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Luxemburg-Liebknecht-Gedenken 2019

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Dossier: Gesammelte Texte zum Luxemburg-Liebknecht-Gedenken 2019

Hier veröffentlichen wir unseren Bericht und weitere Texte vom diesjährigen Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Es ist der 100ste Jahrestag ihrer Ermordung durch die Allianz aus Sozialdemokratie und Freikorps.

Hier findet ihr die einzelnen Texte:


Den Toten zur Ehre – uns Lebenden zur Pflicht

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Bericht vom Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum 100. Jahrestag ihrer Ermordung

Jährlich im Januar kommen tausende Kommunistinnen und Kommunisten zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin zusammen. Dieses Jahr jährt sich die hinterhältige Ermordung der zwei großen Vorkämpfer der Arbeiterklasse durch die Allianz aus Freikorps und Sozialdemokratie zum 100. Mal. Ebenso boten die Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands vor 100 Jahren und die Gründung der DDR vor 70 Jahren wichtige Anlässe, um in diesem Jahr in Berlin entschlossen auf die Straße zu gehen.

Bereits am Samstag zogen wir mit einer Demonstration durch Berlin, um an verschiedenen wichtigen Orten der Stadt die Geschichte der zwei deutschen Staaten zu zeigen: Auf der einen Seite der Staat der Kapitalistenklasse, die BRD, repräsentiert u.a. durch das Berliner Stadtschloss und die Zentrale des Axel-Springer-Verlags. Auf der anderen Seite der Staat der Arbeiterklasse und des Volkes, deren Symbole zwar weitestgehend dem Erdboden gleich gemacht oder durch BRD-Staatsbehörden angeeignet wurden, aber dennoch nicht vergessen sind: So beispielsweise der Palast der Republik und das Staatsratsgebäude der DDR. Mit lauten Parolen und vielen roten Fahnen und Fahnen der Sowjetunion und der DDR zogen wir durch Berlin ins Herz der ehemaligen Hauptstadt der DDR. Den Abschluss bildete die bekannte Statue von Karl Marx und Friedrich Engels, das sogenannte Marx-Engels-Forum, welches der deutsche Staat am liebsten ans letzte Ende der Republik verbannen würde.

KO Block LLL 2019

Ebenfalls am Samstag präsentierten wir unser am Freitag veröffentlichtes BolscheWiki, die Online-Plattform des Kommunistischen Klärungsprozesses. Diese Plattform ist die praktische Einladung an alle Kommunisten, sich an der Klärung zu beteiligen, sich unsere Inhalte anzuschauen, sie zu kritisieren und konstruktiv mitzuarbeiten. Bereits am Samstag konnten wir an unserem Stand auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz mit vielen Interessierten diskutieren.

Auf unserer Abendveranstaltung gingen wir auf die Bedeutung der Gründung der Kommunistischen Partei von 100 Jahren ein. Im Fokus standen die Lehren, die Kommunistinnen und Kommunisten aus den Erfahrungen der Novemberrevolution und der Gründung der KPD für den heutigen Kampf um den Wiederaufbau der Arbeiterbewegung und der Kommunistischen Partei ziehen müssen.

„Klarheit, Einheit und Organisation für den nächsten Anlauf zur Revolution“ war die Parole, unter der unser Block auf der Gedenkdemo am Sonntag stand. Mit einem geordneten und lautstarkem Auftritt, mit Parolen und Gesängen gegen Imperialismus und Krieg und für den Sozialismus brachten wir unsere Würdigung für Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und all die mutigen Kämpfer damaliger und heutiger Kämpfe zum Ausdruck.

„Erinnern heißt kämpfen!“ – das Wochenende in Berlin hat uns motiviert und gestärkt für die großen Aufgaben und Kämpfe, die vor uns liegen.

Der kommunistische Klärungsprozess kann beginnen!

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Unsere Online-Plattform mit dem Namen BolscheWiki ist nun zugänglich. Ein halbes Jahr nach der Konstituierung der Kommunistischen Organisation sind wir soweit — und ja, ein bisschen stolz sind wir auch. In den letzten Monaten haben dutzende Genossinnen und Genossen an der Erarbeitung und Formulierung der Arbeitsthesen, an der Bereitstellung der Plattform mitgewirkt. Diese Plattform im Wiki-Format ist der Rahmen, in dem wir die Klärung der brennenden Fragen der kommunistischen Bewegung organisieren wollen. Sie ist der Ort an dem wir die Kommunistinnen und Kommunisten, die an diesem Prozess aktiv teilzunehmen bereit sind, zusammenbringen möchten. Aber keine Bange: der Klärungsprozess ist nicht deshalb schon eine rein virtuelle Angelegenheit. Wer mitarbeiten will, kann das ganz praktisch tun. Auch ist die Organisation des Klärungsprozesses nicht die Verabschiedung von der Praxis, sondern vielmehr der Versuch revolutionäre Praxis — ganz im Sinne der Erkenntnisse und Erfahrungen des Wissenschaftlichen Kommunismus — wissenschaftlich anzugehen.

„Ein Gespenst geht um …“

So beginnt das Manifest der Kommunistischen Partei, das vor etwa 170 Jahren zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Und heute? Es spukt regelrecht vor lauter Gespenstern. Versetzen wir uns kurz in die Lage derjenigen, die sich für den Kommunismus interessieren, dann erscheint die Kommunistische Weltbewegung als ein Haus voller buntscheckiger Gespenster. Gespenster, die sich allesamt untereinander nicht vertragen, sich gegenseitig des Revisionismus, des Dogmatismus, des Linksradikalismus und so fort bezichtigen. Gleichzeitig beanspruchen alle die Wahrheit zu sagen, ja sie meinen sogar, sich diese wissenschaftlich erarbeitet zu haben. Halten wir nur kurz inne und bleiben wir bei der Außenperspektive: mit welchen Kriterien soll eine Arbeiterin oder ein Arbeiter beurteilen, welche dieser Gespenster nun das Gespenst des Kommunismus ist? Ist es die Partei, die die meisten Leute um sich schart? Oder vielleicht gerade die Partei, die am exklusivsten ist und sich nicht mit den alltäglichen Problemen der Massen, sondern nur mit weltgeschichtlichen Fragen abgibt? Vielleicht aber ist es die Partei, die auf langsame Schritte und Reformen setzt und bereit ist mit allen und jedem zusammenzuarbeiten und sei es um den Preis, dass sie im pluralistischen bunten Bündnis die blutrote Fahne des Kommunismus zum Verblassen bringt? Es könnten aber auch die lautesten und radikalsten Gruppen sein, die, die bereit sind viel zu opfern und alles aufzugeben? Wir könnten jetzt so weiter spekulieren, was so in den Köpfen vieler Menschen vorgehen kann, wenn sie sich der kommunistischen Angebotsvielfalt gegenübersehen. Von Klarheit kann hier nicht die Rede sein. Die Voraussetzung dafür Klarheit nach Außen zu schaffen, ist diese in den kommunistischen Reihen selbst anzugehen.

Klarheit und Einheit

Wir gehen davon aus, dass dieser Zustand den meisten Kommunistinnen und Kommunisten bewusst ist und dass die allermeisten ihn auch beenden wollen. Kaum vorstellbar ist es jedenfalls, dass irgendeine Organisation diese Situation als gut befindet. Wieso aber ist es bis jetzt nicht gelungen, einen organisierten Prozess der Klärung in Gang zu setzen? Hat es denn überhaupt ernsthafte Versuche in diese Richtung gegeben? Wir haben auf diese Fragen keine Antwort und wollen uns auch nicht anmaßen sie zu beantworten, zumal wir uns über die vielen Rückschläge, Niederlagen und Krisen innerhalb der Gesamtbewegung bewusst sind. Was wir aber können, ist zu versuchen an dieser Ernsthaftigkeit und dem Pflichtgefühl aller Kommunisten und Kommunistinnen — ganz gleich ob und in welcher Partei organisiert — zu appellieren und sie aufzufordern sich am Klärungsprozess zu beteiligen. Diese Plattform soll vor der Arbeiterklasse in einer systematischen Form die Argumente der unterschiedlichen Organisationen, Parteien und Einzelpersonen darlegen. Die Positionen sollen nachvollziehbar gemacht werden, so dass Interessierte sich ein Bild vom gegenwärtigen Kommunismus machen können. Es gibt — unserer Ansicht nach — kein gutes Argument sich der Diskussion zu entziehen. Wer von der eigenen Position überzeugt ist, sollte diese auch selbst vertreten und nicht anderen zum Zitieren überlassen. Wir werden unser möglichstes tun, um auf unserer Plattform dafür den nötigen Raum zu schaffen.

Unsere Pflicht gegenüber der Arbeiterklasse

Wir machen uns aber auch nichts vor: wie sehr wir es auch versuchen werden durch Diskussion und Offenheit, durch inhaltliche Klärungsarbeit, die Einheit in der kommunistischen Bewegung herzustellen, es wird uns nicht gänzlich gelingen — zumindest nicht ohne in Kauf zu nehmen, dass diese auf Kosten des revolutionären Charakters der Bewegung geht. Unsere Aufgabe sehen wir darin, am Prozess der Klärung so viele wie möglich zu beteiligen und zu sammeln, auch um der Arbeiterklasse gegenüber transparent zu machen, wer ernsthaft an einer Klärung, und sei es ‚nur‘ an der Behauptung der eigenen Thesen, Interesse zeigt und wer nicht. Ob letztere sich selbst disqualifizieren, kann nur im praktischen Klassenkampf gezeigt werden. Die Glaubwürdigkeit des Kommunismus gegenüber der Arbeiterklasse können wir nur wiedererlangen, wenn wir uns ernsthaft um Klarheit und Einheit bemühen.

Organisation

Es ergibt sich quasi von selbst, dass wir den Prozess der Klärung deshalb so transparent und offen wie möglich gestalten müssen, damit diese auch gesehen und erkannt werden kann. Dieser Klärungsprozess muss der Arbeiterklasse gegenüber durch kommunistische Agitation und Propaganda vermittelt werden. Wir stellen uns den Klärungsprozess nicht als eine Phase des innerkommunistischen Austauschs vor, der erst beendet werden muss, bevor wir uns der Arbeiterklasse zwecks Organisierung zuwenden. Schon von Anbeginn ist der gesamte Prozess der Klärung selbst ein zu vermittelnder Akt der Organisierung. Um diesen Prozess zielführend zu stemmen, braucht es einer festen Organisation und kollektiver, disziplinierter Arbeit. So offen auch die Teilnahme am Klärungsprozess ist, so geschlossen und kollektiv muss die Organisierung dieses Prozesses sein. Für diese Zielführung übernehmen wir als Kommunistische Organisation die Verantwortung. Damit geht die Pflicht einher, Diskussionen, die wir anstoßen auch zu beenden und die notwendigen praktischen Schlussfolgerungen aus der Klärung zu ziehen.

Zum BolscheWiki

Auf unserer Wiki-Seite könnt ihr mehr über die praktischen Fragen im Zusammenhang mit dem Klärungsprozess erfahren und euch unsere bisherige Arbeit an den Arbeitsthesen ansehen und selbstverständlich kritisieren, ergänzen und euch einbringen. Den Kommunismus müssen wir machen. Macht mit!

Klarheit, Einheit und Organisation für den nächsten Anlauf zur Revolution!

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Der Text als Flyer

Zu den Aufgaben der Kommunisten 100 Jahre nach der Gründung der KPD

100 Jahre nach der Novemberrevolution und der Gründung der KPD ist die Arbeiterbewegung in einer anhaltenden tiefen Krise. Sie ist geprägt von Zersetzung und Desorganisierung, von ideologischer Unklarheit und Illusionen in die Sozialdemokratie. Die Potenziale, die von der fortschrittlichen Arbeiterbewegung hervorgebracht wurden, ihre Organisationen, ihre Kultur und ihre Tradition konnten von der Bourgeoisie weitgehend integriert und kanalisiert werden. Die tiefe Krise zeigt sich auch in der mangelnden Verbindung der Bewegung zu ihrer eigenen Geschichte, insbesondere zu den großen Errungenschaften und Leistungen der DDR, deren Gründung vor 70 Jahren das zweite wichtige historische Datum des Jahres 2019 ist. Aber die Arbeiterklasse ist und bleibt die einzige gesellschaftliche Kraft, die den sozialen Fortschritt verkörpert und ihm zum Durchbruch verhelfen kann und wird.

Gesellschaftliche Kämpfe im großen Maßstab fehlen, Ansätze für fortschrittliche politische Initiativen verpuffen schnell wieder. Ihnen fehlt die Verbindung zur kämpfenden Klasse. Im Vergleich zu den 1920er Jahren können Intellektuelle, Künstler, Sportler und andere Teile der Gesellschaft kaum an die Arbeiterbewegung anknüpfen. Die politische und geistige Landschaft ist von individualistisch-liberaler Ideologie geprägt, die mit Irrationalismus und Nihilismus einhergeht. Weite Teile der Jugend sind entpolitisiert und haben keine Orientierung. Die Lenkung der Gesellschaft scheint für die Kapitalistenklasse recht einfach.

Wir wissen, es wird nicht so bleiben, es kann nicht so bleiben. Große Teile der Gesellschaft haben Unsicherheiten, Ängste und Fragen. Viele spüren, dass es so nicht weiter gehen kann. Die Gesellschaft verlangt nach Fortschritt, sie verlangt nach Wahrheit und nach wissenschaftlichen Antworten. Gegenwärtig aber findet sie lediglich entweder irreführende, pessimistische oder irrationale Antworten vor. Insbesondere die Arbeiterklasse verlangt Antworten und Lösungen. Sie ist nicht nur besonders von Krise und Krieg betroffen. Sie ist auch die Kraft, die in der Lage ist, die neuen Produktionsverhältnisse zu errichten, die den Produktivkräften gerecht werden. Das hat sie in den Jahrzehnten des Aufbaus des Sozialismus bewiesen.

Aber nach Verrat und Niederlage steht die Frage im Raum: Wem vertrauen? Nur euch selbst, müssen wir der Arbeiterklasse zurufen. Es wird keine andere Kraft, kein Versprechen, keine Illusion geben, die für euch eine Lösung ist. Dafür ist Wissenschaft notwendig: zum Erkennen, was richtig und notwendig ist, zum Erkennen, was möglich und was nötig ist, zum Erkennen des Gesamtzusammenhangs ohne Beschönigung, ohne Kompromiss. Zum Erkennen der Potenziale der Klasse und zum Erkennen des Eintritts der revolutionären Situation. Um dann genau zu wissen, was zu tun ist und wer es tun muss – dafür braucht es die richtige und konkrete Strategie.

Dass es nicht so weiter gehen kann und auch nicht gehen wird, ist klar. Aber die notwendige Veränderung geschieht nicht spontan, nicht von allein. Die Anbetung der Spontaneität ist eine große Gefahr für die Arbeiterbewegung. Sie ist eine romantische Falle, in die sie die herrschende Klasse gerne lockt, um sie zu vertrösten, passiv zu machen und Zeit zu gewinnen. Sie selbst geht währenddessen so planvoll vor, wie es ihr nur möglich ist. Die politischen und die meisten anderen Organisationen der Arbeiterbewegung sind nie spontan entstanden, sie waren das Werk bewusster und planender Kräfte der Klasse, die die Einsicht in die Notwendigkeit hatten und handelten. Die Gründung der KPD ist dafür der beste Beweis. Ohne kommunistische Partei wird die Klasse ihre historische Rolle nicht einnehmen können.

Die KPD hat nach dem Verrat der SPD versucht, die Krise der revolutionären Arbeiterbewegung zu lösen. Dabei hat sie große Leistungen vollbracht, Kämpfe geführt und hunderttausende Arbeiter geschult und große Kämpfer und Denker der Klasse wie Thälmann, Pieck, Ulbricht und andere hervorgebracht. Dennoch konnte sozialdemokratisches Bewusstsein tief in die kommunistische Bewegung eindringen. Das gelang dem Klassenfeind aber nur mit der Knute in der Hand: Durch Faschismus, ebenso wie in der BRD durch KPD-Verbot und Berufsverbote verpasste er der revolutionären Arbeiterbewegung harte Schläge, die die Kette der Generationen zerreißen und das einigende Band der Geschichte der Kämpfenden zerschneiden sollten. Auf der anderen Seite stehen die großen Erfolge und Errungenschaften der deutschen Kommunisten: Die KPD und insbesondere die DDR – sie waren ebenso harte Schläge für die Bourgeoisie. Vor was sollten sich die deutschen Imperialisten mehr fürchten, wenn nicht vor einer einigen und bewussten Arbeiterklasse? Sie hat ihnen schon einmal Macht und Herrschaft entrissen.

Aber die Krise ist nicht gelöst! Überall ist bürgerliches Bewusstsein auf dem Vormarsch. Stellen wir uns als Kommunisten der Prüfung der Stunde. Vor der Arbeiterklasse müssen Kritik und Selbstkritik geübt werden, eigene Fehler erkannt und alle Erfahrungen ausgewertet werden. Mit Mut müssen wir voranschreiten und die eigene Position benennen und begründen – mit allen Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus. Aufklärung auch über die kommunistische Bewegung und ihre Entwicklung selbst braucht die Arbeiterklasse. Aufklärung über alle gesellschaftlichen Zusammenhänge, ihre historischen Ursprünge und ihre Entwicklung ist die Aufgabe der Kommunisten.

Die Gesellschaft steckt auch heute voller Potenziale, die für den Kampf der Arbeiterklasse nötig und nützlich sind. Die Arbeiterklasse muss den Zustand der Desorganisierung überwinden und ihre Reihen festigen. Das kann nur eine bewusste revolutionäre Kraft voranbringen, die diese Notwendigkeit erkannt hat und die sie den sozialdemokratischen Illusionen und Angeboten entgegenstellen kann. Die Organisierung und Nutzbarmachung aller Potenziale ist die Aufgabe der Kommunisten.

Damit ist die Organisation der Kommunisten selbst verbunden, die weder zufällig noch beliebig, sondern ebenso bewusst und planvoll angepackt werden muss. Dieser Prüfung sind alle Organisationen und Parteien unterzogen, ob sie wollen oder nicht. Der jetzige Zustand des Nebeneinanders und auf sich selbst Bezogenen muss überwunden werden. Nicht durch falsche Eintracht oder Abschwächung der Widersprüche und auch nicht durch Bündnisse oder Zusammenschlüsse, sondern durch scharfe und offene Auseinandersetzung. „Durch Klarheit zur Einheit“ ist ein ernst gemeintes Ziel, denn die Unklarheit der kommunistischen Bewegung ist ebenso wie ihre Zersplitterung ein ernstes Problem für die Arbeiterklasse.

Dieser Kampf ist mit jedem einzelnen von uns verbunden, von nichts von alledem bleiben wir verschont. Jedes Individuum wird der Zurichtung der kapitalistischen Gesellschaft unterzogen, ob als Arbeiter oder Student. Aus der Geschichte des Kampfs der Arbeiterklasse wissen wir: Der Kommunismus ist die einzige mögliche Gesellschaft, ganzer Mensch zu sein, der Kampf darum der einzige Ort, ganzer Mensch zu werden. Die Kultur des Kommunismus, die Kultur des Proletariats wird gezielt verschüttet, denn der herrschenden Klasse ist ihre Bedeutung bewusst. Die Änderung der Gesamtsituation bedeutet auch die Änderung jedes Einzelnen durch ein starkes Kollektiv, durch Disziplin und vor allem durch Solidarität und Menschlichkeit. Kommunisten sollen Geburtshelfer der neuen Gesellschaft sein, sie müssen im Hier und Jetzt Ängstlichkeit und auferlegte Beschränktheit überwinden.

100 Jahre nach der Novemberrevolution und der Gründung der KPD; 70 Jahre nach der Gründung der DDR können wir sagen: Die Kapitalistenklasse ist eine historisch längst überflüssige Klasse, sie erfüllt nur noch den verzweifelten Zweck, den unaufhaltsamen Gang der Geschichte aufzuhalten. Die Zukunft gehört der Arbeiterklasse, dem Sozialismus und letztendlich der Aufhebung aller Klassen. Schaffen wir die nötige Klarheit für dessen Erkämpfung, sammeln wir alle Kräfte und bereiten sie vor, um die morsche Festung der Bourgeoisie zu stürmen. Es lebe die sozialistische Revolution!

Das Jahr 2018 – Rückblick und Bilanz

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Der Text als pdf

Mit dem Jahr 2018 ist ein ereignisreiches Jahr zu Ende gegangen. Für das Volk und die Arbeiterklasse war auch dieses Jahr kein gutes Jahr. Überall auf der Welt führt das Kapital weiterhin den Klassenkampf von oben. So auch in Deutschland. Mit den Rentenpaketen der Regierung wird nach Jahrzehnten beschwerlicher Lohnarbeit die Armut im Alter für Millionen Menschen weiter garantiert (Scheinzugeständnisse der Rentendiebe). Bei der Debatte um Hartz IV präsentierten SPD und Grüne neue Konzepte eines „Grundeinkommens“, die eine weitere Verschärfung der Lage der Erwerbslosen und Niedriglohnarbeiter bedeuten würden – garniert mit sozialer Rhetorik.

Die Tarifabschlüsse der Metall- und Elektroindustrie sowie des öffentlichen Dienstes im Bund und den Kommunen und der Bahn zeichnen sich vor allem durch sehr lange Laufzeiten aus, die für die Unternehmen und den Staat gut sind und für die Arbeiterklasse schlecht – sie ist zum „Frieden“ also Stillhalten gezwungen. Die Abschlüsse der IG Metall und der EVG sind zudem problematisch, weil sie keine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich durchgesetzt haben, sondern nur die Wahl zwischen mehr Lohn oder mehr Freizeit. Damit werden die Pflege von Angehörigen oder wenn jemand nicht mehr alles bringen kann auf die Schultern der Beschäftigten gelegt. Die Metallarbeitgeber können zudem die wöchentliche Arbeitszeit ausweiten. Die in der Streikbewegung kämpferische Stimmung der Kollegen und der Wunsch nach weniger Arbeitszeit wurde in Bahnen kanalisiert, die dem Kapital nicht weh tun. Dem sozialpartnerschaftlichen Kurs der Gewerkschaftsführung muss mehr entgegengesetzt werden, denn er schadet der Organisierung der Arbeiterklasse – nicht zuletzt der gewerkschaftlichen Organisierung.

Das neue Einwanderungsgesetz spaltet die Immigranten weiter in solche mit Berufsabschluss, die dem deutschen Kapital einen kostenlosen Zufluss an billigen qualifizierten Arbeitskräften bescheren sollen, und diejenigen, die vor Krieg und Armut fliehen und die weiterhin zu Tausenden an den EU-Außengrenzen sterben. Die Arbeiterklasse soll gespalten und die verfügbare Masse an Arbeitskraft ausgedehnt werden. (Migration – „Schicksalsfrage“ Europas?). Der Fall des ehemaligen „Verfassungsschutz“-Präsidenten Hans-Georg Maaßen, dem umfassende Verbindungen zur AfD nachgewiesen wurden, zeigt ein weiteres Mal, wie Faschisten und Teile des Staatsapparates miteinander verflochten sind und dass der Faschismus nichts anderes ist als eine Strategie der herrschenden Klasse (Ein großes Ablenkungsmanöver).

Weltweite Zuspitzung imperialistischer Widersprüche

Zehn Jahre nach Beginn der Weltwirtschaftskrise ist sie in vielen europäischen Ländern immer noch nicht überwunden. In Griechenland leiden die Volksmassen weiterhin unter der jahrelang von EU und griechischen Regierungen vorangetriebenen Verelendungspolitik, ebenso wie in anderen Ländern Süd- und Osteuropas (Griechenland, Syriza und die deutsche Linke). Die herrschenden Klassen der führenden imperialistischen Länder Europas sind sich weiterhin uneinig darüber, wie die Krise zu bearbeiten ist. Die Regierung Italiens versuchte, sich vor der eigenen Bevölkerung „rebellisch“ zu zeigen, indem sie in ihrem Haushaltsplan ein geringfügig höheres Defizit einplante und damit

mit den Vorgaben der EU-Kommission kollidierte, die vor allem dem deutschen Interesse entsprechen, die Löhne zu drücken und den Euro als internationale Währung zu stärken. Zwischen Deutschland und Frankreich setzten sich die seit vielen Jahren geführten Auseinandersetzungen um den wirtschaftlichen Rahmen der EU und Eurozone fort, u.a. anhand der Frage eines eigenen Haushalts der Eurozone. Die US-Regierung von Donald Trump brach gleich zwei Handelskonflikte vom Zaun, einen mit China (Zum „Handelskrieg“ zwischen den USA und China) und einen mit der EU. All das zeigt, dass die Interessengegensätze zwischen den verschiedenen imperialistischen Polen sich in der Krise weiter verschärfen. Handelskriege drohen immer auch, sich zu wirklichen, also militärisch geführten Kriegen zu entwickeln. Die Gefahr eines großen Weltkriegs, z.B. zwischen den USA und der NATO auf der einen Seite sowie China und/oder Russland auf der anderen Seite ist weiter gestiegen (Alle reden von Frieden doch die Zeichen stehen auf Krieg und Kein Tropfen Blut, keinen Cent für die Kriege der Kapitalisten!). Das zeigen sowohl die zunehmende Konzentration des US-Militärs auf die Region Ostasien, als auch die NATO-Truppenübungen in der Nähe der russischen Grenze, bei denen die BRD als größter europäischer Truppensteller mitmischte. Das zeigt aber z.B. auch die verstärkte Militärpräsenz und Aufschüttung künstlicher Inseln im südchinesischen Meer von Seiten Chinas, die Ausdruck wachsender Machtansprüche sind.

Das mit der NATO verbündete Regime in Kiew hat im Asowschen Meer eine Provokation gegen Russland inszeniert und setzt nun alles daran, die Konfrontation weiter zu eskalieren (Imperialistische Kriegsvorbereitungen im Schwarzen Meer). Auch nach dem begrüßenswerten Rückzug der USA aus Syrien wird die Auseinandersetzung zwischen den imperialistischen Mächten in der Region weiter gehen. Ob die Türkei ihre militärischen Operationen in Syrien weiter ausweiten wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Dass es sich für die Völker nie auszahlt, sich auf ein Bündnis mit imperialistischen Aggressoren einzulassen, wie es die kurdische YPG/PYD getan haben, zeigt sich aber auch hier. Insgesamt wird Kriegsrhetorik auf allen Seiten lauter und aggressiver.

Angesichts dieser Weltlage ist es kein Wunder, dass auch innenpolitisch überall die Reaktion marschiert. In Brasilien wurde ein Präsident gewählt, der offen faschistische Positionen vertritt (Nieder mit Bolsonaro! Solidarität mit der Arbeiterklasse Brasiliens!). In Deutschland etabliert sich die AfD als neue Massenpartei im politischen System, in Frankreich ist es der Front National, in Italien sind mit der Lega Nord bereits extrem reaktionäre Kräfte an der Regierung. Ähnlich ist es in Polen, Ungarn und anderen Ländern. Hetze gegen Ausländer und Verharmlosung des Faschismus werden von den Herrschenden immer offener eingesetzt, um reaktionäre Maßnahmen gegen die Interessen des Volkes zu rechtfertigen.

Widerstand der Massen

Das Jahr 2018 hat aber auch ein weiteres Mal gezeigt, dass der Widerstand der Volksmassen nicht tot ist, sondern sich immer wieder an aktuellen Fragen entzünden kann. In Frankreich gingen in den vergangenen Wochen Hunderttausende Menschen im Rahmen der „Gelbwesten“-Bewegung auf die Straße, überwiegend um berechtigten Protest gegen die volksfeindliche Politik der Regierung von Präsident Emmanuel Macron zu äußern (Sturm über Frankreich). In Ungarn protestieren Zehntausende Menschen gegen eine Reform des Arbeitsrechts, die die verschärfte Ausbeutung der Arbeiterklasse durch bis zu 400 Überstunden pro Jahr legalisiert. Im Sudan protestieren die Massen gegen eine Regierung, die den hungernden Massen mit ihrer Brotpreiserhöhung noch das letzte Hemd wegnimmt. Durch den Terror der sudanesischen Polizei wurden bereits Dutzende Menschen ermordet.

All diese Proteste zeigen aber auch, dass sie zwar Zugeständnisse erkämpfen können, aber ohne klare Richtung und Organisierung nicht die Basis für dauerhafte Verbesserungen für die Massen aufbauen können. Eine Anbetung und Verabsolutierung des angeblich spontanen, unorganisierten Volkszorns, wie wir sie in manchen euphorischen Kommentaren über die „Gelbwesten“ gesehen haben, führt die Arbeiterklasse in eine Sackgasse. Bei Regierungen, die wie die des Sudan auf der Abschussliste der westlichen imperialistischen Zentren stehen, droht immer auch die Gefahr, dass berechtigte Proteste von westlichen Interessen vereinnahmt werden und zu einem für das Volk negativen Ergebnis führen. Hier müssen die Organisationen der Arbeiterbewegung besonders wachsam sein. Die Organisierung der Massen muss auf klassenkämpferischer Grundlage, mit antikapitalistischer und antiimperialistischer Ausrichtung vorangetrieben werden. Das geht letzten Endes nicht ohne eine starke kommunistische Partei. Wie das geht, zeigt z.B. der Generalstreik in Griechenland im vergangenen November, wo ein weiteres Mal Genossen der Kommunistischen Partei Griechenlands eine führende Rolle spielten.

Die Herrschenden wissen, dass sie nur eine gut organisierte und politisch bewusste Bewegung wirklich fürchten müssen. In ihrem Interesse bilden sich immer wieder auch politische Kräfte heraus, die die Entstehung von Klassenbewusstsein objektiv behindern. Ein Beispiel dafür war auch die neue „Sammlungsbewegung“ #aufstehen, die sich 2018 in Deutschland gründete und Massen für das illusorische Ziel einer Wende zum sozialen Fortschritt durch eine „linke“ Regierung mobilisieren soll, ohne dass die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse angetastet werden (Völker, hört die Sammelbewegung?).

Unser Klärungs- und Aufbauprozess

Vor 100 Jahren – an der Jahreswende von 1918/1919 – wurde die KPD gegründet, zweifellos eines der wichtigsten Ereignisse der deutschen Arbeiterbewegung im 20. Jahrhundert. Sie war zwei massiven Schlägen der deutschen Imperialisten ausgesetzt – dem Faschismus und dem Verbot in der BRD. Heute ist die kommunistische Bewegung zersplittert, ideologisch unklar und kaum in der Bevölkerung verankert. Diesen Zustand zu überwinden muss das Ziel aller Kommunisten sein. Das geht unserer Überzeugung nach nur mit Klarheit. Die muss durch gründliche Auseinandersetzung gewonnen werden. Auf dieser Grundlage kann die Einheit hergestellt werden.

Die Kommunistische Partei in Deutschland muss sich durch einen Prozess formieren und wir wollen unseren Teil dazu beitragen. Mit der Konstituierung der Kommunistischen Organisation im Juni sind wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung gegangen: Wir haben den vorher herausgebildeten Zusammenhang von Kommunistinnen und Kommunisten in eine erste feste organisatorische Form gegossen (Unser Organisationsprinzip). Wir haben die sieben thematischen Arbeitsgruppen aufgestellt, die die Grundlage zur Klärung der brennenden Fragen darstellen werden. Wir haben in den vergangenen Monaten mit großem Aufwand Grundannahmen, Debatten und offene Fragen zusammengetragen, die in den nächsten Jahren den Rahmen des Klärungsprozesses darstellen sollen. Wir freuen uns und sind auch ein bisschen stolz, die Veröffentlichung dieser Ergebnisse in der nahen Zukunft hiermit ankündigen zu können.

Wir haben uns aber nicht ins Studierzimmer eingeschlossen, sondern sind mit unseren Positionen nach draußen gegangen, haben mit vielen Menschen diskutiert, haben neue Mitstreiter und Interessenten gewonnen. Wir haben in verschiedenen Städten damit begonnen, aus unserer Kritik an der Praxis der bestehenden Organisationen und Parteien selbst praktische Schlussfolgerungen zu ziehen und unsere Massenarbeit auf eine neue Grundlage zu stellen. Das werden wir in den kommenden Jahren weiterentwickeln mit dem Ziel, eine wirkliche Massenverankerung zu erreichen.

Trotz dieser Erfolge machen wir uns keine Illusionen darüber, wie weit der Weg noch ist, der vor uns liegt. Aber wir sind entschlossen und motiviert, uns dieser Herausforderung zu stellen. Denn wir sind mehr denn je davon überzeugt, dass die Menschheit nur im Sozialismus eine Zukunft hat.

Dafür brauchen wir die Unterstützung möglichst vieler fortschrittlicher Menschen, klassenbewusster Arbeiter und natürlich sowieso die der Marxisten in diesem Land. Beteiligt euch am Klärungsprozess in den thematischen AGs, unterstützt uns in der Massenarbeit, organisiert euch in der Kommunistischen Organisation!

Auf ein kämpferisches Jahr 2019!

Sturm über Frankreich

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Die volksfeindliche Politik Macrons und die Antwort der Gilets Jaunes

Seit mehreren Wochen toben in Frankreich die Proteste der sich „Gilets Jaunes“ (deutsch: „Gelbwesten“,angelehnt an die Warnwesten, die viele der Protestierenden tragen) nennenden Bewegung. Hunderttausende waren im ganzen Land auf der Straße, demonstrierten massenhaft, blockierten Kreuzungen und Autobahnen, brachten ihre Wut zum Ausdruck. In Paris brannten Barrikaden auf den Champs Élysée (der großen Prachtstraße der Stadt), der Triumphbogen wurde gestürmt. Laut Umfragen unterstützt ein großer Teil der Bevölkerung die Bewegung. Die Reaktion des Staates: massive Polizeigewalt und Repression, Wasserwerfer und Tränengas. Nach offiziellen Angaben vom Wochenende sind es bisher schon mehr als 130 Verletzte, hunderte Verhaftete, vier Tote —darunter drei durch Unfälle, jedoch auch eine 80-jährige Frau, die in Marseille durch eine Tränengasgranate der Polizei getötet wurde!

Die Politik der Regierung Macron

Auslöser für die Proteste der „Gilets Jaunes“war die von der Regierung Macrons geplante sogenannte „Ökosteuer“, eine Steuerreform, die die für eine Erhöhung der Diesel- und Benzinpreise sorgt. Also im Grunde eine weitere Maßnahme, um unter dem Vorwand des Umweltschutzes die Volksmassen Frankreichs finanziell ausbluten zu lassen und die Politik der Herrschenden auf ihrem Rücken fortzusetzen. Doch selbst für die bürgerlichen Medien steht außer Frage, dass es um viel mehr geht. Es ist die Wut der Protestierenden über die seit Macrons Regierungsantritt ganz massiv ins Rollen gebrachten Reformen, die sich entlädt.

Denn diese Reformen (wie bspw. das bereits im letzten Jahr ebenfalls unter großen Protesten verabschiedete Arbeitsgesetz, das den Kündigungsschutz aufweicht) sind ein Generalangriff auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der französischen Volksmassen und besonders der Arbeiterklasse: die Senkung von Renten und Mindestlohn, der Ausbau des Niedriglohnsektors, die Kürzung und Einschränkung der Sozialhilfe, die Abschaffung der Vermögenssteuer ganz im Sinne der Reichen, allgemein die steigenden Lebenserhaltungskosten und nun auch noch die besagte „Ökosteuer“.

Wie es niemals anders zu erwarten war, ist die Politik Emmanuel Macrons auf ganzer Linie eine Politik im Interesse der Bourgeoisie, der französischen Kapitalistenklasse. Eine Politik,die an der Aufrechterhaltung des Kapitalismus festhält und die ihm innewohnenden, unlösbaren Widersprüche auffängt, indem sie die Reichen reicher macht und die Volksmassen — allen voran die französische Arbeiterklasse — durch eine immer teurere Lebenshaltung, steigende Mieten, Lohnsenkungen, Abschaffung sozialer Sicherungssysteme usw. in die Armut treibt.

Insbesondere die für nächsten Jahr geplante Arbeitsmarktreform der Regierung, die die Kriterien für die Zumutbarkeit auf dem Arbeitsmarkt herabsetzen und Leistungen kürzen soll, ist ein weitreichender Angriff auf die Arbeiterklasse, weil sieden Druck auf die Arbeitslosen inklusive Sanktionen deutlich erhöht und eine rasante Entwicklung des Niedriglohnsektors zur Folge haben wird. Es zeigen sich Parallelen zum hiesigen, unter Rot-Grün eingeführten Hartz-IV-System. Die Erhöhung des Mindestlohns, die Macron nun als Zugeständnis gegeben hat, wird an der Ausweitung des Niedriglohnsektors nichts ändern, größere Teile der Arbeiterklasse werden nach und nach in den Niedriglohnsektor – auf Mindestlohnniveau absinken. Das ist für die Kapitalistenklasse Frankreichs von wesentlich größerer Bedeutung, als die Treibstoffsteuer, die sogar manchen Monopolen (Automobile) entgegenläuft.

Die Gilets Jaunes

Die Bewegung hat insgesamt (noch) einen unklaren sozialen Charakter, ist teilweise stark geprägt von kleinen Selbständigen, Bauern, aber auch zunehmend Arbeitern. Eine organisierte Kraft der Arbeiterklasse, wie die Gewerkschaften, fehlt bisher aber weitgehend.

Die fehlende Klarheit spiegelt sich auch in den Forderungen wider, die die Bewegung erst vor Kurzem zu Papier gebracht hat. Sie fordert dort zwar eine Erhöhung des Mindestlohns auf 1300 € und Mindestrente von 1200 € netto, Forderungen gegen die Arbeitsmarktreform sind dagegen nicht zu finden. Die Mindestlohnforderungen müssten aber direkt in Verbindung mit Widerstand gegen die Arbeitsmarktreform gebracht werden, sonst sind sie wirkungslos.

Die Forderungen nach einem Vorgehen gegen die Obdachlosigkeit, die Rücknahme der Erhöhung der Treibstoffsteuer, die Begrenzung der Mieten, ein Verbot von Privatisierungen öffentlichen Eigentums, die Rente mit 60 und viele andere Punkte sind berechtigt. Auf der anderen Seite stehen aber auch falsche und irreführende, wie die Forderung nach Abschiebung abgelehnter Asylbewerber, nach besserer Finanzierung der Repressionsorgane sowie die Unterscheidung zwischen „legitimen“ und „illegitimen“ Staatsschulden, womit faktisch anerkannt wird, dass die Werktätigen einen Teil der Schulden des Kapitals begleichen sollen. Insgesamt liegt auch im Umfang und der Vielfältigkeit der Forderungen die Gefahr der Zersplitterung und Schwächung der eigenen Schlagkraft.

Nicht zuletzt hinterfragen wir auch die Entstehung der Bewegung. Kam sie wirklich so spontan, rein auf die Wut der Massen und die Verbreitung des Internets gestützt zustande, wie es viele Medien skizzierten? Wer steht hinter der Bewegung? Wer traf die Entscheidungen bei der Mobilisierung? Wer formulierte die Forderungen? Zur vollständigen Einordnung der „Gilets Jaunes“ ist die Klärung dieser Fragen von großer Wichtigkeit.

Von Anfang an gab es auch problematische Tendenzen in der Entwicklung der „Gilets Jaunes“, die den Herrschenden — gegen die sich ihre Wut ja eigentlich richten soll — in die Hände spielen. Zum einen ist es die Frage der Organisation: immer wieder vernimmt man Aussagen aus der Bewegung, dass sie pauschal eine negative Haltung gegenüber Parteien einnimmt, dass sie Rechts-Links-Schemata überwunden habe und sogar, dass sie generell Organisationsstrukturen ablehnt. All diese Punkte wirken aber letztendlich einem erfolgreichen Kampf für Verbesserungen im Sinne der breiten Volksmassen entgegen und sichern nur die Macht der Herrschenden. Eine fehlende eigenständige Organisierung mindert die Schlagkraft der Proteste, kann zur Spaltung und zur Zerschlagung führen oder lässt sie einfach im Sande verlaufen. Außerdem schafft sie — noch gefördert von der scheinbaren Überparteilichkeit! — eine ideologische Beliebigkeit.

Eine konsequente Positionierung für die Interessen der Arbeiterklasse wird damit unmöglich, aber der Beeinflussung durch die herrschende Klasse bspw. mittels Unterwanderung durch faschistische Kräfte (Marine Le Pens „Rassemblement Nationale“, die Identitären,…) wird Tür und Tor geöffnet. Von den acht delegierten Sprechern der Bewegung, die allerdings nicht von allen Beteiligten anerkannt werden, war Thomas Miralles aus Südostfrankreich 2014 bei den Kommunalwahlen Kandidat für den rechtsextremen Front National. Auch andere führende Persönlichkeiten der Bewegung kommen aus dem rechten Spektrum und nach Umfragen erhält die Bewegung auch die stärkste Unterstützung unter Wählern weit rechts stehender Parteien und auch der Parteiführungen. Diese hätten Proteste beispielsweise der Gewerkschaft CGT niemals unterstützt, sehen aber in den „Gelben Westen“ durchaus Anknüpfungspunkte.

Auch die Beteiligung bestimmter anarchistischer Kreise der „insurrektionalistischen“ Strömung, die glaubt, durch gewaltsame Aktionen an sich die Massen für eine Revolution gewinnen zu können, ist negativ zu bewerten, weil auch dadurch die Massen auf die falsche Fährte geführt werden und Provokateure wirken können. Eine genaue Einschätzung zum aktuellen Einfluss faschistischer oder anderer reaktionärer Kräfte auf die Bewegung muss weiter untersucht werden.

Der Klassenkampf

Wenn die auf die Arbeiterklasse und andere Volksschichten gerichteten Angriffe der Herrschenden abgewehrt werden sollen, muss ein Bewusstsein dafür entstehen, dass grundlegende Verbesserungen für die Mehrheit des Volkes nicht in spontanen Bewegungen und nicht in Form von an diese oder jene Regierung gestellten Forderungen durchgesetzt werden können. Eine wichtige Rolle spielen die Gewerkschaften als Organisationen der Arbeiter, die einen organisierten und konsequenten Kampf ermöglichen können. Die CGT-Führung ist aber seit längerer Zeit auf sozialpartnerschaftlichem Kurs und setzt auf Verhandlungen mit der Regierung, sie schwächt damit die Arbeiterklasse und lässt die Flanke für unklare Bewegungen offen.

Die Sozialdemokratie (die Parti Socialiste, die Linkspartei Melenchons und die PCF) und auch die Faschisten und Reaktionäre orientieren auf einen Regierungswechsel. Aber ob Macron Präsident von Frankreich ist oder ein Anderer, ob sich die Herrschenden zur Besänftigung der Wut auf der Straße dazu durchringen, hier und da den volksfeindlichen Charakter der Reformen abzuschwächen (die Ökosteuer z.B. soll aufgrund der anhaltenden Proteste doch erst einmal ausgesetzt werden) – der Staat bleibt das Instrument der Diktatur des Kapitals. Die Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Mehrheit werden weitergehen, weil es die Sicherstellung und Vergrößerung der Profite für die Kapitalisten so verlangt. Dieser immer stärker zu Tage tretende Widerspruch, die immer größere Existenzbedrohung für immer größere Teile des Volkes bleibt natürlich nicht unbeantwortet — wie die „Gilets Jaunes“ lautstark unter Beweis stellen.

Der einzige Ausweg aus dieser Misere ist der konsequente Bruch mit dem System, das sie hervorbringt, also mit dem Kapitalismus. Dieser Bruch braucht ein durch kontinuierliche Arbeit in den Massen verbreitetes Bewusstsein über seine Notwendigkeit und eine starke bewusste Arbeiterbewegung, die den revolutionären Kampf führt. Um dieses Bewusstsein und die sich aus ihm speisende Arbeiterbewegung wieder aufzubauen, braucht es eine organisierte Kraft, die ideologisch klar und zudem tief in der Arbeiterklasse verankert ist — die Kommunistische Partei. Sie wäre auch fähig, organisiert und zielgerichtet in Bewegungen wie jener der „Gilets Jaunes“ zu intervenieren, ihnen eine Perspektive zu geben und gleichzeitig die reaktionären Kräfte rauszuschmeißen. Ähnlich wie hier in Deutschland, fehlt es aber auch in Frankreich noch an genau dieser Kraft, was in der aktuellen Situation noch einmal deutlicher zu Tage tritt. Zwar gibt es den PCF, eine Partei, die sich „kommunistisch“ nennt, aber sie hat ihren revolutionären Charakter schon vor langer Zeit aufgegeben und ist heute nichts weiter als ein immer bedeutungsloser werdendes Anhängsel der Sozialdemokratie, das Illusionen schürt. Die Kommunisten Frankreichs, die in der PCRF (Revolutionäre Kommunistische Partei Frankreichs) und Teilen der PCF-Jugend MJCF organisiert sind, kämpfen dagegen für den Wiederaufbau einer kommunistischen Partei der Arbeiterklasse. Ihnen gilt unsere Solidarität in besonderem Maße.

Darum ist die Botschaft an unsere französischen Brüder und Schwestern: verwandelt eure Wut in Widerstand! Schöpft Kraft aus der jetzigen Situation, um eure Reihen zu schließen und euch fest zu organisieren. Aus solchen Kämpfen wie jetzt muss die Arbeiterklasse gestärkt und besser organisiert herausgehen und nicht geschwächt und zersetzt.

Schafft Klarheit in euren Reihen, unterstützt die französischen Kommunistinnen und Kommunisten, baut eine bewusste Arbeiterbewegung — und an ihrer Seite eine starke Kommunistische Partei — wieder auf!

Imperialistische Kriegsvorbereitungen im Schwarzen Meer

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Die Welt ist wieder einen Schritt näher an einem großen Krieg zwischen der NATO und Russland, nachdem der Konflikt zwischen Moskau und Kiew in den letzten Tagen wieder verstärkt aufgeflammt ist. Auslöser war, dass am vergangenen Sonntag Militärschiffe der ukrainischen Marine versucht haben, gewaltsam die Meerenge von Kertsch an der Einfahrt zum Asowschen Meer zu durchqueren, ohne sich wie üblich mit den russischen Autoritäten abzustimmen. Daraufhin stoppte die russische Küstenwache mit Gewalt die ukrainischen Schiffe und beschlagnahmte sie.

 Die Provokation des ukrainischen Regimes

Der Versuch einer gewaltsamen Durchfahrt ins Asowsche Meer stellt eine Provokation der ukrainischen Regierung dar, um den Konflikt mit Russland weiter zu eskalieren und die NATO auf ukrainischer Seite hineinzuziehen. Die Krim ist faktisch seit 2014 Teil der Russischen Föderation und die ukrainische Regierung hatte sich bisher mit der neuen Situation arrangiert und die Durchfahrt durch die Meerenge dementsprechend mit den russischen Behörden abgesprochen. Dass sie es nun auf einmal nicht mehr tut, ist eine bewusste Entscheidung, beider abzusehen war, dass sie Russland zu einer gewaltsamen Reaktion provozieren würde. Dieser Kurs zeichnet sich seit Jahren ab. Schon vor Monaten hatte die ukrainische Küstenwache ein russisches Fischerboot beschlagnahmt und die Crew inhaftiert und damit die Konfrontation mit Russland gesucht. Das Regime in Kiew fordert nun harte Maßnahmen gegen Russland und vor allem auch eine Verlegung von NATO-Kriegsschiffen ins Schwarze Meer und das Asowsche Meer, obwohl im Schwarzen Meer schon viele NATO-Schiffe stationiert sind. Außerdem wurde am Mittwoch für 30 Tage das Kriegsrecht verhängt.

Die Regierung des Großkapitalisten Petro Poroschenko in Kiew ist ein extrem reaktionäres Regime, das infolge des von den USA und anderen westlichen imperialistischen Staaten unterstützten Staatsstreichs von 2014 an die Macht gekommen ist. Von Anfang an stützte sich das Regime auf faschistische Mörderbanden wie den „Rechten Sektor“,die faschistische Partei „Swoboda“ oder das „Regiment Asow“. Der gemeinsame ideologische Nenner der Regierung mit den offenen Neonazis ist die Verehrung für den ukrainischen Faschistenführer Stepan Bandera, der im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Wehrmacht gegen die Rote Armee kämpfte und an der massenhaften Ermordung ukrainischer Juden, Kommunisten und Polen beteiligt war. In den vergangenen Jahren ist das Regime Schritt für Schritt in Richtung einer offenen faschistischen Diktatur gegangen. Die Einbeziehung von Faschisten in die Regierung, das Massaker im Gewerkschaftshaus von Odessa 2014, das Verbot der Kommunistischen Partei der Ukraine 2015und die brutale Verfolgung von Kritikern des Regimes waren alle Ausdruck dieser Entwicklung. Die Verhängung des Kriegsrechts wird nun noch weiter dazu führen, die Rechte des Volkes einzuschränken und der ganzen Gesellschaft eine militärische Disziplin aufzuzwingen. Die Machtausübung mit immer diktatorischeren Mitteln wird auch aus Sicht der herrschenden Klasse in der Ukraine immer notwendiger, weil der Lebensstandard der breiten Volksmassen seit der Zerschlagung des Sozialismus 1989/91 und besonders seit dem Putsch2014 auf unerträglich niedrigem Niveau ist und die Regierung den unterdrückten Massen außer Gewalt nichts mehr zu bieten hat.

Faschismus und Krieg

Faschismus und Krieg hängen eng miteinander zusammen. Wenn die herrschende Klasse eines Landes sich mehrheitlich entscheidet, von der bürgerlichen Demokratie zu einer offeneren Form der Diktatur überzugehen, dann meistens auch deshalb, um die Gesellschaft auf den Krieg vorzubereiten. Auch hier geht es letzten Endes um ökonomische und geostrategische Interessen des Kapitals, nicht nur der Ukraine und Russlands, sondern auch der NATO-Imperialisten wie Deutschland,Großbritannien und den USA. In einer Resolution von vor einigen Wochen sorgten sich die EU-Staaten um die „mögliche Gefahr, dass Russland die bestehenden ukrainischen Öl- und Gasfelder im Asowschen Meer unter Kontrolle kriegen könnte, wenn es sein Ziel erreicht,dieses in einen internen See innerhalb der Russischen Föderation zu verwandeln“ (EU-Parlament: „European Parliament resolution on the situation in the Sea of Azov, 30.10.2018). Darüber hinaus hat die Region vor allem auch militärische Bedeutung: Russland gliederte sich 2014 die Krim vor allem an, um über den Marinehafen von Sewastopol das Schwarze Meer militärisch kontrollieren zu können.Für die USA und führenden imperialistischen Staaten der EU spielt das Schwarze Meer dagegen ebenfalls eine entscheidende Rolle, um ihre aggressive Einkreisungspolitik gegenüber Russland voranzutreiben,ihre Verbündeten in Kiew gegebenenfalls militärisch unterstützen zu können und um sich in der Region, die umfangreiche Ressourcenvorkommen (z.B. im Kaukasus) aufweist, strategisch positionieren zu können. In der letzten Zeit hat die NATO ihre Aufklärungsflüge im Schwarzen Meer, Baltikum, Kaukasus und anderen Regionen verstärkt, um die Bewegungen des russischen Militärs zu beobachten. Auch nach dem Vorfall an der Meerenge von Kertsch starteten aus Griechenland Aufklärungsdrohnen der USA in Richtung des Asowschen Meers.

Kriegsvorbereitungen in Deutschland

Auch in Deutschland werden die Vorbereitungen für einen großen Krieg mit Russland intensiviert. Bei dem riesigen NATO-Manöver „Trident Juncture“ im Oktober diesen Jahres war die Bundeswehr mit 8800 Soldaten der größte europäische Truppensteller – in krassem Gegensatz zu den ständigen Propagandalügen, wonach Deutschland ein„ökonomischer Riese“, aber „militärisch ein Wurm“ sei. Wie schon 2014 ist auch heute die SPD ganz vorne mit dabei, die Kriegsziele des deutschen Imperialismus gegen Russland voranzutreiben: „Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim kann sich die NATO“ es nicht mehr leisten, den Aufbau ihrer Kriegsmaschine zu „vernachlässigen“, heißt es im SPD-Organ„Vorwärts“. (Fritz Felgentreu: Warum das NATO-Manöver ‚Trident Juncture‘ zwingend nötig ist, Vorwärts 23.10.2018). Auch im Schwarzen Meer ist die deutsche Marine im Dienst des deutschen Kapitals aktiv: Im Juli/August 2018 führte ein NATO-Minenabwehrverband unter deutschem Kommando Kriegsübungen vor der bulgarischen Küste und gemeinsam mit der ukrainischen Marine auch vor der ukrainischen Stadt Odessa durch („Machtkampf im Asowschen Meer“, German Foreign Policy 27.11.2018).

Nach der erneuten Eskalation an der Meerenge von Kertsch berichten die bürgerlichen Medien wie üblich vollkommen verlogen und einseitig und geben allein Russland die Schuld. Die Bild-Zeitung titelt: „Neue Putin-Eskalation“ und „Deutschland soll Kriegsschiffe entsenden“(Bild-Zeitung 26.11.2018). Damit soll die Bevölkerung in Deutschland auf eine verschärfte Eskalationspolitik gegen Russland und die Möglichkeit eines zukünftigen Krieges mental eingestimmt werden.Das ist für die imperialistischen Planungszentren in Berlin umso wichtiger, da die Bevölkerung mehrheitlich einen solchen Krieg zurecht fürchtet und sich den Frieden wünscht.

Ein Krieg der NATO mit Russland würde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht lokal begrenzt bleiben, sondern sich zum Dritten Weltkrieg entwickeln. Deutschland wäre im Zentrum dieses Krieges und wäre potenziell unvorstellbarer Zerstörung ausgesetzt. Die Arbeiterklasse und die Volksmassen in Deutschland haben keinerlei Interesse an den imperialistischen Zielen der deutschen, US-amerikanischen oder auch russischen und chinesischen Kapitalgruppen. Sie müssen den Kampf gegen die NATO und EU aufnehmen, die im zwischenimperialistischen Kampf mit Russland die Hauptaggressoren darstellen und von denen die Hauptgefahr eines Krieges gegen Russland ausgeht. Sie dürfen sich in den zwischenimperialistischen Konflikten aber auch nicht auf eine Seite stellen, sondern muss für sich selbst Partei ergreifen – für den Aufbau der Arbeiterbewegung und einer klassenorientierten, antiimperialistischen Friedensbewegung, für die Trennung Deutschlands von allen Strukturen der NATO, der EU und anderer imperialistischer Vereinigungen, für die Nichtbeteiligung an Militärmanövern gegen Russland oder andere Staaten, für die Macht der Arbeiterklasse.

100 Jahre Novemberrevolution: Erinnern heißt Kämpfen!

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Zum Jahrestag der Novemberrevolution erinnerten wir bei Veranstaltungen in sechs Städten an die mutigen und entschlossenen Kämpfe der Arbeiterbewegung, die den Krieg beendeten und die Monarchie zum Sturz brachten. Wir erinnerten vor allem auch daran, dass die Arbeiterbewegung sich Räte als eigene Kampf- und an manchen Orten auch als Machtorgane schufen und aus ihren Reihen die Kommunistische Partei gründeten. Diesen wichtigen Errungenschaften stehen bittere Lehren gegenüber: Lehren von der verräterischen Rolle der SPD- und Gewerkschaftsführung, von der zu späten Gründung der KPD und damit dem Fehlen der führenden Kraft in der Revolution.

Das Ziel der Veranstaltungen, die Ereignisse und ihre Entwicklung darzustellen, einen Überblick zu geben und die wichtigsten Schlussfolgerungen für heute damit zu verbinden, haben wir erreicht. Es gab positive Rückmeldungen über die systematische und strukturierte Herangehensweise an die Geschichte. In den Diskussionen wurde dies mit aktuellen Fragen verbunden.

So ging es in den Diskussionen in Stuttgart und Berlin verstärkt um die Frage,wie die Arbeiterklasse in einer revolutionären Situation zu einer klaren Vorstellung von Weg und Ziel der Revolution kommen kann.Welche Rolle spielte das Fehlen einer kommunistischen Partei konkret bei der Entwicklung der Novemberrevolution? In Frankfurt, Köln und München stand die verräterische Rolle der SPD im Vordergrund: Wie konnte es passieren, dass die Mehrheit der Arbeiterklasse den Illusionen der SPD glaubte und daher zuließ, dass diese die Revolution mit militärischer Gewalt erstickte? In den Diskussionen kamen noch weitere Fragen auf: Wie ist die Zusammenarbeit zwischen SPD und Freikorps zur Niederschlagung der Revolution zu bewerten und was hat dies mit dem Verhältnis zwischen Sozialdemokratie und Faschismus im Allgemeinen zu tun? Welche Rolle haben die Räte gespielt? Inwieweit waren sie Machtorgane der Arbeiterklasse und wie konnte sich die SPD in ihnen durchsetzen? Wir werden im Rahmen des Klärungsprozesses in den Arbeitsgruppen weiter an diesen Fragen arbeiten. Eine wichtige Schlussfolgerung der Veranstaltungen ist,dass ein intensives Studium der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und deren Vermittlung an die Arbeiterklasse ein wichtiger Teil der heute zu führenden Kämpfe ist.

In allen Städten wurden vor oder im Anschluss an Input und Diskussionen historische Orte der Novemberrevolution besucht: In Stuttgart wurden Schilder am Wilhelmspalais aufgehängt, im Gedenken an die roten Fahnen, die nach der Vertreibung des Königs dort gehisst wurden. Auf einer Kundgebung vor den Treppen des Wilhelmspalais wurden im Anschluss die vor 100 Jahren gedruckten Flugblätter der ‚Roten Fahne‘ verteilt. In München wurde unter anderem der Mathäserbräu besucht, wo unter Kurt Eisner ein Arbeiter- und Soldatenrat gegründet und der Freistaat Bayern proklamiert wurde. In Frankfurt wurde auf einer Kundgebung Zeitzeugenberichte verlesen und der Kaiserplatz in Platz des Arbeiter- und Soldatenrats umbenannt, da dort im Frankfurter Hof der Frankfurter Arbeiter- und Soldatenrat tagte. In Köln wurde der Friedrich-Ebert-Platz in Walter-Stoecker-Platz umbenannt.Walter Stoecker war Mitglied des Aktionsausschuss des Kölner Arbeiter- und Soldatenrates während der Novemberrevolution, Antifaschist und Mitglied der KPD. Erspielte später eine wichtige Rolle im kommunistischen Widerstand im KZ Buchenwald. In Berlin ging es zum Friedhof der Märzgefallenen um an die Arbeiter und Soldaten zu erinnern, die in der Revolution gefallen sind. In Jena waren die großen Streiks bei Zeiss Jena bereits vor der Novemberrevolution Thema des Stadtrundgangs, außerdem wurde der Marktplatz besucht, an dem der Jenaer Arbeiter- und Soldatenrat die Macht in seine Hände nahm.

Erinnern heißt Kämpfen: Auch 100 Jahre nach der Novemberrevolution und ihrer blutigen Niederschlagung heißt daher die Parole: Mit Klarheit, Einheit und Organisation für den nächsten Anlauf zur Revolution!

Nieder mit Bolsonaro! Solidarität mit der Arbeiterklasse Brasiliens!

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Am 28. Oktober hat sich in Brasilien der extrem rechte Kandidat Jair Bolsonaro in der Stichwahl gegen seinen Herausforderer Fernando Haddad von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (PT) durchgesetzt. Bolsonaro steht für überaus reaktionäre, wenn nicht offen faschistische Positionen zu mehr oder weniger allen Fragen. In den vergangenen Jahren und im Wahlkampf machte er immer wieder durch rassistische, schwulen- oder frauenfeindliche Äußerungen auf sich aufmerksam. Immigranten bezeichnet er als den „Abschaum“ der Welt und der einzige Fehler der brasilianischen Militärdiktatur (an der er als Hauptmann der Fallschirmjäger auch beteiligt war) sei gewesen, nicht genug Menschen umgebracht zu haben. Die Polizei fordert er auf, mehr Menschen zu töten. Gegen die Millionen Landlosen, die das Land der Großgrundbesitzer besetzen, will er ebenfalls mit Waffengewalt vorgehen.

Offensive des Kapitals gegen die Arbeiterklasse

Während über diese Positionen auch in den bürgerlichen Medien berichtet wurde, wird seine zutiefst volksfeindliche Wirtschaftspolitik meistens verschwiegen, wenn nicht gar positiv kommentiert. Denn in dieser Kernfrage liegen die „liberalen“ bürgerlichen Medien mit Reaktionären wie Bolsonaro auf einer Linie. Paulo Guedes, den Bolsonaro zu seinem Minister für Finanzen, Wirtschaft, Industrie und Privatisierungen machen will, hat radikale Kürzungen bei den Renten und Privatisierung des Rentensystems angekündigt, will das verbleibende Staatseigentum an private Investoren verkaufen, das brasilianische Steuersystem auf eine einheitliche Einkommens- und Unternehmenssteuer reduzieren. Damit werden alte Menschen noch tiefer in die Armut gedrängt werden, die Arbeiter der Staatsbetriebe werden ihre Jobs verlieren oder zu deutlich schlechteren Bedingungen arbeiten müssen. Die vielen Millionen Brasilianer, die von ihrer Arbeit kaum ihre Familien ernähren können, werden denselben Steuersatz zahlen wie die Millionäre der brasilianischen Oligarchie.

Kurz gesagt, das Programm der neuen Regierung ist ein allumfassender Angriff auf die Arbeiterklasse, ein riesiger Raubzug gegen die Armen und Unterdrückten zugunsten des brasilianischen und ausländischen Kapitals. Und jeder Widerstand dagegen soll mit brutaler Gewalt unterdrückt werden.

Es sollte daher niemanden wundern, dass Bolsonaro der Wunschkandidat großer Teile des Kapitals war. Viele Unternehmen drängten ihre Arbeiter offen dazu, Bolsonaro zu wählen und drohten andernfalls gar mit Entlassung. Die Großgrundbesitzer und Agrarindustrie freuen sich vor allem darauf, unter dem neuen Präsidenten nun erst recht mit terroristischen Methoden gegen die Landlosenbewegung vorgehen zu können. Die Börse in São Paulo und der Kurs der brasilianischen Währung Real stiegen schon beim ersten Wahlgang Anfang Oktober kräftig an, als Bolsonaro das beste Ergebnis einfuhr. Das zeigt, dass der Großteil der Kapitalisten den Wahlausgang positiv sah. Auch die Deutsche Bank twitterte hoffnungsvoll vor der Stichwahl „der neoliberale Jair Bolsonaro ist Wunschkandidat der Märkte“.

Die kommunistische Bewegung hat schon seit den 20ern analysiert, dass Reaktion und Faschismus nie etwas anderes sind als Produkte der Interessen des Kapitals. Sobald die bürgerliche „Demokratie“, die auch nur eine besser verschleierte Form der Diktatur des Kapitals ist, die Interessen der Konzerne nicht mehr befriedigen kann, entscheidet sich das Kapital für eine direktere Form der Diktatur, in der auch die letzten begrenzten Freiheiten für die Arbeiterklasse abgeschafft werden. In Brasilien tendiert das Kapital nun zu einer offeneren, auch durch Terror ausgetragenen Herrschaftsform.

Die Sozialdemokratie als Wegbereiter der Rechten

Ein anderer Teil der herrschenden Klasse sieht seine Interessen dagegen auch weiterhin im Rahmen der bürgerlichen Demokratie besser aufgehoben. So unterzeichneten zahlreiche bürgerliche Ökonomen ein „Manifest für Haddad“, in dem sie u.a. schreiben: „Wir unterschreiben also diese Erklärung zur Unterstützung seiner (d.h. Haddads) Kandidatur, für politische und ökonomische Stabilität, ökologisch nachhaltige Entwicklung, soziale Inklusion und den Kampf gegen Korruption“ (Amerika21 22.10.2018). Während also der eine Teil des Kapitals Bolsonaros Offensive gegen die Rechte der Werktätigen befürwortet, befürchtet der andere Teil, dass dadurch das kapitalistische System in Brasilien zu stark destabilisiert werden könnte. Die Interessen der Arbeiterklasse und des brasilianischen Volkes hat selbstverständlich keine der beiden Seiten im Sinne.

Denn auch die sozialdemokratischen PT-Regierungen von Lula da Silva und Dilma Rousseff, die nun von vielen Linken (auch hier in Deutschland) verherrlicht werden, waren keineswegs Regierungen im Interesse der Volksmassen. Es handelte sich um bürgerliche Regierungen, die sich auf die Fahnen geschrieben hatten, den Kapitalismus in Brasilien besser zu verwalten als ihre Vorgänger. Die PT war von vornherein eine antikommunistische und reformistische Partei, die auf Regierungsbeteiligungen aus war. Nachdem „Lula“ 2002 die Wahlen gewonnen hatte, setzte er zunächst einmal alle Verträge, die Brasilien mit dem Internationalen Währungsfonds geschlossen hatte, weiter um: Anhebung des Rentenalters, „Flexibilisierung“ der Arbeitsverhältnisse usw. Das Kapital machte Gewinne, die Arbeiterklasse bezahlte dafür mit ihrem Schweiß und krummen Rücken. Es gab zwar auch einige Sozialprogramme, die die krassesten Erscheinungen der Armut lindern sollten – so z.B. die „Bolsa Familia“, der „Familiengeldbeutel“, der armen Familien Anspruch auf eine kleine finanzielle Leistung gab. Allerdings waren diese Almosen an die Armen vom Umfang her geradezu lächerlich, wenn man sie mit den üppigen Geschenken vergleicht, die an das Kapital verteilt wurden: Während der Staat jährlich umgerechnet 7 Mrd. € für die „Bolsa Familia“ ausgab, flossen über verschiedene Subventionen und Steuererleichterungen der PT-Regierungen jedes Jahr 74 Mrd. € in die Taschen der Unternehmer. Und selbst diese Almosen waren nur möglich, als die brasilianische Wirtschaft noch wuchs, vor allem aufgrund der hohen Rohstoffpreise. Sobald das Wachstum einbrach, begann auch die „linke“ Regierung, wieder bei den Armen zu kürzen.

Gleichzeitig wurden unter Dilma Rousseff riesige Infrastrukturprogramme im Interesse der großen Konzerne aufgelegt. Dabei wurden durch Staudammprojekte im Amazonasgebiet Tausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und ganze Landstriche nachhaltig verwüstet. Der FIFA und anderen Unternehmen wurden durch die Fußball-WM 2014 Milliardengewinne ermöglicht, während das einfache Volk nichts davon hatte.

Auch die Regierung Rousseff war bereits darauf aus, die Unterdrückungsmechanismen des Staates gegen die Arbeiter- und Volksbewegung auszubauen. Mit einem terroristischen „Anti-Terror-Gesetz“ wurden Aktivisten aus den sozialen Bewegungen mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bedroht. Kein Wunder also, dass „Lula“ die Regierungspolitik der PT gegenüber den Banken so verteidigte: „Sie wissen, dass sie nie so viel Geld verdient haben wie in der Zeit als ich Präsident war“ (Unsere Zeit 16.12.2016). Als die Regierung von Rousseff dann im Mai 2016 unter vorgeschobenen Vorwänden abgesetzt wurde, um einer noch offener arbeiterfeindlichen und autoritären Regierung unter Michel Temer Platz zu machen, war ihr Rückhalt in der Arbeiterklasse zu schwach, um das zu verhindern. Die Brasilianische Kommunistische Partei (PCB) hatte diesen Vorgang damals korrekt eingeschätzt und der Versuchung widerstanden, im Angesicht der Rechten die PT-Regierung zu unterstützen: „Dieser Prozess zeigt, dass die formalen Regeln der bürgerlichen Demokratie nur dann von der herrschenden Klasse respektiert werden, solange sie ihren Interessen dienen. In Momenten der Krise lässt die Bourgeoisie ihre Maske fallen und manipuliert jene Regeln ohne großes Aufsehen im Sinne ihrer Ziele“ (Unsere Zeit 20.5.2016).

Die Antwort heißt Kampf dem Kapitalismus

Die bitteren Erfahrungen der brasilianischen Arbeiterklasse sollten für alle Arbeiter, alle fortschrittlichen Menschen und erst recht für alle Kommunisten eine Lehre sein: Die Sozialdemokratie, also „linke“ Regierungen auf dem Boden des Kapitalismus, sind kein geeignetes Mittel, um den Aufstieg der Reaktion und des Faschismus aufzuhalten. Sozialdemokratie und Faschismus sind letzten Endes zwei Methoden der Herrschaftsausübung des Kapitals, die sich gegenseitig ergänzen. Auch in Deutschland hat die Sozialdemokratie in der Weimarer Republik einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Faschisten an die Macht zu bringen. Indem die Sozialdemokratie die Massen mit falschen Versprechungen in die Irre führt und schließlich enttäuscht, indem sie die kommunistische Bewegung und die klassenkämpferischen Kräfte bekämpft, ebnet sie letzten Endes den Weg auch für offen diktatorische Formen der Herrschaftsausübung des Kapitals.

Der brasilianischen Arbeiterklasse, den Kleinbauern und Landlosen, den Armen und Unterdrückten bleibt nun nichts anderes übrig, als unter schwieriger gewordenen Bedingungen den Kampf gegen Kapital, Großgrundbesitzer und Regierung zu führen. Doch nur wenn dieser Kampf auf der Selbstorganisierung der werktätigen Massen unabhängig von den bürgerlichen Parteien und Organisationen beruht, wenn er unter der Führung der kommunistischen Partei für die Macht des Volkes und den Sozialismus geführt wird, statt sich auf die Seite der einen oder anderen Gruppe des Kapitals zu stellen, nur dann kann er auf Dauer erfolgreich sein. Und nur dann werden die unterdrückten Massen Brasiliens hellere Tage erleben. Wir werden ihnen in diesem Kampf zur Seite stehen, indem wir alles dafür tun, die Arbeiterklasse in Deutschland für den Sturz der Herrschaft des deutschen Imperialismus zu organisieren.

Die Macht erobern – Zur Novemberrevolution und ihren Lehren für die Arbeiterklasse

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Die Macht erobern

Zur Novemberrevolution und ihren Lehren für die Arbeiterklasse

Der 100. Jahrestag der Novemberrevolution steht bevor und die Deutung dieses historischen Ereignisses spiegelt die aktuellen Verhältnisse wider. Der SPIEGEL geht überraschend positiv auf den revolutionären Elan der Massen ein und kritisiert die Rolle der SPD-Führung deutlich. Aber dann folgt im Vergleich mit den anderen „Revolutionen“, dass die Deutschen eben zu zahm waren, wenn es um Freiheit gegen die Obrigkeit ging: „Wenn die Deutschen einem starken Mann, der sein Stabilitätsversprechen mit einer nationalen Agenda verband, folgen konnten, dann taten sie das entschlossen. Dann waren sie nicht zahm oder zaghaft, sondern zu allem bereit. Das ist die Lehre aus den vier Revolutionen in 85 Jahren, zwei echten und zwei von oben. Zum Fürchten eigentlich.“ (SPIEGEL 42/2018)

Die einzige gelungene Revolution sei die von 1989 gewesen, die habe nämlich wirklich einen Obrigkeitsstaat weggefegt. Und die halbe Revolution von 1968 war auch erfolgreich, denn sie „trug eine Menge dazu bei, aus der Bundesrepublik eine zutiefst liberale Gesellschaft zu machen.“ Nun sind wir vereint „in einer sehr liberalen Bundesrepublik. Angela Merkels Flüchtlingspolitik ist auch ein Ausdruck fortgeschrittener Liberalität.“ Die bange Frage wird gestellt: „Wir könnten also in vorrevolutionären Zeiten leben und würden es nicht ahnen.“ Mit Verweis auf das Erstarken der AfD kommt der Autor zu dem Schluss: „Die deutsche Revolutionsspezialität ist ja eine andere: Sie kommt von oben, von denen, die die Macht schon haben und dann radikal für nationale autoritäre Politik einsetzen. Die finden leicht Gefolgschaft. Deshalb darf es dahin nie kommen.“ Die beste Revolution und der größte Revolutionär seien die amerikanische mit George Washington an der Spitze gewesen, der frühzeitig im Interesse der Republik abgetreten ist.

Und auch die wohlgesonnenen Veröffentlichungen zur Novemberrevolution ordnen sie fast nahtlos in die „Demokratie“ ein. Wolfgang Niess’ Buch deutet schon im Untertitel darauf hin: „Der wahre Beginn unserer Demokratie“ und Joachim Käppner nennt sein Buch „Aufstand für die Freiheit“. Die SPD wird auch hier durchaus kritisiert, sie habe das „Demokratisierungspotential“ nicht erkannt und genutzt, sie habe völlig unbegründet das Bündnis mit der Obersten Heeresleitung geschmiedet, denn die Spartakisten seien sowieso eine verschwindende Minderheit gewesen, Karl Liebknechts Ausrufung der sozialistischen Republik sei höchstens ein „Schlossgespenst“ (Käppner) gewesen. Für Niess geht die Geschichte halbwegs gut aus, es hätte ja noch schlimmer kommen können, als zur Weimarer Republik.

Mehr Lob für Ebert und die Sozialdemokraten kommt dagegen von dem Historiker Robert Gerwarth, der Ebert das Kunststück attestiert, revolutionäre Energien kanalisiert und Deutschland in eine parlamentarische Ordnung geführt zu haben. Das Bündnis mit der Obersten Heeresleitung sei eine „pragmatische Übereinkunft“ gewesen. Der FAZ-Autor Alexander Gallus, der selbst Beiträge zur Novemberrevolution verfasst hat, lobt Gerwarth: „Zugleich sensibilisiert diese Studie dafür, Revolution in modernen Gesellschaften nicht vorrangig über bewaffnete Aufstände und Barrikadenkämpfe zu definieren. Eigentlich revolutionär erscheint vielmehr die Einführung und Durchsetzung neuer politischer Prinzipien, erweiterter Partizipations- und Bürgerrechte.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) feierte 100 Jahre Sozialpartnerschaft gemeinsam mit dem Bund Deutscher Arbeitgeber und lobt das Stinnes-Legien-Abkommen, dem Pakt zwischen Konzernherren und Gewerkschaftsführung, der ein wichtiger Bestandteil der „Beruhigung“ der Revolution sein sollte. Unter dem Motto „100 Jahre Sozialpartnerschaft – erfolgreich in die Zukunft“ wird eine Kontinuität hergestellt, die unglücklicherweise nur von 1933 bis 1945 unterbrochen gewesen zu sein scheint. Beim Festakt freute sich der Bundespräsident, dass damals die Weichen in Richtung „Wohlstand, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft“ gestellt worden seien. Es werden wohl ähnliche Staatsreden zu hören sein in den nächsten Wochen. Botschaft und Wunsch der herrschenden Klasse ist: Es hätte eigentlich schon immer so sein sollen wie heute und so soll es für immer bleiben. Aber es war weder so, noch wird es so bleiben.

Die Novemberrevolution wird zurecht gebogen als ein etwas unglücklicher Vorläufer der heute so guten Verhältnisse. Völlig verschwiegen wird, dass diese „Demokratie“ der bürgerlichen Klasse „aus einem blutigen Bürgerkrieg, aus Terror und Mord gegen die Vorhut der Arbeiterklasse hervorging. Das waren die Grundlagen der ‚Legalität‘, mit der die imperialistische deutsche Bourgeoisie ihre Ausbeuterordnung retten und erhalten konnte.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 3, S. 195) Die Botschaft der bürgerlichen Klasse heute ist, innerhalb des Kapitalismus um etwas mehr Demokratie oder soziale Reformen zu kämpfen, sei eine gute Sache. Das worum es 1918 eigentlich ging und worum es in Zukunft gehen wird, verschweigt sie verständlicherweise lieber: Den Kampf um die Macht zwischen der Arbeiterklasse und der Bourgeoisie. Ihre Macht war erschüttert durch die ökonomische Krise, durch die militärische Niederlage und durch die völlige Diskreditierung ihrer Herrschaft nach vier Jahren Weltkrieg und Militärdiktatur. Die revolutionäre Kraft der Arbeiterklasse war vorerst nicht zu bremsen, weder durch Reformen von oben noch durch entsandte Truppen. Es war eine ernste, ja lebensbedrohliche Lage für die deutsche Bourgeoisie eingetreten.

Die historische Epoche hat sich seitdem nicht verändert: Wir befinden uns in der Epoche der sozialistischen Revolution, alle materiellen Bedingungen sind für die sozialistische Revolution herangereift. Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist längst zu einer Fessel der Produktivkräfte, die Bourgeoisie längst zu einer überflüssigen Klasse geworden. Die Arbeiterklasse dagegen mächtig, in Massen an den Produktionsmitteln konzentriert. Die Zukunft gehört dem Proletariat, dem Träger der Produktivkräfte in einer sozialistischen Gesellschaft, die plant und produziert für die Bedürfnisse der Gesellschaft.

Der Kampf um die Neuaufteilung verschärft sich

Auf den ersten Blick scheint die heutige Lage nicht der damaligen Not der Bourgeoisie zu ähneln. Tatsächlich ist eine revolutionäre Situation weit entfernt. Aber dass die Machtfrage schneller auf die Tagesordnung kommen kann als zu vermuten, ist der herrschenden Klasse durchaus bewußt. Sie ist sich der Brüchigkeit ihrer Ordnung bewußt. Fest steht, dass die nächste ökonomische Krise kommen wird. Alle Ökonomen sind davon überzeugt und gehen zudem davon aus, dass sie heftiger ausfallen wird als die von 2008. Wann sie durch welches Ereignis ausgelöst wird, kann keiner vorher sagen, auch nicht welche Volkswirtschaft am meisten getroffen werden wird.

Während der langen Phase der Stagnation seit der Krise von 2008 und des seit drei Jahren einsetzenden Aufschwungs hat sich der Konkurrenzkampf der imperialistischen Mächte verschärft. Die Handelskriege zwischen den USA und China, sowie den USA und der EU zeigen die härtere Auseinandersetzung um Absatzmärkte und Einflußsphären. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt ist in eine neue Stufe getreten, die sich vor allem im aggressiven Vorgehen der NATO-Staaten 2013 in Syrien und 2014 in der Ukraine zeigte. Die massive Aufrüstung und größer dimensionierten Manöver der NATO sind Teil einer Kriegsplanung, die die Konfrontation mit Russland im Zentrum haben. Letzteres ist zwar weiter in der Defensive, aber weniger bereit, der Bedrohung nichts entgegen zu setzen. Ein Krieg zwischen den imperialistischen Hauptmächten ist näher gerückt. Wann und in welcher Konstellation er erfolgen wird, kann keiner wissen, sondern wird sich durch die weitere Entwicklung verschiedenen ökonomischen Bedingungen und Bündniskonstellationen zeigen.

Die Stimmung, dass mit der „liberalen“ Ordnung als die bestmögliche aller Ordnungen das Ende der Geschichte erreicht sei und die zunehmende Untergangsstimmung sind beide Ausdruck der Perspektivlosigkeit der bürgerlichen Herrschaft. Ihre Ordnung ist eine Ordnung des Chaos, der Armut, der Kriege, des Hungers und der Stagnation und des Rückschritts. Die Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensbedingungen ist für die Arbeiterklasse überall zu merken. Arbeitshetze und Druck nehmen kontinuierlich zu, die Löhne stagnieren für große Teile der Klasse. Die industrielle Reservearmee ist mit ca. 3,5 Millionen in Deutschland trotz Aufschwung groß. Es ist wie Karl Marx im Kapital analysiert hat: „Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. (…) Das Gesetz endlich, welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation in Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d.h. auf Seite der Klasse, die ihr eignes Produkt als Kapital produziert.“ (MEW 23, S. 673/675)

Die Bedingungen der bürgerlichen Herrschaft verschlechtern sich, die verschwindende Minderheit der Kapitalisten muss Wege der Legitimation ihrer Macht finden. Die sozialdemokratischen Parteien SPD und Linkspartei sind Stützen der Bourgeoisie, aber sie sind von Schwäche und schwindender Verankerung geprägt. Sie dienen aber immer noch als Vollstrecker von Krieg und Sozialabbau, garniert mit dem Versprechen eines besseren Kapitalismus. Der Versuch der Kapitalistenklasse, durch Parteien wie der AfD den Eindruck von Veränderung und Bewegung zu erzeugen, soll von den tatsächlichen Problemen und deren Ursachen ablenken und Teile der Bevölkerung integrieren. Gleichzeitig dient sie der Sammlung und Umgruppierung faschistischer Kräfte. Die Vorbereitung der herrschenden Klasse auf die Krise zu beobachten, durch Verschärfung der Gesetze und durch den Erhalt und Aufbau aller Optionen der bürgerlichen Herrschaft inklusive des direkten, offenen Terrors.

Die Herausforderungen für die Arbeiterklasse

Einhundert Jahre nach der Novemberrevolution und ein Jahr mehr nach der Oktoberrevolution steht die Arbeiterklasse vor großen Problemen angesichts dieser Lage. Die historische grundlegende Ausgangslage hat sich nicht verändert: Der Imperialismus ist der Vorabend der sozialistischen Revolution, sie ist der nächste zu gehende Schritt, die Aufgabe der Arbeiterklasse. Die objektiven Bedingungen für die Revolution werden unvermeidlich eintreten, sie ergeben sich aus der gesetzmäßigen Entwicklung der Produktionsverhältnisse. Krise und Krieg sind unvermeidbar, ebenso wie das Eintreten der revolutionären Situation, wenn die Unterdrückten nicht mehr so wollen, wie sie sollen und die Herrschenden nicht mehr so können, wie sie müssen.

Die Auswirkungen der Niederlage von 1989, der siegreichen Konterrevolution, prägen bis heute die Lage der revolutionären Arbeiterbewegung. Die kommunistische Bewegung hat die Aufgabe, zentrale Fragen zu klären, darunter die der Strategie, der Ursachen der Niederlage und die der Partei. Der Opportunismus nimmt immer neue Formen an und wird durch zentristische Positionen, die die Auseinandersetzung scheuen oder verhindern, befördert. Er kann aber nur durch eine konsequente Anwendung des dialektischen Materialismus zurückgedrängt werden.

Die entscheidende Lehre der Novemberrevolution ist, dass der subjektive Faktor, die Arbeiterklasse, den Herausforderungen gewachsen sein muss, um die historische Aufgabe der Arbeiterklasse zu lösen. Dies wird nicht aus spontanen Erhebungen selbst heraus geschehen. Notwendig ist eine allseitig verankerte, auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus kämpfende Partei, die die zentralen Fragen der Revolution richtig beantworten kann: Die der Staatsmacht und die der Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus. Sie muss in organisatorischer Kleinarbeit möglichst große Teile der Klasse organisieren, damit Erfahrungen gesammelt werden können, damit die Klasse zu Bewußtsein über sich selbst und ihre Aufgabe kommt. Wird das nicht gelingen, ist ein erneutes Scheitern wahrscheinlich.

Imperialismusanalyse

Im Laufe des ersten Weltkriegs und in der Revolution in Russland und Deutschland spielte die Analyse des Imperialismus eine zentrale Rolle. Während Kautsky und andere vertraten, dass eine Politik des Friedens und des sozialen Fortschritts auch im Imperialismus möglich sei, erklärte Lenin: „Es kommt so heraus, als ob die Monopole in der Wirtschaft vereinbar wären mit einem nicht monopolistischen, nicht gewalttätigen, nicht annexionistischen Vorgehen in der Politik. Als ob die territoriale Aufteilung der Welt, die gerade in der Epoche des Finanzkapitals beendet wurde und die die Grundlage für die Eigenart der jetzigen Formen des Wettkampfs zwischen den kapitalistischen Großstaaten bildet, vereinbar wäre mit einer nicht imperialistischen Politik. Das Resultat ist eine Vertuschung eine Abstumpfung der fundamentalsten Widersprüche des jüngsten Stadiums des Kapitalismus statt einer Enthüllung ihrer Tiefe, das Resultat ist bürgerlicher Reformismus statt Marxismus.“ (Lenin, Werke, Band 22, Dietz-Verlag, Berlin, 1971, S. 274)

Die Auseinandersetzung um die Imperialismusanalyse hatte seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts eingesetzt, ihre Bedeutung für die Revolution zeigte sich 1918. Große Teile der deutschen Arbeiterklasse wollten den Sozialismus und sympathisierten mit der Oktoberrevolution. Sie hielten es aber für möglich und den richtigen Weg, durch eine parlamentarische Republik zum Sozialismus zu kommen, ohne Entmachtung der Bourgeoisie, ohne Zerschlagung des Staates. Die lange Entwicklung des Revisionismus und Opportunismus hatte das Bewußtsein der Arbeiter bereits abgeschwächt. Der deutsche Imperialismus hatte zudem eine Arbeiteraristokratie geschaffen: „Das deutsche Monopolkapital verstand es, aus seinen Überprofiten eine kleine Oberschicht der Arbeiteraristokratie – Meister, Vorarbeitern, Kontrolleure, usw. – zu korrumpieren, um sich diese dienstbar zu machen. Gleichzeitig wurden machen sozialdemokratischen Führern und Gewerkschaftsführern solche materiellen Bedingungen geschaffen, die es der Bourgeoisie erleichterten, sie ideologisch zu beeinflussen und mit ihrer Hilfe die Theorie der friedlichen Zusammenarbeit von Kapital und Arbeit in die Arbeiterklasse zu tragen. Die deutsche Sozialdemokratie hoffte auf den friedlichen Übergang zum Sozialismus mit den Methoden der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie.“ (Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 1, S. 13)

Die Bolschewiki hatten dagegen bereits seit der Jahrhundertwende an der Schaffung einer revolutionären Partei gearbeitet und gaben nach 1914 die Losung der „Umwandlung des imperialistischen Kriegs in den Bürgerkrieg“ aus, „das heißt, das revolutionäre Proletariat hatte die Pflicht, im imperialistischen Krieg alles zu tun, um die Niederlage der eigenen Bourgeoisie herbei zu führen, sie dadurch zu schwächen und die Gewehre gegen sie zu kehren, ihre Macht zu stürzen, den Krieg zu beenden und einen gerechten Frieden zu erreichen.“ (ebd., S. 14)

Die Imperialismusanalyse ist auch heute in der kommunistischen Bewegung und darüber hinaus umstritten. Es existieren zahlreiche Vorstellungen, eine Weltordnung, in der Kooperation und vernünftige Beziehungen der Staaten dauerhaft gelten könnten, wäre im Imperialismus möglich und könnte durch eine „multipolare“ Weltordnung erreicht werden. Annahmen eines „kollektiven Imperialismus“, der aus Bündnissen und ökonomischen Verstrickungen hervorgehe, nehmen zwar je nach Entwicklung der Verhältnisse unterschiedliche Formen an, haben aber immer die Konsequenz, dass entweder eine Abschwächung der Widersprüche stattfinde oder ein Pol entstehe, der für nicht-imperialistische Politik stehe. Es ist die Wiederholung der Kautsky-Thesen. Lenin entgegnete der Vorstellung eines Friedens im Imperialismus: „Statt des lebendigen Zusammenhangs zwischen den Perioden des imperialistischen Friedens und den Perioden imperialistischer Kriege präsentiert Kautsky den Arbeitern eine tote Abstraktion, um sie mit ihren toten Führern auszusöhnen.“ (Lenin, Werke, Band 22, S. 301)

Die Gefahr, die damals damit verbunden war, gilt heute genau so. Die Vorstellung, die Arbeiterklasse könne im Rahmen der imperialistischen Ordnung eine Politik des Friedens erreichen, entwaffnet sie in der entscheidenden Situation. Der Kampf gegen Militarismus und Krieg ist lebensnotwendiger Bestandteil des Kampfs der Arbeiterklasse, darf aber nicht verbunden werden mit illusorischen Vorstellungen.

Die Frage der Staatsmacht

Die zweite wichtige Lehre der Novemberrevolution betrifft die Frage der Staatsmacht und der Revolution. Weil durch den lange wirkenden Opportunismus die Masse der Arbeiterklasse die Frage unklar oder falsch beantwortete oder nicht verstand, folgte sie den Versprechen von Ebert, Scheidemann und Kautsky und verlor. Heute ist die Frage der Staatsmacht eine zentrale Auseinandersetzung in der kommunistischen Bewegung. Die strategische Vorstellung eines „Übergangs“- oder „Zwischenstadium“ in Form einer „antimonopolistischen“ oder „entwickelten“ oder „fortschrittlichen“ Demokratie ist Ausdruck reformistischer Staatsauffassungen. Sie geht davon aus, dass es vor der sozialistischen Revolution, vor dem Sturz der Bourgeoisie eine Form der Herrschaft beider Klassen geben könnte, die progressiv ist und die sozialistische Revolution ermöglichen könnte. Aus dieser in allen möglichen Facetten formulierten Strategie ergibt sich die Bereitschaft zur Unterstützung der Sozialdemokratie und zur Regierungsbeteiligung, wie aktuell in Portugal und Tschechien. Wie bereits die Pariser Kommune von 1871 und die russische Revolution von 1905 und 1917 bestätigte auch die Novemberrevolution, dass die Arbeiterklasse den bürgerlichen Staat nicht übernehmen kann, sondern ihn zerschlagen und ihre eigene Herrschaft errichten muss.

In den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen den revolutionären und den opportunistischen Teilen der Arbeiterbewegung rückte vor allem im ersten Weltkrieg die Frage der Staatsmacht und der Revolution. Die Oktoberrevolution stürzte die provisorische Regierung und errichtete die Macht der Räte. Der II. Sowjetkongress beschloss: „Gestützt auf den Willen der gewaltigen Mehrheit der Arbeiter, Soldaten und Bauern, gestützt auf den in Petrograd vollzogenen siegreichen Aufstand der Arbeiter und der Garnison, nimmt der Kongress die Macht in seine Hände…Der Kongress beschließt: Die ganze Macht geht allerorts an die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten über, die eine wirkliche revolutionäre Ordnung zu gewährleisten haben.“ (GddAB, Band 3, S. 11) Vorausgegangen war vor allem eine unermüdliche Organisierungsarbeit und eine gründliche Auseinandersetzung mit opportunistischen Vorstellungen. In den Schriften „Staat und Revolution“ (1917) und später in der Schrift „Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky“ (Oktober-November 1918) griff Lenin die Ausführungen von Marx und Engels zur Staatsfrage auf und entwickelte sie weiter. „Der Verlauf der Revolution bestätigte die genialen Feststellungen Karl Marx’ und Friedrich Engels’ ebenso wie die Erfahrungen der Pariser Kommune, dass die siegreiche Arbeiterklasse den alten Staatsapparat nicht übernehmen kann, sondern ihn zertrümmern und ihren eigenen Staat, die Diktatur des Proletariats aufbauen muss. Überall in Russland wurde die Staatsmaschine des Ausbeuterstaats zerschlagen. Die bolschewistische Partei und Lenin persönlich leisteten eine riesige Arbeit zur Errichtung des Sowjetstaates.“ (ebd., S. 13)

Die Führer der SPD waren bereits in den Staatsapparat eingebunden, die im April 1917 gegründete USPD hatte an ihrer Spitze Vertreter der „reinen Demokratie“, die sie der „Diktatur“ entgegen stellten und sich damit gegen die Diktatur des Proletariats wendeten, bei aller revolutionären Rhetorik, die sie dabei anwendeten. Otto Grotewohl schrieb 1948 zum 30. Jahrestag der Novemberrevolution: „Heute wie damals wird von führenden Vertretern der Sozialdemokratie die Bedeutung der formalen Demokratie überschätzt und dabei übersehen, dass solange die Klassenverhältnisse nicht geändert, die Machtverhältnisse in Staat und Gesellschaft nicht gründlich umgestaltet sind, die Demokratie nur eine Tarnkappe für die alten reaktionären Mächte ist, die beiseite geworfen wird, sobald Monopolkapitalisten und Junker die Zeit dafür reif halten.“ (Otto Grotewohl: Dreißig Jahre später, Dietz-Verlag, Berlin, 1953, S. 10)

Viele Arbeiter glaubten, dass der Sozialismus auch auf friedlichem Weg durch die bürgerliche Republik möglich ist. Viele hatten trotz des Verrats von 1914 noch nicht voll verstanden, dass ihre eigene Parteiführung zu ihrem Feind geworden war. Das Vorbeben der Novemberrevolution, der Massenstreik vom Januar 1918 zeigte bereits wesentliche Elemente der späteren Entwicklung. Er zeigte sowohl die großen Potenzen der Arbeiterklasse: Über eine Million Arbeiter traten in den Streik, trotz Militär, trotz Schüssen und Toten. Die Bildung eines Streikausschusses war die Schaffung des entsprechenden Kampforgans der Klasse. Aber durch die mangelnde politische Reifung plädierten die revolutionären Obleute, die den Streik maßgeblich mitorganisierten für die Aufnahme Eberts und Scheidemanns in den Streikausschuss. Diese nutzten alle Mittel, um den Streik abzuwürgen. Statt sie zu isolieren, wurden sie an die Spitze gesetzt. Der Streik wurde beendet und der Krieg ging weiter.

Nach dem Matrosenaufstand von Kiel und dem Ausbreiten der Revolution über ganz Deutschland hatten sich überall Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die an vielen Orten die Macht in die Hände nahmen. Damit kam zum Ausdruck, dass eine überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes die alten Macht- und Rechtsverhältnisse nicht mehr anerkannte und eigene Organe bildete. Aber die Mehrheit in den Räten stellten reformistische und opportunistische Vertreter. Die SPD konnte dank der besseren Organisation und routinierter und geschulter Redner überall die Mehrheit erringen. Die Masse der Proletarier stand im Banne der bürgerlichen Ideologie und konnte dem nichts entgegen setzen. Das Ergebnis war: „So waren in den aus der Revolution geborenen Organen nicht die Vorkämpfer der Revolution, sondern die Feinde der Revolution, die Freunde der Reform in der Überzahl. Trotz dieser bunt gewürfelten Zusammensetzung der Räte wäre es, wenn eine Partei vorhanden gewesen wäre, die durch Stärkung der revolutionären proletarischen Elemente über die Kraft verfügt hätte, möglich gewesen, ihre Macht zu festigen und richtig zu gebrauchen.“ (Grotewohl, S. 73) So aber schafften sich die Räte selbst ab, legten ihre Macht in die Hände des bürgerlichen Staats, nur in wenigen Ausnahmen verweigerten sie sich dem.

Beim ersten Wendepunkt der Revolution zeigte sich wieder die Bedeutung der Organisation in der Revolution. Die SPD-Führung um Otto Wels nutzte alle Kontakte, Verbindungen und Strukturen der SPD in die Betriebe und zu den Soldaten, um sie auf die erste Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte einzuschwören. Mit Demagogie und dem Ruf nach „Einheit“ setzte sie sich durch, Liebknecht und der Spartakusbund wurden isoliert. Dieser hatte zwar das richtige Programm und die richtige Erkenntnis der Staatsfrage. „Für die Verwirklichung dieser Forderungen kam es aber darauf an, nicht nur ausreichende agitatorische, sondern in erster Linie organisatorische Kraft aufzubringen. Der Spartakusbund hatte bisher durch leidenschaftlich betriebene Agitation und Propaganda nur begeisterte Zuhörer und Leser, Demonstranten und Streikende in den Massen mobilisiert. Er kannte die meisten seiner Anhänger aber nicht im einzelnen, wußte nichts über ihre besonderen Vorzüge und Fähigkeiten, Fehler und Schwächen. Die hätten nur erkannt und entwickelt werden können in langer und beharrlicher, hingebender Organisationsarbeit. Gerade die hatte der Spartakusbund jedoch unterschätzt und vernachlässigt. Die großen Aufgaben riefen aber jetzt nach Menschen, die in den Räten auf den verschiedensten Gebieten an ihrer Durchführung arbeiten sollten. (…) Für den Spartakusbund war es schwer, ja unmöglich, jetzt in der stürmisch erregten Zeit das nachzuholen, was er in Jahren versäumt hatte.“ (Grotewohl, S. 75) Die Versammlung erkannte die provisorische Regierung aus SPD, USPD und Bürgerlichen an.

Die Revolutionäre in Deutschland entwickelten sich in einer sehr komplizierten Situation: „Die marxistischen deutschen Linken traten, getreu dem proletarischen Internationalismus und ihrer nationalen Aufgabe in Deutschland, der Schlammflut antisowjetischer Lügen und Verleumdungen entgegen. Sie verteidigten die Große Sozialistische Oktoberrevolution, begannen sich mit deren Grundfragen auseinanderzusetzen, wandten die Lehren der Revolution auf den Klassenkampf in Deutschland an und vollzogen in diesem Prozeß eine Wendung zum Leninismus. Das war jedoch bei der lockeren Verbindung der Spartakusgruppe und der anderen Linken keine einheitliche und gleichmäßige Entwicklung. Ihre Anhänger kämpften illegal und wurden von der Reaktion verfolgt und gehetzt. Ein Teil ihrer hervorragenden Führer war eingekerkert. Unter diesen Bedingungen, im ständigen Kampf gegen die bürgerliche und opportunistische Ideologie, verlief der Klärungsprozeß differenziert und widerspruchsvoll.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 3, S. 48)

Bis zum Reichsrätekongress unternahm die Sozialdemokratie alles, um die Revolution zu lähmen. Die provisorische Regierung untersagte den Räten jede Einmischung in die Tätigkeit der Gerichte und anderen Teile des Staates, die Rechte der Offiziere wurden wieder eingesetzt. Und vor allem wurde die Arbeiterklasse entwaffnet und die Freikorps bewaffnet. Der Spartakusbund rief zwar dazu auf, die Waffen nicht abzugeben und stattdessen Einwohnerwehren und Freikorps zu entwaffnen und konnte in nicht wenigen Orten damit auch das sofortige Losschlagen der Konterrevolution verhindern, aber nicht reichsweit die Arbeiter darüber aufklären, welcher Gefahr sie sich aussetzten. Die USPD stellte mit Karl Kautsky den Vorsitzenden der Sozialisierungskommission, in der Industrielle mitarbeiteten, die viel schrieb und niemanden enteignete. Sie hatte das Ziel, „beruhigend“ zu wirken. „Die Massen wollten den Sozialismus. Sie wollten die alten Herren der Industrie und des Großgrundbesitzes enteignen. Diesen Stimmungen der Massen Rechnung tragend entfaltete die Regierung eine breite Propaganda für die ‚Sozialisierung‘. (…) Die Mehrheit der Arbeiterklasse ließ sich betören. Sie verstand noch nicht, dass die Voraussetzung für den Sozialismus der Sturz der Macht der Kapitalisten und Großgrundbesitzer war.“ (Walter Ulbricht: Der Zusammenbruch Deutschlands im ersten Weltkrieg und die Novemberrevolution, in Ulbricht: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 31)

Der im Dezember tagende Reichsrätekongress stimmte für die Einberufung einer Nationalversammlung und damit für die bürgerliche Republik. Die Herrschaft des deutschen Imperialismus war gerettet, was den meisten Arbeitern und Delegierten nicht klar gewesen sein dürfte. Aber vor dem Kongress demonstrierten hunderttausende Arbeiter für die Macht der Räte und der Kongress beschloss auch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, wozu es natürlich nicht kam, aber dennoch die sozialistischen Bestrebungen der Arbeiter zum Ausdruck brachte. Die revolutionären Arbeiter waren zwar der Sache nach bereits geschlagen, aber sie waren keineswegs bereit, alles von ihnen erkämpfte preis zu geben. Es war eine militärische Konterrevolution notwendig, die mit aller Brutalität durchgeführt wurde. Die Kräfte, die von der Arbeiterklasse nicht entwaffnet und entmachtet wurden, der Staatsapparat der nicht zerschlagen wurde, setzte zum Gegenschlag an. Massaker an der Zivilbevölkerung, Einsatz von Luftwaffe, Minenwerfern und ein Schießbefehl, der es erlaubte auf jeden zu schießen und der Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg – all dies setzte die herrschende Klasse ein, um jeglicher revolutionärer Regung den Garaus zu machen. Es kam dennoch bis 1923 zu bewaffneten revolutionären Kämpfen und zur Herausbildung einer der größten und stärksten revolutionären Partei, der KPD. Das ist der Widerspruch der Novemberrevolution: Die Arbeiter verstanden zwar noch nicht, was notwendig war zu tun, aber sie kämpften mutig und heldenhaft für ihre Forderungen. Sie ließen sich betören und waren dennoch eine Gefahr für die herrschende Klasse

Die Notwendigkeit der Partei

Die dritte und wichtigste Lehre der Novemberrevolution ist, dass ohne kampferfahrene, fest verankerte und auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus kämpfende Partei, die Theorie und Praxis vereint, die Arbeiterklasse nicht siegen kann. Die Arbeiterklasse konnte 1918 in Deutschland die ihr gestellten Aufgaben nicht lösen, weil ihr die revolutionäre, disziplinierte Partei fehlte und sie insbesondere über keine marxistisch-leninistische Orientierung über den Staat und seine politisch-gesellschaftliche Funktion besaß. Der größte Mangel und die größte Errungenschaft der Novemberrevolution sind die Gründung der Kommunistischen Partei, die Versammlung der besten und entschlossensten Kämpfer der Klasse.

Die Frage der Staatsmacht und der Revolution hängen eng mit der Parteifrage zusammen. Die Partei muss den wissenschaftlichen Sozialismus in die Arbeiterklasse tragen, überall Formen schaffen, in denen die Arbeiter ihr Klassenbewußtsein entwickeln kann, in denen der Einfluss bürgerlicher Ideologie zurückgedrängt werden kann, in der jeder Einzelne Aufgaben übernimmt, in der die Klasse im Kampf mit dem Staat lernt, ihn zu erkennen und ihre eigenen Formen der Herrschaft zu entwickeln.

Die weltgeschichtliche Fragestellung konnte die Arbeiterklasse aber in Deutschland nicht beantworten. Lenin schrieb: „Die Revolution in Deutschland – das als eines der fortgeschrittensten kapitalistischen Länder besonders wichtig und charakteristisch ist – hat sofort „Sowjet“formen angenommen. Der ganze Entwicklungsgang der deutschen Revolution und besonders der Kampf der „Spartakusleute“, d.h., der wahren und einzigen Vertreter des Proletariats, gegen den Bund des Verrätergesindels, der Scheidemänner und Südekums, mit der Bourgeoisie – all das zeigt klar, wie die Geschichte in Bezug auf Deutschland die Frage gestellt hat: „Sowjetmacht“ oder bürgerliches Parlament, unter welchem Aushängeschild (ob als „National“versammlung oder als „Konstituierende“ Versammlung) es auch immer auftreten möge. Das ist die weltgeschichtliche Fragestellung. Heute kann und darf man das ohne jede Übertreibung sagen. Die „Sowjetmacht“ ist der zweite weltgeschichtliche Schritt oder die zweite weltgeschichtliche Etappe in der Entwicklung der Diktatur des Proletariats. Der erste Schritt war die Pariser Kommune. Die geniale Analyse des Inhalts und der Bedeutung dieser Kommune, die Marx in seinem „Bürgerkrieg in Frankreich“ gegeben hat, zeigt, dass die Kommune einen neuen Staatstypus, den proletarischen Staat, geschaffen hat. Jeder Staat, auch die demokratischste Republik, ist nichts als eine Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere. Der proletarische Staat ist die Maschine zur Niederhaltung der Bourgeoisie durch das Proletariat, und diese Niederhaltung ist notwendig angesichts des wütenden, verzweifelten, vor nichts haltmachenden Widerstands, den die Gutsbesitzer und Kapitalisten, die ganze Bourgeoisie mitsamt ihren Helfershelfern, alle Ausbeuter leisten, sobald man darangeht, sie zu stürzen, sobald man die Expropriation der Expropriateure in Angriff nimmt. Das bürgerliche Parlament, auch das demokratischste in der demokratischsten Republik, in der das Eigentum der Kapitalisten und ihre Macht erhalten bleibt, ist eine Maschine zur Unterdrückung von Millionen Werktätiger durch kleine Häuflein von Ausbeutern. (…) Jetzt, da die Weltgeschichte die Zerstörung dieser ganzen Ordnung, den Sturz und die Niederhaltung der Ausbeuter, den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus auf die Tagesordnung gesetzt hat, sich heute auf die bürgerlichen Parlamente, auf die bürgerliche Demokratie beschränken, sie als „Demokratie“ überhaupt beschönigen, ihren bürgerlichen Charakter vertuschen und vergessen, dass das allgemeine Wahlrecht, solange das Eigentum der Kapitalisten erhalten bleibt, ein Werkzeug des bürgerlichen Staates ist – das heißt, das Proletariat schändlich verraten, auf die Seite seines Klassenfeindes, der Bourgeoisie, übergehen, heißt Verräter und Renegat zu sein.“ (Lenin, Sämtliche Werke, Band XXIII, S. 641-643)

Ernst Thälmann fasste 1928 zusammen: „Die Tragödie der deutschen Revolution im Jahre 1918, in den Januarkämpfen 1919, in den Kämpfen nach dem Kapp-Putsch 1920, den Märzkämpfen 1921, bis zur letzten Welle der akuten revolutionären Situation dieser ersten Periode, im Oktober 1923 – sie bestand in dem Zweispalt zwischen den objektiven ausgereiften revolutionären Verhältnissen einerseits und der subjektiven Schwäche des deutschen Proletariats , hervorgerufen durch das Fehlen einer zielklaren bolschewistischen Partei andererseits.“ (Ernst Thälmann: „9. November 1918: Geburtsstunde der deutschen Revolution“, …) Otto Grotewohl führte in seiner Reflektion zum dreißigsten Jahrestag der Revolution aus, dass die Linken die organisatorische Kleinarbeit unterschätzt hatten, was es ihnen nun erschwerte, die Massen an die großen politischen Aufgaben heranzuführen. Also praktische Aufgaben in den lokalen Räten zuzuweisen, dort eine Fraktion zu bilden und eine praktische Schulung der Massen durch Arbeit in den Gewerkschaften voranzutreiben.

Grotewohl, selbst ehemaliges SPD-Mitglied und einer der prägenden Genossen der SED-Gründung verbindet in seinem Text von 1948, in einer Situation, in der die Arbeiterklasse im Osten Deutschlands vor der Aufgabe stand, ihren eigenen Staat zu errichten, die Frage der Staatsmacht mit der Organisation des Proletariats: „In der Frage des States hat sich die Reife der Arbeiterbewegung, das heißt in erster Linie der Partei, die sie führt, zu bewähren. Jede politische Bewegung, die die Frage der Macht stellt – und eine politische Bewegung, die diese Frage nicht stellt, hat aufgehört, eine zu sein, sie ist im besten Falle ein unverbindlicher Diskutierklub -, stellt damit auch die Frage des Staates, denn der Staat ist nichts anderes als die Form, in der diese Macht sich organisiert, in der sie nach außen tritt und Wirklichkeit wird. Keine neue geschichtliche Formation kommt vollendet auf die Welt, sie muss sich in schweren Kämpfen durchringen. Und dieser Kampf, den sie zu bestehen hat, ist der Kampf um ihre Form, der Kampf darum – um mit Hegel zu sprechen – ‚zu sich selbst zu kommen‘, ihr innerstes Wesen zu begreifen und damit ihre äußere Aktion, ihre Willen mit diesem inneren Wesen in Einklang zu bringen. Dieser Prozess der Staatswerdung einer Klasse ist also ein Prozess der Bewußtseinsentwicklung. Eine Klasse kann nur dann ihren Staat entwickeln, wenn sie sich ihrer selbst bewußt geworden ist.“ (Grotewohl, S. 113)

Für die Entwicklung des Proletariats zu sich selbst ist die Hebung seines Bewußtseins notwendig, das heißt die Heraushebung seines Bewußtseins aus dem bürgerlich-kapitalistischen Gesellschafts-, Rechts- und Staatsbewußtseins – „das heißt die Befreiung von diesem“ (Grotewohl, S. 114). Grotewohl führt aus, dass an der Frage des Staates sich in der Folgezeit Entwicklung und Verfall der Marxschen Lehre ablesen lassen. „Die Frage des Staates wird der Prüfstein für den Marxismus. In keiner anderen Frage klaffen der vulgär-ökonomische Revisionismus und der dialektisch-revolutionäre Marxismus in gleicher Weise auseinander wie in der Frage des Staates.“ (ebd., S. 115) Während die Reformisten von einem langsamen, automatischen Übergang des sich immer mehr organisierenden Kapitalismus zum Sozialismus ausgingen und meinten, das Proletariat müsse sich in diesen Prozess einreihen. „Das Hineinwachsen des Proletariats in den bürgerlichen Staat betrachtet der dialektisch-revolutionäre Marxismus als eine gefährliche, für das Klassenbewußtsein des Proletariats tödliche Einflußnahme der bürgerlichen Ideologie auf das Proletariat, als seine Unterordnung unter die bürgerliche Gesellschaft. Demgegenüber ist es die Aufgabe des Proletariats, sich organisatorisch und ideologisch aus dem alten Prozess zu lösen. Es steht also die Frage der Differenzierung von dem bestehenden Staat, der Verselbständigung ihm gegenüber.“ (ebd., S. 116)

Die Losung der Reformisten lautete und lautet: Hinein in den Staat. Mittels des parlamentarischen Kampfs und der Teilnahme an Regierungen. „Für die revolutionären Marxisten stand die Frage des Staates ganz anders. Ihre Haltung zum Staat war bestimmt durch die prinzipielle Negierung der bestehenden bürgerlich-kapitalistischen Ordnung, deren Ausdruck der herrschende Staat war. Sie beruhte auf der Erkenntnis, dass dieser Staat das Instrument zur Sicherung dieser Ordnung ist. Es ging um den Sturz dieser Ordnung und ihres Staates. Die Aufgabe, die für die Partei der Arbeiterklasse daraus erwuchs war, das Bewußtsein der Notwendigkeit des Sturzes der bestehenden Ordnung und ihres Staates in das Proletariat hineinzutragen. Das aber hieß, das Bewußtsein des Proletariats aus der Befangenheit durch die bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse und die ihnen entspringenden ideologischen Formen herauszulösen und sein eigenes Bewußtsein, das heißt das Selbstbewußtsein seiner Klasse, in es hineinzutragen; also der bestehenden kapitalistischen Ordnung eine andere Ordnung, seine eigene, die sozialistische, entgegenzustellen; dem bestehenden Staatswillen einen anderen, den Willen zum proletarischen Staat entgegenzustellen.“ (ebd., S. 121)

Die Aufgabe, die daraus für die revolutionäre Partei erwächst ist grundverschieden von der, die sich die reformistische Partei stellt. Sie muss dem Prozess der Eingliederung der Arbeiterklasse in den bürgerlichen Staat entgegenwirken, „da für sie der Prozess der Einordnung nichts anderes ist als die Unterordnung des Bewußtseins des Proletariats unter die herrschende bürgerliche Ordnung.“ (ebd., S. 121) Die revolutionäre Partei muss das Proletariats ständig von der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung differenzieren. Dazu reicht die spontane Erhebung und der rein gewerkschaftliche Kampf nicht aus. „Die Entwicklung des Klassenbewußtseins setzt die Erkenntnis der gesamten gesellschaftlichen Zusammenhänge voraus; ohne Erkenntnis der Zusammenhänge kann die Arbeiterklasse ihre Stelle im Ganzen der Gesellschaft nicht sehen und auch nicht die richtige Praxis entwickeln. (…) Die Partei der Arbeiterklasse hat die Werkstätte zu sein, in der das Bewußtsein, das Klassenbewußtsein erarbeitet wird, sie hat der Sammelpunkt und die Hohe Schule für die Heranbildung der marxistischen Politiker zu sein. (…) Die marxistische Partei als das Kampforgan der Arbeiterklasse muss die Verkörperung der Gesetzmäßigkeit der Entwicklung sein, welche die Arbeiter als Klasse zu durchlaufen haben, um zur Herrschaft reif zu werden.“ (S. 122-123)

Dieser Prozess setzt die Verbindung von Erkenntnis und Praxis durch die Partei voraus. Während die Reformisten unter „Heranführen an den Staat“ die Eingliederung in den bürgerlichen Staat verstehen, verstanden „Marx und Lenin unter der demokratischen Taktik die Heranführung der Massen des Volks an den Staat, um diese mit dem Staat zu konfrontieren, ihre Kräfte zu formieren, ihre Kräfte im Kampf mit dem Staat zu entwickeln; mit anderen Worten: die Aufgabe der Überwindung des alten Staats durch die Praxis des Kampfs stellen.“ (S. 125) Die Auffassung der Reformisten beinhaltet die Neutralität des Staates, er habe ein über den Klassen stehendes Wesen. „Für die Revolution musste sich dies tödlich auswirken, denn ihre Konsequenz war nicht Kampf gegen den Staat, Bruch des Staates, sondern unter dem Motto seiner ‚Ausnutzung‘ und der Sicherung von ‚Ruhe und Ordnung‘ führte sie faktisch zur Beugung der Arbeiterklasse unter den Staat. War aber die Frage der Zertrümmerung des alten Staats nicht von Anbeginn als die zentrale Frage der Revolution gestellt, so war der Kampf verloren, bevor er überhaupt begonnen hatte.“ (S. 125) Der Staat der deutschen Bourgeoisie, der mit dem Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem faschistischen Staat und der Bundesrepublik verschiedene Formen angenommen hat, ist das gleiche Unterdrückungsinstrument wie 1918, der Sturz dieser Ordnung und ihres Staates ist dieselbe Notwendigkeit wie damals.

Die Novemberrevolution lehrt uns, dass die Gesetzmäßigkeiten der historischen Entwicklung durch den dialektischen Materialismus richtig erkannt werden können und es deshalb allen Grund zum Geschichtsoptimismus gibt: Die nächste Revolution wird kommen und das Proletariat wird die Kraft dieser Revolution sein. Damit es siegt, muss bereits heute alles unternommen werden, was dazu notwendig ist.

Einhundert Jahre nach der Novemberrevolution haben wir uns zum Ziel gesetzt, Klarheit in den zentralen Fragen der historischen Aufgabe der Arbeiterklasse zu schaffen. Dazu gehören unter anderem, wie auch die Novemberrevolution zeigte, der Imperialismus, der Staat und die Partei. Es ist uns aber bewußt, dass die richtige Erkenntnis und ihre Propagierung allein nicht ausreichen. Nur wenn es eigenständige, klassenorientierte Organisationsformen des Proletariats gibt, in denen die Klasse alle Zusammenhänge erkennen kann, praktische Erfahrungen sammeln kann und sich zu der Kraft formieren kann, die sie sein muss, um ihre Aufgabe zu erfüllen, werden die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Sozialismus, die Erkenntnisse des Kampfs der Arbeiterklasse sind, zur materiellen Realität und damit zum Sieg der Klasse führen. Wir wollen also Strukturen aufbauen, die überall eigenständige Formen der Klassenorganisierung ermöglichen, sei es im Betrieb, in den Gewerkschaften oder im Wohnviertel.

Damit streben wir die Formierung der Kommunistischen Partei in Deutschland an, die sich aus einem Klärungs- und Aufbauprozess entwickeln muss, um den Ansprüchen an sie gerecht zu werden.

Wir können dabei auf einen großen Schatz der Erkenntnisse, des Wissens und der Macht der Arbeiterklasse zurückgreifen und haben uns zur Aufgabe gemacht, diesen zu heben, ihn zu studieren und ihn zu verbreiten. Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bietet uns unendlich viel Material und erlebte Kämpfe, die wir uns aneignen müssen, die wir der Klasse zur Verfügung stellen müssen, die wir in jeder Form popularisieren wollen. Und schließlich wollen wir den Helden dieser Kämpfe gedenken. Wir wollen sie und ihren mutigen, entschlossenen Kampf dem Vergessen entreißen und alles von ihnen lernen, insbesondere ihre Opferbereitschaft, ihre Geduld und ihre Ungeduld, ihre Hingabe und ihre Härte. Wir nehmen diesen einhundertsten Jahrestag zum Anlass, um dem einen organisatorischen Anfang zu setzen und damit nicht mehr aufzuhören.