produktionsweise ist, in der die
vernunftgesteuerte Lösung von Problemen überhaupt nicht angelegt
ist. Vielmehr wirken unter kapitalistischen Bedingungen blinde
Gesetze, die keiner gesamtgesellschaftlichen Rationalität
unterworfen werden können, es sei denn man würde die
kapitalistische Produktionsweise als solche aufheben. Bis dahin, also
bis zum Übergang hin zu einer vernunftgesteuerten, planmäßigen,
das heißt sozialistischen Gesellschaftsentwicklung, werden wir zwar
sicherlich weitere Anpassungsmaßnahmen für die gravierendsten
ökologischen Probleme erleben, die aber die Wurzel des Problems
unberührt lassen und daher den Weg in die Katastrophe bestenfalls
verlangsamen können.
Was für die Beziehungen zwischen Unternehmen gilt, gilt auch für
das Verhältnis der Staaten zueinander. Die Konkurrenz zwischen den
verschiedenen imperialistischen Mächten und besonders auch der
Interessengegensatz zwischen den etablierten imperialistischen
Ländern und ihren neu aufsteigenden ebenfalls imperialistischen
Konkurrenten wie etwa den BRICS-Staaten verhindern eine Einigung
selbst über die notwendigsten Maßnahmen. Die Geschichte der
Klimakonferenzen zeigt das am Beispiel des Austritts der USA aus dem
Kyoto-Protokoll, die Kündigung des Pariser Klimaabkommens durch
Trump, aber auch die fehlende Bereitschaft der BRD-Regierung, sich an
die von ihr selbst unterzeichneten klimapolitischen Ziele zu halten
usw.
Trotz ihrer Bedeutung wäre es falsch, die Umweltfrage aufgrund
ihrer Relevanz auf dieselbe Ebene zu heben wie die Klassenfrage, den
Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. Denn die ökologische Frage
existiert nicht neben und außerhalb des Kapitalismus und des Kampfes
der beiden Hauptklassen. Sie ist vielmehr das Ergebnis des
Verhältnisses zwischen der menschlichen Gesellschaft und der Natur,
wie es sich unter kapitalistischen Bedingungen gesetzmäßig
entwickelt. Mit der Unterwerfung der Arbeit unter das Kapital geht
als ihre Folge auch die rücksichtslose Zerstörung der Umwelt
einher. Die Umweltfrage ist also ein Aspekt des Klassenkampfes und
des Kampfes zur Durchsetzung der neuen Produktionsweise gegen die
historisch überholte alte Produktionsweise.
Umwelt und Naturdialektik
Der historische und dialektische Materialismus stellt den Menschen
in den Zusammenhang der Entwicklungsgesetze der Natur und der
Gesellschaft. Die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung sind
natürlich andere als die der Natur, sie folgen aber grundsätzlich
denselben Bewegungsformen, die allgemeine Bewegungsformen der Materie
sind. Nach Engels sind dies die drei Grundgesetze der Dialektik:
Einheit und Kampf der Gegensätze, der Umschlag von Qualität in
Quantität und das Gesetz der Negation der Negation.
In dem Wort „Umwelt“ ist bereits enthalten, dass es sich bei
ihr nicht um einen getrennten Bereich der Realität handelt, der sich
unabhängig von der Gesellschaft entwickeln würde. In Wirklichkeit
ist die Natur der größere Weltzusammenhang, in dem auch die
gesellschaftlichen Verhältnisse stehen. Kultur, Zivilisation,
Gesellschaft, also das vom Menschen geschaffene, steht gleichzeitig
im Gegensatz zur Natur und in einer Einheit mit ihr: Einerseits
wenden die Menschen die Naturgesetze auf immer höheren
Entwicklungsstufen bewusst für ihre Zwecke an und heben sich damit
aus dem Tierreich hervor, andrerseits sind sie genau darin aber von
den Naturgesetzen abhängig. Freiheit ist eben auch „nur“ die
Einsicht in die Notwendigkeit.
Der „westliche Marxismus“ lehnt in Berufung auf eine Randnotiz
in Georg Lukács‘ „Geschichte und Klassenbewusstsein“ die
Anwendung der dialektischen Methode auf die Naturgesetze ab. Nach
dieser Auffassung bewegt sich nur die Gesellschaft in den Formen der
Dialektik. Diese Frage kann hier nicht vertieft behandelt werden,
aber es kann festgestellt werden, dass es sich hier um ein
grundlegendes anderes, sozialwissenschaftlich verstümmeltes
Verständnis der Dialektik handelt, das nicht das des Marxismus ist.
Aus Sicht des Marxismus fasst die
Dialektik die grundlegenden Gesetze der Bewegung und Entwicklung
aller Materie in Natur, Gesellschaft und Bewusstsein zusammen, sie
macht es überhaupt erst möglich, die Entwicklung der Welt als
Gesamtzusammenhang zu denken und zu verstehen. Für das Thema dieses
Artikels bedeutet das: Gesellschaft und Natur entwickeln sich konkret
natürlich nach ganz unterschiedlichen Gesetzen. Natürlich gilt das
Mehrwertgesetz nur in der gesellschaftlichen Sphäre, oder genauer
gesagt unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise,
während die Gravitation ein Naturgesetz ist, mit dem man keine
gesellschaftlichen Entwicklungen beschreiben kann. Wer nun davon
ausgeht, dass Natur und Gesellschaft sich nach völlig
unterschiedlichen Grundprinzipien entwickeln, also nicht durch die
Selbstbewegung infolge ihrer Widersprüche, der kann auch nicht
akzeptieren, dass beide Bereiche Teil desselben Weltzusammenhangs
darstellen. Damit wird aber das dialektische Verhältnis von
gesellschaftlichen Verhältnissen und Naturprozessen nicht mehr
erfassbar. Das Wesen der Arbeit selbst, als Prozess des Stoffwechsels
zwischen Mensch und Natur, würde auf diese Weise unverstehbar. Für
Marx hingegen war die Arbeit „zunächst ein Prozeß zwischen Mensch
und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der
Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er
tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die
seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf
und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für
sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese
Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert
er zugleich seine eigne Natur.“ (Marx: Das Kapital, Band I, MEW 23,
S. 192). Darin ist bereits enthalten, dass ein Verständnis der
kapitalistischen Gesellschaft ohne die Analyse ihres Verhältnisses
zur Natur nicht vollständig sein kann. Der „westliche Marxismus“
mit seiner Ausklammerung der Naturdialektik scheitert darum daran,
den kausalen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der
kapitalistischen Produktionsweise und der Zerstörung der natürlichen
Lebensgrundlagen wissenschaftlich zu erfassen.
Ganz anders die Auffassung von Marx und
Engels. Im krassen Gegensatz zu dem häufigen Vorwurf von
bürgerlicher Seite, Marx und Engels seien „blinde
Fortschrittsoptimisten“ gewesen, die die Entwicklung der
Produktivkräfte ausschließlich positiv gesehen hätten und ihre
zerstörerischen Folgen für die Umwelt ignoriert hätten. Diese
Darstellung ist ganz und gar nicht haltbar, sie steht im Widerspruch
zur Entwicklung des Denkens bei Marx und Engels. Letzterer hat schon
1845 in seiner Schrift über „Die Lage der arbeitenden Klasse in
England“ etwa im Kapitel „Die großen Städte“ auf die, wie wir
heute sagen, ökologischen Konsequenzen der Durchsetzung der
kapitalistischen Produktionsweise verwiesen (Engels: Die Lage der
arbeitenden Klasse in England, MEW 2, 256 – 305).
Ein Kerngedanke des historischen Materialismus besteht darin, dass
auch die gesellschaftliche Entwicklung den Gesetzmäßigkeiten des
Werdens und Vergehens aller Dinge folgt. Die kapitalistische
Produktionsweise ist, wie Marx analysiert hat, nicht für die
Ewigkeit gemacht, sondern sie bringt permanent die Bedingungen ihres
eigenen Untergangs hervor. Entscheidend für die
historisch-materialistische Auffassung von der Geschichte ist die
Erkenntnis, dass die kapitalistische Produktionsweise einerseits die
Produktivkräfte entwickelt, diese aber andrerseits immer wieder die
Form von Destruktivkräften annehmen. Die Dialektik der
Produktivkraftentwicklung im Kapitalismus besteht gerade darin, dass
durch diese auch wiederum Faktoren geschaffen werden, die zur
Produktivkraftzerstörung führen: Krisen, Kriege, psychische und
physische Zerstörung der Arbeitskraft durch die Arbeit selbst usw.,
und eben auch durch die Umweltzerstörung. Marx war ganz eindeutig
dieser Auffassung: „Die kapitalistische Produktion entwickelt daher
nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen
Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles
Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ (Marx: Das
Kapital, Band I, MEW 23, S. 530). Das Festhalten nicht zuletzt der
großen Energie-, Fahrzeug- und anderer Rohstoffkonzerne sowie der
führenden imperialistischen Staaten an den bisherigen
Produktionsmethoden, weil es unter den Bedingungen des
Privateigentums an Produktionsmitteln nicht anders geht; die
Tatsache, dass die Bourgeoisie offensichtlich viel eher bereit ist,
ein globales ökologisches Desaster hinzunehmen, als von der
historischen Bühne abzutreten und einer anderen Produktionsweise
Platz zu machen, all das veranschaulicht auf brutale Weise, dass die
Produktivkräfte im imperialistischen Stadium des Kapitalismus in
einem nie dagewesenen Maße zu Destruktivkräften geworden sind und
sich ihr destruktiver Charakter zunehmend weiter vertieft.
Auch den
dialektischen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Verhältnissen
und Naturprozessen haben sie bereits sehr klar erkannt. Obwohl das
Ausmaß der ökologischen Zerstörungen im 19. Jahrhundert noch nicht
ansatzweise den heutigen Stand erreicht hatte, formulierte Engels
diese Erkenntnis bereits als deutliche Warnung: „Schmeicheln wir
uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die
Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in
erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter
und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die
nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. (…) Und so werden
wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur
beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie
jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und
Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre
ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern
Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“
(Engels: Dialektik der Natur, MEW 20, 453f)
Die Bedeutung, die Marx und Engels dem Problemkomplex Umwelt
beimaßen, zeigt sich auch darin, dass sie sich nicht nur mit der
Entwicklung der Naturwissenschaften intensiv befassten, sondern
speziell auch mit der Frage der Landwirtschaft und den
umweltschädlichen, letztlich auf den Menschen zurückfallenden
Wirkungen der kapitalistischen Bodenbewirtschaftung. Marx hatte die
bahnbrechenden Arbeiten des großen Agrarchemikers Justus von Liebig
eingehend studiert und gelangte so zu der Schlussfolgerung, dass die
Landwirtschaft unter den Bedingungen des kapitalistischen Eigentums
gesetzmäßig zur Erschöpfung des Bodens führe und damit die
Lebensbedingungen der zukünftigen Generationen untergrabe (Foster
2000, S. 155ff).
Das große Grundeigentum am Land erzeugt, so Marx, „Bedingungen,
die einen unheilbaren Riß hervorrufen in dem Zusammenhang des
gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens
vorgeschriebnen Stoffwechsels, infolge wovon die Bodenkraft
verschleudert und diese Verschleuderung durch den Handel weit über
die Grenzen des eignen Landes hinausgetragen wird (…) Große
Industrie und industriell betriebene große Agrikultur wirken
zusammen. Wenn sie sich ursprünglich dadurch scheiden, daß die
erste mehr die Arbeitskraft und daher die Naturkraft des Menschen,
die letztere mehr direkt die Naturkraft des Bodens verwüstet und
ruiniert, so reichen sich später im Fortgang beide die Hand, indem
das industrielle System auf dem Land auch die Arbeiter entkräftet
und Industrie und Handel ihrerseits der Agrikultur die Mittel zur
Erschöpfung des Bodens verschaffen.“ (Marx: Das Kapital Band III,
MEW 25, S. 821). Oder an anderer Stelle: „Mit dem stets wachsenden
Übergewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in großen
Zentren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion
einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört
sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d.h. die
Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und
Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden, also die
ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. (…) Und jeder
Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein
Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der
Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner
Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt in
Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit.“ (Marx: Das
Kapital, Band I, MEW 23, S. 528f).
Hier spricht Marx also den zwiespältigen Charakter des
Fortschritts der Produktivkräfte im Kapitalismus an, die einerseits
die „geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft“ vermehren,
aber andrerseits immer auch mit verstärkter Unterwerfung der
Arbeiterklasse und noch rücksichtsloserer Ausbeutung der Erde
einhergehen. Die Frage der Wechselwirkungen zwischen Natur und
Gesellschaft waren für ihn ein wichtiger Bestandteil seiner Kritik
der Politischen Ökonomie. Doch genauso wenig wie seine Untersuchung
des Arbeitsprozesses unter der kapitalistischen Produktionsweise eine
praxisferne akademische Übung war, war es auch seine Analyse der
gesellschaftlichen Auswirkungen auf die Natur. Auch hier zog er
politische Schlussfolgerungen. Um die rücksichtslose Zerstörung der
natürlichen Lebensbedingungen aufzuhalten, müsse das Privateigentum
am Boden aufgehoben werden: „Vom Standpunkt einer höhern
ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum
einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wie
das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst
eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen
Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie
sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni
patres familias (gute Familienväter) den nachfolgenden Generationen
verbessert zu hinterlassen.“ (Marx: Das Kapital, Band I, MEW 23, S.
784)
Die grundlegende Erkenntnis, dass der Kapitalismus einerseits die
Produktivkräfte entwickelt, sie aber andrerseits immer mehr – und
unter monopolkapitalistischen Bedingungen weiter verschärft – in
Destruktivkräfte verwandelt, ist für den historischen Materialismus
unverzichtbar, denn es handelt sich um einen wesentlichen Unterschied
zwischen der historisch-materialistischen und den diversen
bürgerlichen (z.B. modernisierungstheoretischen)
Fortschrittsauffassungen. Gerade darin kommt der historisch überholte
Charakter der kapitalistischen Produktionsweise, ihre Unfähigkeit,
Lösungen für die drängendsten Menschheitsprobleme zu finden, zum
Ausdruck. Strengere Umweltauflagen oder der Ausbau erneuerbarer
Energien erscheinen angesichts der ständigen Verschärfung der
Situation wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein um den
Schaden noch auf ein einigermaßen erträgliches Niveau zu
beschränken bedarf es einer grundlegend anderen Organisation der
Produktion, grundlegend anderer Macht -und Eigentumsverhältnisse,
nämlich des Sozialismus.
Die politische Bedeutung der Umweltfrage für die
kommunistische Bewegung
An der existenziellen Bedeutung der Umweltfrage für die Zukunft
der Menschheit kann es keinen Zweifel geben. Eine andere Frage ist es
jedoch, was daraus für die Praxis der kommunistischen Bewegung
folgt.
Diese Frage ist auch längst im
Bewusstsein großer Teile der Arbeiterklasse in Deutschland
angekommen. Nach einer Umfrage von 2017 war die Angst vor dem
Klimawandel sogar die größte Sorge der Menschen in Deutschland: 71%
der Befragten (in Ostdeutschland sogar 76%) gaben an, der Klimawandel
mache ihnen große Sorgen. Dahinter kamen mit 65% die Angst vor
Kriegen, Terroranschläge mit 63%, Kriminalität mit 62% und
Altersarmut mit 59% (Epoch Times 2.8.2017). Offensichtlich können
diese 71% nicht alle zu den besser gestellten Schichten der
Gesellschaft gehören.
Sicherlich gibt es auch Teile der Arbeiterklasse, in deren
Bewusstseinsstand dieses Thema keine oder nur eine sehr
untergeordnete Rolle spielt. Das ist auch verständlich, denn die
verheerenden Auswirkungen der Umweltzerstörung sind für die meisten
Menschen nicht unmittelbar sichtbar und sie haben zudem auch viele
andere, akutere Probleme in ihrem Leben, die es ihnen sehr
erschweren, sich damit zu befassen. In den vergangenen Jahrzehnten
war es daher zumeist ein Teil der akademisch gebildeten und materiell
bessergestellten Bevölkerung, die zu diesen Fragen politisch aktiv
geworden ist, weil materielle Existenzängste für sie keine zentrale
Rolle spielen und sie die Zeit und intellektuellen Voraussetzungen
hat, sich in die komplexen Zusammenhänge der Ökologieproblematik
einzuarbeiten. Dadurch erklärt sich, dass die Umweltbewegung von
ihrer sozialen Zusammensetzung her stark auf dem alternativ
orientierten Kleinbürgertum basiert und nur kleine Teile der
Arbeiterklasse einschließt.
Dies kann aber natürlich kein
Argument dafür sein, uns als Kommunisten nicht damit zu
beschäftigen. Denn als Kommunisten können wir nicht opportunistisch
und kurzfristig dem Bewusstseinsstand der Massen hinterherlaufen,
sondern vertreten das langfristige Gesamtinteresse der Klasse. Es ist
unsere Aufgabe, die wissenschaftliche Weltanschauung in die
Arbeiterklasse zu tragen, selbst wenn es um unpopuläre Themen und
Positionen geht. Es wäre daher falsch, als Kommunisten zur Frage der
Umwelt und Umweltpolitik zu schweigen, oder dem Kampf gegen
wissenschaftsfeindliche Theorien (z.B. die der „Klimaleugner“)
aus dem Weg zu gehen. Sollten wir dies tun, würden wir nicht nur zu
einem immer wichtiger werdenden Thema nichts Sinnvolles sagen können,
sondern in dieser Teilfrage sogar hinter der Entwicklung des
Bewusstseinsstandes der Klasse zurückfallen.
Die ökologische Frage ist keine Nebensache oder gar ein bloßes
Ablenkungsmanöver der Bourgeoisie, um die Arbeiter vom Klassenkampf
abzulenken. Wenn Kommunisten es versäumen, sich in dieser Frage von
wissenschaftlichen Grundsätzen leiten zu lassen und die Erkenntnisse
der Naturwissenschaften in ihren Analysen zu berücksichtigen, werden
sie das langfristige Gesamtinteresse der Arbeiterklasse nicht korrekt
bestimmen und daher auch ihre führende Rolle gegenüber der
Arbeiterklasse nur eingeschränkt ausfüllen können. Die
ideologische Führung der Umweltbewegung wird dann weiterhin von
bürgerlichen und reaktionären Kräften wie z.B. den Grünen
ausgeübt werden.
Auf der anderen Seite droht aber auch die Gefahr einer anderen
Abweichung: Wer aus der großen akuten Bedeutung des Problems darauf
schließt, dass die Kommunisten ihre gesamte Agitation nun auf dieses
Thema ausrichten sollten, wird sich von den Massen isolieren und
dadurch ebenfalls die Möglichkeit verlieren, den Bewusstseinsstand
der Massen verändern zu können. Die Agitation der Kommunisten unter
den Massen kann sich nicht nur nach dem richten, was wahr ist,
sondern orientiert sich auch an dem aktuell vorhandenen
Bewusstseinsstand der Massen.
Daher ist es unsinnig, wie die MLPD durch die Gründung einer
„Umweltgewerkschaft“ zu meinen, auf den Zug der bürgerlichen
Umweltbewegung aufspringen zu können und dieser einen proletarischen
Charakter verleihen zu können. Klassenkämpfe, und besonders
gewerkschaftliche und betriebliche Kämpfe, entzünden sich an den
unmittelbaren Interessen der Arbeiterklasse und am ehesten dort, wo
die entgegengesetzten Klasseninteressen am direktesten
aufeinanderprallen. Durch geschickte Agitation, durch das
Ausfindigmachen der explosivsten, am besten skandalisierbaren
Widersprüche mit dem größten Potenzial zur Mobilisierung der
Klasse, müssen diese Kämpfe initiiert und die autonome
gewerkschaftliche und politische Organisierung der Massen
vorangetrieben werden. Das erreicht man sicher nicht, indem man
versucht, die Umweltfrage zur zentralen inhaltlichen Grundlage für
die Organisierung von Arbeitern zu machen.
Die Wahrheit in einer Weise zu verkünden, dass niemand sie hören
will, wird die Bewegung nicht stärken. Es kommt also darauf an,
verschiedene Aspekte der Umweltfrage immer wieder mit den
Klassenkämpfen so zu verknüpfen, dass das Klasseninteresse dahinter
vermittelbar ist. Innerhalb des Kapitalismus bedeuten Forderungen
nach einem besseren Umweltschutz in aller Regel, die Profite des
Kapitals einzuschränken. Die übliche Reaktion der Kapitalisten ist
dann, ihre eigenen Verluste mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen
gleichzusetzen. Abgesehen davon, dass dies keineswegs immer und
automatisch zutrifft, kann die Antwort der Kommunisten nur darin
bestehen, zu fordern, dass das Kapital selbst die Rechnung für den
Umweltschutz zahlt. So wie wir Arbeitszeitverkürzungen bei vollem
Lohn- und Personalausgleich fordern, müssen wir auch
Umweltschutzmaßnahmen bei vollem Erhalt aller Arbeitsplätze und
ohne Verschlechterung der Arbeitsbedingungen fordern. Es muss der
Arbeiterklasse verständlich gemacht werden, dass die Umweltfrage
(ebenso wie die Frauenfrage, der Kampf gegen Rassismus usw.) ein
Aspekt der Klassenfrage ist und in all diesen Teilfragen wie auch der
Gesamtfrage ihr Feind die Bourgeoisie ist.
Auf der Grundlage des proletarischen Klassenstandpunkts ist es
eine wichtige Aufgabe der kommunistischen Partei, nicht nur allgemein
eine dialektisch-materialistische Analyse der ökologischen Frage zu
entwickeln, sondern auch Forderungen und konkrete Standpunkte in der
Umweltpolitik zu erarbeiten. Das kann hier nicht geleistet werden,
sondern ist eine kollektive Aufgabe für die Zukunft. Dennoch sollen
beispielhaft und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit bereits
einige Eckpunkte und Forderungen angerissen werden, um die auch
innerhalb des Kapitalismus gekämpft werden kann und muss:
Kostenloser, gut ausgebauter und zuverlässiger öffentlicher
Personennah- und -fernverkehr; staatlich finanzierte Sanierung
sämtlicher Gebäude und ggf. Erneuerung der Heizsysteme für mehr
Energieeffizienz; wirksame Gesetze zur Begrenzung von
Schadstoffemissionen und Verbot bestimmter umweltschädlicher
Substanzen; schrittweiser, aber zügiger Ausstieg aus der Erzeugung
von Primärenergie durch fossile Brennstoffe bei gleichzeitigem
Ausbau anderer Formen der Energieerzeugung; Kampf gegen eine
CO2-Steuer und sämtliche Maßnahmen, die ökologische Schäden auf
die Arbeiterklasse und das Volk abwälzen. Die Diskussion über
verschiedene Formen der Energieerzeugung kann hier aus Platzgründen
nicht geführt werden und wird daher nur als Frage aufgeworfen –
jedenfalls wird z.B. zu untersuchen sein, ob die in großen Teilen
der Umweltbewegung vorherrschende totale Ablehnung der Atomenergie
aufrechterhalten werden kann, wenn sowohl den Erfordernissen des
Klimaschutzes als auch der Versorgung der Bevölkerung mit Strom
Rechnung getragen werden soll. Ebenfalls stellt sich die Frage nach
der Sinnhaftigkeit der Windenergie angesichts ihres geringen Beitrags
zur Energieversorgung bei gleichzeitig erheblichen Schäden für
Landschaften und Ökosysteme. Allgemein stehen wir vor der komplexen
Aufgabe, umweltpolitische Forderungen aufzustellen, die nicht vom
Kapital gegen die Arbeiterklasse gewendet werden können. Auch diese
Aufgabe wird in Zukunft kollektiv zu bewältigen sein.
Im völligen Gegensatz zu der skizzierten klassenorientierten
Herangehensweise an die Umweltfrage steht die Haltung bestimmter
kleinbürgerlicher Umweltaktivisten. So gab es Fälle, wo gegen die
Arbeiter eines Energiekonzerns gehetzt wurde, weil diese sich aus
Sorge um ihre Arbeitsplätze vor den Karren „ihres“ Konzerns
spannen lassen, um sich für ein umweltschädliches Großprojekt oder
gegen strengere Umweltauflagen auszusprechen. Allgemein ist der
ideologische Effekt großer Teile der bürgerlichen Umweltbewegung,
die einerseits nicht die Verursacher der ökologischen Schäden
benennt, andrerseits aber von der Arbeiterklasse, also ausgerechnet
den Leidtragenden von kapitalistischer Ausbeutung und
Umweltzerstörung, Konsumverzicht einfordert.
Sicherlich ist es sinnvoll, bestimmte irrationale und
verschwenderische Formen des Konsums zu kritisieren, die auch im
Sozialismus keinen Platz mehr haben werden. Sicherlich geht es im
Sozialismus somit auch um einen anderen Konsum, der allein schon
durch seine kollektive Organisationsform weniger umweltschädlich
sein wird. Grundsätzlich abzulehnen ist jedoch die Argumentation,
die von der Arbeiterklasse im Hier und Jetzt den Verzicht auf das
eigene Auto oder den jährlichen Urlaub mit dem Flugzeug fordert.
Diese Argumentation ist unwissenschaftlich, da sie die
Konsumtionsweise von der Produktionsweise trennt, damit von der
tatsächlichen Problemursache ablenkt und außerdem auch die
Arbeiterklasse vom Kampf gegen die Umweltzerstörung entfremdet.
Zudem erfüllt sie allgemeiner die Funktion, die Arbeiterklasse an
den Verzicht und einen sinkenden Lebensstandard zu gewöhnen und
steht daher dem notwendigen Wiederaufbau einer kämpferischen
Arbeiterbewegung entgegen. Kommunisten müssen natürlich auch in
dieser Frage die Interessen der Arbeiterklasse verteidigen und
entsprechende Forderungen kompromisslos bekämpfen.
Überhaupt ist eine wesentliche Aufgabe der Kommunisten bezüglich
der Umweltfrage gerade die praktische und wissenschaftlich begründete
Distanzierung von der bürgerlichen Umweltbewegung. Die Rolle der
entsprechenden Vereinigungen und NGOs wäre genauer aufzuzeigen. Hier
soll nur gesagt sein, dass Umwelt-NGOs und ähnliche Gruppierungen
Teil des zivilgesellschaftlichen Überbaus des Imperialismus sind und
bestenfalls abseits der realen Klassenkämpfe versuchen, durch
Lobbyarbeit die verheerenden ökologischen Auswirkungen des
Kapitalismus hier und da etwas zu begrenzen. Indem sie die Klassen-
und Systemfrage ausblenden und die kapitalistisch-imperialistischen
Verhältnisse als Grundlage ihrer Politik selbstverständlich
akzeptieren, schließen sie von vornherein jede Möglichkeit aus,
eine wirkliche Lösung des Problems zu finden. An den „grünen“
Parteien, besonders der in Deutschland, lässt sich erkennen, wo
diese Logik hinführt: So, wie die Sozialdemokratie durch den
Reformismus auf die Seite des Kapitals übergegangen ist und heute
überall auf der Welt für eine zutiefst arbeiterfeindliche Politik
steht, so haben auch die „Grünen“ durch ihre Akzeptanz des
Kapitalismus, ihren bürgerlichen Charakter, ihre Ausrichtung auf
Regierungsbeteiligungen etc. die Umweltfrage zu einem
Etikettenschwindel gemacht, der zur Blendung ihrer meist
akademisch-kleinbürgerlichen Wählerbasis taugt, aber zur Erhaltung
der natürlichen Lebensbedingungen nichts beizutragen hat. Im
Gegenteil verwalten diese „Umweltschützer“ genau das System mit,
das die ökologische Katastrophe hervorgerufen hat. Vor die Wahl
gestellt, entweder den Kapitalismus, die parasitäre Diktatur des
Kapitals zu retten oder die Lebensgrundlagen zukünftiger
Generationen, werden sie sich immer für ersteres entscheiden. Diese
Kräfte sind für die Arbeiterbewegung, für ihren Kampf um wirksamen
Umweltschutz keine Bündnispartner. Sie sind zu bekämpfen, auch
indem man ihre Heuchelei und den Bankrott ihrer Umweltpolitik
aufzeigt.
Die Umweltfrage im Sozialismus
Umweltzerstörung gab es in verschiedenen Formen schon vor dem
Kapitalismus und es wird sie auch im Sozialismus in begrenztem Rahmen
noch geben. Eine Gesellschaft ohne Produktion ist nicht möglich und
Produktion ist, wie Marx betont hat, ein Prozess des Stoffwechsels
mit der Natur, der Veränderung der Natur gemäß den Zielen der
Menschen. Welche diese Ziele sind, hängt aber nun entscheidend von
der herrschenden Produktionsweise ab. Im Kapitalismus ist das Ziel
der Produktion der Profit, was im direkten Widerspruch dazu steht,
Rücksicht auf ökologische Notwendigkeiten zu nehmen. Deshalb
übersteigt der Ressourcenverbrauch im Kapitalismus die durchaus
vorhandene und erhebliche Regenerationsfähigkeit des Ökosystems auf
der Erde inzwischen eindeutig.
Eine Gesellschaft, die nicht den Ast absägen will, auf dem sie
sitzt, wird diesen Zustand beenden müssen. Der Ressourcenverbrauch
der Gesellschaft muss sich an den Grenzen orientieren, innerhalb
derer eine Regeneration des Ökosystems noch möglich ist.
Langfristig muss es der Gesellschaft möglich sein, natürliche
Veränderungen im Ökosystem vorausschauend erkennen und darauf
reagieren zu können. Nur eine Produktionsweise, die sich an den
Bedürfnissen der Menschen orientiert und die Produktion
gesamtgesellschaftlich plant, kann das gewährleisten. Denn die
Erhaltung der Umwelt im Sinne der natürlichen Lebensgrundlagen der
menschlichen Gesellschaft ist ein essenzielles Bedürfnis der
Menschen. Eine solche Produktionsweise beinhaltet zwangsläufig die
zentrale Planung der Produktion. Ein zentraler Plan auf Grundlage des
Volkseigentums an allen wichtigen Produktionsmitteln würde allen
Betrieben verbindliche Vorgaben für Ressourcenverbrauch,
Produktionsziele und verwendete Technologien geben. Darin müssten
auch ökologische Aspekte berücksichtigt werden.
Wir haben deshalb in unseren Programmatischen Thesen festgehalten:
„Das Ziel der sozialistischen Gesellschaft und ihres Staates ist
es, alle Produktionsmittel zu vergesellschaften und so schnell und so
planmäßig wie möglich zu entwickeln. Zum ersten Mal in der
Geschichte der Menschheit geschieht das mit dem Ziel, die
gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnisse der Menschen zu
befriedigen und zu entwickeln, die den Reichtum der sozialistischen
Gesellschaft erarbeiten. Auf der Basis einer möglichst hoch
entwickelten, wissenschaftlich geleiteten Produktion ist das zum
ersten Mal auch ohne die fortgesetzte Zerstörung der natürlichen
Lebensgrundlagen möglich.“
Natürlich wird der Sozialismus in einer konkreten Situation unter
bestimmten gegebenen Bedingungen aufgebaut werden müssen, die wir
heute noch nicht in Gänze voraussehen können. Daher ist es auch
nicht möglich, exakt zu beschreiben, wie eine zukünftige
sozialistische Gesellschaft die Umwelt schützen würde. Es ist
jedoch sehr wohl möglich und als Teil kommunistischer Propaganda
auch sinnvoll, wichtige Stellschrauben und Hebel zu benennen, an
denen die Arbeitermacht ansetzen können wird, um ihre
umweltpolitischen Ziele zu erreichen.
Es ist an dieser
Stelle nicht möglich, die ökologische Bilanz der sozialistischen
Staaten 1917-1989/90 zu untersuchen und zu beurteilen, ob in diesen
Staaten immer ein angemessenes Herangehen an die Umweltfrage gewählt
wurde. Hinweisen wollen wir aber darauf, dass die späte
Thematisierung ökologischer Fragen im sogenannten „Neuen Denken“
des Gorbatschow-Revisionismus von einer Überordnung der „Gattungs-
über den Klassenfragen ausging, und dies zum Teil ausdrücklich mit
der antifaschistischen Volksfront-Politik des VII. Weltkongresses der
Komintern „begründete“. Krieg und Frieden, Hunger, aber auch
Umweltfragen wurden auf diese Weise zu klassenneutralen „Fragen der
gesamten Menschheit“ stilisiert, jeder Einbeziehung in eine
revolutionäre Gesamtstrategie (die es sowie nicht mehr gab) entzogen
und damit objektiv unlösbar. Gorbatschow und seine Gefolgsleute
taten dies durchaus in der bewussten Absicht, die KPdSU, die UdSSR
und den Sozialismus zu liquidieren. Dass ihnen das gelang, macht sie
zu entscheidenden Mitverantwortlichen der globalen Klimakrise heute.
Wie das genau geschah ist für alle Kommunisten, die sich heute
erneut mit der ökologischen Frage beschäftigen, als warnendes
Beispiel Ausgangspunkt der dringend notwendigen Formulierung einer
kommunistischen Strategie in klimapolitischer Hinsicht.
Die
Arbeitermacht in Deutschland würde natürlich an den Fortschritten
ansetzen, die bereits im Kapitalismus zur Steigerung der
Energieeffizienz erreicht wurden (allerdings ohne damit das Problem
zu lösen) und massiv in die Forschung investieren, um in dieser
Richtung weitere Verbesserungen zu erreichen. Das wäre ohnehin zum
Schutz der revolutionären Macht sinnvoll, da es dazu beitragen
würde, den Sozialismus in Deutschland von Energieimporten unabhängig
zu machen. In diesem Sinne müsste die Arbeitermacht auch massiv den
Ausbau erneuerbarer Energien fördern, sofern es sich dabei um
wirklich sinnvolle Technologien handelt, und danach streben, auch
deren Energiebilanz zu verbessern. Die völlig irrationale, aber eben
(vor allem für die Automobilindustrie) viel profitablere Methode,
den Verkehr über PKWs statt über vergesellschaftete Transportmittel
zu organisieren, kostet die Arbeiterklasse jeden Tag viel ihrer
Lebenszeit und führt zu Zigtausenden unnötigen Toten und
Verletzten. Sie führt außerdem zu einem sehr viel höheren Ausstoß
an Giftstoffen und Treibhausgasen als es notwendig wäre. Der Aufbau
eines flächendeckenden, effizienten, schnellen, komfortablen und
kostenlosen öffentlichen Personenverkehrs wäre ein wichtiger
Schritt zur Verbesserung des Lebensstandards und gleichzeitig zum
Umweltschutz. Die Industriebetriebe würden nach Möglichkeit
umweltschädliche Produktionsmethoden vermeiden, indem man an
Alternativen forscht, und wo dies nicht möglich ist, zumindest eine
möglichst sichere Entsorgung der giftigen Abfallstoffe
gewährleisten. Die Wälder und andere Biotope müssten streng
geschützt werden, es müsste umfassende Programme zur
Wiederaufforstung und Renaturierung geben, sodass sich Tiere und
Pflanzen ihre natürlichen Lebensräume wieder zu einem gewissen Grad
zurückerobern können. Gegen Überschwemmungen und Waldbrände
müssten wirksame Schutzmaßnahmen ergriffen werden, Feuerwehr und
Katastrophenschutz müssten alle erforderlichen Mittel zur Verfügung
gestellt werden. Durch die Ausweitung von Waldflächen im globalen
Maßstab würden große Massen CO2 der Atmosphäre entzogen und in
organischen Kohlenstoffverbindungen gebunden, sodass der Anteil an
Treibhausgasen in der Atmosphäre stabilisiert und möglicherweise
sogar allmählich wieder reduziert werden könnte. Auch andere
Methoden, die unter dem Oberbegriff des Climate Engineering mit
technischen Mitteln den CO2-Gehalt der Atmosphäre verringern würden,
müssten im Hinblick auf negative ökologische Nebeneffekte geprüft
werden und gegebenenfalls zur Anwendung kommen. Notwendige
Voraussetzung all dessen wäre eine energiepolitische Grundkonzeption
auf der Basis der Nutzung erneuerbarer Energien (sowie ggf. der
Atomenergie, über die noch zu diskutieren wäre) und der
weitestgehenden Reduzierung des Verbrauchs von klimaschädlicher
fossiler Primärenergie.
Natürlich muss hier eine Einschränkung gemacht werden: So lange
es noch kapitalistische und imperialistische Länder gibt, wird der
Sozialismus nur in begrenztem Ausmaß seine Überlegenheit entfalten
können. Genauso wie es nur begrenzt möglich sein wird, angesichts
der ökonomischen Konkurrenz soziale Errungenschaften umzusetzen und
einen höheren Lebensstandard zu garantieren, wird es wahrscheinlich
zu Beginn auch nur in begrenztem Umfang möglich sein, die Umwelt zu
schützen. Trotzdem ist es richtig, mit sozialen Forderungen auch
jetzt schon für den Sozialismus zu agitieren. Denn auch wenn gerade
die Anfangsphase des Übergangs zum Sozialismus schwierig und
opferreich sein wird, wird sie trotzdem schon ein besseres Leben
bieten können, wie auch die Geschichte im 20. Jahrhundert gezeigt
hat. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Fragen einer
kommunistischen Umweltpolitik. Im Sozialismus würde die
Arbeitermacht nach der Ausweitung der Produktion und
Effizienzsteigerungen streben, um die Bedürfnisse der Menschen nach
Wohnung, Nahrung, Bildung, Gesundheit, Kultur, Sport usw. zu
befriedigen. Ein sozialistischer Staat müsste auch umfangreiche
Ressourcen in das Militär investieren, um sich gegen den
Imperialismus und die internationale Konterrevolution verteidigen zu
können. Gleichzeitig würde er aber auch schon den öffentlichen
Verkehr ausbauen und damit den Individualverkehr einschränken, er
würde durch Sanierungsmaßnahmen den Energieverbrauch senken, er
würde sich um Energiesouveränität bemühen und deshalb die
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren, er könnte
Naturschutzgebiete und Nationalparks einrichten, die Emission von
Schadstoffen verringern und vieles mehr.
Je schwächer und international isolierter der Sozialismus wäre,
je stärker der äußere Druck auf ihn, desto geringer wären
natürlich die Spielräume für wirksame Umweltschutzmaßnahmen. Mit
dem fortschreitenden weltrevolutionären Prozess und der Einbeziehung
weiterer Länder in das sozialistische Lager würden sich diese
Spielräume tendenziell erweitern. Langfristig wird so eine
Stabilisierung und bis zu einem gewissen Punkt Reduzierung der
Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre sowie eine
Beseitigung anderer globaler ökologischer Schäden möglich sein.
Viele gravierende Schäden werden zu diesem Zeitpunkt bereits
irreversibel sein, beispielsweise was das rapide Aussterben von Tier-
und Pflanzenarten angeht. Trotzdem ist davon auszugehen, dass es auch
bei fortgeschrittener ökologischer Zerstörung nicht in dem Sinne
„zu spät“ sein wird, dass wirksame Schutzmaßnahmen oder eine
begrenzte Erholung der Umwelt nicht mehr möglich sind.
Es ist also trotz aller Kippeffekte und Eigendynamiken der
ökologischen Zerstörungen nicht so, dass aufgrund des Klimawandels
und der Umweltverschmutzung an einem bestimmten Datum in den nächsten
Jahren der „Weltuntergang“, also die Ausrottung der Menschheit
nicht mehr zu verhindern wäre. Wir wollen an dieser Stelle nicht die
unterschiedlichen Prognosen diskutieren, die von einem
Zusammenbrechen der Zivilisation in einigen Jahrzehnten ausgehen. Es
liegt in der Natur solcher Prognosen, dass sie mit hoher Unsicherheit
operieren, was die naturwissenschaftlichen Daten angeht. Zudem
blenden sie in aller Regel die gesellschaftliche Entwicklung aus,
also sowohl die zwar sicherlich nicht ausreichende, aber dennoch auch
vorhandene Anpassungsfähigkeit der kapitalistischen
Produktionsweise, als auch die Lösungsmöglichkeiten einer
zukünftigen sozialistischen Gesellschaft. Entscheidend ist aber,
dass es nicht die eine Schwelle gibt (z.B. 1,5 oder 2°C), bis zu der
der Klimawandel noch beherrschbar wäre und nach deren Überschreitung
die Menschheit alle Hoffnung fahren lassen müsste. Solche
Vorstellungen, die teilweise in den Medien verbreitet werden, sind
grober Unsinn. Vielmehr haben die negativen Folgen des Klimawandels
längst begonnen und werden ja auch jetzt schon, vor Erreichen des
1,5-Grad-Zieles, immer spürbarer. Und auch wenn die 2°C einmal
überschritten sind, wozu es aller Wahrscheinlichkeit nach kommen
wird, da die sozialistische Weltrevolution wohl kaum in den nächsten
Jahren bevorsteht, wird der Kampf gegen jedes weitere Zehntelgrad
Erwärmung umso notwendiger sein, eben weil jedes weitere Zehntelgrad
den Planeten ein Stückchen lebensfeindlicher macht, mehr Verlust an
Menschenleben und mehr irreparable ökologische Schäden bedeutet und
es für die Zukunft schwieriger macht, entgegenzusteuern. Auch im
Kapitalismus muss also zumindest für eine Verlangsamung der globalen
Erwärmung gekämpft werden, und sei es nur, um der Menschheit Zeit
zu verschaffen, sich den Kapitalismus vom Hals zu schaffen.
Die „gute Nachricht“ lautet also, dass eine sozialistische
Planwirtschaft durchaus in der Lage sein wird, die gewaltigen
ökologischen Probleme zu bearbeiten und zu einem gewissen Grad zu
lösen.
Dabei werden allerdings die Kosten, die die Menschheit dann
zwangsläufig auf sich nehmen muss, immer größer werden, je länger
es der kapitalistischen Produktionsweise gestattet wird, die Umwelt
zu zerstören. Natürlich sollten die Kommunisten gegenüber den
Massen nicht vermitteln, dass mit der Errichtung des Sozialismus in
einem oder wenigen Ländern die Umweltprobleme sofort und vollständig
zu lösen wären. Wir können aber mit gesundem Selbstbewusstsein und
gestützt auf die Erkenntnisse unserer Wissenschaft sagen, dass der
Sozialismus, und nur der Sozialismus, in der Lage sein wird, den
Klimawandel und andere ökologische Probleme im Sinne einer
garantierten weiteren Existenz der Menschheit aufzuhalten und
zurückzudrängen.
Auch auf dem Gebiet der Umwelt- und Klimapolitik steht uns ein
langwieriger und komplizierter Kampf bevor, sowohl jetzt im
Kapitalismus als auch in einer zukünftigen sozialistischen
Gesellschaft. Entscheidend ist aber, dass es einen anderen Weg für
die Menschheit nicht gibt.
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